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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

OBERST POKROWSKY: Im Punkt 7 der allgemeinen Schlußfolgerungen der Kommission, über die ich in der vorhergehenden Sitzung berichtet habe, wird gesagt:

»Die Schlußfolgerungen, die aus den Zeugenaussagen und aus dem gerichtsmedizinischen Gutachten über die Erschießungen der kriegsgefangenen Polen durch die Deutschen im Herbst 1941 gezogen wurden, werden durch die in den Gräbern von Katyn aufgefundenen Beweisstücke und Dokumente in vollem Umfange bestätigt.

8. Indem die deutsch-faschistischen Eindringlinge die polnischen Kriegsgefangenen im Wald von Katyn erschossen, führten sie folgerichtig ihre Politik der physischen Ausrottung der slawischen Völker durch.«

Es folgen die Unterschriften aller Mitglieder der Kommission.

Mit den Massenmorden von Katyn werden die Hitler-Verbrechen an den Angehörigen der polnischen Armee nicht erschöpft. In dem Bericht der Polnischen Regierung, der von mir als Dokument USSR-93 vorgelegt wurde, finden wir im Hinblick auf die Kriegsgesetze zahlreiche Beweise über die Verletzung der einfachsten Regeln des Internationalen Rechtes durch die Hitler-Verschwörer. Auf Seite 36 dieses polnischen Berichts, das entspricht der Seite 285 Ihres Dokumentenbuches, finden wir in einem besonderen Abschnitt das gesammelte Material über die Verhöhnung der Kriegsgefangenen und ihre Ausrottung. Im Bericht heißt es; ich zitiere:

»Nach der Rückkehr der polnischen Offiziere und Mannschaften aus den deutschen Kriegsgefangenenlagern werden mehr und mehr Einzelheiten über die Behandlung in den Lagern bekannt. Alle diese Einzelheiten beweisen ohne Zweifel die allgemeine politische Linie, die Instruktionen und Verordnungen, die die polnischen Kriegsgefangenen betrafen: Mißhandlung, Bedrängnis und unmenschliche Daseinsverhältnisse waren eine allgemeine Erscheinung. Mord und schwere körperliche Verwundungen der polnischen Kriegsgefangenen waren an der Tagesordnung. Weiter unten sind Beispiele angeführt, die durch Augenzeugen festgelegt und durch die Vereidigung der Zeugen bekräftigt wurden.«

Ich werde jetzt einige Beispiele, die im polnischen Bericht aufgeführt sind, verlesen. Ich werde als erstes Beispiel die Beschreibung einer Tatsache anführen, die sich in dem provisorischen Kriegsgefangenenlager in der Stadt Bjelsk abgespielt hat. In Ihrem Dokumentenbuch befindet sich die entsprechende Stelle auf Seite 285.

»Am 10. Oktober 1939 versammelte der Kommandant des Lagers alle Internierten und forderte diejenigen, die als Freiwillige in der polnischen Armee gekämpft haben, auf, ihren Arm zu heben. Drei Kriegsgefangene erhoben die Hand. Sie wurden sofort aus den Reihen herausgeführt und in einer Entfernung von 25 m vor eine mit Maschinengewehren bewaffnete Gruppe deutscher Soldaten aufgestellt. Der Kommandant gab den Feuerbefehl. Der Kommandant sagte dann zu den Überlebenden, daß die drei Freiwilligen als Beispiel niedergeschossen wurden.«

Es ist dies nicht ein Fall von gewöhnlicher Ermordung dreier wehrloser polnischer Soldaten...

VORSITZENDER: Entschuldigen Sie, Herr Oberst, daß ich Sie unterbreche, aber Sie werden sich erinnern, daß ich in anderen Fällen die Anklagevertreter unterbrach, um sie darauf aufmerksam zu machen, daß eine Einführungsrede im Namen ihrer Delegation gemacht wurde, und daß ihre eigentliche Aufgabe darin besteht, Dokumentenmaterial vorzulesen. Sie haben soeben ein Dokument eingereicht; aus diesem Dokument geht hervor, daß drei freiwillige polnische Soldaten erschossen worden sind. Irgendwelche Randbemerkungen dazu sind meiner Meinung nach wirklich unnötig.

OBERST POKROWSKY: Ich fahre mit meinen Betrachtungen über den zweiten Auszug auf Seite 37, Punkt G, fort. Es ist Seite 226 in Ihrem Dokumentenbuch.

Im Frühjahr 1939 wurde in Kunau bei Sagan am Bober, einem Nebenfluß der Oder, das »Stalag VIII- C« errichtet. Zeugenaussagen über dieses Lager lauten wie folgt:

»Kunau war ein Lager im offenen Felde, das mit einem Stacheldrahtzaun umgrenzt war. Im Felde standen große Zelte, jedes für 180-200 Personen. Trotz bitterer Kälte (-25° C.) im Dezember 1939 waren hier keine Heizvorrichtungen angelegt. Dies hatte zur Folge, daß vielen Insassen Hände, Beine und Ohren erfroren waren. Da die Kriegsgefangenen keine Bettdecken besaßen und ihre abgetragene Uniform sie vor Kälte nicht schützte, sind Krankheiten ausgebrochen. Die schlechte Ernährung verursachte völlige Erschöpfung.

Dabei wurden die Kriegsgefangenen durch die Wachmannschaften ständig schlecht behandelt. Sie wurden bei jeder Gelegenheit geschlagen. Zwei Personen waren besonders durch Brutalität bekannt: Der Leutnant Schinke und der Oberfeldwebel Grau. Sie verabreichten den Kriegsgefangenen Ohrfeigen und schlugen sie derartig, daß sie ihnen Rippen brachen und sogar die Augen beschädigten.

Diese unmenschliche Behandlung hatte viele Selbstmorde und Krankheiten zur Folge.« Ich glaube, wir können jetzt unverzüglich zu den allgemeinen Schlußfolgerungen übergehen und zu diesem Zweck Punkt »G« auf Seite 39, in dem Dokumentenbuch Seite 287, behandeln.

»Diese Behandlung der polnischen Kriegsgefangenen, die auch die Behörden der Deutschen Wehrmacht belastet, bildet eine flagrante Verletzung der Genfer Konvention von 1929 und insbesondere der Artikel 2, 3, 9, 10, 11, 29, 30, 50, 54. Die genannte Konvention wurde von Deutschland am 21. Februar 1934 ratifiziert.«

Soldaten der jugoslawischen Armee, die von deutschen Truppen gefangengenommen wurden, sind der zügellosesten Mißhandlung der faschistischen Eindringlinge ausgesetzt worden. Mißhandlung, Folterung und Marter sowie Massenhinrichtungen wurden als Bestandteile des Systems eingeführt. Auch hier waren sich die Hitler-Verbrecher in vollem Umfang ihrer Handlungen bewußt.

Damit sie sich auf irgendeine Art und Weise vor den Augen aller Welt reinwaschen konnten, wurden die Offiziere und Mannschaften der jugoslawischen Armee als »Banditen« hingestellt, und zwar in allen Dokumenten, die sich auf die Vernichtung kriegsgefangener Jugoslawen beziehen.

Der zweite Absatz von unten auf Seite 23 des amtlichen jugoslawischen Berichts über die oben angeführte Angelegenheit lautet wie folgt, wobei ich Seite 23 des Dokuments USSR-36 anführe, ein Zitat, das sich bei Ihnen auf Seite 326 befindet:

»Überall da, wo die Deutschen sogenannte Aktionen gegen die ›Banden‹ und ›Banditen‹ zum Vorwand für die Vernichtung der Zivilbevölkerung (Frauen, Kinder und Greise) nahmen, hat es sich tatsächlich um die Nationale Befreiungsarmee und die Partisanenabteilungen gehandelt.

...unter militärischem Kommando stehend und mit deutlichen militärischen Abzeichen versehen, führten sie den bewaffneten Kampf gegen die faschistischen Okkupatoren und genossen dabei die volle Anerkennung aller Verbündeten.

Übrigens werden wir später sehen, daß selbst das deutsche Kommando in einigen seiner Dokumente diese Tatsachen ausdrücklich zugab, aber in seinem Verfahren gegenüber den jugoslawischen Kämpfern die rücksichtslose Verletzung aller Vorschriften des Internationalen Kriegsrechtes fortsetzte.«

Als weitere Bestätigung lege ich dem Gerichtshof Dokument USSR-305 vor, dem die nach Artikel 21 des Statuts über die Zulässigkeit von Beweismaterial rechtsgültige Form gegeben wurde. Es handelt sich um einen Auszug aus einem Bericht der jugoslawischen Staatskommission für die Feststellung von Verbrechen, die von den Besatzungstruppen und ihren Helfershelfern begangen worden sind. Die Staatskommission erklärt, daß sie einen Geheimbericht des Generalleutnant Hößlin, des Befehlshabers der 188. Gebirgs-Infanterie-Reserve-Division, besitze, der die Nummer 9070/44 trüge. Der Bericht ist aus Erwägungen, über die ich Ihnen, meine Herren Richter, beim Verlesen des Dokuments USSR-305 Mitteilung machen werde, von größter Bedeutung. Ich zitiere:

»Obwohl der Bericht anläßlich der Kampfbewegungen mit unseren Divisionen, Brigaden und Abteilungen diese mit ihrem richtigen Namen und mit richtigen Nummern nennt, wird in ihm unsere Armee konsequent mit dem Sammelnamen ›Banditen‹ bezeichnet, und zwar aus dem offenbaren Grunde, um ihr die völkerrechtlichen Vorteile einer kriegführenden Partei zunehmen und um auf diese Weise Kriegsgefangene erschießen, Verwundete töten und weiterhin um den Vorwand für Vergeltungsmaßnahmen gegen die nichtkämpfende und ruhige Bevölkerung, wegen angeblicher Zusammenarbeit mit dem ›Banditentum‹, aufrechterhalten zu können.

Generalleutnant Hößlin gibt zu, daß die Kampfgruppe des Obersten Christel nach ›nächtlichen Zusammenstößen mit nur schwachen Banditenkräften‹, so lautet wörtlich der Bericht, die Orte Laskowitz, Lazna, Lokwa und Cepowan niedergebrannt und ein Lazarett vernichtet hat.

Im Bericht des Generals Hößlin wird weiter gesagt, daß sie, zusammen mit dem 3. Brandenburger Regiment und anderen deutschen Militär- und Polizeieinheiten, an der (wörtlich) ›freien Jagd auf Banditen in der Umgebung von Klana‹, (Aktion Ernst) teilgenommen haben...«

Ich lege Ihnen Dokument USSR-132, Seite 363 Ihres Dokumentenbuches, vor. Es stellt einen Auszug aus den Richtlinien des Generalmajors Kübler dar und betrifft das Verhalten der Truppen im Einsatz. Dieser Auszug ist von der jugoslawischen Staatskommission beglaubigt. Ich verlese diese Auszüge.

»Geheim. 118. Jäger-Division Abteilung I c Br.B.Nr. 1418/43 geh. Div.St.Qu. 12. 5. 43.

Richtlinien über das Verhalten der Truppe im Einsatz.

2) Gefangene.

Wer sich offen am Kampf gegen die Deutsche Wehrmacht beteiligt hat und gefangen wird, ist nach Vernehmung zu erschießen.«

Ferner überreiche ich dem Gerichtshof das Dokument USSR-304. Diese Nummer wurde einem Auszug aus dem Bericht Nummer 6 der jugoslawischen Staatskommission zur Feststellung der von den Besatzungsstreitkräften und deren Helfershelfern verübten Verbrechen gegeben.

Im letzten Absatz des Dokuments USSR-304, Seite 2 des russischen Textes, Seite 365 Ihres Dokumentenbuches, steht folgendes:

»Am 3. Mai 1945 schafften die Deutschen aus einem Partisanenkrankenhaus 35 Kranke und Krankenwärter gebunden fort. Zehn Kranke, die nicht gehen konnten, wurden einfach aufgestellt, erschossen, auf einen Haufen geschichtet, mit Holz bedeckt und angezündet.«

Als Dokument USSR-307 überreiche ich noch einen anderen Auszug aus dem Bericht Nummer 6 derselben Staatskommission. Dieser Auszug befindet sich auf den Seiten 85 bis 115 des ersten Buches, der betitelt ist: »Denkschrift über Verbrechen, die von den Besatzungsstreitkräften und ihren Helfershelfern begangen worden sind.« Ich werde nunmehr einen Titel dieses Auszuges verlesen:

»Am 5. Juni 1944 haben Hitler-Verbrecher zwei Soldaten aus der jugoslawischen Freiheitsarmee und slowenischen Partisanenabteilungen gefangen genommen. Sie brachten sie nach Razori, wo sie ihre Gesichter mit Bajonetten verstümmelten, ihnen die Augen ausstachen und sie dann fragten, ob sie nun den Genossen Tito sehen könnten. Daraufhin riefen sie die Bauern zusammen und köpften die beiden Opfer... Nachher legten sie die Köpfe auf einen Tisch.«

Unter Anwendung ihres üblichen Verfahrens, die Leichen ihrer Opfer zu photographieren, nahmen die Faschisten Bilder auf. In dem von mir zitierten Auszug heißt es dann weiter:

»Später, nach einem Kampf, wurden bei einem gefallenen Deutschen die Photoaufnahmen beschlagnahmt, aus denen die oben geschilderte Begebenheit in Razori ersehen werden kann.«

Diese Bilder werden dem Gerichtshof, zusammen mit anderem jugoslawischen photographischen Beweismaterial, vorgelegt werden.

Ich überreiche dem Gerichtshof als Dokument USSR-65 (a) eine Bekanntmachung, die von dem Kommandeur der SS- und Polizeiabteilung des 18. militärischen Bereiches, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Rösener unterzeichnet ist.

Ich werde einen Teil dieser Bekanntmachung verlesen. Daraus werden Sie ersehen können, daß gefangengenommene Mitglieder der jugoslawischen Wehrmacht gehängt oder erschossen wurden. Das von mir zitierte Dokument werden Sie auf Seite 367 des Dokumentenbuches finden:

»Anläßlich verschiedener Kampfhandlungen zwischen...Polizeikräften und«

Hier überspringe ich einige Sätze, in denen diese Kämpfe zwischen der Polizei und den jugoslawischen Einheiten beschrieben werden.

»...wurden in letzter Zeit 18 Banditen im Kampf erschossen und eine größere Anzahl gefangengenommen.

Von den Gefangenen wurden nachstehend aufgeführte Banditen am 30. Juni 1942 in Stein öffentlich gehängt:«

Es folgen nun in dieser Bekanntmachung die Namen von acht jugoslawischen Kämpfern im Alter von 21 bis 40 Jahren, die ich nicht verlese. Auf Seite 36 unseres Dokuments USSR-36, Seite 339 des Dokumentenbuches, lesen wir im ersten Absatz von unten:

»Wir können ähnliche Berichte in den beschlagnahmten amtlichen Aufzeichnungen über die Stabskonferenzen des Gauleiters Uiberreither finden.«

So zum Beispiel enthalten die Aufzeichnungen über die am 23. März 1944 abgehaltene Konferenz folgendes:

»Heute wurden in Maribor 15 Banditen hingerichtet.«

Ich lasse einige Sätze aus.

In den Aufzeichnungen vom 27. Juli 1942 heißt es:

»In letzter Zeit wurden viele Mitglieder der Banden er schossen.«

In den Aufzeichnungen über die Konferenz vom 21. Dezember 1942 heißt es unter anderem:

»Seit Beginn der Bandentätigkeit im Juli 1941 sind 164 Banditen durch Kräfte der Ordnungspolizei und 1043 im Sonderverfahren erschossen worden.«

Die Aufzeichnungen vom 25. Januar 1943 stellen fest:

»Die Anzahl der Bandenmitglieder, welche am 8. Januar 1943 durch die Sipo und die Ordnungspolizei liquidiert wurden, beträgt 86, die Verwundeten und Gefangenen eingeschlossen, von diesen wurden 77 hingerichtet.«

Derartige Aufzeichnungen enthält jedes Protokoll der von Uiberreither abgehaltenen Konferenzen.

Ein Teil der Kriegsgefangenen, die der sofortigen Vernichtung entgingen, wurde in besondere Lager verbracht, in denen sie langsam durch Hunger und aufreibende Arbeit vernichtet wurden. Ich verlese nunmehr den letzten Absatz auf Seite 37 des Berichts der Jugoslawischen Regierung, der zuvor von mir erwähnt und als Dokument USSR-36 dem Gerichtshof vorgelegt wurde. Es ist Seite 340 des Dokumentenbuches:

»Ein solches Lager wurde im Jahre 1942 in Osen bei Rognan errichtet. Hierher wurden etwa 1000 jugoslawische Kriegsgefangene gebracht. Im Laufe einiger Monate sind durch Krankheit, Hunger, körperliche Mißhand lung und unmittelbare Tötungen alle bis zum letzten Mann umgekommen. Sie mußten alltäglich schwerste Arbeiten auf Landstraßen und Dämmen verrichten. Die Arbeitszeit dauerte von Tagesanbruch bis 6.00 Uhr abends, und zwar unter den furchtbarsten klimatischen Bedingungen im hohen Norden Norwegens. Während der Arbeit wurden die Gefangenen fortwährend geprügelt und waren im Lager ununterbrochenen Mißhandlungen ärgster Art ausgesetzt.

So ordneten zum Beispiel im August 1942 die deutschen Lagerorgane an, daß sich alle Gefangenen des Haarwuchses in den Achselhöhlen und an den Geschlechtsorganen zu entledigen hätten. Wer dies nicht täte, würde erschossen. Obwohl man wußte, daß die Gefangenen kein Rasierzeug besaßen, wurde ihnen keines geliefert. So mußten die Gefangenen die ganze Nacht hindurch sich selbst und einander die Haare ausreißen. Trotzdem wurden in der Frühe durch deutsche Posten vier Gefangene erschossen und drei verwundet.

Am 26. November 1943 drangen die deutschen Soldaten nachts ins Revier ein, führten 80 kranke Gefangene in den Hof, entkleideten sie trotz der furchtbaren Kälte vollkommen und erschossen sie. Am 26. Januar 1943 starben infolge erlittener Prügel weitere 50 Gefangene unter schwersten Qualen. Während des ganzen Winters wurden zahlreiche Kriegsgefangene derart getötet, daß sie ganz nackt bis zur Hälfte im Schnee eingegraben und von oben mit Wasser begossen wurden. So machte man aus ihnen ›Eisfiguren‹. Es ist festgestellt, daß in diesem Lager auf verschiedene Weise 880 jugo slawische Kriegsgefangene getötet wurden.«

Ferner enthält das Beweisstück USSR-36 auf Seite 38 Angaben über die Erschießung jugoslawischer Kriegsgefangener im Lager Bajsfjord, Norwegen. Als am 10. Juli 1942 eine Flecktyphusepidemie in diesem Lager ausgebrochen und sich auf weitere sechs Lager verbreitet hätte, fanden die Deutschen zur Bekämpfung der Epidemie keinen anderen Ausweg, als alle Patienten zu erschießen. Dies geschah am 17. Juli 1942. Auf derselben Seite 38 wird auf einen norwegischen Bericht vom 22. Januar 1942 Bezug genommen, der nach Aussagen norwegischer Wachen, die aus dem Lager Bajsfjord geflohen waren, zusammengestellt ist. In diesem wird festgestellt, daß von 900 jugoslawischen Kriegsgefangenen 320 erschossen, während der Rest zwecks Isolierung nach einem anderen Lager, Bjerfjel, verlegt wurde. Ich verlese jetzt Seite 38 des Beweisstückes USSR-36 und beginne mit dem fünften Absatz von unten; die von mir zu verlesende Stelle werden Sie auf Seite 341 des Dokumentenbuches finden:

»Als hier wieder Flecktyphus auftrat, wurden im Laufe der folgenden 5-6 Wochen durchschnittlich 12 Menschen am Tage erschossen. Ende August 1942 kehrten insgesamt 350 Gefangene nach Bajsfjord zurück. Die deutschen SS-Truppen setzten die weitere Vernichtung fort. Schließlich blieben nur noch 200 Menschen am Leben, die in das Lager Osen überführt wurden.«

Ich lasse 2 Absätze aus und gehe zum letzten Abschnitt über, der sich auf derselben Seite befindet:

»Am 22. Juni 1943 erreichte ein Transport mit 900 jugoslawischen Gefangenen Norwegen. Der Transport bestand hauptsächlich aus Intellektuellen, ferner aus Arbeitern und Bauern, die teilweise Gefangene des ehemaligen jugoslawischen Heeres, teilweise gefangene Partisanen oder sogenannte ›politisch verdächtige Elemente‹ waren. Ein Teil, etwa 400, wurde in dem noch nicht ganz ausgebauten Lager Korgen untergebracht, die zweite Gruppe von etwa 500, 10 bis 20 km weiter, in Osen. Kommandant beider Lager war zur gleichen Zeit SS-Sturmbannführer Dolps, und zwar vom Juni 1942 bis Ende März 1943...

Die Leute starben allmählich vor Hunger. In den Baracken, die normalerweise für 6 Personen bestimmt waren, wurden 45 Personen untergebracht... Arzneien gab es gar keine.... Sie arbeiteten unter schwersten Verhältnissen...auf den Landstraßen, bei größter Kälte, ohne Kleider und Mützen, in Wind und Regen, alltäglich 12 Stunden....

Im Lager Osen schliefen die Kriegsgefangenen ständig nur in Hemden, ohne Unterhosen, ohne irgendwelche Decken auf nackten Brettern. Dolps persönlich besichtigte und kontrollierte die Baracken. Die Gefangenen, die in ihrem Unterzeug schliefen, erschoß er an Ort und Stelle mit seiner Maschinenpistole. Ebenso ging er mit jenen vor, die bei der Besichtigung in Reih und Glied, die er selbst durchführte, unreine Unterwäsche anhatten...

Gegen Ende des Jahres 1942 waren von der ersten Gruppe von 400 Gefangenen in Korgen nur noch 90 am Leben... Von den 500 Gefangenen, die Ende Juni 1942 nach Osen gebracht wurden, lebten im März 1943 nur noch 30.«

Ich werde jetzt einen Auszug von Seite 39 des Beweisstückes USSR-36 verlesen und beginne mit dem dritten Absatz von unten. Die Stelle befindet sich auf Seite 342 des Dokumentenbuches:

»Nebst diesem grausamen Verfahren gegenüber den gefangenen Kämpfern der nationaljugoslawischen Befreiungs-Armee und der Partisanenabteilungen behandelten die Deutschen auch die jugoslawischen Kriegsgefangenen des alten jugoslawischen Heeres vollkommen völkerrechtswidrig und in deutlichem Gegensatz zu den Vorschriften des Genfer Abkommens von 1929 über die Behandlung von Kriegsgefangenen.

Im April 1941, sofort nach der Besetzung des jugoslawischen Gebietes, brachten die Deutschen etwa 300000 Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere als Kriegsgefangene nach Deutschland. Die staatliche jugoslawische Kommission besitzt zahlreiche Beweise über die Mißhandlung und das rechtswidrige Verfahren gegenüber diesen Kriegsgefangenen. Wir führen hier nur einige Beispiele an:

So wurden zum Beispiel am 14. Juli 1943 im SS-Offizierslager in Osnabrück 740 kriegsgefangene jugoslawische Offiziere von den anderen abgesondert und in ein spezielles Straflager, ›Lager D‹ genannt, verbracht. Hier wurden alle in vier Baracken gestopft. Es wurde ihnen jede Berührung mit den übrigen Teilen des Lagers untersagt. Die Behandlung verstieß ihnen gegenüber in noch viel stärkerem Maße gegen das Abkommen, als dies gegenüber den anderen Kriegsgefangenen der Fall war.

In diesem Straflager befanden sich solche Offiziere, die deutscherseits als Anhänger der nationalen Befreiungsbewegung betrachtet wurden. Oft kamen ihnen gegenüber auch kollektive Strafmaßnahmen zur Anwendung.

Die Deutschen spielten mit dem Leben der Kriegsgefangenen und schossen oft auf sie aus reinstem Übermut. Im schon erwähnten Lager Osnabrück schoß am 11. Januar 1942 ein deutscher Posten auf eine Gruppe von Kriegsgefangenen und verwundete den Hauptmann Peter Nozinic schwer. Am 22. Juli 1942 schoß ein Posten auf eine Gruppe von Offizieren. Am 2. September 1942 schoß wieder ein Posten, diesmal auf den jugoslawischen Oberleutnant Vladislav Vajs, welcher infolge der Verwundung dauernd Invalide blieb. Am 22. September 1942 schoß ein Posten aus dem Wachturm in eine Gruppe von Offizieren, die aus den Fenstern ihrer Baracke vorbeigehende englische Kriegsgefangene betrachteten. Am 20. Februar 1942 schoß ein Posten auf einen kriegsgefangenen Offizier nur deshalb, weil dieser rauchte. Am 11. März 1943 schoß ein Posten durch die Tür in eine Baracke hinein und tötete bei dieser Gelegenheit den kriegsgefangenen General Dimitrij Pavloviè. Am 21. Juni 1943 schoß ein Posten auf den jugoslawischen Oberstleutnant Branko Popanic. Am 26. April 1944 schoß ein deutscher Unteroffizier namens Richards auf den Oberleutnant Wladislav Gaider, der kurze Zeit darauf an der erhaltenen Wunde starb.

Am 26. Juni 1944 schoß der deutsche Hauptmann Kuntze auf 2 jugoslawische Offiziere und verwundete dabei den Oberleutnant Djordjevic schwer.

Alle diese Schießereien erfolgten ohne irgendwelchen ernsten Grund und Anlaß, lediglich als Folge der grausamen Befehle der deutschen Lagerkommandanten, nach denen auch im Fall ganz unbedeutender Vergehen, ja sogar auch ohne ein solches, die Waffe benutzt werden sollte.

Alle erwähnten Fälle sind aus einem einzigen Lager. Ebenso ging es in allen anderen Lagern der kriegsgefangenen jugoslawischen Offiziere und Soldaten zu.«

Ein gewisser Zwischenfall wird im Bericht der Tschechoslowakischen Regierung beschrieben, den ich hier gern erwähnen möchte. Dieser Zwischenfall ist nicht dadurch charakteristisch, daß er neues Licht auf die Methoden der faschistischen Verbrecher wirft, sondern, daß er zu einer Zeit erfolgte, in der die Hitler-Faschisten bereits klar erkannten, daß ihre Tage gezählt waren. Dieser Zwischenfall ist im Anhang 4 zum tschechoslowakischen Regierungsbericht geschildert, und ich werde ihn kurz mit eigenen Worten beschreiben.

In Gawlichkow Brod befand sich ein Flugfeld, auf dem militärische Dienststellen untergebracht waren, während die frühere Irrenanstalt als SS-Lazarett verwendet wurde. Als die Frage über die Formalitäten der Kapitulation der deutschen militärischen Einheiten auf dem Flugfeld im Jahre 1945 akut wurde, begaben sich als amtliche Vertreter der tschechischen Armee der Stabskapitän Sula mit einem seiner Offizierskameraden zu diesem Flugfeld. Keiner von ihnen kehrte jemals zurück. Einige Zeit danach wurde das Flugfeld und das Lazarett von tschechischen Einheiten besetzt und eine Untersuchung vorgenommen. Diese zeigte, daß die Parlamentäre zusammen mit sechs anderen Personen, die schon früher in Gawlichkow Brod verschwunden waren, von den Deutschen in das SS-Lazarett verbracht worden waren, wo sie grausamen Folterungen unterworfen worden sind. Dem Hauptmann Sula schnitten die Deutschen die Zunge heraus, stachen ihm die Augen aus und schnitten seine Brust auf. Die anderen wurden ähnlich behandelt. Den meisten wurden die Geschlechtsorgane abgeschnitten.

Ich verfüge über photographisches Beweismaterial, das diese Tatsachen bekräftigt und das ich dem Gerichtshof vorlegen werde.

Meine Ausführungen haben mehrere Stunden in Anspruch genommen. Selbstverständlich reichen weder Zeit noch Worte der lebenden menschlichen Sprache aus, um auch nur einen tausendsten Teil der Leiden zu schildern, die die Kämpfer meines Landes und anderer demokratischer Nationen, die das Unglück hatten, in die Hände der faschistischen Henkersknechte zu fallen, erleiden mußten.

Ich konnte dem Gerichtshof nur in stark zusammengefaßter Form die Art und Weise zeigen, in der die kannibalischen faschistischen Befehle ausgeführt wurden, die die Mißhandlung von Kriegsgefangenen und deren Massenhinrichtung betrafen, und die alle Schrecken des Mittelalters in den Schatten stellen.

Wir wollen hier versuchen, die Lücke ein wenig auszufüllen. Zehntausende von Zeugen werden an Ihnen vorüberziehen. Sie haben den Ruf erhalten, vor Gericht zu erscheinen, um in diesem Verfahren ebenfalls ihren Beitrag zu liefern. Ich kann sie nicht mit Namen nennen, und Sie werden sie nicht vereidigen, jedoch sind ihre Aussagen über jeden Zweifel erhaben, denn die Toten lügen nicht. Ein großer Teil der Filme über deutsche Greueltaten, die von der Sowjetischen Anklagebehörde vorgeführt werden, beziehen sich auf Verbrechen gegen Kriegsgefangene. Die stummen Zeugenaussagen der lebendig in den Lazaretten Verbrannten, der durch Martern bis zur Unkenntlichkeit Verstümmelten, der dem Hungertode Überlassenen, werden, dessen bin ich sicher, stärker als irgendeines meiner Worte sein. Die Hände der Angeklagten sind mit dem Blut der Opfer von Rostow und Charkow, der Märtyrer von Auschwitz und anderer von den Hitler-Banditen geschaffenen Vernichtungslager besudelt.

Der Feind hat unser Land in der niederträchtigsten Weise angegriffen, Völker griffen zu den Waffen, um ihre Heimat, ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit, die Ehre und das Leben ihrer Familien zu verteidigen. Sie schlossen sich den Reihen der Kämpfer an. Sie kämpften und fielen in die Hände des Feindes. Sehen Sie sich an, wie der Feind sie verhöhnte, als sie keine Waffen mehr in Händen hatten!

Die Hauptschuldigen an den faschistischen Verbrechen müssen sich jetzt vor den Märtyrern für die unbeschreiblichen Greueltaten verantworten, die Sie selbst sehen werden, sowie für viele ähnliche Verbrechen, von denen wahrscheinlich niemand mehr etwas erfahren wird; sie werden die ganze Strenge des Internationalen Gesetzes von Rechts wegen zu spüren bekommen.

Gestatten Sie mir, dem Gerichtshof den Justizrat erster Klasse der Hauptanklagevertretung der Sowjetunion L. N. Smirnow, vorzustellen, der Ihnen Beweise zum Thema: »Verbrechen gegenüber der friedlichen Bevölkerung« vorlegen wird.

OBERJUSTIZRAT L. N. SMIRNOW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Meine Herren Richter! Meine Aufgabe besteht darin, Ihnen schriftliche Dokumente und andere gerichtliche Beweise vorzulegen, die die von den Hitler-Verschwörern begangenen schwersten Verbrechen gegen die friedliche Bevölkerung der vorübergehend besetzten Gebiete der USSR, Jugoslawiens, Polens und der Tschechoslowakei bestätigen.

Die Sowjetanklage verfügt über eine Unmenge derartiger Beweise.

Es genügt, darauf hinzuweisen, daß sich allein in den Akten der Außerordentlichen staatlichen Kommission für die Feststellung und Untersuchung der Greueltaten der deutsch-faschistischen Eindringlinge und ihrer Helfershelfer 54 784 Vorgänge über die Greueltaten der Hitler-Verbrecher gegen die friedlichen Bürger der Sowjetunion befinden.

Aber auch diese Dokumente umfassen noch lange nicht alle von den Kriegsverbrechern gegen die friedliche Bevölkerung begangenen Greueltaten.

Die Sowjetanklage behauptet, und ich bringe dem Gerichtshof dafür Beweise, daß längs der ganzen Riesenfront von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer, überall, wo deutsch-faschistische Horden meine Heimat betreten haben, überall, wo nur ein deutscher Soldat oder ein SS-Mann aufgetreten ist, unerhörte, grausame Verbrechen begangen worden sind, deren Opfer friedliche Menschen, Frauen, Kinder und Greise waren.

Die Greueltaten der deutsch-faschistischen Verbrecher wurden jeweils mit dem Vorrücken der Roten Armee nach dem Westen aufgedeckt. Die Protokolle über die von den Hitler-Räubern gegen die friedliche Bevölkerung begangenen Verbrechen wurden von Offizieren der Vorausabteilungen der Roten Armee, von den Ortsbehörden und von den öffentlichen Organisationen aufgenommen.

Die Sowjetbevölkerung erfuhr zuerst von den Verbrechen der deutsch-faschistischen Eindringlinge nicht aus den Rundschreiben der Befehlshaber der Deutschen Wehrmacht, nicht aus den Anweisungen der Reichsleiter oder den Instruktionsschreiben der SS-Obergruppenführer, die mit den laufenden Nummern der entsprechenden Kanzleien versehen waren, allerdings wurden solche Dokumente in großer Zahl von den vorrückenden Truppenteilen der Roten Armee erbeutet und stehen der Sowjetanklage zur Verfügung, sondern aus ganz anderen Quellen; als die Soldaten der Befreiungsarmee in ihre Heimatorte zurückkehrten, da fanden sie viele Dörfer und Städte, die von den Hitler-Horden in »Wüstenzonen« verwandelt worden waren.

Vor den Massengräbern der durch »typische deutsche Methoden« ermordeten Sowjetbürger, ich werde später dem Gerichtshof Beweismaterial über diese Methoden und über die Regelmäßigkeit ihrer Anwendung vorlegen, vor den Galgen, an denen die Körper der Jugendlichen hingen, vor den Öfen der gigantischen Krematorien, wo die in den Vernichtungslagern Ermordeten verbrannt wurden, vor den Leichen der Frauen und Mädchen, die dem Sadismus der faschistischen Banditen zum Opfer gefallen waren, vor den in zwei Teile zerrissenen Kinderleichen, – überall dort erkannten die Sowjetbürger das Ziel der Verbrechen, die, wie in der Rede des Hauptanklägers der USSR richtig gesagt wurde, »sich vom Ministersessel bis zu den Händen des Henkers erstreckten«.

Diese ungeheuerlichen Greueltaten wurden nach einem eigenen verbrecherischen System begangen. Es gab einheitliche Methoden der Tötung: überall die gleiche Einrichtung der Gaskammern, die gleichen Massenstanzen der runden Büchsen mit dem Giftstoff »Zyklon A« oder »Zyklon B«, die nach den gleichen Serienentwürfen gebauten Krematoriumsöfen, die gleiche Planung der »Vernichtungslager«, der gleiche Bau der übelriechenden »Todesmaschinen«, die von den Deutschen »Gaswagen«, von unseren Leuten »Seelentöter«, »Duschegubka« genannt wurden, die technische Ausarbeitung der Konstruktion der Wandermühlen zur Vermahlung der Menschenknochen, das alles zeugte von dem Vorhandensein des einheitlichen bösen Willens, der die einzelnen Mörder und Henker vereinte.

Es wurde klar, daß es die deutschen Wärmetechniker und Chemiker, Baumeister und Toxikologen, Mechaniker und Ärzte waren, die sich nach den Anweisungen der verbrecherischen Hitler-Regierung und unter der Leitung der Deutschen Wehrmacht mit der Rationalisierung des Massenmordes befaßten.

Es wurde klar, daß die »Todesfabriken« zahlreiche Zweige der Hilfsindustrie ins Leben gerufen haben.

Aber die Einheitlichkeit des bösen Willens offenbarte sich nicht nur dort, wo die Spezialtechnik den Zwecken der verbrecherischen Tötung diente.

Diese Einheitlichkeit des bösen Willens offenbarte sich auch in der Einheitlichkeit der von den Anführern der Greueltaten verwendeten Methoden, in der Einheitlichkeit der Technik der Menschentötung, auch dort, wo keine besonderen technischen Mordeinrichtungen, sondern die in der deutschen Armee üblichen Waffen benutzt wurden.

Aus diesen Beweisen, die ich später vorlegen werde, werden Sie ersehen, daß die Gräber von Opfern der Deutschen im Norden wie im Süden des Landes von sowjetischen Gerichtsärzten geöffnet wurden. Die Gräber lagen oft Tausende von Kilometern voneinander entfernt, und es war klar, daß die Verbrechen von verschiedenen Personen begangen sein mußten; aber die Methoden der Verbrechen waren überall die gleichen. Die Verwundungen befanden sich an der gleichen Stelle. Die als Antitankgräben oder Schützengräben getarnten gigantischen Gruben wurden in genau derselben Weise hergerichtet. Die Mörder gebrauchten fast genau dieselben Ausdrücke, wenn sie den zur Erschießung vorgeführten waffen- und schutzlosen Menschen befahlen, sich auszuziehen und sich mit dem Gesicht nach unten in die vorher ausgehobenen Gruben zu legen. Ganz gleich, ob das in den Sümpfen von Weißrußland oder in den kaukasischen Vorgebirgen geschah, überall wurde die erste Schicht der Erschossenen mit Chlorkalk bestreut, dann zwangen die Mörder die verurteilten hilflosen Menschen, sich auf die erste Reihe der Toten zu legen, die mit einer blutgemischten ätzenden Masse bedeckt waren.

Dadurch wird nicht nur die Einheitlichkeit der von oben erhaltenen Anweisungen und Befehle erwiesen. Die Methoden der Henker waren derart einheitlich, daß klar ersichtlich wurde, wie die Mörder in besonderen Schulen vorbereitet wurden, wie methodisch alles, von dem Befehl, sich vor der Erschießung auszuziehen bis zur Tötung selbst, vorausgesehen und besprochen worden ist. Diese auf der Analyse der Tatsachen beruhenden Vermutungen wurden später durch die von der Roten Armee aufgefundenen Dokumente und durch Zeugenaussagen vollauf bestätigt.

Bereits in den ersten Kriegsmonaten wurde es der Sowjetregierung klar, daß die unzähligen Verbrechen der deutsch-faschistischen Angreifer gegen den friedlichen Bürger unserer Heimat keine Übergriffe undisziplinierter Truppen oder vereinzelte Übeltaten einzelner Offiziere oder Soldaten waren: es war vielmehr ein vorgesehenes System, ein System, das von der verbrecherischen Hitler-Regierung nicht nur sanktioniert, sondern von ihr mit Vorbedacht organisiert worden war und mit allen Mitteln gefördert wurde.

Dem Gerichtshof ist bereits als unumstößliches, und dem Artikel 21 des Statuts entsprechendes Beweisstück, die Note des Volkskommissars für die auswärtigen Angelegenheiten der USSR, V. M. Molotow, vom 6. Januar 1942 als Dokument USSR-51 vorgelegt worden. Dieses Dokument befindet sich auf Seite 1 Ihrer Dokumentenmappe. Ich zitiere vom Absatz 3 am Anfang der Note:

»Als die Rote Armee im Zuge ihrer fortdauernden erfolgreichen Gegenoffensive eine Reihe von Städten und ländlichen Ortschaften befreite, die sich vorübergehend in den Händen der deutschen Eindringlinge befunden haben, da trat ein beispielloses Bild hervor, und dieses Bild wird mit jedem Tag immer deutlicher, das Bild der an allen Orten erfolgten Plünderungen, der allgemeinen Zerstörung, gemeiner Gewalttaten, Schandtaten und Massenmorde, die von den faschistischen deutschen Okkupanten bei ihrer Offensive, während der Okkupation und bei ihrem Rückzug an der friedlichen Zivilbevölkerung verübt worden sind. Zahlreiches Dokumentenmaterial, über das die Sowjetregierung verfügt, bezeugt, daß die Ausplünderung und Vernichtung der Be völkerung die von bestialischen Gewalttaten und Massenmorden begleitet waren, in allen Gebieten verübt wurden, die unter die Stiefel der deutschen Eindringlinge geraten sind. Unumstößliche Tatsachen bezeugen, daß das Regime des Raubes und des blutigen Terrors gegen die friedliche Bevölkerung der besetzten Dörfer und Städte nicht aus irgendwelchen Exzessen einzelner undisziplinierter Truppenteile oder einzelner deutscher Offiziere und Soldaten besteht. Es stellt vielmehr ein bestimmtes System dar, das im voraus geplant und von der Deutschen Regierung und der deutschen Armeeführung gefördert wurde und in ihrer Armee, unter den Offizieren und Soldaten, mit Vorbedacht die niedrigsten tierischsten Instinkte entfesselte.

Jeder Schritt der faschistischen deutschen Armee und ihrer Bundesgenossen auf den von ihnen besetzten Sowjetterritorien in der Ukraine und der Moldau, in Weißrußland und Litauen, in Lettland und Estland, auf karelisch-finnischem Territorium, in den russischen Kreisen und Bezirken zieht die Zerstörung und Vernichtung zahlloser materieller und kultureller Werte unseres Volkes nach sich, er bringt der Zivilbevölkerung den Verlust des in zäher Arbeit erworbenen Eigentums, die Aufrichtung eines Zwangsarbeitsregimes, Hungersnöte und blutige Gemetzel, vor deren Schrecken die furchtbarsten Verbrechen verblassen, die die menschliche Geschichte jemals gekannt hat.

Die Sowjetregierung und ihre Organe führen ausführlich Buch über alle diese frevelhaften Verbrechen der Hitler-Armee, für die das tief empörte Sowjetvolk be rechtigterweise Vergeltung fordert und auch erhalten wird.

Die Sowjetregierung hält es für ihre Pflicht, der ganzen zivilisierten Menschheit und allen ehrlichen Menschen in der ganzen Welt ihre Erklärung zu den Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, durch die die ungeheuerlichen Verbrechen der Hitler-Armee gegenüber der friedlichen Bevölkerung in dem von den Deutschen besetzten Territorium der Sowjetunion charakterisiert werden.«

Ich verlese jetzt den zweiten, vierten und fünften Absatz dieser Note. Die Herren Richter können diese Stelle auf der Rückseite der vierten Seite des zitierten Dokuments, im fünften Absatz der ersten Spalte des Textes finden.

»Die Hitler-Regierung Deutschlands, die die Sowjetunion wortbrüchig überfallen hat, nimmt in ihrem Krieg keine Rücksicht auf irgendwelche völkerrechtlichen Normen oder auf irgendwelche Forderungen der menschlichen Moral. Sie führt Krieg vor allem gegen die friedliche und unbewaffnete Bevölkerung, gegen Frauen, Kinder und Greise, wodurch sie ihr niederträchtiges Räuberwesen offenbart. Diese Räuberregierung, die nur Gewalt und Raub anerkennt, muß durch die alles zermalmende Kraft der freiheitliebenden Völker zerschmettert werden, in deren Reihen die Sowjetvölker ihre große Befreiungsaufgabe bis zu Ende durchführen werden.

Indem die Sowjetregierung alle diese von den deutschen Eindringlingen verübten Bestialitäten allen Re gierungen, mit denen die Sowjetunion diplomatische Beziehungen unterhält, zur Kenntnis bringt, erklärt sie, daß sie die gesamte Verantwortung für diese unmenschlichen und räuberischen Handlungen der deutschen Truppen der verbrecherischen Hitler-Regierung Deutschlands auferlegt.

Gleichzeitig hiermit erklärt die Regierung der Sowjetunion mit unerschütterlicher Zuversicht, daß der Befreiungskampf der Sowjetunion ein Kampf für die Rechte und die Freiheit nicht nur der Völker der Sowjetunion, sondern auch für die Rechte und Freiheit aller übrigen freiheitliebenden Völker der Welt ist und daß dieser Krieg nur enden kann mit der völligen Zertrümmerung der Hitler-Truppen und mit dem vollen Sieg über die Hitler-Tyrannei.«

Die zahlreichen Dokumente, die ich dem Gerichtshof vorlegen muß, machen ein sehr genaues System bei der Vorlage dieses Materials erforderlich.

Dem Gerichtshof werden nacheinander Beweisstücke vorgelegt werden über:

1) Die bewußte Auslösung der niedrigsten Instinkte bei deutschen Soldaten und Offizieren und bei den in die östlichen Gebiete entsandten Amtspersonen, die durch die Hauptkriegsverbrecher zu Morden und Gewalttaten gegen die friedliche Bevölkerung angestiftet wurden. Diese Hauptkriegsverbrecher schufen eine Atmosphäre der Unverantwortlichkeit und legalisierten die Terrorherrschaft.

2) Die besondere Erziehung und Auslese des zur Durchführung der Massenmorde und der Terrorherrschaft gegen die friedliche Bevölkerung bestimmten Personals.

3) Den Umfang der Verbrechen, den Grad und das ungeheure Ausmaß der deutsch-faschistischen Greueltaten.

4) Die allmähliche Entwicklung und Vervollkommnung der Methoden der Verwirklichung dieser unerhörten Verbrechen von den ersten Erschießungen bis zur Schaffung der »Vernichtungslager«.

5) Die Versuche der Tarnung der Spuren der Verbrechen und die durchgeführten besonderen Maßnahmen auf Grund von Befehlen der höchsten Stellen.

Ich gehe jetzt zur Vorlage der Dokumente über, die sich auf die beiden ersten Punkte dieser Aufstellung beziehen.

Dem Gerichtshof wurden bereits die Beweise dafür vorgelegt, daß die tatsächlichen Befehle, Rundschreiben und sogenannten »Gesetze«, die von den Hitler- Verbrechern zur Legalisierung des Terrors gegen die friedliche Bevölkerung und zur Rechtfertigung der Morde und Gewalttaten herausgegeben wurden, in unmittelbarem Zusammenhang mit den unmenschlichen »Theorien« des Faschismus stehen. Der Hauptanklagevertreter der USSR hat zweimal das Buch von Hermann Rauschning, dem früheren Staatspräsidenten von Danzig, der einmal Hitler sehr nahe stand, zitiert. Dieses Buch wurde 1940 in Neuyork unter dem Titel: »Die Stimme der Zerstörung« veröffentlicht. Es wurde später auch in anderen Ländern unter anderen Titeln, wie zum Beispiel »Hitler sagte mir« oder »Gespräche mit Hitler« und so weiter herausgegeben.

In der Rede des Hauptanklagevertreters der USSR sind zwei Stellen aus dem von mir soeben vorgelegten Buche von Rauschning zitiert worden. Die eine befindet sich auf Seite 225 des Originals, Seite 14 des Dokumentenbuches, letzter Absatz. Der Inhalt dieses Zitate ist kurz folgender: Hitler sagte zu Rauschning, daß er »die Menschheit von dem Wahn, den man Gewissen nennt, befreien wird«.

Das andere Zitat ist ebenfalls sehr wichtig. Ich werde versuchen, auf Grund zahlreicher konkreter Tatsachen, den etwas abstrakt erscheinenden Inhalt dieses Zitats klar zu machen. Sie werden das Zitat auf den Seiten 137 und 138 finden. Es beschreibt ein Gespräch zwischen Hitler und Rauschning über die »spezielle Entvölkerungstechnik«, über die Aktionen, die zur Vernichtung ganzer Völker notwendig sind, und über das Recht des Siegers, ganze Völker systematisch auszurotten.

Es ist selbstverständlich, daß es nicht genügte, chemische Rezepte für »Zyklon A« auszuarbeiten, Gaskammern und Krematoriumsöfen zu konstruieren oder Spezialverfahren der Massenerschießung in allen Einzelheiten festzulegen, um Millionen unschuldiger und hilfloser Menschen zu vernichten, sondern man mußte zu diesem Zwecke viele Tausende von Befehlsvollstreckern ausbilden, die diese Politik nicht »ihrer Form, sondern ihrem Geiste nach«, wie sich Himmler einst ausdrückte, ausführten. Man mußte Menschen ohne Herz und Gewissen, mit perversen Neigungen, solche, die mit den Grundsätzen der Moral und des Rechts bewußt gebrochen hatten, erziehen. Man mußte die Rechtmäßigkeit des Begriffs »Schuld« durch den Begriff »Verdacht« ersetzen, den Begriff »Strafe« durch den Begriff der »vorbeugenden Säuberung von unerwünschten Elementen aus politischen Gründen«, den Begriff »Gerechtigkeit« durch den Begriff »Herrenrecht«, den Begriff »Gericht« durch die »Verherrlichung bürokratischer Tyrannei und Polizeiterror« legalisieren und »theoretisch begründen«. Man mußte in Form von Verordnungen, Befehlen, Gesetzen die Hunderttausende der Vollstrecker der von den Hauptverbrechern erdachten Greueltaten, die wie Bluthunde erzogen wurden, überzeugen, daß sie für nichts verantwortlich seien. Aus diesem Grunde hat Hitler »die Menschheit von dem Wahn, den man Gewissen nennt«, befreit.

Aber die theoretischen Begründungen waren noch nicht in erforderlichem Umfang vorschriftsmäßige Instruktionen; sie sahen keine Strafen für jene vor, die ungebührlich weich waren, und die »die Freude an Grausamkeit« nicht genügend verstanden und zu milde waren.

Deswegen haben die deutsch-faschistischen Verbrecher vor Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion denjenigen Deutschen, die nach dem Osten gingen, sogenannte »Merkblätter«, »Gebote« und ähnliche Vorschriften mit auf den Weg gegeben. Ich lege dem Gerichtshof eines dieser Dokumente vor, wobei ich bemerke, daß ich mit Absicht aus dem mir zur Verfügung stehenden Material dieses kurze Dokument ausgewählt habe. Ich habe dieses Dokument ausgesucht, weil es nicht für die SS-Leute und nicht für die Polizei, sondern nur für die sogenannten Landwirtschaftsführer bestimmt gewesen ist. Das Dokument heißt: »12 Gebote für das Verhalten der Deutschen im Osten und die Behandlung der Russen«.

Ich lege dem Gerichtshof dieses Dokument als USSR-89 vor. Die Herren Richter werden dieses Schriftstück auf Seite 17 des Dokumentenbuches finden. Von den zwölf Geboten verlese ich nur eins, und zwar das sechste, das, wie mir scheint, in unmittelbarem Verhältnis zu meinem Thema steht.

DR. NELTE: Herr Präsident, die Urkunde USSR-89 ist überschrieben: »12 Gebote für das Verhalten der Deutschen im Osten und die Behandlung«. Damit schließt es bei mir. Dieses Dokument trägt keinen Kopf und es trägt keine Unterschrift. Wegen der Frage der Verantwortlichkeit wäre es doch wohl erwünscht, wenn der Herr Anklagevertreter angeben könnte, wer der Verfasser dieser zwölf Gebote ist. Demgemäß bitte ich um Ihre Entscheidung, ob die Urkunde als Beweismittel in dieser Form zulässig ist.

VORSITZENDER: Können Sie uns über die Herkunft des Dokuments informieren?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Dieses Dokument befindet sich in den Akten der Außerordentlichen staatlichen Kommission zur Untersuchung und Feststellung der deutsch-faschistischen Greueltaten. Seine Herkunft ist folgende: Die weiteren Ausführungen muß ich hier kurz unterbrechen...

Der Verteidiger sagte, daß dieses Dokument keine Unterschrift trägt. Wenn der verehrte Herr Vorsitzende das Original, das ihm vorgelegt wurde, zur Hand nehmen will, wird er dort die Unterschrift eines gewissen Backe sehen. Leider kann ich nicht sagen, wer dieser Backe ist; ich habe jedoch diese Unterschrift auf einer Anzahl deutscher, besser gesagt, deutsch-faschistischer Dokumente gesehen, die gewöhnlich in einem seltsamen Zusammenhang zwei Sachen behandelten: Die Viehzucht und die russische Seele. Anscheinend wurde der Verfasser dieses Dokuments in beiden Fällen als kompetent angesehen. Ich kenne jedoch seine Diensttätigkeit nicht.

Ich wiederhole, daß dieses Dokument von Feldtruppen unserer Armee in der Nähe von Rossoschi beschlagnahmt wurde. Es wurde der Außerordentlichen staatlichen Kommission übergeben, und das Originaldokument liegt jetzt dem verehrten Gerichtshof vor.

VORSITZENDER: Ich habe das Original hier vor mir. Es trägt das Datum: Berlin, 1. Juni 1941 und eine Unterschrift, etwa wie: B-a-c-k-e. Vielleicht möchte der Herr Verteidiger das Dokument im Original sehen? Soweit ich den Anklagevertreter verstanden habe, gehört es zum Bericht der Sowjetregierung und, wenn das richtig ist, dann müssen wir es zur Kenntnis nehmen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das ist richtig, Herr Vorsitzender. Ich bekomme eben eine Auskunft über die Diensttätigkeit von Backe. Er war Ernährungsminister. Vorhin wußte ich das nicht, weil ich praktisch diesen Zweig des faschistischen Deutschlands nicht kenne.

DR. NELTE: Herr Präsident, ich glaube, die Unterschrift mit »Backe« identifizieren zu können. Backe war im Ernährungsministerium, und zwar damals Staatssekretär.

VORSITZENDER: Ich glaube, es ist Zeit, eine Pause einzuschalten.