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[Das Gericht vertagt sich bis

15. Februar 1946, 10.00 Uhr.]

Sechzigster Tag.

Freitag, 15. Februar 1946.

Vormittagssitzung.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wünscht, verschiedene Fragen verfahrensrechtlicher Art zu erörtern, bevor er eine Vertagung in Erwägung zieht. Dementsprechend wird morgen keine öffentliche Sitzung stattfinden, damit die Möglichkeit einer Vertagung behandelt werden kann. Dagegen wird morgen früh 10.00 Uhr eine nichtöffentliche Sitzung stattfinden, in welcher die Angelegenheiten, die sich auf das Verfahren beziehen, besprochen werden sollen. Am Montag Morgen um 10.00 Uhr wird eine halbstündige öffentliche Sitzung stattfinden, die sich mit der Frage einer Vertagung beschäftigen wird. Je ein Vertreter der Anklagebehörde und der Verteidigung wird für fünfzehn Minuten das Wort erhalten.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich habe die Verlesung des Dokuments auf Seite 3, Absatz 2, Spalte 1 des Dokumentenbuches unterbrochen. Ich halte es für möglich, die übrigen Tatsachen, die in dem Dokument enthalten sind, zu überspringen, da diese Tatsachen einfach weiterhin die allgemeinen Schlußfolgerungen bestätigen, die am Anfang 0des Dokuments bereits erwähnt sind und die wir, erneut durch viele Tatsachen bestätigt, gestern bereits in das Protokoll verlesen haben.

Ich erlaube mir, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf den Inhalt einer Notiz zu lenken, die auf Seite 3 des Dokumentenbuches im Absatz 2 der ersten Spalte zu finden ist. Darin wird gesagt, daß friedliche Bürger zwangsweise in Konzentrationslager verschickt werden, wodurch die Zahl der Kriegsgefangenen künstlich und rechtswidrig erhöht und das unmenschliche Regime, das von den deutsch-faschistischen Behörden für die Kriegsgefangenen eingerichtet war, auf die Zivilbevölkerung übertragen wurde.

Weiterhin lege ich dem Gerichtshof einen Auszug aus dem Protokoll der Gerichtssitzung des Militärfeldgerichts der 374. Lubansk-Infanterie-Division vom 29. Oktober 1944 vor. Dieses Dokument trägt die Nummer USSR-162. Der Hohe Gerichtshof wird dieses Dokument auf Seite 67 des Dokumentenbuches finden.

DR. KURT KAUFFMANN, VERTEIDIGER FÜR DEN ANGEKLAGTEN KALTENBRUNNER: Ich gestatte mir, zwei Anträge zu stellen, die auf das gegenwärtige Beweisverfahren und seine Durchführung Bezug nehmen. Der erste Antrag lautet:

Ich bitte die Bezugnahme und die Verlesung von Urkunden der Untersuchungskomitees im Sinne des Artikels 21 des Statuts zu untersagen, soweit diese Urkunden keine Angaben über die Quellen für die mitgeteilten Tatsachen enthalten.

Zweitens die Verlesung von schriftlichen Einzelerklärungen zu untersagen, die nur summarische Angaben ohne eigene Wahrnehmung enthalten und diese Verlesungen nur zuzulassen, wenn die Vernehmung des Ausstellers als Zeuge möglich ist.

Zur Begründung darf ich folgendes anführen:

Artikel 19 des Statuts läßt jedes Beweismittel zu, das Beweiswert hat. Artikel 21 befreit den Gerichtshof, Beweise anzufordern für Urkunden der sogenannten Untersuchungskomitees. Sinn und Zweck beider Bestimmungen ist es aber, die Erhebung von Beweisen zu erleichtern. Führt jedoch die Zulassung von schriftlichen Erklärungen aller Art zu der Gefahr, daß solche, ein ganzes Volk diskriminierende Vorgänge objektiv falsch dargestellt werden, so ist das Verlangen der Verteidigung nicht unbillig, nur solche Beweismittel zuzulassen, bei denen diese Gefahr soweit wie möglich eingeschränkt ist. Viele der von der Russischen Anklage verlesenen schriftlichen Erklärungen und Auszüge aus Komiteeberichten haben nicht nur keinen Beweiswert, sie sind vielmehr wegen ihrer unkontrollierbaren Inhalte geeignet, ein falsches Bild über den Ablauf historischer Begebenheiten zu erzeugen, der durch die Verübung von Greueln entstanden ist.

VORSITZENDER: Fällt dies nicht unter Artikel 21, und zwar die letzten zwei Zeilen: »Protokolle und Entscheidungen von Militär- und anderen Gerichten irgendeiner der Vereinten Nationen?«

DR. KAUFFMANN: Ja, die Verteidigung steht auf dem Standpunkt, daß Artikel 21 einer Auslegung zugänglich ist. Der Artikel 21 läßt zwar die Verlesung solcher Berichte zu, sagt aber nichts darüber, in welchem Umfang es allen Beteiligten, insbesondere der Verteidigung, möglich sein muß, auf die Quellen zurückzugehen, auf denen diese Berichte der Untersuchungskommission beruhen. Wir sind der Auffassung, daß die von den Gerichtspersonen vernommenen Zeugen aus Affekten heraus, aus Rache und so weiter, nicht in der Lage sind, die Dinge objektiv darzustellen. Wir wissen als Juristen, daß es außerordentlich schwierig ist, auch selbst einfache Tatbestände wahrheitsgemäß darzustellen. Es erfüllt uns deshalb die Pflicht und die Verpflichtung, gerade auch vor dem deutschen Volk zu versuchen, in diese Quellen hinabzugehen und dadurch beizutragen, den wirklichen Ablauf der Ereignisse festzustellen, den wir ganz anders sehen.

VORSITZENDER: Die Verteidigung wird zur geeigneten Zeit die Möglichkeit haben, gegen die von der Anklagebehörde vorgelegten Beweise Einwände zu erheben. Sie wird die Gelegenheit haben, darauf hinzuweisen, ob gewisse Zeugenaussagen etwa durch Sympathie beeinflußt wurden, und sie wird weiter die Möglichkeit haben, im geeigneten Augenblick zum Beweismaterial Stellung zu nehmen. Aber jetzt ist nicht der geeignete Moment dafür.

Artikel 21 ist völlig klar. Er bestimmt, daß der Gerichtshof verschiedene Dokumente, die darin aufgeführt sind, amtlich zur Kenntnis zu nehmen hat, und nennt ausdrücklich Protokolle und Entscheidungen der Militär- und anderer Gerichte jeder der Vereinten Nationen. Dies hier ist das Protokoll und die Entscheidung eines Sowjetischen Militärgerichts, und daher muß der Gerichtshof zufolge der ausdrücklichen Bestimmungen des Artikels 21 amtlich hiervon Kenntnis nehmen. Das wird jedoch die Verteidigung nicht daran hindern, in ihren Verteidigungsreden zu diesem Beweismaterial, auf dem das Protokoll und die Entscheidung beruhen, Stellung zu nehmen. Aber der Einwand, daß es nicht zugelassen werden sollte, erscheint mir sowie den anderen Mitgliedern des Gerichtshofs völlig unbegründet.

DR. KAUFFMANN: Ich danke Ihnen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender, gestatten Sie, daß ich fortsetze. Der Hohe Gerichtshof wird das Dokument, das ihm bereits vorgelegt wurde, auf Seite 67 des Dokumentenbuches finden.

Ich erlaube mir, mit eigenen Worten die biographischen Daten über den Angeklagten Le Court, der vor das Militärfeldgericht gestellt war, auseinanderzusetzen. Er war kein SS-Mann, sondern ein gewöhnlicher, parteiloser Obergefreiter der deutschen Armee, 27 Jahre alt. Er wurde in der Stadt Stargard geboren und zur Armee einberufen. Vorher war er Kinobesitzer. Seinen Militärdienst leistete er in der 1. Kompanie des 4. Luftwaffen-Regiments. Ich zitiere die Zeugenaussage von Le Court, die in dem Abschnitt enthalten ist, der »Gerichtliche Untersuchung« betitelt ist, und beginne mit Absatz 2. Der Gerichtshof wird diese Stelle im Dokumentenbuch, Seite 68, Absatz 5, finden.

Le Court hat folgendes ausgesagt:

»Vor meiner Gefangennahme durch die Truppen der Roten Armee, d.h. bis zum 4. Februar 1944, diente ich als Laborant in der Radfahrer-Kompanie der 2. Luftwaffen-Infanterie-Division 4 in der Kommandantur des Flugplatzes E 33/X1. Außer den Aufnahmen machte ich in der dienstfreien Zeit andere Arbeiten, d.h. ich erschoß im eigenen Interesse kriegsgefangene Rotarmisten zusammen mit friedlichen Bürgern. Ich habe Aufzeichnungen gemacht und in einem besonderen Buche aufgezeichnet, wieviel Kriegsgefangene und wieviel Einwohner ich erschossen habe.«

Ich überspringe drei Absätze, die sich auf Erschießungen von Kriegsgefangenen durch Le Court beziehen und setze das Zitat fort:...

VORSITZENDER: Oberst Smirnow, die Stelle, die Sie soeben verlesen haben, die nämlich, daß er in seinem Buche Notizen über Zahlen machte, erscheint nicht in der Übersetzung, die mir vorliegt. Ob sie sich im Original befindet, weiß ich nicht. Ich nehme an, daß es der Fall ist. Sind Sie sicher, daß es im Originaldokument steht?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, Herr Vorsitzender. Ich habe soeben nochmals den Text des Dokumentenbuches mit dem Abschnitt, den ich eben zitierte, verglichen. Er entspricht vollkommen dem Original.

VORSITZENDER: Gut, ich wollte nur sicher sein, daß er im Original enthalten ist, da er in der Übersetzung, die mir vorliegt, fehlt. Sie können fortfahren!

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich habe auf Seite 68 unterbrochen und drei Absätze ausgelassen. Ich bin also auf Seite 69, und vielleicht ist das der Grund, daß der Herr Vorsitzende den Absatz nicht gefunden hat. Ich setze fort:

»Außer Kriegsgefangenen erschoß ich auch Partisanen, friedliche Bürger und brannte Häuser zusammen mit ihren Bewohnern nieder. Im November 1942 nahm ich an der Erschießung von 92 Sowjetbürgern teil. Vom April bis Dezember 1942, als ich im Luftwaffen-Infanterie-Regiment war, beteiligte ich mich an der Erschießung von 55 Sowjetbürgern; ich führte deren Erschießung aus.«

Ich lasse einen Absatz aus und setze das Zitat fort:

»Außerdem nahm ich an Strafexpeditionen teil und steckte Häuser in Brand. Insgesamt wurden von mir mehr als 30 Häuser in verschiedenen Dörfern niedergebrannt. Ich kam mit der Strafexpedition ins Dorf, trat in die Häuser ein und teilte der Bevölkerung mit, daß niemand die Häuser verlassen soll, und daß wir die Häuser in Brand stecken werden.

Ich steckte ein Haus an und niemand wurde aus dem Haus herausgelassen. Wenn jemand sich retten oder aus dem Hause zu fliehen versuchte, so wurde er ins Haus zurückgetrieben oder erschossen. Auf solche Weise wurden von mir mehr als 30 Häuser und 70 friedlich Einwohner hauptsächlich Greise, Frauen und Kinder, verbrannt.

Im ganzen habe ich persönlich 1200 Mann erschossen.«

Um Zeit zu sparen, überspringe ich jetzt sechs Absätze und zitiere weiter. Der Gerichtshof wird dieses Zitat auf Seite 70 des Dokumentenbuches finden:

»Das deutsche Kommando förderte in jeder Weise die Erschießungen und Tötungen der Sowjetbürger. In Anerkennung meiner guten Arbeit und des Dienstes in der Deutschen Wehrmacht, die ihren Ausdruck in der Erschießung der Kriegsgefangenen und der Sowjetbürger fand, wurde ich am 1. November 1941 zum Obergefreiten befördert, obwohl diese Beförderung erst am 1. November 1942 fällig war. Gleichzeitig wurde ich mit der ›Ostmedaille‹ ausgezeichnet.«

Le Court war keineswegs eine Ausnahme, und zur Bestätigung dessen erlaube ich mir, mich ganz kurz auf das Urteil im Prozeß des Militärbezirkes Smolensk im Prozeß gegen eine Gruppe ehemaliger Angehöriger der deutschen Armee zu beziehen, die wegen Begehung von Bestialitäten gegenüber der friedlichen Bevölkerung und gegenüber Kriegsgefangenen in der Stadt Smolensk vor Gericht gestellt wurden. Dieses Dokument wurde dem Gerichtshof durch meinen Kollegen, Oberst Pokrowsky, als Dokument USSR-87 vorgelegt und als Beweisstück angenommen. Der Gerichtshof wird dieses Dokument auf Seite 71 des Dokumentenbuches finden. Ich überspringe den ganzen allgemeinen Teil des Urteils und bitte um die Erlaubnis, Ihre Aufmerksamkeit auf die Stelle des Urteils lenken zu dürfen, die sich im Absatz 9, Seite 71 des Dokumentenbuches befindet, wo es heißt, daß allein in den bis jetzt ausgehobenen 80 Gräbern, die von den gerichtsmedizinischen Sachverständigen ausgehoben und untersucht wurden, in der Stadt und im Gebiete Smolensk über 135000 Leichen von Sowjetbürgern, Frauen, Kindern und Männern verschiedenen Alters aufgefunden wurden.

Ich überspringe weiter zwei Absätze des Urteils und gehe auf den Teil des Dokuments über, der die verbrecherischen Handlungen einzelner Angeklagter in dieser Sache charakterisiert. Ich werde hier nicht von allen zehn, sondern nur von zwei bis drei Angeklagten sprechen. Der Gerichtshof wird diese Stelle auf Seite 73 des Dokumentenbuches, Absatz 6 finden. Ich verlese:

»Hirschfeld war Dolmetscher bei der deutschen Militärkommandantur in Smolensk. Er verprügelte die unschuldigen Sowjetbürger, die in den Straßen von Smolensk ohne jeglichen Grund und ohne Rücksicht auf Geschlecht und Alter aufgegriffen wurden, und zwang sie, lügenhafte Aussagen zu machen. Auf Grund dieser lügenhaften Aussagen, die durch Verprügeln erpreßt wurden, rottete die Kommandantur viele unschuldige Sowjetbürger aus. Im Mai 1943 beteiligte sich Hirschfeld persönlich an der Ausrottung der Sowjetbürger in Smolensk, die durch Erstickung mit Kohlenoxyd im Gaswagen durchgeführt wurde. Im Januar und Februar 1943 nahm er an den Strafexpeditionen gegen die Partisanen und gegen die friedlichen Sowjetbürger im Bezirk Newel-Uswjati teil. Während er Kommandeur der deutschen Strafabteilung war, verübte er mit den ihm unterstellten Soldaten Gewaltakte an der friedlichen Bevölkerung.«

VORSITZENDER: Oberst Smirnow, in der englischen Übersetzung, die dem Gerichtshof vorliegt, fehlen die Seiten 34 bis 45. Glauben Sie, daß diese Seiten gefunden werden könnten? Ich glaube, unsere Seitenzählungen sind verschieden, aber das Dokument, auf das Sie sich hier soeben beziehen, Dokument USSR-87, fängt auf Seite 34 unserer Übersetzung an, und dann fährt die Übersetzung auf Seite 45 fort.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender, ich nenne nicht die Seiten der Übersetzung, sondern die Seiten des Dokumentenbuches des Hohen Gerichtshofs.

VORSITZENDER: Ja, das ist mir klar. Ich möchte wissen, ob vielleicht durch ein Versehen diese Seiten – obgleich von Ihnen eine Übersetzung gemacht, wurde – nicht in unsere Abschrift gekommen sind, und ob man sie finden kann. Sehen Sie, es fehlen alle diese Seiten in der Übersetzung!

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender, ich habe die Übersetzung noch nicht gesehen. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich diese Frage während der Pause sorgfältig klarstellen und in die erforderliche Ordnung bringen.

VORSITZENDER: Gut, bitte fahren Sie inzwischen fort!

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gemeinsam mit seinen Soldaten hat er neun Sowjetdörfer und Ortschaften in Brand gesteckt. Er plünderte bei den Kollektivbauern und erschoß die vollkommen unschuldigen, friedlichen Sowjetbürger, die aus dem Walde zu den Brandstätten ihrer niedergebrannten Häuser kamen, um nach übriggebliebenen Lebensmitteln zu suchen. Er beteiligte sich an der Verschleppung von Sowjetbürgern in die deutsche Sklaverei.

Ich erlaube mir, jetzt noch einen Abschnitt zu verlesen, der sich auf den Angeklagten Modisch bezieht, der Hilfsarzt im 551. Feldlazarett war. Der Gerichtshof wird diese Stelle auf Seite 73 des Dokumentenbuches, im letzten Absatz, finden:

»Modisch war Assistent im deutschen Militärlazarett 551 in der Stadt Smolensk. Vom September 1941 bis April 1943 war er Augenzeuge und unmittelbarer Teilnehmer an der Tötung von kriegsgefangenen verwundeten Soldaten und Offizieren der Roten Armee, an denen die deutschen Professoren und Ärzte Schemm, Gette, Müller, Ott, Stefan, Wagner und andere unter dem Vorwand einer Kur verschiedene Experimente durchgeführt und früher unbekannte biologische und chemische Präparate erprobt haben. Daraufhin wurden die verwundeten Kriegsgefangenen septisch angesteckt und sodann getötet.«

»Was tat Modisch persönlich?«

Ich zitiere weiter dieses Dokument:

»Modisch hat selbst durch Injektionen großer Strophantin- und Arsenikdosen nicht weniger als 24 kriegsgefangene Rotarmisten und Offiziere der Roten Armee ums Leben gebracht. Außerdem verwandte er für die Kur der deutschen Militärpersonen das Blut von Sowjetkindern im Alter von sechs bis acht Jahren, denen er große Mengen Blut entnahm. Infolgedessen starben die Kinder. Er entzog den russischen Kriegsgefangenen die Rückenmarksflüssigkeit, was infolge von Schwächung zur Lähmung der unteren Extremitäten führte. Er beteiligte sich auch an den Ausplünderungen der sowjetischen medizinischen Anstalten in der Stadt Smolensk.«

Ich überspringe noch eine Seite dieses Dokuments. Der Gerichtshof kann davon überzeugt sein, daß jeder dieser zehn Angeklagten, von denen ich jetzt dem Gerichtshof gegenüber spreche, so zahlreiche Verbrechen begangen hat, daß sie nach den Gesetzen jeder zivilisierten Nation der Todesstrafe unterliegen. Als Beispiel bringe ich eine der Beschuldigungen gegen den Angeklagten Kurt Gaudian vor, die seinerzeit vor Gericht bewiesen wurde. Der Gerichtshof wird die wichtigsten auf ihn bezüglichen Stellen auf Seite 74 des Dokumentenbuches im letzten Absatz und weiter auf Seite 75 finden. Ich lenke die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die Tatsache, daß Gaudian sieben junge Mädchen vergewaltigt und sodann getötet hat. Ich beende diesen Fall mit der Verlesung von nur drei Zeilen:

»In der Scheune eines Dorfes, in der Nähe der Stadt Ossipowitsch, wurden unter seiner Mitwirkung im August 1943 ungefähr 60 Einwohner erschossen oder lebendig verbrannt. Das Dorf selbst wurde mitverbrannt.«

Ich lasse den sich auf Henschke beziehenden Teil aus und zitiere nur fünf Zeilen auf Seite 75 des Dokumentenbuches, aus dem Teil des Urteils, der sich auf einen gewissen Gefreiten Müller des 335. Wachbataillons bezieht:

»Zu verschiedenen Zeitpunkten wurden von dem Angeklagten Müller 96 Sowjetbürger, darunter Greise, Frauen und Säuglinge, ermordet. Müller vergewaltigte 32 sowjetrussische Frauen, von denen er 6 nach der Vergewaltigung ermordete. Unter den vergewaltigten Frauen waren einige Mädchen im Alter von 14 bis 15 Jahren.«

Ich weiß nicht, ob es nötig ist, dieses Zitat fortzusetzen?

Ich glaube, das wahre Gesicht dieser Verbrecher, von denen sieben ihr Leben endlich am Galgen beendet haben, wird dem Gerichtshof jetzt vollkommen klar sein. Um jedoch diejenigen näher zu beleuchten, die zwar nicht diese Verbrechen selbst begangen haben, sondern die tatsächlich für das Leben der Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten verantwortlich waren, bitte ich den Gerichtshof, jetzt auf das Tagebuch von Hans Frank überzugehen, das dem Gerichtshof bereits als Dokument 2233-PS von seiten unserer verehrten amerikanischen Kollegen vorgelegt worden ist. Wir legen Auszüge aus dem Tagebuch von Frank als Beweisstück USSR-223 vor, wobei der Gerichtshof diese Auszüge auf Seite 78 des Dokumentenbuches finden wird.

Ich verlese die Stelle, die der Gerichtshof auf Seite 86 des Dokumentenbuches finden wird, Absatz 3, Seite 1 des Textes.

Am 6. Februar 1940 gab Frank dem Korrespondenten des »Völkischen Beobachter«, Kleiß, ein Interview. Ich verlese den Inhalt dieses Interviews an der dem Hohen Gerichtshof bereits angegebenen Stelle. Ich beginne das Zitat:

»Interview des Herrn Generalgouverneurs durch den Korrespondenten des V. B., Kleiß, 6. Februar 1940.

Kleiß: Vielleicht wäre es auch interessant, den Unterschied zwischen Protektorat und Generalgouvernement herauszuarbeiten.

Der Generalgouverneur: ›Einen plastischen Unterschied kann ich Ihnen sagen. In Prag waren z.B. große rote Plakate angeschlagen, auf denen zu lesen war, daß heute 7 Tschechen erschossen worden sind. Da sagte ich mir: wenn ich für je 7 erschossene Polen ein Plakat aushängen lassen wollte, dann würden die Wälder Polens nicht ausreichen, das Papier herzustellen für solche Plakate. Ja, wir mußten hart zugreifen‹.«

Der Angriff auf die Westfront, der am 10. Mai 1940 begann, hat die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von den Verbrechen abgelenkt, die unter der unmittelbaren Leitung von Frank geschahen. Frank hatte dadurch die Möglichkeit, einige tausend Menschen aus der polnischen Intelligenz durch Militärgerichte zum Tode und zur physischen Ausrottung verurteilen zu lassen.

Ich zitiere die Rede Franks vom 30. Mai 1940, in der die Frage wegen dieser Missetaten endgültig entschieden wurde. Ich beginne das Zitat auf Seite 86 des Dokumentenbuches, Abschnitt 6, Spalte 1:

»Am 10. Mai begann die Offensive im Westen, d.h. an diesem Tage erlosch das vorherrschende Interesse der Welt an den Vorgängen hier bei uns. Was man mit der Greuelpropaganda und den Lügenberichten über das Vorgehen der nationalsozialistischen Machthaber in diesem Gebiet in der Welt angerichtet hat, nun, mir wäre es vollkommen gleichgültig gewesen, ob sich die Amerikaner oder Franzosen oder Juden oder vielleicht auch der Papst darüber aufgeregt hätten, aber für mich und für einen jeden von Ihnen war es in diesen Monaten furchtbar, immer wieder die Stimmen aus dem Propagandaministerium, aus dem Auswärtigen Amt, aus dem Innenministerium, ja sogar von der Wehrmacht vernehmen zu müssen, daß dies ein Mordregime wäre, daß wir mit diesen Greueln aufhören müßten usw. Dabei war natürlich klar, daß wir auch die Erklärung abgeben mußten, wir würden es nicht mehr tun. Und ebenso klar war es, daß bis zu dem Augenblick, wo das Weltscheinwerferlicht auf diesem Gebiet lag, von uns ja nichts Derartiges in großem Ausmaße geschehen konnte. Aber mit dem 10. Mai ist uns nun diese Greuelpropaganda in der Welt vollkommen gleichgültig. Jetzt müssen wir den Augenblick benutzen, der uns zur Verfügung steht.«

Ich lasse zwei Absätze aus und setze das Zitat fort:

»Ich gestehe ganz offen, daß das einigen Tausenden von Polen das Leben kosten wird, vor allem aus der geistigen Führerschicht Polens. Für uns alle als Nationalso zialisten bringt aber diese Zeit die Verpflichtung mit sich, dafür zu sorgen, daß aus dem polnischen Volk kein Widerstand mehr emporsteigt.«

Ich lenke die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf den folgenden Satz:

»Ich weiß, welche Verantwortlichkeit wir damit übernehmen.«

Ich lasse einen Absatz aus und setze das Zitat fort. Der Gerichtshof wird dies auf Seite 86, Absatz 1 des Dokumentenbuches finden:

»Aber mehr noch: SS-Obergruppenführer Krüger und ich haben beschlossen, daß die Befriedungsaktion in beschleunigter Form durchgeführt wird. Ich darf Sie bitten, meine Herren, uns mit Ihrer ganzen Energie bei der Durchführung dieser Aufgabe zu helfen. Was von mir aus geschehen kann, um die Durchführung dieser Aufgabe zu erleichtern, wird geschehen. Ich appelliere an Sie als nationalsozialistische Kämpfer, und mehr brauche ich wohl dazu nicht zu sagen. Wir werden diese Maßnahme durchführen, und zwar, wie ich Ihnen vertraulich sagen kann, in Ausführung eines Befehls, den mir der Führer erteilt hat. Der Führer hat mir gesagt: Die Frage der Behandlung und Sicherstellung der deutschen Politik im Generalgouvernement ist eine ureigene Sache der verantwortlichen Männer des Generalgouvernements. Er drückte sich so aus: ›Was wir jetzt an Führerschicht in Polen festgestellt haben, das ist zu liquidieren, was wieder nachwächst, ist... wieder wegzuschaffen. Daher brauchen wir das Deutsche Reich, um die Reichsorganisation der Deutschen Polizei damit nicht zu belasten. Wir brauchen diese Elemente nicht erst in die Konzentrationslager des Reiches abzuschleppen, denn dann hätten wir nur Scherereien und einen unnötigen Briefwechsel mit den Familienangehörigen, sondern wir liquidieren die Dinge im Lande. Wir werden es auch in der Form tun, die die einfachste ist.‹«

Ich beende das Zitat an dieser Stelle und gehe auf Seite 87 über, Absatz 2, Spalte 1. Diese Stelle scheint mir charakteristisch dafür zu sein, daß es gerade Frank war, der, wie aus den Auszügen seines Tagebuches hervorgeht, erstmalig den Gedanken für die Errichtung der Konzentrationslager entwickelt hat, die später die amtliche Bezeichnung »Vernichtungslager« erhalten haben.

Ich verlese diese Rede von Frank auf Seite 9, erster Absatz:

»Was die Konzentrationslager anbelangt, so waren wir uns klar, daß wir hier im Generalgouvernement Konzentrationslager im eigentlichen Sinne nicht einrichten wollen. Wer bei uns verdächtig ist, der soll gleich liquidiert werden. Was sich draußen in den Konzentrationslagern des Reiches an Häftlingen aus dem Generalgouvernement befindet, das soll uns zur AB-Aktion zur Verfügung gestellt oder dort erledigt werden.«

Ich verlese weiter die Fortsetzung der gleichen Rede, nämlich Auszüge aus dem Tagebuch von Frank im Jahre 1940. Der Gerichtshof findet diese Stelle auf Seite 94 des Dokumentenbuches, Absatz 5, Spalte 1.

Ich beginne das Zitat:

»Wir können nicht die Reichs-Konzentrationslager mit unseren Dingen belasten. Was wir mit den Krakauer Professoren an Scherereien hatten, war furchtbar. Hätten wir die Sache von hier aus gemacht, wäre sie anders verlaufen. Ich möchte Sie daher dringend bitten, niemanden mehr in die Konzentrationslager des Reiches abzuschieben, sondern hier die Liquidierung vorzunehmen oder eine ordnungsgemäße Strafe zu verhängen. Alles andere ist eine Belastung des Reiches und eine dauernde Erschwerung. Wir haben hier eine ganz andere Form der Behandlung und diese Form muß beibehalten werden. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß sich an dieser Behandlung nichts ändern wird durch einen allenfallsigen Friedensschluß. Dieser würde nur bedeuten, daß wir dann als Weltmacht noch viel intensiver als bisher unsere allgemeinen politischen Aktionen durchführen werden...«

Ich möchte nunmehr die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs darauf lenken, daß sich in der Tat alle großen Vernichtungslager im Gebiet des Generalgouvernements befunden haben.

Diese Untaten der faschistischen Verbrecher haben sich systematisch entwickelt. Frank hat 1940 eine lange Rede vor der Polizei gehalten, in der er seine sogenannte »Aktion« gegenüber Tausenden polnischer Intellektuellen begründet hat. Am 18. März 1944 erklärte er jedoch in seiner Rede im Reichshof, wobei ich von Seite 93 des Dokumentenbuches, Absatz 3, Spalte 2 verlese.

Ich beginne das Zitat über die Rede am 18. März 1944 im Reichshof. Dr. Frank:

»Wenn ich zum Führer gekommen wäre und ihm gesagt hätte: Mein Führer, ich melde, daß ich wieder 150000 Polen vernichtet habe – dann hätte er gesagt: ›Schön, wenn es notwendig war!‹«

Dieser faschistische Rechtsgelehrte hat in dem von ihm regierten Gebiet, das sich zeitweilig unter der Macht der faschistischen Angreifer befand, drei Millionen Juden vernichtet.

Dabei sagte Frank, wobei ich aus seiner Rede auf der Arbeitstagung der NSDAP am 4. März 1944 in Krakau zitiere, der Gerichtshof wird dieses Zitat auf Seite 93 des Dokumentenbuches, Absatz 2, Spalte 2 finden:

Ich beginne mit dem Zitat; Dr. Frank:

»Wenn heute da und dort ein Wehleidiger mit Tränen in den Augen den Juden nachtrauert und sagt, ›ist das nicht grauenhaft, was den Juden gemacht worden ist,‹ dann muß man den Betreffenden fragen, ob er heute noch derselben Meinung ist. Wenn wir heute diese zwei Millionen Juden in voller Aktivität und auf der anderen Seite die wenigen deutschen Männer im Lande hätten, würden wir nicht mehr Herr der Lage sein... Die Juden sind eine Rasse, die ausgetilgt werden muß; wo immer wir nur einen erwischen, geht es mit ihm zu Ende.«

Ich zitiere jetzt die Stelle aus Franks Tagebuch, wo...

VORSITZENDER: Ich halte es für richtig, wenn wir jetzt die Sitzung unterbrechen.