§ 2.
Der Anstifter und der Gehilfe werden wie der Täter, die versuchte Tat wird wie die vollendete Tat bestraft.
§ 3.
(1) Zuständig für die Aburteilung sind die Standgerichte der Sicherheitspolizei.
(2) Aus besonderen Gründen können die Standgerichte der Sicherheitspolizei die Sache an die deutsche Staatsanwaltschaft abgeben.
§ 4.
Die Standgerichte der Sicherheitspolizei setzen sich zusammen aus einem SS-Führer der Dienststelle des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes sowie aus zwei Angehörigen dieser Dienststelle.
§ 5.
(1) Schriftlich festzuhalten sind
1. die Namen der Richter,
2. die Namen der Verurteilten,
3. die Beweismittel, auf welche die Verurteilung gestützt wird,
4. die Straftat,
5. der Tag der Verurteilung,
6. der Tag der Vollstreckung.
(2) Im übrigen bestimmt das Standgericht der Sicherheitspolizei sein Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen.
§ 6.
Die Urteile der Standgerichte der Sicherheitspolizei sind sofort vollstreckbar.
§ 7.
Soweit sich ein Verbrechen nach den §§ 1 und 2 dieser Verordnung zugleich als ein anderes im Standgerichtsverfahren abzuurteilendes Verbrechen darstellt, sind nur die Verfahrensvorschriften dieser Verordnung anzuwenden.
§ 8.
Diese Verordnung tritt am 10. Oktober 1943 in Kraft.
Krakau, den 2. Oktober 1943. Der Generalgouverneur. Frank.«
Demnach war die Todesstrafe die einzige Strafe, die nach Paragraph 1(1) dieser Verordnung praktisch für jede Handlung eines »Nichtdeutschen« auszusprechen war. Es war einerlei, ob eine solche Handlung von den deutschen Herren als eine Verletzung der Gesetze oder als eine Übertretung von Verwaltungsvorschriften angesehen wurde.
Die gleiche Strafe war für jeden Versuch analoger strafbarer Handlungen aufzuerlegen. Die Polizei konnte demnach jede Handlung oder Aussage des Verdächtigen unter diese Rubrik bringen; Paragraph 2 der Verordnung.
Der Angeklagte war aller verfahrensrechtlichen Rechte und Sicherheiten beraubt. Das Dokument, das gemäß Paragraph 5 das Gerichtsurteil ersetzen sollte, verfolgte, wie es aus den schriftlich festgelegten Fragen ersichtlich ist, lediglich den Zweck, die einzelnen Strafsachen des Standgerichts zu registrieren, nicht aber den, eine rechtliche Begründung für Schuld und Strafe zu entwickeln.
Jede Berufung an höhere Behörden und jede Aufhebung eines Urteils war ausgeschlossen. Das Urteil war sofort zu vollstrecken.
Und schließlich war das »gerichtliche Verfahren« selbst, das auf Grund der »Verordnung« von Frank eingesetzt wurde, nichts anderes als eine Verhöhnung der Justiz. Das Gericht – und es scheint mir, daß das Wort »Gericht« unter Anführungszeichen stehen sollte – bestand aus drei Beamten der Sicherheitspolizei, die ständig auf den Straßen der polnischen Städte unschuldige Menschen verhafteten und die Massenerschießungen von Geiseln anordneten.
Wie gerechtfertigt die Schlußfolgerungen sind, die von mir auf der Grundlage der früher erwähnten Dokumente gemacht wurden, werden Sie aus dem Text eines anderen Dokuments ersehen, das dem Gerichtshof als Beweisstück USSR-332 vorgelegt wurde. Das Original des Protokolls über das Verhör des Anwalts Stefan Korbonski liegt dem Gerichtshof vor. Es ist eine von der Polnischen Delegation beglaubigte Übersetzung des Dokuments in die russische Sprache. Stefan Korbonski lebt in Warschau und, soweit ich von der Polnischen Delegation erfahre, kann der Gerichtshof Korbonski zum Kreuzverhör nach Nürnberg bringen, falls dies gewünscht wird.
Ich werde mir erlauben, mit meinen eigenen Worten den einleitenden Teil dieses Dokuments darzulegen. Nachdem der Rechtsanwalt Stefan Korbonski am 31. Oktober 1945 in Warschau vereidigt worden war, sagte er im ersten Absatz des Protokolls aus, daß er zu den Leitern der Widerstandsbewegung der polnischen Bevölkerung gegen die deutschen Besatzungstruppen gehört habe. Im zweiten Teil des Protokolls, der Gerichtshof wird dieses Zitat auf den Seiten 98 bis 102 im Dokumentenbuch finden, erwähnt Korbonski genau die gleichen Verordnungen Franks, die ich soeben verlesen habe.
In Punkt 1 des Protokolls sagt er aus, daß die Deutschen Anfang Oktober 1943 an die Wände der Häuser in Warschau und in anderen Städten des Generalgouvernements Plakate mit der Verordnung aufgeklebt haben, die ich eben zitiert habe. Ich lasse den ganzen ersten Teil im Dokumentenbuch aus und verlese von Seite 99 des Dokumentenbuches. Ich werde dieses Protokoll bis zum Schluß verlesen, denn ich bin der Ansicht, daß diese Aussage sehr charakteristisch ist. Ich beginne zu verlesen:
»Bald nach der Veröffentlichung dieses Erlasses und unabhängig von der sich immer vergrößernden Zahl der Hinrichtungen, die von den Deutschen heimlich im Warschauer Ghetto und im Warschauer sogenannten ›Paviac‹-Gefängnis durchgeführt wurden, begannen sie nunmehr mit den öffentlichen Hinrichtungen, das heißt, sie erschossen ganze Gruppen von Polen, die jedesmal zwischen 20 und 200 Personen umfaßten.
Diese öffentlichen Hinrichtungen fanden in verschiedenen Bezirken der Stadt statt, auf Straßen, die für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung standen und die dann von der Gestapo umzingelt wurden, bevor die Hinrichtung stattfand. Auf diese Weise sollte die polnische Bevölkerung den Hinrichtungen von der Straße oder von den Fenstern der Nachbarhäuser zusehen oder sich hinter der Umzingelung der Gestapo aufstellen.
Bei diesen Hinrichtungen erschossen die Deutschen sowohl Personen aus dem ›Paviac‹-Gefängnis, in das die auf den Straßen infolge von Razzien Festgenommenen eingeliefert waren, oder solche Personen, die bei gleicher Gelegenheit verhaftet worden waren, als schließlich auch Menschen, die unmittelbar vor der Hinrichtung aufgegriffen worden waren. Die Zahl dieser öffentlichen Hinrichtungen und auch die Zahl der Menschen, die bei jeder Hinrichtung erschossen wurden, vergrößerte sich, bis sie 200 Menschen erreichte, die bei jeder Hinrichtung zu erschießen waren. Die Hinrichtungen dauerten bis zum Beginn des Warschauer Aufstandes.
Zuerst brachten die Deutschen die Polen in geschlossenen Lastkraftwagen zum Hinrichtungsplatz. Die Polen waren in Zivilkleidung; manchmal waren ihre Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Aber wenn die hinzurichtenden Opfer zu dem Hinrichtungsplatz gebracht wurden, dann riefen sie: ›Nieder mit Hitler! – Es lebe Polen! – Nieder mit den Deutschen!‹ und ähnliche Dinge. Die Deutschen haben dann versucht, diese Störungen dadurch einzuschränken, daß sie den Mund der Opfer mit Zement anfüllten oder ihre Lippen mit Pflaster zuklebten. Aus dem Gefängnis von Warschau wurden die Häftlinge in Kleidern oder Hemden zum Hinrichtungsplatz geführt, die aus Papier hergestellt waren.
Von unserer Untergrundorganisation und unseren Agenten, die in dem ›Paviac‹-Gefängnis arbeiteten, erhielt ich des öfteren Nachricht, daß die Deutschen vor den Hinrichtungen zuweilen Operationen an den Verurteilten ausführten. Sie zapften ihnen Blut ab und spritzten ihnen verschiedene chemische Substanzen ein, damit sie physisch geschwächt wurden und dadurch alle Fluchtversuche und jeder Widerstand unmöglich gemacht wurden.
Aus diesem Grunde waren die Verurteilten auf dem Wege zur Hinrichtungsstelle blaß, schwach und apathisch und konnten kaum auf den Füßen stehen. Trotzdem benahmen sie sich heldenhaft und baten nie um Gnade.
Die Leichen der Erschossenen wurden von anderen Häftlingen auf Lastautos geladen und in das frühere Ghetto gebracht, wo sie gewöhnlich auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Die Häftlinge, deren Aufgabe es war, die Leichen zu befördern und zu verbrennen, stammten hauptsächlich aus dem ›Paviac‹-Gefängnis und waren ständig für diese Arbeit bestimmt.
Die polnische Bevölkerung streute sofort Blumen auf die Blutflecken, die nach der Hinrichtung zurückblieben. Sie stellten brennende Kerzen auf die Stelle, wo die Leichen der Erschossenen gelegen hatten und stellten Kreuze und Ikonen an den Häuserwänden auf. Während der Nacht fertigten die Mitglieder der polnischen Untergrundbewegung Aufschriften mit folgendem Inhalt an: ›Ruhm sei den Helden, Ruhm für die, die für das Vaterland gestorben sind‹ usw.
Wenn die Deutschen diese Anschriften bemerkten, so nahmen sie jeden fest, der an dieser Stelle stand und warfen ihn in das ›Paviac‹-Gefängnis. Manchmal erschossen die Deutschen kleine Gruppen von Menschen, die an den Plätzen, an denen die Exekutionen stattgefunden hatten, auf den Knien lagen, wie zum Beispiel auf der Senatorenstraße, wo verschiedene Menschen getötet und außerdem einige verwundet wurden.
Nach jeder öffentlichen Hinrichtung hingen die Deutschen in der Stadt an den Wänden der Häuser Plakate auf, die die Liste der Namen der Erschossenen enthielten. Darunter befanden sich Listen von Geiseln, die erschossen werden sollten, falls die deutschen Befehle nicht ausgeführt würden.
In Warschau allein haben die Deutschen bei öffentlichen Hinrichtungen mehrere tausend Polen erschossen; ohne die Opfer zu zählen, die in anderen Städten erschossen wurden. Im Krakauer Gebiet haben die Deutschen ebenfalls mehrere tausend Menschen erschossen.«
Das war die Art und Weise, wie die dem Gerichtshof früher vorgelegte Verordnung von Hans Frank durchgeführt wurde. Die Aussage von Korbonski macht es verständlich, warum wir im Tagebuch von Hans Frank am 16. Dezember 1943 eine Notiz finden...
VORSITZENDER: Sollte es nicht 1942 heißen?
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vom 16. Dezember 1943, Herr Vorsitzender; ich werde es jedoch sofort prüfen.
VORSITZENDER: In unserem Dokument heißt es 1942.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender, es scheint mir, als ob in dem Ihnen vorliegenden Text die Übersetzer ein falsches Datum eingesetzt haben; hier steht das Datum des 16. Dezember 1943; damals fand in Krakau die Sitzung statt, von der die Rede ist. Ich werde jedenfalls nochmals vergleichen.
VORSITZENDER: In unserer Übersetzung des Dokuments steht das Datum des 16. Dezember 1942. Offensichtlich ist es an der einen oder an der anderen Stelle falsch.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Im Absatz 1 seiner Aussage erklärt Korbonski weiterhin, daß Anfang Dezember 1943 die Deutschen diese Plakate an die Wände der Häuser geklebt haben. Der Gerichtshof kann sich davon vergewissern, wenn er das Original der Aussage von Korbonski betrachtet.
VORSITZENDER: Ich sehe schon, es ist 1943. Der Anfang ist falsch übersetzt worden.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Jawohl, 1943. Darf ich fortfahren?
VORSITZENDER: Ja.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich danke Ihnen.
... über die Änderung der Hinrichtungsprozedur. Im polnischen Gebiet wurde zum ersten Male das Strafgesetzbuch in Kraft gesetzt, das Sonderrechte für die Herrenrasse und drakonische Maßnahmen gegen die von den faschistischen »Herren« bereits als besiegt bezeichneten Völker einführte.
Der Bericht der Polnischen Regierung, der dem Internationalen Militärgerichtshof schon von meinen Kollegen als unwiderleglicher Beweis gemäß Artikel 21 des Statuts vorgelegt wurde, gibt einen kurzen Überblick über das Regime der Willkür und Gesetzlosigkeit, das im besetzten Polen unter dem Deckmantel einer Sondergesetzgebung herrschte.
Um diese Gesetze zu charakterisieren, werde ich mir erlauben, auf zwei kurze Auszüge aus dem Bericht der Polnischen Republik Bezug zu nehmen. Dieses Dokument ist dem Gerichtshof bereits von meinem Kollegen als Dokument USSR-93 vorgelegt worden.
Als erstes Zitat verlese ich aus dem Protokoll der Polnischen Republik die Stelle, die der Gerichtshof auf Seite 110, vierter Absatz von oben, betreffend »Germanisierung des Polnischen Rechts«, finden wird. Ich werde lediglich zwei Absätze aus diesem Abschnitt verlesen:
»Im Generalgouvernement wurde das Rechtswesen besonders durch den Erlaß vom 26. Oktober 1939 verändert. Er trägt die Unterschrift Franks (Anlage 2).
Polnische Gerichte wurden deutschen Gerichten, die im Generalgouvernement errichtet wurden, unterstellt. Ihre stark beschnittene Rechtsprechungsbefugnis wurde auf diejenigen Fälle beschränkt, für die deutsche Gerichte keine Kompetenz hatten.
Neue Rechtsprinzipien kamen zur Geltung. Strafen konnten nach ›dem Gefühl‹ verhängt werden, der Angeklagte war des Rechts beraubt, einen Verteidiger zu wählen und Rechtsmittel einzulegen.
Deutsche Gesetze wurden eingeführt, das polnische Recht wurde germanisiert.«
Ich lasse den ganzen folgenden Teil des Berichts aus und fahre mit meinem Zitat auf Seite 51 des russischen Textes fort, und zwar auf Seite 129 des Dokumentenbuches, im dritten Absatz des Textes. Die Überschrift lautet: »Justizmorde«. Ich zitiere nur einen kurzen Absatz daraus:
»Am 4. Dezember 1941 unterzeichneten Göring, Frick und Lammers einen schon oben angeführten Erlaß, der alle Polen und Juden in den eingegliederten polnischen Gebieten als außerhalb des Gesetzes stehend erklärte. Der Erlaß machte aus den Polen und Juden eine andersartige und zweitklassige Gruppe von Staatsbürgern. Das bedeutete, daß Polen und Juden verpflichtet waren, dem Reich bedingungslos zu gehorchen, auf der anderen Seite jedoch als Bürger zweiter Klasse kein Anrecht auf Schutz hatten, den das Gesetz den anderen gewährte.«
Ich lasse wieder einen Absatz aus und zitiere weiter aus dem Teil, der über die Anwendung von Todesstrafen spricht. Er beginnt wie folgt:
»Die Todesstrafe konnte auch in den folgenden Fällen ausgesprochen werden:
1) Für Entfernung oder öffentliche Beschädigung von Plakaten, die von deutschen Behörden ausgehängt wurden,
2) für Gewalthandlungen gegenüber Angehörigen der Deutschen Wehrmacht,
3) für Angriffe auf die Würde des Reiches oder Schädigung seiner Interessen,
4) für Beschädigung von Eigentum, das von den deutschen Behörden benutzt wird,
5) für Beschädigung von Gegenständen, die für öffentliche Arbeiten oder die öffentliche Ordnung bestimmt sind,
6) für Veranlassung von Ungehorsam gegenüber den Anordnungen deutscher Behörden, und für verschiedene andere Fälle, die gewöhnlich nur höchstens eine Verurteilung zu kurzfristiger Gefängnisstrafe rechtfertigen würden.«
Ich lasse wieder einen Teil aus und werde mein Zitat auf folgendes beschränken:
»Keinem Polen – so lautete die offizielle Nazi-Anordnung – ist es erlaubt, sich einer deutschen Frau zu nähern, damit das edle Blut des Herrenvolkes nicht geschändet werde. Diejenigen, die es zu tun wagten, oder es auch nur zu tun versuchten, sahen sich unweigerlich dem Tode gegenüber.
Aber es war nicht nur das Gericht, das deutsche Gericht, das dazu berufen war, in diesen Fällen das Urteil zu fällen. Es wurde für unbedingt überflüssig befunden, Prozesse zu veranstalten, ein gewöhnlicher Befehl der Polizei genügte, um Menschen ihres Lebens zu berauben.«
Ich beende jetzt das Zitat und gehe zu dem über, was im Bericht der Tschechischen Regierung meines Erachtens richtig als »richterlicher Terror der deutschen Faschisten in der Tschechoslowakei« bezeichnet wird. In diesem Lande können wir systematisch die immer mehr zunehmende Zerstörung der allgemeinen Moral und der Rechtsgrundsätze von seiten der Nazis beobachten.
Im Bericht der Tschechoslowakischen Regierung, der dem Gerichtshof von meinem Kollegen bereits als Dokument USSR-60 überreicht wurde, ist dieser Prozeß ausführlich beschrieben worden, angefangen von den sogenannten »Volksgerichten« bis zur Einrichtung der sogenannten »Standgerichte«. Ich weiß nicht, wie man dieses Wort übersetzen soll, deshalb werde ich überall das deutsche Wort »Standgerichte« gebrauchen. Sie sind uns bereits auf Grund des polnischen Bildes über die nazistische Willkürherrschaft bekannt.
Dieser Prozeß des Verfalls oder besser gesagt, des Zusammenbruchs des ganzen Rechtssystems unter der faschistischen Herrschaft, ist in dem Bericht sehr ausführlich erörtert worden. Daher will ich mich auf ganz kurze Zitate beschränken. Ich beginne mit dem Zitat auf Seite 162 des Dokumentenbuches, wo im letzten Absatz steht:
»Die Ermächtigung zur Verhängung des zivilen Ausnahmezustandes wurde bereits am 28. September 1941 angewandt. Durch die von Heydrich unterzeichnete Bestimmung vom gleichen Tage wurde der zivile Ausnahmezustand für die Gebiete des Oberlandrats Prag, und wenige Tage später in den meisten der übrigen Teile des ›Protektorats‹ verhängt. Die ›Standgerichte‹, die gleichzeitig eingesetzt wurden und während der ganzen Zeit tätig waren, verhängten 778 Todesurteile (die alle vollstreckt wurden) und überantworteten über 1000 Personen der Gestapo, das heißt den Konzentrationslagern.«
Ich lasse den Schluß des letzten Absatzes aus und zitiere den nächsten Absatz:
»Die einzigen Bestimmungen über die Einrichtung, Zusammensetzung und das Prozeßverfahren des ›Standgerichts‹ sind in dem Erlaß vom 27. September 1941 zu finden.«
Ich lasse den Rest des Absatzes aus und fahre auf Seite 163 des Dokumentenbuches, Absatz 5, fort:
»Auch wird in dem Erlaß nicht festgelegt, wem das Amt des Richters in diesen ›Standgerichten‹ übertragen werden kann, ob Berufs- oder Laienrichter einzusetzen sind, ob die Urteile von einem Kollegialgericht oder einem Einzelrichter zu erlassen sind. In dem Erlaß heißt es lediglich: ›Standgerichte‹ werden vom Reichsprotektor eingesetzt werden. Er wählt die Personen aus, die die Tätigkeit eines Richters ausüben sollten.«
Ich lasse den nächsten Absatz aus und fahre mit dem letzten Absatz auf Seite 163 des Dokumentenbuches fort:
»Nach den bis jetzt zu unserer Verfügung stehenden Informationen waren die Richter in diesen Standgerichten nur in Ausnahmefällen Berufsrichter.
Die größte Bedeutung hatte die Parteizugehörigkeit. Dies ist die Grund, warum Richter fast ausnahmslos Parteimitglieder und die meisten von ihnen Amtswalter der NSDAP oder einer der verschiedenen anderen Nazi- Organisationen waren, d.h. also Männer, die mit einigen Ausnahmen nicht die geringste Kenntnis des Gesetzes hatten oder wußten, wie Strafprozesse zu führen waren.«
Ich lasse die nächsten Auszüge aus und fahre auf Seite 166 im Dokumentenbuch fort, am Anfang des letzten Absatzes; dann gehe ich auf Seite 167 über:
»Standgerichte wurden niemals öffentlich geführt... Da die Öffentlichkeit nicht zu den Verhandlungen der Standgerichte zugelassen wurde, wurde das Gefühl der Unsicherheit unter den herrschenden Gesetzen ver stärkt.
Eine Berufung gegen die Urteile, die von den Standgerichten verhängt wurden, gab es nicht.
Die Protokolle einer Verhandlung vor den Standgerichten enthielten nichts als die Namen der Richter, der Angeklagten und der Zeugen, sowie die Anführung des Verbrechens und das Datum, an dem das Urteil verhängt wurde. (Abschnitt 4, Paragraph 2 der Verfügung.) Maßregeln, die nur solche unvollständigen Protokolle vorsehen, ja sie direkt vorschreiben, können nur den einen Zweck haben: alle Kontrolle durch Verheimlichung alles dessen, was während der Verhandlung geschah, zu verhindern, um so alle Spuren dieser Vorgänge auszulöschen.
Nach Abschnitt 4, Paragraph 1 der Anweisung, können Standgerichte nur Todesurteile verhängen oder den Angeklagten der Geheimen Staatspolizei überantworten.«
Ich lasse die nächsten Absätze aus, die allgemeine Kommentare enthalten und fahre mit dem Zitat auf Seite 168, erster Absatz, fort:
»Urteile, die vom Standgericht verhängt werden, müssen sofort vollstreckt werden. (Teil 4, Paragraph 3 der Verordnung.)
Viele Beispiele haben gezeigt, daß diese brutale nationalsozialistische Gesetzgebung niemals in milderer Form zur Ausführung gelangte. Zum Schluß der sogenannten Verhandlung bleibt es den Richtern überlassen, zu entscheiden, ob der Verurteilte erschossen oder aufgehängt werden sollte. (Abschnitt 4, Paragraph 3 der Verordnung.)
Nicht einmal ein kurzer Aufschub ist dem Verurteilten gegönnt, um sich auf den Tod vorzubereiten. Eine Begnadigung wird in der Verfügung nicht in Betracht gezogen. Auf jeden Fall wurde sie durch die brutale Eile, mit der das Urteil vollstreckt wurde, unmöglich gemacht.«
Ich beende diesen Auszug und gleichzeitig den ganzen Abschnitt, der der terroristischen Gesetzgebung seitens der Hitleristen in der Tschechoslowakei, gewidmet ist, und fahre auf Seite 169 des Dokumentenbuches, Zeile 4 von oben, fort. Dort heißt es:
»Es ist ganz offensichtlich, daß die Standgerichte kein einziges jener Merkmale aufwiesen, die nach allgemeiner Meinung ein Gericht haben muß, und daß die Verhandlungen vor diesen Standgerichten in Wirklichkeit gegen alle Grundsätze verstießen, die in der Gesetzgebung aller zivilisierten Länder verankert sind. Die Standgerichte können nicht als Gerichte bezeichnet werden, und ihre Verhandlungen können nicht als ordentliche Prozesse oder Entscheidungen bezeichnet werden. Ich glaube, die zutreffende Bezeichnung würde sein ›Verdikt‹.
Hinrichtungen, die in Vollstreckung des Verdikts der Standgerichte ausgeführt wurden, unterscheiden sich in nichts von Hinrichtungen ohne jede Verhandlung. Sie müssen als Morde betrachtet werden.
Es ist unmöglich, in den Bestimmungen, die die Verfahrensweise der Standgerichte festsetzen, auch nur die geringste Spur von Menschlichkeit zu finden. Zum Bei spiel gibt die Vorschrift, die die unmittelbare Hinrichtung vorschreibt, dem Verurteilten tatsächlich keine Zeit, sich auf den Tod vorzubereiten. Sie ist, ebenso wie die ganze Institution der ›Standgerichte‹ eine Form der Grausamkeit, die nur das Ziel hat, die Bevölkerung zu terrorisieren.«
Ich beende damit das Zitat und möchte bemerken, daß die Einrichtung der Standgerichte als solche die Polizeigerichte weder widerrief noch ausschloß. Diese fällten ihre Entscheidungen im Wege eines Verfahrens, das dem ähnlich war, das Frank in Polen ins Leben gerufen hatte. Ich glaube, daß alle Gesetze und Erlasse, die ich eben zitiert habe, beweisen, daß die Hitleristen versuchten, die Gesetzgebung, die berufen ist, Verbrechen zu bestrafen, so zu gestalten, daß durch sie selbst Verbrechen begangen wurden. Allein aus diesem Grunde haben sie ihre Gesetze gemacht.
Hoher Gerichtshof! Ich gehe nun zu den terroristischen Gesetzen und Anweisungen der Nazi-Verbrecher über, die gegen die friedlichen Bürger der Sowjetunion gerichtet waren.
Als die deutsche faschistische Räuberbande den verbrecherischen Krieg gegen die USSR begann, empfand sie sogar diese zur besonderen Rechtfertigung ihrer Verbrechen geschaffenen Gesetze und Rechtsgrundsätze als nicht mehr ausreichend.
Zum größten Teil sind diese Dokumente dem Gerichtshof bereits vorgelegt worden. Ich werde mich auf einige sehr kurze Zitate beschränken.
Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich drei Zeilen aus einem Dokument vorlesen, das bereits früher vorgelegt wurde. Ich spreche von Dokument L-221, das die Amerikanische Anklagebehörde dem Gerichtshof überreicht hat.
Es handelt sich um die brüske Antwort, die Hitler an Göring gelegentlich der Sitzung vom 16. Juli 1941 gegeben hat. Der Gerichtshof wird die Stelle auf Seite 189, erster Absatz, erste Zeile finden.
VORSITZENDER: Dieses Dokument ist schon verlesen worden.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Jawohl, ich möchte mir erlauben, daraus lediglich drei Zeilen zu zitieren.
VORSITZENDER: Lesen Sie ruhig weiter! – aber ich glaube, daß der Rest der Seite, die Sie lesen, nur Kommentar ist, und Sie könnten zum nächsten Dokument übergehen. Lesen Sie diese drei Zeilen, dann glaube ich, werden Sie finden...
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es ist nicht ganz so. Ich werde die drei Zeilen zitieren:
Hitler sagte:
»Der Riesenraum müsse natürlich so rasch wie möglich befriedet werden...«
Ich zitiere den nächsten Satz. Hitler sagte:
... »dies geschehe am besten dadurch, daß man jeden, der nur schief schaue, totschieße.«
Ich habe dies angeführt, weil es das Leitmotiv ist, das sich in allen Weisungen und Befehlen der Hitleristen wiederfindet.
VORSITZENDER: Was ich Ihnen vorschlage, ist, den Rest der Seite gemäß unserer Übersetzung nicht zu verlesen, da es unnötig ist, und sofort lieber auf die Anordnung Keitels vom 16. September 1941 überzugehen.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gewiß, Herr Vorsitzender. Darf Ich fortfahren?
VORSITZENDER: Fahren Sie fort!
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich zitiere eine Anweisung von Keitel, die dem Gerichtshof von der Amerikanischen Anklagebehörde als Dokument C-148, US-555 vorgelegt wurde. Ich zitiere dieselbe von der Seite 190, Paragraph 3, Punkt b, vierte Zeile:
»... Dabei ist zu bedenken, daß ein Menschenleben in den betroffenen Ländern vielfach nichts gilt und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann.«
Ich will dem Gerichtshof eine Photokopie des Dokuments vorlegen, das bereits unter 459-PS vorgelegt wurde. Ich will keine einzige Zeile hieraus zitieren, doch möchte ich den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß Abschnitt 6 dieses Dokuments erwähnt, daß alle Widerstände nicht durch die gerichtliche Bestrafung der Schuldigen gebrochen werden, sondern, wenn die Besatzungsbehörden Erfolg haben wollen, ein solcher Schrecken unter der Bevölkerung verbreitet werden muß, der geeignet ist, wie es in der Verfügung heißt, »der Bevölkerung jede Lust zur Widersetzlichkeit zu nehmen«.
Ich möchte dies durch ein kurzes Zitat von zwei Zeilen aus der Verfügung des Kommandeurs der 6. Armee, Generalfeldmarschall von Reichenau, bestätigen, die bereits von meinem Kollegen dem Gerichtshof als Beweisstück unter USSR-12 vorgelegt wurde. Der Gerichtshof findet sie auf Seite 194 im Dokumentenbuch, und zwar auf Zeile 19 von oben.
»Die Furcht vor den deutschen Gegenmaßnahmen muß stärker sein als die Drohung seitens der umherirrenden bolschewistischen Überreste.«
Ich wollte ein Dokument in das Protokoll verlesen, das den Stempel der pseudo-legalen Lehre des Hans Frank trägt und das so charakteristisch für seine Verfügungen und Verordnungen ist. Dieses Dokument ist dem Gerichtshof jedoch bereits vorgelegt worden, und ich möchte Ihre Aufmerksamkeit für Dokumente, die bereits vorgelegt wurden, nicht in Anspruch nehmen. Ich beziehe mich auf das Rundschreiben des Chefs des Reichssicherheitshauptamtes Nummer 567/42-176 vom 5. November 1942. Dieses Dokument ist bereits von meinem amerikanischen Kollegen als Beweisstück L-316 vorgelegt worden. Ich möchte den Gerichtshof nur daran erinnern, daß dieses Dokument darlegt, daß sogar die Prinzipien, nach denen die Handlungen von Nichtdeutschen beurteilt werden, andere zu sein haben. Alle Tätigkeiten von Nichtdeutschen sollen nicht vom Standpunkt des Rechts, sondern ausschließlich vom Standpunkt einer Prävention aus beurteilt werden. Ich glaube, daß dieses Dokument dem Gerichtshof wohlbekannt ist, weshalb ich es nicht verlesen möchte.
Auf diese Weise wurde die Zivilbevölkerung in jenen Gebieten der besetzten Länder, in denen die SS den eindringenden Truppen folgte, der Willkür der besonders ausgebildeten, bestialischen Vertreter der deutsch-faschistischen Polizei ausgeliefert.
Ich möchte, indem ich eine Photokopie des Dokuments überreiche, das dem Gerichtshof bereits unter 447-PS vorgelegt wurde, nur eine Zeile aus diesem Dokument zitieren. Der Gerichtshof findet sie auf Seite 197, Absatz 5, unter der Überschrift: »Der Operationsbereich«. Es ist dort ausgeführt, daß der Reichsführer-SS besondere Vollmachten erhielt, nämlich:
»Im Rahmen dieser Aufgaben handelt der Reichsführer- SS selbständig und in eigener Verantwortung.«
Es ist wohlbekannt, was der Reichsführer-SS wirklich war. Von vielen Erklärungen Himmlers möchte ich mich nur auf ein einziges Zitat beschränken, das ganz charakteristisch für eine leitende Verlegung ist, die an die verantwortlichen Stellen der SS die Himmler untergeben waren, gerichtet war.
Bei einer SS-Gruppenführertagung in Posen, am 4. Oktober 1943, sagte Himmler, dieses Dokument wurde dem Gerichtshof von der Amerikanischen Anklagebehörde als Dokument 1919-PS vorgelegt und am 19. Dezember 1945 in das Gerichtsprotokoll verlesen. Ich möchte nur sechs Zeilen auf Seite 23 der Photokopie des Dokuments verlesen. Der Gerichtshof wird dieses Dokument auf Seite 201 des Dokumentenbuches finden. Dort steht ein kurzes Zitat.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß, falls ein Dokument bereits verlesen wurde, es nicht nochmals verlesen werden sollte.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich glaube, daß diese besondere Stelle nicht im Verhandlungsprotokoll enthalten ist. Das Dokument wurde am 19. Dezember 1945 als Dokument 1919-PS vorgelegt, doch wurde dieser besondere Auszug, den ich zitieren wollte, in dieser Sitzung nicht in das Protokoll verlesen. Es sind nur sechs Zeilen.
VORSITZENDER: Natürlich, wenn Sie das geprüft haben und das mit Sicherheit sagen können, dann können Sie es sicherlich verlesen.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich sah das Gerichtsprotokoll durch, doch konnte ich es nicht finden. Ich glaube daher, daß es nicht in das Protokoll verlesen wurde. Ich werde mich buchstäblich auf sechs Zeilen beschränken. Im vorliegenden Fall handelt es sich wirklich nur um sechs Zeilen.
VORSITZENDER: Gut, zitieren Sie dann! Diese Unterbrechungen nehmen sehr viel Zeit in Anspruch.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich beginne mit dem Zitat:
»Ob die anderen Völker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht. Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird.«
Dem Gerichtshof wurde bereits ein Dokument vorgelegt, das beweist, daß die Gesetzgebung über Massenmorde und Ausrottung der friedlichen Bevölkerung der Sowjetunion, die vom Heer zum Zweck der Terrorisierung der Bevölkerung ausgeübt wurden, von Hitler und seiner Clique bereits am 13. Mai 1941 eingeführt wurde, also bereits mehr als einen Monat vor Kriegsbeginn. Ich spreche im vorliegenden Fall über die wohlbekannte Verfügung Keitels »über die Ausbeutung der militärischen Gerichtsbarkeit im Gebiete ›Barbarossa‹ und über besonders militärische Maßnahmen«.
Dieses Dokument wurde von der Amerikanischen Anklagebehörde am 7. Januar 1946 unter C-50 verlesen. Ich möchte dieses Dokument nicht zitieren, da ich glaube, daß es dem Gerichtshof wohlbekannt ist. Ich möchte jedoch den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß die Urkunde kategorisch jede Notwendigkeit einer Feststellung der Schuld ablehnt; bloßer Verdacht genüge, um eine Todesstrafe zu verhängen. Amtlich wurde das verbrecherische System der Gruppenhaftung und der Repressalien gegenüber den Massen eingeführt. Weiterhin wurde ausgeführt, daß diejenigen, die »verdächtig waren«, in jedem Fall vernichtet werden müßten. Das ist ganz deutlich in Paragraph 5, Abschnitt 1 dieser Verfügung gesagt.
VORSITZENDER: Wir vertagen uns jetzt am besten.