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[Dr. Seidl begibt sich zum Rednerpult.]

VORSITZENDER: Wir werden den Einwand anhören.

DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRANK: Ich widerspreche der Verlesung des Vernehmungsprotokolls des Zeugen von dem Bach-Zelewsky. Der Zeuge wurde vor dem Gericht vernommen, und es hätte die Möglichkeit damals bestanden, den Zeugen über den Gegenstand des Vernehmungsprotokolls hier vor dem Gericht zu hören.

Sollte die Anklagebehörde der Sowjetunion auf die Darstellung dieses Sachverhalts nicht verzichten wollen, so stelle ich den Antrag, den Zeugen von dem Bach-Zelewsky, welcher sich noch hier in Nürnberg befindet, noch einmal vor das Tribunal zu laden, damit auch die Verteidigung die Gelegenheit hat, den Zeugen im Kreuzverhör zu vernehmen.

VORSITZENDER: Staatsjustizrat Raginsky, wünschen Sie etwas zu erwidern?

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Dieses Protokoll über die eidliche Vernehmung des von dem Bach-Zelewsky wurde der Sowjetischen Delegation von dem Vertreter der Polnischen Regierung vorgelegt. Die Niederschrift des Verhörs ist nach den Vorschriften der Prozeßgesetze erfolgt, und die Aussage ist unter Eid gemacht worden. Deswegen hielten wir es für unumgänglich und auch für möglich, dieses Protokoll dem Gerichtshof vorzulegen, ohne von dem Bach-Zelewsky nochmals als Zeugen zu laden. Sollte jedoch der Gerichtshof beschließen, daß diese Aussagen ohne eine erneute Ladung des Zeugen nicht vorgelegt werden können, so sind wir bereit, im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens, und um unsere Beweisführung nicht zu verzögern, dieselben nacht vorzulegen, da diese Tatsachen auch durch andere Urkunden, die ich noch vorzulegen beabsichtige, festgestellt werden.

VORSITZENDER: General, darf ich Sie folgendes fragen: Ist die Aussage, die von der Polnischen Kommission gemacht wurde, dieselbe, die von dem Bach- Zelewsky hier vor dem Gerichtshof gemacht hat? In diesem Falle ist sie kumulativ. Ist sie aber verschieden, dann hat die Verteidigung das Recht, ein weiteres Kreuzverhör des Zeugen durchzuführen.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Die Aussagen, die von dem Bach-Zelewsky vor dem Staatsanwalt der Polnischen Republik gemacht hat, sind zusätzlicher Art. Von dem Bach-Zelewsky wurde hier vor dem Gerichtshof wegen der Zerstörungen nicht verhört.

VORSITZENDER: General Raginsky! Der Gerichtshof hat Sie dahingehend verstanden, daß Sie bereit wären, dieses Beweismaterial zurückzuziehen, da der Zeuge bereits Aussagen gemacht hat. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß dies die beste Lösung ist. Demnach wird also das Beweismaterial einerseits, soweit es bereits zu Protokoll gebracht wurde, aus diesem gestrichen und andererseits nicht eingereicht.

Ich glaube, daß jetzt ein günstiger Zeitpunkt ist, die Sitzung zu unterbrechen.

[Pause von 10 Minuten.]

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Laut Beschluß des Gerichtshofs lasse ich die Seite 21 meines Berichts aus und gehe zur Seite 22 über.

Ich verlese einen Auszug aus dem Tagebuch des Angeklagten Frank, der dem Gerichtshof als USSR- 223 vorgelegt worden ist. Dieser Auszug befindet sich auf Seite 45 des Dokumentenbuches. Ich meine den Ordner mit dem Titel »Tagebuch«, das vom 1. August 1944 bis zum 14. Dezember 1944 geführt wurde, und in dem sich eine Eintragung über den Inhalt des von Frank an Reichsminister Lammers gerichteten Telegramms befindet. Ich lese: Am 5. August 1944 richtet

»... der Herr Generalgouverneur folgendes Fernschreiben an Reichsminister Dr. Lammers: ›... Die Stadt Warschau steht zum größten Teil in Flammen. Die Niederbrennung von Häusern ist auch das sicherste Mittel, den Aufständischen Schlupfwinkel zu entziehen... Nach diesem Aufstand und seiner Niederschlagung wird Warschau dem verdienten Schicksal seiner völligen Vernichtung mit Recht anheimgefallen sein oder unterzogen werden.‹«

Auf diese Weise stellen die angeführten Dokumente fest, daß die faschistischen Verschwörer sich als Ziel gesetzt haben, die Hauptstadt des Polnischen Staates, Warschau, vom Erdboden verschwinden zu lassen, und daß der Angeklagte Frank in diesem Verbrechen eine aktive Rolle spielte.

In allen von ihnen besetzten Gebieten der USSR, Jugoslawiens, Polens, Griechenlands und der Tschechoslowakei vernichteten die deutsch-faschistischen Eindringlinge planmäßig und systematisch bewohnte Ortschaften, und dies geschah unter dem Vorwand des Kampfes gegen die Partisanen.

Die zu diesem Zweck von dem OKW eingeteilten besonderen Strafexpeditionen, Einheiten und Kommandos verbrannten und sprengten Zehntausende von größeren und kleineren Dörfern und anderen Ansiedlungen in die Luft.

Ich lasse einen Absatz aus.

Aus den vielen der Sowjetanklage zur Verfügung stehenden Dokumenten werde ich als Beispiele einige typische anführen, die das von den Hitleristen angewandte System als Ganzes kennzeichnen.

Die Meldung des Kompaniechefs, Hauptmann Kasper, vom 27. September 1942, »Schlußbericht über die im Dorfe Borissowka vom 22. bis 26. September 1942 durchgeführte Strafexpedition« beginnt folgendermaßen:

»Auftrag: Der bandenverseuchte Ort Borissowka ist durch die 9. Kompanie zu vernichten.«

Dieses Dokument ist dem Gerichtshof unter USSR- 119 vorgelegt worden.

Ich überspringe den Anfang der Seite 42.

Im Januar 1942 wurde im Kreis Resekniez in der Lettischen Sozialistischen Sowjet-Republik das Dorf Audrini für die Hilfe, die es angeblich den Rotarmisten geleistet hatte, samt seiner Bevölkerung vernichtet. In den Städten Lettlands wurde eine darauf bezügliche Bekanntmachung des Kommandanten der deutschen staatlichen Sicherheitspolizei in Lettland, SS-Obersturmbannführer Strauch, in deutscher, lettischer und russischer Sprache angeschlagen.

Eine beglaubigte Photokopie dieser Bekanntmachung lege ich dem Gerichtshof als USSR-262 vor; ich verlese einen Auszug aus diesem Dokument, der sich auf Seite 158 des Dokumentenbuches befindet:

»Der Kommandeur der Sicherheitspolizei Lettland gibt bekannt:... 2. Die Einwohner des Dorfes Audrini, Kreis Rositten, hatten über ein Vierteljahr lang Rotarmisten bei sich aufgenommen, sie versteckt gehalten, ihnen Waffen gegeben und sie in jeder nur möglichen Weise in ihren staatsfeindlichen Bestrebungen unterstützt.... Ich habe daher als Sühnemaßnahme angeordnet:

a) Das Dorf Audrini dem Erdboden gleichzumachen....«

Die Hitler-Faschisten führten Strafexpeditionen in den besetzten Gebieten Leningrads in weitem Umfang durch.

Wie aus dem Urteil des Kriegsgerichts des Militärbezirks Leningrad hervorgeht, das dem Gerichtshof als Dokument USSR-91 von der Sowjetischen Anklagebehörde vorgelegt wird, haben die Hitler-Verschwörer im Februar 1944 zehn Ortschaften in den Bezirken von Dedowitschy, Pozherewitzy und Ostrow niedergebrannt.

Die hitlerischen Strafexpeditionen haben auch die Dörfer im Bezirk von Pljus Straschewo und Sapolje und die Dörfer Bolschije Ljady, Ludoni und andere Ortschaften niedergebrannt.

Zahlreiche Strafkommandos haben, dem Befehl des OKW gehorchend, viele Hunderte von Ortschaften auf jugoslawischem Gebiet verbrannt.

Zum Beweis dafür berufe ich mich auf Teil 3 des Berichts der »Jugoslawischen staatlichen Kommission für die Feststellung der Verbrechen der deutschen Eindringlinge«, der dem Gerichtshof als Dokument USSR-36 vorgelegt wurde, sowie auf den von Professor Nedielkovich unterschriebenen besonderen Bericht der Jugoslawischen staatlichen Kommission Nummer 2697/45, der dem Gerichtshof als USSR- 309 vorgelegt wird. Sie finden diese Urkunde auf den Seiten 165 bis 167 Ihres Dokumentenbuches.

In diesen Dokumenten werden zahlreiche Tatsachen über die Verbrennung und Vernichtung von Dörfern und Flecken durch besondere Strafexpeditionen angeführt.

Als Beispiele kann man die Ortschaften von Zagnjesde, Udor, Metchkovac, Marssich, Graschniza, Rudnika, Krupnja, Rastowatsch, Orach, Grabowiza, Dratschitsch, Lozenda und eine Reihe anderer Orte nennen. Ganze Teile Jugoslawiens wurden nach der deutschen Besetzung vollkommen verwüstet.

Ich lege weiterhin dem Gerichtshof eine Photokopie der Bekanntmachung des sogenannten »Oberbefehlshabers Serbien« vor und bitte, diese als Beweisstück USSR-200 anzunehmen.

Diese Bekanntmachung wurde von den Truppen der jugoslawischen Befreiungsarmee in Serbien erbeutet, worüber eine ordentliche Bestätigung der Jugoslawischen staatlichen Kommission in Belgrad vorliegt. Ich verlese nur einen Absatz:

»Der Militärbefehlshaber in Serbien teilt mit: ›Das Dorf Skela ist durch Niederbrennen dem Erdboden gleichgemacht worden.‹«

Auch in Polen wurden Ortschaften durch Strafexpeditionen vernichtet.

Zum Beweis überreiche ich Dokument USSR-368, eine Erklärung des Bevollmächtigten der Polnischen Regierung, Herrn Stefan Kurowsky.

Diese Erklärung ist eine Beilage zum Bericht der Polnischen Regierung und befindet sich auf Seite 169 Ihres Dokumentenbuches: Aus diesem Dokument ist ersichtlich, daß die Deutschen im Frühjahr 1943 unter Führung des SS-Führers Globocznik, eine Reihe von Ortschaften in den Gebieten von Samoisk, Bilgoraisk, Chrubeschowsk und Krasnitzk niedergebrannt haben, und daß im Februar 1944 mit Unterstützung der Luftwaffe fünf Dörfer im Bezirk Krasnitzk vernichtet wurden.

In Griechenland wurden von den Deutschen zahlreiche Ortschaften niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht.

Als Beispiele kann man die Ortschaften Amelofito, Kliston, Kizonia, Ano-Kertsilion und Kato-Kertsilion im Raume von Saloniki sowie die Ansiedlungen Mesovounos und Selli im Raum von Korzani und andere nennen.

Ich lege dem Gerichtshof als USSR-103 die beglaubigten Photokopien dreier telegraphischer Meldungen der 164. deutschen Infanteriedivision vor, die an den Stabschef der 12. Armee gerichtet sind. Diese Meldungen, meine Herren Richter, finden Sie auf Seite 170 in Ihrem Dokumentenbuch.

Jede dieser Meldungen besteht aus neun bis zehn Zeilen, sie sind nach ein und demselben Schema geschrieben. Diese kurzen amtlichen Dokumente enthüllen jedoch ein ungeheuerliches System, das von den Hitleristen überall in den besetzten Gebieten angewandt wurde. Ich werde nur eine dieser Meldungen verlesen:

»18. Okt. 1941. An AOK 12 Athen. Tagesmeldung.

1. Die Ortschaften Ano-Kerzelion und Kato-Kerzelion (75 km ostw. Saloniki an der Struma-Mündung) die erwiesenermaßen der Rückhalt einer größeren Bande in diesem Gebiet gewesen sind, wurden am 17. 10. durch Truppen der Division dem Boden gleichgemacht. Die männlichen Einwohner zwischen 16 und 60 Jahren (insgesamt 207 Personen) wurden erschossen, Frauen und Kinder umgesiedelt.

2. Sonst keine besonderen Ereignisse.«

Es bedarf hierzu wohl keines weiteren Kommentars.

Ich berufe mich ebenfalls auf den amtlichen Bericht der Griechischen Regierung, der dem Gerichtshof als Dokument USSR-379 vorliegt. Auf den Seiten 39 und 40 des Berichts, die der Seite 207 Ihres Dokumentenbuches entspricht, werden mehrere Fälle von Vernichtung und Verbrennung von Dörfern auf der Insel Kreta angeführt. So wurden zum Beispiel die Dörfer Skiki, Prassi und Kanados niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht in Vergeltung der Tötung einiger deutscher Fallschirmjäger durch Mitglieder der Ortspolizei während des Angriffs auf die Insel Kreta.

Einige Dörfer wurden von den Deutschen nur aus dem Grunde zerstört, weil sie im Operationsgebiet von Partisanen lagen. Der Bericht meldet, daß von 6500 Dörfern 1600 völlig oder teilweise zerstört wurden.

Man muß noch hinzufügen, daß die Deutschen absichtlich nicht verteidigte Städte bombardierten und 23 griechischen Städten schweren Schaden zufügten: die Städte Yannina, Arta, Preveza, Tukkala, Larissa und Canea wurden fast vollständig zerstört. Dies wird auf Seite 21 des Berichts der Griechischen Regierung erwähnt. Sie werden es auf Seite 190 Ihres Dokumentenbuches finden.

Meine Herren Richter! Die ganze Welt kennt die Schandtaten der Hitleristen in Lidice.

Der 10. Juni 1942 war der letzte Tag von Lidice und seiner Bewohner. Die faschistischen Barbaren hinterließen einen unwiderleglichen Beweis ihres ungeheuerlichen Verbrechens. Die Vernichtung von Lidice wurde gefilmt, wir haben die Möglichkeit, dem Gerichtshof diesen Film vorzuführen. Auf Anordnung der Tschechoslowakischen Regierung wurde eine besondere Untersuchung durchgeführt, die feststellte, daß die Verfilmung der Tragödie von Lidice, von dem sogenannten Protektor einem gewissen Franz Tremel, dem Filmberater der NSDAP übertragen wurde, der die Aufnahmen zusammen mit Miroslaw Wagner gemacht hat.

Diese Dokumente, die wir dem Gerichtshof vorlegen, enthalten Photographien der Hitler-Operateure, die die Phasen der Zerstörung von Lidice aufgenommen haben. Ich lege dem Gerichtshof dieses Material als USSR-370 vor.

Ich möchte noch bemerken, meine Herren Richter, daß dieser Film ein deutscher dokumentarischer Film ist. Er wurde vor einigen Jahren aufgenommen. Der Zustand der Kopie ist nicht einwandfrei und daher können während der Vorführung einige Störungen vorkommen.

Ich bitte den Gerichtshof, mich im voraus dafür entschuldigen zu wollen und bitte um die Erlaubnis, mit der Vorführung zu beginnen.