[Das Gericht vertagt sich bis
23. Februar 1946, 10.00 Uhr.]
Sechsundsechzigster Tag.
Samstag, 23, Februar 1946.
Vormittagssitzung.
VORSITZENDER: Bevor wir uns mit den Anträgen befassen, will ich den Beschluß des Gerichtshofs zu der Eingabe Dr. Stahmers vom 4. Februar 1946 und den Antrag der Anklagebehörde vom 11. Februar 1946 verlesen. Der Beschluß lautet wie folgt:
Der Gerichtshof trifft keine Entscheidung über die Absätze 2 bis 5 des Antrags der Anklagebehörde vom 11. Februar 1946 betreffend das Beweismaterial der Angeklagten.
Zu den Absätzen 2 und 7 der Eingabe von Dr. Stahmer vom 4. Februar 1946 über das Verfahren der Verteidigung ordnet der Gerichtshof folgendes an:
1. Die Fälle der Angeklagten werden in der Reihenfolge, in der ihre Namen in der Anklageschrift erscheinen, behandelt werden.
2. a) Der Verteidiger wird beim Vorbringen des Falles eines Angeklagten Dokumente verlesen, Zeugen vernehmen und kurze Bemerkungen zu dem Beweismaterial machen, soweit sie zum richtigen Verständnis notwendig sind.
b) Der Verteidiger kann im Gerichtssaal durch seinen Mitverteidiger oder einen anderen Verteidiger unterstützt werden. Dieser andere Verteidiger kann dem Verteidiger bei der Aushändigung der Dokumente und so weiter behilflich sein, darf aber nacht zu dem Gerichtshof sprechen oder Zeugen vernehmen.
3. Dokumentarisches Beweismaterial:
a) Der Verteidiger hat dem Generalsekretär das Original eines jeden Dokuments einzureichen, das er als Beweismaterial anbietet, falls sich das Original im Besitz der Verteidigung befindet. Wenn sich das Original im Besitz der Anklagebehörde befindet, wird der Verteidiger die Anklagebehörde ersuchen, das Original des Dokuments zur Einführung als Beweismaterial zur Verfügung zu stellen. Wenn die Anklagebehörde sich weigert, Originale zur Verfügung zu stellen, soll dies dem Gerichtshof mitgeteilt werden.
b) Sollte sich das Original eines solchen Dokuments im Besitz des Gerichtshofs befinden, so wird der Verteidiger dem Generalsekretär eine Abschrift des gesamten Dokuments oder des entsprechenden Teiles dieses Dokuments mit der Dokumentennummer und dem Datum, unter dem es als Beweisstück vorgelegt wurde, überreichen.
c) Sollte der Verteidiger ein Dokument zum Beweis vorlegen wollen, dessen Original sich nicht in seinem Besitz befindet und auch auf andere Weise dem Gerichtshof nicht verfügbar gemacht werden kann, so wird er dem Generalsekretär eine Abschrift des gesamten Dokuments oder des entsprechenden Teiles eines solchen Dokuments einreichen, mit einer Erklärung darüber, wo und in wessen Besitz sich das Dokument befindet, und warum es nicht vorgelegt werden kann. Die Richtigkeit einer solchen Abschrift soll durch eine entsprechende Bescheinigung beglaubigt werden.
4. Jeder Verteidiger wird die Abschriften der Dokumente oder der Teile von Dokumenten, die er als Beweismaterial vorzulegen beabsichtigt, zu einem Dokumentenbuch zusammenstellen. Sechs Exemplare eines solchen Dokumentenbuches müssen dem Generalsekretär möglichst zwei Wochen bevor der Vortrag in dem Fall des Angeklagten wahrscheinlich beginnen wird, eingereicht werden. Der Generalsekretär wird dafür sorgen, daß das Dokumentenbuch in die englische, französische und russische Sprache übersetzt wird, und der Verteidiger soll je ein Exemplar dieser Übersetzungen erhalten.
5. a) Der Verteidiger wird den Generalsekretär ersuchen, die Zeugen, die er benannt hat, und die vom Gerichtshof genehmigt wurden, in Nürnberg zur Verfügung zu halten. Ein solches Ersuchen soll, wenn möglich, mindestens drei Wochen vor dem Tag, an dem der Beweisvortrag im Falle des Angeklagten wahrscheinlich beginnen wird, eingebracht werden. Der Generalsekretär wird veranlassen, daß der Zeuge, wenn möglich, eine Woche vor diesem Termin nach Nürnberg gebracht wird.
b) Der Verteidiger wird bis spätestens zum Mittag des Tages, vor dem er den Zeugen aufrufen will, den Generalsekretär hiervon verständigen.
6. a) Ein Angeklagter, der nicht als Zeuge auszusagen wünscht, kann dazu nicht gezwungen werden, er kann jedoch gemäß Artikel 17 b und 24 f des Statuts jederzeit vom Gericht verhört werden.
b) Ein Angeklagter kann nur einmal aussagen.
c) Ein Angeklagter, der für sich selbst als Zeuge aussagen will, soll dies während des Beweisvortrags seiner eigenen Verteidigung tun. Das Recht der Verteidigung und der Anklagebehörde, einen Angeklagten, der aussagt, gemäß Artikel 24 g des Statuts zu verhören oder ins Kreuzverhör zu nehmen, muß zu diesem Zeitpunkt ausgeübt werden,
d) Ein Angeklagter, der nicht für sich selbst auszusagen wünscht, der jedoch bereit ist, für einen Mitangeklagten auszusagen, kann dies während des Beweisvortrags des Falles des Mitangeklagten tun. Die Verteidiger der anderen Mitangeklagten und die Vertreter der Anklagebehörde sollen ihn nach Beendigung seiner Zeugenaussage für den Mitangeklagten befragen und einem Kreuzverhör unterziehen.
e) Die Unterabsätze a, b, c und d beschränken nicht das Recht des Gerichtshofs, zu gestatten, daß ein Angeklagter in Ausnahmefällen zu einer weiteren Aussage vorgerufen wird, wenn dies nach Ansicht des Gerichtshofs im Interesse der Gerechtigkeit liegt.
7. Abgesehen von den Plädoyers jedes einzelnen Verteidigers gemäß Artikel 24 h wird ein Verteidiger für alle Angeklagten das Recht haben, dem Gerichtshof ein Plädoyer über Rechtsfragen zu halten, die sich aus der Anklageschrift und dem Statut ergeben, und die alle Angeklagten gemeinsam betreffen; er soll sich dabei aber streng an die Bestimmungen des Artikels 3 des Statuts halten. Dieses Plädoyer hat nach Abschluß der sämtlichen Beweisvorträge für die Angeklagten zu erfolgen und darf nicht länger als einen halben Tag in Anspruch nehmen. Wenn möglich, soll eine Abschrift des schriftlichen Textes des Plädoyers dem Generalsekretär so rechtzeitig unterbreitet werden, daß er imstande ist, Übersetzungen in die englische, französische und russische Sprache anfertigen zu lassen.
8. In Ausübung des Rechtes, vor dem Gerichtshof eine Erklärung gemäß Artikel 24 i abzugeben, darf ein Angeklagter nichts wiederholen, was schon Beweisgegenstand gewesen ist oder von seinem Verteidiger schon in seinem Plädoyer gemäß Artikel 24 h behandelt worden ist; er muß sich vielmehr auf solche Ergänzungen beschränken, die er vor Verkündung des Schuld- und Strafausspruchs durch den Gerichtshof für erforderlich hält.
9. Die Verfahrensvorschriften, die mit dieser Verfügung festgelegt sind, können vom Gerichtshof jederzeit geändert werden, wenn dies dem Gerichtshof im Interesse der Gerechtigkeit notwendig erscheint.
Der Gerichtshof wird jetzt auf den Antrag des Angeklagten Göring auf Vorlage von Dokumenten und Ladung von Zeugen eingehen. Der Gerichtshof schlägt vor, in folgender Weise vorzugehen: Zuerst wird der Gerichtshof den Verteidiger des Angeklagten, dessen Fall behandelt wird, auffordern, über seinen ersten Zeugen zu sprechen; dann werden wir den Vertreter der Anklagebehörde auffordern, darauf zu erwidern; ist dies geschehen, so werden wir den Verteidiger auffordern, seinen Antrag auf einen zweiten Zeugen zu begründen und dann werden wir wiederum den Vertreter der Anklagebehörde bitten, zu diesem Zeugen Stellung zu nehmen; das heißt also, daß wir den Verteidiger und den Vertreter der Anklagebehörde abwechselnd zu jedem Zeugen hören wollen.
Dieses Verfahren wird jedoch wahrscheinlich nicht notwendig sein, wenn sich der Gerichtshof mit den Dokumenten zu befassen haben wird. Wahrscheinlich wird es dem Verteidiger lieber sein, alle Dokumente auf einmal zu behandeln, und dem Anklagevertreter angenehmer, auf alle Dokumente auf einmal zu erwidern. Soweit es sich jedoch um Zeugen handelt, werden wir uns mit jedem einzeln befassen.
Ich erteile nunmehr Dr. Stahmer das Wort.
DR. MARTIN HORN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON RIBBENTROP: Bevor wir in diese Einzelheiten eintreten, bitte ich mir mitzuteilen, warum das Gericht die Absicht hat, die Verteidigung grundlegend anders zu behandeln als die Staatsanwaltschaft. In Artikel 24 des Statuts steht zwar, daß der Gerichtshof die Anklagebehörde und die Verteidigung fragt, ob und welche Beweismittel sie dem Gericht anzubieten wünschen. Von dieser Bestimmung ist bisher von seiten des Gerichts gegenüber der Staatsanwaltschaft kein Gebrauch gemacht worden. Ich begrüße es, daß heute der Verteidigung die Möglichkeit gegeben wird, dem Gericht die Zeugen und Beweismittel unterbreiten zu können, deren Beschaffung bisher Schwierigkeiten bereitet hat. Ich bin bereit, heute dem Gericht die wesentlichen Gesichtspunkte mitzuteilen, die für die Notwendigkeit der Ladung der Zeugen und für die Erheblichkeit des Beweismittels sprechen. Ich bitte aber das Gericht darum, auf Grund der bisher geübten Praxis die Staatsanwaltschaft nicht in die Beurteilung der Frage einzuschalten, ob ein Beweismittel als erheblich angesehen wird oder nicht. Als Verteidiger bin ich der Überzeugung, daß ich mich damit einer Art Vorzensur durch die Staatsanwaltschaft unterwerfen müßte, die die Geschlossenheit meines gesamten Beweisangebotes gefährden könnte. Ich darf darauf hinweisen, daß laufend Einwendungen der Verteidigung mit der Bemerkung zurückgestellt wurden, daß die Verteidigung zu einem späteren Zeitpunkt darüber gehört wird. Wenn heute hier eine Aussonderung von Beweismitteln auf Grund des Vorbringens der Staatsanwaltschaft stattfindet, entsteht die Gefahr, daß damit Einwendungen, die zurückgestellt wurden, nicht mehr behandelt werden können. Aus diesen angeführten Gründen bitte ich das Gericht darum, nach der bisherigen Praxis weiter zu verfahren und vor dem Einwendungsrecht der Staatsanwaltschaft über die Herbeischaffung eines Beweismittels zu entscheiden.
VORSITZENDER: Würde der Verteidiger des Angeklagten Ribbentrop noch einmal zum Rednerpult zurückkehren? Der Gerichtshof ist sich über das Ziel Ihres Antrags nicht ganz klar.
DR. HORN: Ich stelle den Antrag, daß die Staatsanwaltschaft nicht in diesem Stadium des Prozesses die Möglichkeit erhält, über die Ladung von Zeugen und die Erheblichkeit von Beweismitteln zu entscheiden.
Herr Präsident, ich meinte mit Entscheidung, daß die Staatsanwaltschaft jetzt noch nicht mitwirken möchte über die Zulassung, über die Frage der Zulassung oder Nichtzulassung eines Beweismittels.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Meinung, daß Ihrem Antrag nicht stattgegeben werden kann, und zwar aus folgendem Grunde: Es ist richtig, daß die Verteidigung aufgefordert ist, gemäß Artikel 24 d Anträge auf Ladung von Zeugen und Vorlage von Dokumenten zu stellen. Einer der Hauptgründe dafür ist, daß der Gerichtshof alle Ihre Zeugen hierher bringen muß. Der Gerichtshof hat seit mehreren Wochen versucht, Ihre Zeugen zu finden und sie hierher zu bringen, und die von Ihnen gewünschten Dokumente herbeizuschaffen. Über die Erheblichkeit dieser Zeugen und Dokumente muß vom Gerichtshof entschieden werden; dann ist es aber selbstverständlich, daß der Vertreter der Anklagebehörde das Recht haben muß, zu der Frage der Erheblichkeit Stellung zu nehmen, genau so wie es den Verteidigern freistand, die Erheblichkeit aller von der Anklagebehörde eingeführten Zeugen und Dokumente zu bestreiten.
Genau dasselbe Verfahren, das für die Anklagebehörde galt, gilt nun für die Verteidigung mit der einzigen Ausnahme, daß die Angeklagten aufgefordert werden, Anträge auf Ladung von Zeugen und Vorlage von Dokumenten zu stellen; dies sollte auf einmal geschehen, statt sich damit bei der Einführung jedes einzelnen Zeugen und Dokuments zu befassen. Der Grund dafür ist, daß der Gerichtshof, wie ich schon erklärt habe, alle Zeugen und Dokumente für die Angeklagten zu ermitteln und hierher zu schaffen hat.
Ihr Antrag ging dahin, daß der Anklagebehörde nicht die Möglichkeit gegeben werden sollte, über die Ladung von Zeugen zu entscheiden. Die Anklagebehörde wird natürlich nicht darüber entscheiden; darüber wird der Gerichtshof befinden. Die Anklagebehörde muß jedoch das Recht haben, dazu Stellung zu nehmen und behaupten zu können, daß die Bekundung eines bestimmten Zeugen unerheblich oder kumulativ sei, und ebenso, daß irgendein Dokument keine Bedeutung habe.
Ich bin eben daran erinnert worden, daß alle diese Dokumente auch für den Gerichtshof übersetzt werden müssen.
DR. HORN: Herr Vorsitzender, viele der Verteidiger, darunter auch ich, sind bisher nicht in der Lage gewesen, entscheidende Zeugen zu Informationszwecken zu vernehmen. Wir wissen daher in entscheidenden Punkten noch gar nicht einmal genau, was ein Zeuge beweisen kann. Wenn wir jetzt bereits die Staatsanwaltschaft einschalten, bevor wir überhaupt genau wissen, inwieweit es sich lohnt, um einen Zeugen zu kämpfen oder nicht zu kämpfen, sind wir in eine wesentlich schlechtere Lage versetzt als die Staatsanwaltschaft, die bei Einwendungen von seiten der Verteidigung genau wußte, wofür ihr Zeuge oder ihr Beweismittel erheblich war. In dieser Hinsicht ist die Verteidigung größtenteils in einer wesentlich ungünstigeren Lage, und ich bin der Meinung, daß diese Lage noch ungünstiger wird, wenn hier, außer dem Gericht, auch noch die Staatsanwaltschaft in diesem Zeitpunkt des Verfahrens Einwendungen gegen das Beweismittel erhebt.
VORSITZENDER: Es ist richtig, daß es unmöglich ist, eine endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit eines bestimmten Beweisstückes zu treffen, bevor die Befragung tatsächlich erfolgt ist; aus diesem Grunde ist der Gerichtshof bei seiner vorläufigen Entscheidung über die Zeugenanträge sehr großzügig gewesen. Wenn auch nur der Schein dafür spricht, daß ein Zeuge etwas Beweiserhebliches aussagen konnte, so hat der Gerichtshof genehmigt, daß der Zeuge bereitgestellt wird.
Wenn es sich daher um einen Zeugen handelt, dessen Bekundung in Irgendeiner Weise erheblich zu sein scheint, wird der Gerichtshof selbstverständlich diesen Zeugen genehmigen, natürlich unter Beachtung der Bestimmungen des Statuts, den Prozeß rasch durchzuführen.
Vorbehaltlich dieser Beschränkungen wird der Gerichtshof jeden Zeugen vorladen lassen, dessen Bekundung irgendwie erheblich erscheinen könnte. Das ist alles, was der Gerichtshof tun kann, weil, wie ich bereits erklärt habe, der Gerichtshof die schwierige Aufgabe hat, diese Zeugen, die die Angeklagten selbst nicht beischaffen können, sicherzustellen.
DR. HORN: Ich danke Ihnen.
VORSITZENDER: Nun Herr Dr. Stahmer!
DR. OTTO STAHMER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN GÖRING: Herr Präsident, ich will nicht wiederholen, aber ich glaube, der Einwand von Herrn Dr. Horn wurde nicht ganz richtig verstanden. Herr Dr. Horn wollte sich wohl nur darüber beschweren, daß die Verteidigung in keinem Falle zuvor hier gefragt worden ist, ob ein Beweismittel, das die Anklagebehörde vorgebracht hat, erheblich sei oder nicht, sondern wir sind immer überrascht worden; es ist der Zeuge vorgeführt worden, und wir hatten keine Möglichkeit, dagegen irgendwelche sachlichen Einwendungen zu erheben.
Sofern es sich um die Beanstandung von Urkunden handelte, und zwar hinsichtlich ihrer Erheblichkeit, ist der Verteidigung jedesmal erklärt worden, daß zu einer solchen Einwendung die Zeit für die Verteidigung noch nicht gegeben sei...
VORSITZENDER: Entschuldigen Sie, Herr Dr. Stahmer, Sie haben mich mißverstanden. Den Verteidigern wurde nie erklärt, daß Einsprüche gegen die Zulässigkeit von Dokumenten auf später verschoben werden könnten. Jeder Einspruch gegen die Zulässigkeit von Dokumenten wurde sofort erledigt. Einwendungen gegen die Erheblichkeit eines Dokuments müssen jetzt während des Vorbringens der Verteidigung geltend gemacht werden. Ich meine nicht heute, sondern im Laufe der Verteidigung.
Es ist ein grundlegender Unterschied zwischen der Zulässigkeit und der Erheblichkeit eines Dokuments; alle Fragen der Zulässigkeit wurden seinerzeit behandelt.
DR. STAHMER: Herr Präsident, ich habe diesen Unterschied wohl verstanden. Ich wollte auch nicht sagen, daß die Beanstandung der Zulässigkeit nicht zugelassen wurde, sondern die Beanstandung der Erheblichkeit.
VORSITZENDER: Einwendungen gegen die Erheblichkeit von Dokumenten, das heißt gegen ihre Zulässigkeit. Gerade die Frage der Zulässigkeit von Dokumenten ist die hauptsächlichste Überlegung, die nach diesem Statut angestellt werden muß. Wenn sie erheblich sind, so sind sie zulässig. Das sagt das Statut, und jeder Einspruch, der von der Verteidigung gegen Dokumente oder sonstiges Beweismaterial erhoben wurde, wurde vom Gerichtshof angehört und sofort entschieden.
Herr Dr. Stahmer, der Gerichtshof wünscht, ich soll die Verteidiger darauf hinweisen, daß sie seit langem von dieser Verfahrensgestaltung Kenntnis hatten, daß sie seit langem von der Aufforderung nach Artikel 24 d wußten, die Namen ihrer Zeugen und Dokumente, die sie einzuführen wünschen, im einzelnen bekanntzugeben und zu erklären, welche Bedeutung diese Zeugen und Dokumente haben. Der Gerichtshof ist der Überzeugung, daß ein solches Verfahren wirklich notwendig ist, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welch großen Schwierigkeiten und beträchtlichen Ausgaben die Auffindung von Zeugen und Dokumenten und Ihre Verbringung nach Nürnberg verbunden ist.
Was Ihren und Dr. Horns Einspruch gegen das Verfahren betrifft, das gegenüber der Anklagebehörde eingeschlagen wurde, so steht es den Verteidigern jederzeit frei, wenn sie wünschen, den Antrag zu stellen, daß ein Dokument, das ihrer Meinung nach nicht hätte zugelassen werden sollen, aus dem Sitzungsprotokoll gestrichen wird. Einer seiner Einwände, oder vielleicht auch Ihr Einwand scheint zu sein, daß die Verteidiger nicht genügend Zeit gehabt haben, zu überlegen, ob ein bestimmtes Dokument oder ein bestimmter Zeuge erheblich und deshalb zulässig war. Sie haben jetzt genügend Zeit, dies zu prüfen, und wenn Sie jetzt den Antrag stellen wollen, ein Dokument oder ein sonstiges Beweisstück zu streichen, so stellen Sie bitte diesen Antrag schriftlich und der Gerichtshof wird darüber beraten.
Wie ich schon sagte, ist der Zweck dieses Verfahrens, den Angeklagten und ihren Verteidigern zu helfen; und es ist auch notwendig, so zu verfahren, weil selbstverständlich weder die Angeklagten noch die Verteidiger in der Lage sind, die Zeugen hierher nach Nürnberg zu bringen, und in einigen Fällen auch, die Dokumente herbeizuschaffen.
Um das für Sie tun zu können, müssen wir notwendigerweise wissen, wen und welche Dokumente Sie hierher gebracht haben wollen; und um weder Zeit noch Geld unnütz zu vergeuden, müssen wir notwendigerweise wissen, ob den Zeugen und den Dokumenten wenigstens die Spur einer Erheblichkeit für die hier aufgeworfenen Fragen zukommt.
DR. STAHMER: Ich beginne mit der Benennung der Zeugen, deren Vernehmung vor dem Gerichtshof ich für notwendig erachte. Ich benenne zunächst den General der Flieger, Karl Bodenschatz.
VORSITZENDER: Herr Dr. Stahmer, der Gerichtshof wünscht nicht, daß Sie Ihren Antrag verlesen. Wollen Sie bitte in Ihren eigenen Worten so kurz wie möglich sagen, warum Sie gerade diesen Zeugen wünschen, dann wird der Gerichtshof darüber befinden. Und wenn ein Vertreter der Anklagebehörde Einspruch erheben will, möge er es tun; der Gerichtshof wird dann endgültig in der Sache entscheiden.
DR. STAHMER: Der von mir genannte Zeuge, General der Flieger Bodenschatz, der sich hier im Nürnberger Gefängnis befindet, ist seit 1933 zunächst als Adjutant, später als Vorsteher des Ministeramtes mit dem Angeklagten Göring zusammengewesen. Er ist also über alle wesentlichen Vorgänge aus dieser Zeit unterrichtet. Ich habe ihn für eine Reihe von Tatsachen als Zeugen benannt, die im einzelnen sich aus meiner schriftlichen Eingabe ergeben, insbesondere, daß er teilgenommen hat an einer Besprechung, die Anfang August 1939 im Soenke Nissen Koog stattgefunden hat, bei der Göring mit englischen Parlamentariern zusammengetroffen ist, um mit ihnen die Möglichkeiten einer friedlichen Lösung der damals bereits bestehenden Streitigkeiten zwischen Deutschland und Polen herbeizuführen. Er hat damals den englischen Parlamentariern gegenüber erklärt, daß es auf keinen Fall zu einem Kriege kommen dürfe, und daß sie sich darum bemühen müßten, daß diese Differenzen friedlich beigelegt werden würden.
Er hat ferner Äußerungen bekundet, die Göring im Laufe der Jahre, insbesondere in den Jahren 1936 bis 1939 gemacht hat, aus denen die Absicht des Angeklagten Göring hervorging, nach Möglichkeit einen Krieg zu vermeiden. Er hat erklärt, die Politik des Reiches müsse so geführt werden, daß es auf keinen Fall zu einem Kriege komme. Er weiß ferner noch Bescheid über das Verhalten Görings, als er zum erstenmal von Hitler gehört hatte, daß Hitler die Absicht habe, gegen Rußland vorzugehen. Endlich ist er auch über die soziale Einstellung Görings unterrichtet, die er ja in der Zeit seit 1939 ausreichend kennenzulernen Gelegenheit hatte. Das ist in großen Zügen der Tatbestand, über den Bodenschatz als Zeuge hier aussagen könnte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Hoher Gerichtshof! Darf ich eine allgemeine Bemerkung zu dem Vorgehen der Anklagebehörde machen?
Meine Kollegen in allen Delegationen haben mich gebeten, daß ich mich in erster Linie gerade mit diesen Anträgen befassen solle. Zu gewissen Anträgen, Hoher Gerichtshof, werden sicher einige meiner Kollegen gern etwas hinzufügen wollen, sofern sie ein besonderes Interesse an ihnen haben; aber im großen und ganzen werde ich mich im Namen der Anklagebehörde mit den Anträgen beschäftigen.
Darf ich voranschicken, daß die Anklagebehörde von folgendem Grundsatz ausgeht: Wenn der beantragte Zeuge auch nur in irgendeinem Punkte erheblich ist, wird sie natürlich keinen Einspruch erheben. Um jedoch kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, möchte sie ganz klar hervorheben, daß sie dadurch, daß sie keinen Einspruch erhebt, noch nicht die Erheblichkeit jedes in dem Dokument enthaltenen oder von den Verteidigern vorgebrachten Punktes anerkennt. Wenn sie keinen Einspruch erhebt, dann will sie damit nur zugeben, daß es in dem Vorgebrachten irgendeinen erheblichen Punkt gibt.
Auf dieser Grundlage – der Gerichtshof wird verstehen, warum ich hierbei so vorsichtig sein muß – erhebt die Anklagebehörde keinen Einspruch im Falle des Generals Bodenschatz.
VORSITZENDER: Jawohl, bitte Dr. Stahmer.
DR. STAHMER: Ich benenne ferner als Zeugen den früheren Gauleiter Dr. Uiberreither, der sich zur Zeit hier im Gefängnis in Nürnberg befindet. Uiberreither hat folgendes zu bezeugen. Er kann Angaben machen über eine Ansprache...
VORSITZENDER: Darf ich Sir David folgendes sagen: Mit Rücksicht auf das, was Sie eben sagten, wäre es vielleicht zweckmäßig, wenn Sie sich gleich zu Beginn von Dr. Stahmers Antrag zu jedem einzelnen Zeugen äußerten, ob die Anklagebehörde eine Einwendung gegen diesen Zeugen hat. Vielleicht würde dies Dr. Stahmer helfen, sich kurz zu fassen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Darf ich erklären, daß wir gegen Dr. Uiberreither unter den bereits erwähnten Voraussetzungen keinen Einspruch erheben.
VORSITZENDER: Ich wollte damit nur sagen, daß, wenn der Vertreter der Anklagebehörde uns erklärt, er habe gegen einen bestimmten Zeugen nichts einzuwenden, sich Dr. Stahmer mit den einzelnen Zeugen kürzer befassen könnte.
DR. STAHMER: Natürlich.
VORSITZENDER: Geben Sie uns nur eine Erklärung, inwiefern die Bekundung erheblich ist, aber machen Sie es kurz, da die Anklagebehörde keinen Einspruch erhebt.
DR. STAHMER: Jawohl.
VORSITZENDER: Wäre es im Falle dieses Zeugen im Interesse der Abkürzung des Verfahrens für die Verteidigung nicht ebenso zweckmäßig, den Beweis durch eine eidesstattliche Erklärung oder einen Fragebogen zu erbringen?
DR. STAHMER: Bezüglich des Zeugen Uiberreither habe ich keine Bedenken, wenn ich die Möglichkeit habe, von dem Zeugen selbst eine Erklärung aufzunehmen.
VORSITZENDER: Bevor Sie weitergehen, wollen Sie uns bitte nur mit dem Gegenstand seiner Aussage vertraut machen.
DR. STAHMER: Uiberreither ist zugegen gewesen, als Göring im Sommer 1938 vor den neuen Gauleitern aus dem Lande Österreich eine Ansprache gehalten hat, in der er sich mit der Politik des Reiches befaßt hat, und in der er sich über das Ziel und den Zweck des Vierjahresplanes ausgesprochen hat. Er ist ferner Zeuge gewesen, als Göring einige Zeit nach dem 10. November 1938, also nach dem Vorgehen gegen die Juden, die Gauleiter nach Berlin berufen und dort das Vorgehen in scharfen Worten getadelt hat. Das sind die beiden Beweisthemen.
VORSITZENDER: Sehr gut, dann können wir uns jetzt Nummer 3 zuwenden.
DR. STAHMER: Der Zeuge Lord Halifax. Bezüglich dieses Zeugen bemerke ich...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Darf ich darauf hinweisen, daß Lord Halifax ein Fragebogen vorgelegt wurde, der von ihm beantwortet ist? Die Anklagebehörde erhebt keinen Einspruch gegen diesen Fragebogen. Selbstverständlich erhebt sie Einspruch dagegen, daß er als Zeuge hierher geladen wird. Wir nehmen aber an, daß der Gerichtshof und Dr. Stahmer damit einverstanden sind, daß Lord Halifax durch Fragebogen vernommen wird. Dagegen haben wir keinen Einspruch zu erheben.
DR. STAHMER: Mir genügt die mir bereits zugegangene Beantwortung meines Fragebogens, und auf einer Ladung dieses Zeugen bestehe ich nicht.
VORSITZENDER: Sehr gut.
DR. STAHMER: Der nächste Zeuge ist der Zeuge Forbes. Ich darf bemerken, daß mir auch bereits die Einreichung eines Fragebogens genehmigt wurde. Der Fragebogen ist, wie ich habe feststellen können, auch schon abgesandt; eine Antwort habe ich noch nicht erhalten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir haben keinen Einspruch dagegen, daß Sir George Ogilvie-Forbes durch Fragebogen vernommen wird. Ich werde mein Bestes tun, daß die Antwort so schnell wie möglich eintrifft. Meiner Erinnerung nach, ich konnte es nicht nachprüfen, befindet sich Sir George in der Hauptstadt eines fremden Staates. Ich werde aber mein Möglichstes tun, daß die Antwort so schnell wie möglich eingeht, und werde gewiß alles tun, um insoweit zu helfen.
DR. STAHMER: Ob ich auf ihn endgültig verzichten kann, werde ich natürlich erst beurteilen können, wenn der Fragebogen mir vorliegt. Es kann ja sein, daß er in einigen Fragen eine unzureichende Antwort erteilt hat.
VORSITZENDER: Meinen Sie Dahlerus oder Sir George Ogilvie-Forbes?
DR. STAHMER: Forbes.
VORSITZENDER: Gut. Der Fragebogen wird Ihnen natürlich vorgelegt werden, sobald er beantwortet ist.
DR. STAHMER: Jawohl, Herr Präsident.
VORSITZENDER: Ich glaube, dasselbe gilt für Dahlerus. Auch für ihn ist ein Fragebogen genehmigt worden.
DR. STAHMER: Ich habe zu der Aussage des Zeugen Dahlerus folgendes zu bemerken: Die Aussage dieses Zeugen erscheint mir doch so wichtig, daß eine Erschöpfung seines Wissens in einem Fragebogen nicht erfolgen kann, und ich bitte daher, den Zeugen vorzuladen, damit er hier an Gerichtsstelle vernommen werden kann. Sollte das nicht möglich sein, bitte ich, mir Gelegenheit zu geben, ihn in Stockhohn selbst zu vernehmen. Dr. Siemers kennt Herrn Dahlerus persönlich und wird eine Erklärung bezüglich des Zeugen Dahlerus abgeben.
DR. WALTER SIEMERS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN RAEDER: Ich kenne Herrn Dahlerus seit langen Jahren persönlich Herr Dahlerus hat mir darüber geschrieben, daß Herr Dr. Stahmer beabsichtigt, ihn als Zeugen zu vernehmen. Herr Dahlerus ist grundsätzlich bereit, nach Nürnberg zu kommen, wenn das Gericht es für richtig hält. Sobald sich also das Gericht einverstanden erklärt, wird Herr Dahlerus, soweit ich es aus seinem Brief entnehme, ohne weiteres bereit sein, selbst zu kommen. Dazu darf ich noch etwas Grundsätzliches sagen. Bei wichtigen Zeugen, wie zum Beispiel Herrn Dahlerus, der Fragen beantworten sollte, die von weitgehendem geschichtlichen Interesse sind, wird vermutlich nicht nur ein Verteidiger fragen, sondern der Komplex betrifft mehrere Verteidiger. Infolgedessen wird ein Fragebogen, der allein von Herrn Dr. Stahmer stammt, meines Erachtens in einem solchen Falle nicht genügen. Ich erbitte daher auch die Zulassung des Zeugen unter diesem Gesichtspunkt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Im Fall des Zeugen Dahlerus steht die Sache wie folgt: Dr. Stahmer hat einen Fragebogen vorgelegt, der zweiundsechzig Fragen enthält. Ich will dagegen überhaupt nichts sagen, sondern es dem Gerichtshof nur zur Kenntnis bringen, um zu zeigen, daß Dr. Stahmer die Materie damit sicherlich erschöpfend behandelt hat.
Wenn sich der Gerichtshof einen Augenblick Dr. Stahmers Antrag auf Dokumente zuwenden würde, so wird er außerdem bemerken, daß Punkt 26 das Buch von Dahlerus – ich bitte meine Aussprache des Schwedischen zu entschuldigen – »Sista Forsoket«, »Letzter Versuch« ist. Es ist ein ziemlich umfangreiches Buch, das in Einzelheiten diesen Punkt behandelt; Dr. Stahmer hat den Antrag gestellt, dieses Buch zu verwenden, und der Gerichtshof hat es gestattet.
Die Stellung des Herrn Dahlerus war außerdem Gegenstand des Fragebogens für Lord Halifax, den damaligen britischen Außenminister, sowie des Bogens für Sir George Ogilvie-Forbes, den damaligen Botschaftsrat in Berlin; die Hauptsache, daß Herr Dahlerus verschiedene Verhandlungen führte und Besuche machte, ist nicht strittig.
Ich bin daher ergebenst der Ansicht, daß die Verteidigung mit den Fragebogen, und zwar mit den zusammenhängenden Fragebogen für Lord Halifax und Sir Ogilvie-Forbes, mit dem Buch und dem Zeugnis des Angeklagten Göring selbst ausreichend versehen ist, und es nicht nötig ist, noch weiter zu prüfen, ob Herr Dahlerus von Schweden hierher kommen will, kann oder soll.
VORSITZENDER: Darf ich Sie fragen, Sir David, ob die Anklagebehörde Dahlerus einen Gegenfragebogen vorgelegt hat?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein.
VORSITZENDER: Und noch eine Frage: Hat der Verteidiger des Angeklagten Raeder Dahlerus als Zeugen beantragt?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, soviel ich weiß, hat nur noch der Verteidiger des Angeklagten Ribbentrop Dahlerus zu einem engbegrenzten Thema als Zeugen benannt.
DR. HORN: Ich möchte dem Gericht, bevor es eine Entscheidung über den Zeugen Dahlerus trifft, noch mitteilen, daß ich für den Angeklagten von Ribbentrop diesen Zeugen geladen habe. Der Zeuge Dahlerus hat in den entscheidenden Stunden vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges im Jahre 1939 eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Der Zeuge Dahlerus kann insbesondere über die letzte Urkunde, die die Bedingungen für weitere Verhandlungen mit Polen enthielt, entscheidende Aussagen machen. Diese Urkunde wurde der Anlaß des zweiten Weltkrieges. Ich glaube, das dürfte Grund genug sein, den Zeugen Dahlerus hierher zu laden, noch dazu, da Dr. Siemers erklärt hat, daß er weiß, daß der Zeuge Dahlerus aus eigener Initiative bereit sei, zu kommen.
DR. STAHMER: Darf ich bei der Bedeutung dieses Beweisantrags für mich doch noch kurz folgendes sagen: Ich habe zwar einen Fragebogen mit zweiundfünfzig Fragen eingereicht, aber ich glaube nicht, daß diese Fragen das Beweisthema wirklich erschöpfen. Es ist eben, wie ich vorhin schon sagte, unmöglich, alles das strategisch zusammenzufassen, was der Zeuge weiß, und so aufzuspalten, daß das Gericht wirklich ein vollständiges Bild von der wichtigen Tätigkeit bekommt, die Dahlerus damals sowohl im Interesse von England als auch von Deutschland ausgeübt hat.
VORSITZENDER: Jawohl, der Gerichtshof wird darüber beraten.
DR. STAHMER: Als nächsten Zeugen habe ich den Dr. Freiherrn von Hammerstein genannt, der Generaloberstabsrichter der Luftwaffe war, und der sich zur Zeit in amerikanischer oder englischer Gefangenschaft befindet.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was Dr. von Hammerstein betrifft, hat der Gerichtshof einen Fragebogen am 9. Februar bewilligt; Dr. Stahmer hat den Fragebogen bisher noch nicht vorgelegt, der Aufenthalt des Zeugen konnte auch noch nicht ermittelt werden. Gegen einen Fragebogen habe ich nichts einzuwenden. Es scheint mir, daß dies im wesentlichen der Typ des Zeugen ist, bei dem man mit einem Fragebogen am besten fährt. Er nahm, soweit ich weiß, die gleiche Stellung ein wie bei uns der Judge Advocate General of the Air Force; die Anklagebehörde hat gegen einen Fragebogen, wie er in diesem Antrag vorgeschlagen ist, keine Einwendungen. Falls sich der Zeuge finden läßt, kann ihm Dr. Stahmer, sobald er will, den Fragebogen vorlegen.
DR. STAHMER: Soweit ich feststellen kann, ist mir ein Beschluß, daß ein Fragebogen eingereicht werden soll, noch nicht zugegangen. Aber ich möchte doch bitten, Hammerstein als Zeugen zu laden.
VORSITZENDER: Dr. Stahmer, ich glaube, Sie irren, denn nach unseren Vorlagen ist die Einreichung eines Fragebogens schon am 9. Februar genehmigt worden.
DR. STAHMER: Ich kann es im Moment nicht feststellen, das muß ich erst nachprüfen. Aber ich stelle in jedem Falle den Antrag. Hammerstein kennt den Angeklagten seit vielen Jahren, und zwar auf einem Gebiet, das für die Beurteilung des Angeklagten zu seiner Einstellung zum Recht und auch zu der Behandlung der Bevölkerung im besetzten Gebiet und der Kriegsgefangenen von größter Wichtigkeit ist; und auch hier wird es meines Erachtens entscheidend darauf ankommen, daß der Zeuge dem Gericht diese Tatsachen ausführlich darstellt und in einer Weise schildert, wie sie in einem Fragebogen und in einer Antwort auf den Fragebogen niemals zum Ausdruck gebracht werden kann.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich erfahre soeben, Eure Lordschaft, daß der Fragebogen schon vorgelegt wurde und beim Sekretariat des Gerichtshofs vor ein oder zwei Tagen einging. Im übrigen habe ich meiner bisherigen Äußerung nichts hinzuzufügen.
DR. STAHMER: Ich glaube, daß es richtig ist.
VORSITZENDER: Ja, Dr. Stahmer, der nächste?
DR. STAHMER: Nächster Zeuge, Werner von Brauchitsch junior, Oberst der Luftwaffe, Sohn des Generaloberst von Brauchitsch, der sich hier im Gerichtsgefängnis zu Nürnberg befindet.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe gegen Oberst von Brauchitsch nichts einzuwenden.
DR. STAHMER: Dieser Zeuge soll Angaben machen über die Stellung des Angeklagten zur Lynchjustiz, zu den »Terrorfliegern« und dann über sein Verhalten feindlichen Fliegern gegenüber im allgemeinen.
Der nächste ist General der Flieger Kammhuber, der sich in amerikanischer oder englischer Gefangenschaft befindet.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Für General Kammhuber wurde ebenfalls am 9. Februar dieses Jahres ein Fragebogen bewilligt. Dieser wurde, soviel ich weiß, noch nicht vorgelegt; auch dieser Zeuge konnte noch nicht ermittelt werden. Gegen den Fragebogen erhebe ich keinen Einspruch. Sobald der Fragebogen zurückgelangt ist, wird Dr. Stahmer wahrscheinlich entscheiden können, ob die Vorladung des Zeugen notwendig ist oder nicht.
Ich möchte den Gerichtshof daran erinnern, daß Oberst Griffith Jones diese Angelegenheit recht vorsichtig behandelt hat; mir scheint daher, daß es sich hier um einen Tatbestand handelt, der durch einen Fragebogen noch genauer geklärt werden soll.
VORSITZENDER: Glauben Sie, Sir David, daß irgendeine übereinstimmende Erklärung dazu abgegeben werden könnte?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sobald wir das Ergebnis des Fragebogens gesehen haben, werden wir bestimmt gerne bereit sein, es in Erwägung zu ziehen. Wie sich der Gerichtshof zweifellos erinnern wird, existierte nämlich ein Plan über Luftwaffenkommandos in Warschau und in anderen Gebieten außerhalb Deutschlands. Als Oberst Griffith Jones sich damit befaßte, erklärte er, nicht bestimmt behaupten zu können, daß dieser Plan dem Angeklagten Göring vorgelegt worden war. Deswegen werden wir, wenn wir die Aussage sehen, eine übereinstimmende Erklärung hierzu bereitwillig in Betracht ziehen, und falls möglich, von unserer Seite aus abgeben.
VORSITZENDER: Ja, Dr. Stahmer?
DR. STAHMER: General der Flieger Koller, in amerikanischer Kriegsgefangenschaft.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Anklagebehörde erhebt keinen Einspruch gegen den General Koller. Der Gerichtshof ordnete am 26. Januar seine Bereitstellung an; sein Aufenthaltsort konnte jedoch bisher noch nicht ermittelt werden. Sollte er aber gefunden werden, so sind nach Ansicht der Anklagebehörde die vorgesehenen Fragen sicher erheblich.
DR. STAHMER: Generaloberst Student, in englischer Gefangenschaft.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Anklagebehörde hat keinen Einspruch gegen den Zeugen zu erheben. Wenn Eure Lordschaft mir einen Augenblick Zeit lassen würden; ich hatte keine Gelegenheit gehabt, diese Fragen mit meinem französischen Kollegen zu besprechen. Soviel ich weiß, ist kein Einspruch zu erheben. Ich möchte mich dessen aber vergewissern.