[Das Gericht setzt die Verhandlung
für 10 Minuten aus.]
Ich danke vielmals, Euer Lordschaft. Mein französischer Kollege, Herr Champetier de Ribes hat ebenfalls nichts einzuwenden.
DR. STAHMER: Generalfeldmarschall Kesselring, der sich in Nürnberg im Gerichtsgefängnis befindet.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es handelt sich hier um dieselbe Frage, und die Anklagebehörde nimmt denselben Standpunkt ein: Kein Einspruch.
VORSITZENDER: Wir möchten von Ihnen, Dr. Stahmer, eine Erklärung darüber haben, was Feldmarschall Kesselring aussagen soll und inwiefern seine Aussage erheblich ist.
DR. STAHMER: Die in sein Wissen gestellten Tatsachen halte ich für erheblich, weil von der Anklagebehörde behauptet wurde, daß Rotterdam ohne militärische Notwendigkeit angegriffen worden war, und daß der Angriff noch zu einer Zeit erfolgte, als bereits Kapitulationsverhandlungen stattfanden.
VORSITZENDER: Sie sagen nicht, wo sich General Student befindet. Aber General Student und Feldmarschall Kesselring sollen, soweit ich verstehe, über genau dieselbe Angelegenheit aussagen. Würde es deshalb, wenn Feldmarschall Kesselring als Zeuge geladen wird, nicht genügen, dem General Student nur einen Fragebogen vorzulegen oder eine eidesstattliche Erklärung von ihm einzuholen?
DR. STAHMER: Ja, ich bin einverstanden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auch ich bin einverstanden, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: Sehr gut.
DR. STAHMER: Dr. von Ondarza, Oberfeldarzt der Luftwaffe, dessen Aufenthalt mir nicht bekannt ist, der aber voraussichtlich aus der Kriegsgefangenschaft entlassen ist und sich an seinem Wohnsitz in Hamburg aufhält.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die nächsten beiden Zeugen sollen wirklich zu demselben Beweisthema aussagen. Die Abschrift, die ich habe, ist sehr schlecht, ich glaube aber aus ihr entnehmen zu können, daß der Angeklagte über Experimente, die von den beiden Ärzten, Dr. Rascher, glaube ich, und Dr. Romberg, an Insassen von Dachau und an anderen Stellen vorgenommen wurden, nicht informiert worden sein soll; der Angeklagte selbst soll auch niemals irgendwelche Experimente an Kriegsgefangenen angeordnet haben. Feldmarschall Milch erklärte nach Absatz A, daß er den Angeklagten weder über den Briefwechsel zwischen ihm und Wolff über Experimente, die Dr. Rascher in Dachau an Gefangenen ausführte, noch über diese Angelegenheit selbst unterrichtet hatte. Als Dr. Rascher seine Tätigkeit in Dachau aufnahm, soll er aus der Luftwaffe ausgeschieden und der SS als Arzt beigetreten sein. Eine klare Zeugenaussage darüber kann erheblich sein. Wir erheben keinen Einspruch, daß der Zeuge vorgeführt wird. Bezüglich des ersten Zeugen, Dr. von Ondarza, steht die Sache so, daß sein Aufenthalt nicht ermittelt wurde. Der Gerichtshof hatte am 26. Januar angeordnet, daß er bereitgestellt werden solle. Feldmarschall Milch befindet sich im Gefängnis.
Unter diesen Umständen möchte ich annehmen, daß wir gegen die Ladung von Feldmarschall Milch als Zeugen zu diesem Punkt keinen Einspruch erheben; falls der Arzt von Ondarza ermittelt werden kann, wäre ich mit einem Fragebogen einverstanden, aber ich bin nicht sehr sicher...
VORSITZENDER: Dr. Stahmer, wären Sie damit einverstanden, daß wir Ihren Antrag, Feldmarschall Kesselring vorzuladen, genehmigten und für den anderen Zeugen einen Fragebogen zuließen, wenn er ermittelt worden ist?
DR. STAHMER: Ich habe auch die Frage geprüft, ob sich etwa die Beweisthemen decken. Das ist nicht der Fall. Das Beweisthema, das Milch bekunden soll, ist ein etwas anderes; der Angeklagte Göring legt auf Ondarza als Zeugen deswegen ein erhebliches Gewicht, weil Dr. Ondarza lange Jahre hindurch Sein Arzt gewesen ist und daher genau unterrichtet ist; außerdem soll er noch darüber aussagen, daß der Angeklagte Göring von den Versuchen, die mit diesen fünfhundert Gehirnen angestellt worden sind, keine Kenntnis gehabt hat. Das steht in meinem Antrag noch nicht drin, das habe ich aber jetzt erst erfahren; es war dort ein großes Protokoll, eingereicht von der Anklagebehörde, das sich mit diesen fünfhundert Gehirnen befaßte. Ich habe damals Einspruch erhoben, und es wurde mir entgegengehalten, daß ich diesen Einspruch zu einer gegebenen Zeit wiederholen sollte.
VORSITZENDER: Sehr gut, der Gerichtshof wird das, was Sie sagten, in Erwägung ziehen. Sie können zu Körner übergehen.
DR. STAHMER: Staatssekretär Paul Körner, der sich in Nürnberg hier im Gerichtsgefängnis befindet...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Anklagebehörde erhebt keinen Einspruch dagegen.
VORSITZENDER: Dr. Stahmer, in unseren Akten steht, daß der von Ihnen beantragte Zeuge Körner nicht ermittelt werden konnte. Sie sagen jedoch in Ihrem Gesuch, daß er sich im Gefängnis zu Nürnberg befindet.
DR. STAHMER: Mir ist seinerzeit diese Auskunft erteilt worden. Ich kann im Augenblick nicht sagen, woher meine Wissenschaft stammt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Leider weiß ich auch nichts Genaues, aber ich kann es leicht für den Gerichtshof herausbekommen. Ich werde veranlassen, daß dies nachgeprüft wird.
VORSITZENDER: Ich würde Sie darum bitten
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, ich habe gerade eine Häftlingsliste vom 19. Februar erhalten; in dieser Liste erscheint er nicht.
VORSITZENDER: Im Nürnberger Gefängnis?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.
VORSITZENDER: Das ist die Information, die ich hatte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.
VORSITZENDER: Gut; Dr. Stahmer, würden Sie zu diesem Beweismaterial weitere Erklärungen abgeben?
DR. STAHMER: Körner war seit 1933 Staatssekretär. Er kann Angaben machen über den Zweck, der mit der Einrichtung der Konzentrationslager 1933 verfolgt wurde, über die Behandlung, die dort den Häftlingen erteilt wurde, und daß Göring nur bis 1934 über diese Lager die Leitung gehabt hat. Er kann ferner Angaben machen über die Maßnahmen und Anordnungen, Zweck und Ziel des Vierjahresplans und auch über das Verhalten des Angeklagten, nachdem er im November 1938 von dem Vorgehen gegen die Juden Kenntnis erhalten hat.
VORSITZENDER: Sehr gut, der Gerichtshof wird darüber beraten.
DR. STAHMER: Dr. Lohse, Kunsthistoriker in einem englischen oder amerikanischen Lager.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender, nach meiner Information wurde am 9. Februar ein Fragebogen genehmigt. Er wurde noch nicht vorgelegt, der Zeuge ist auch noch nicht ermittelt worden. Ich habe gegen einen Fragebogen im Falle Dr. Lohse oder im Falle des nächsten Zeugen, Dr. Bunjes, der zu dem gleichen Thema benannt ist, keine Einwendung.
VORSITZENDER: Gut.
DR. STAHMER: Auch die Aussage des Zeugen Lohse erscheint mir doch mit Rücksicht auf die Schwere der Vorwürfe, die hier gegen den Angeklagten erhoben sind, so wichtig, daß ich bitte, ihn als Zeugen hier an Gerichtsstelle zu hören. Die Beweisfrage ist ja kurz: er soll angeben, wie der Angeklagte sich zum Erwerb der Kunstgegenstände im besetzten Gebiet verhalten hat. Die Beweisfrage ist zwar nur kurz, für die Beurteilung des Angeklagten ist sie aber überaus wichtig, und der von der Anklagebehörde in dieser Richtung erhobene Vorwurf ist überaus schwer.
VORSITZENDER: Sprechen Sie jetzt von Dr. Bunjes?
DR. STAHMER: Nein, es ist noch Lohse.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Gerichtshof hielt hier offenbar einen Fragebogen für zweckdienlich. Nach Ansicht der Anklagebehörde sollten wir abwarten, was Dr. Lohse in Beantwortung des Fragebogens aussagen kann. Dr. Stahmer kann dann, wenn notwendig, seinen Antrag erneuern.
VORSITZENDER: Jawohl, wollen Sie etwas über Dr. Bunjes vorbringen?
DR. STAHMER: Der letzte Zeuge ist Dr. Bunjes, der Kunsthistoriker.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Eure Lordschaft, ich glaube, hier sollte genau dasselbe gelten wie im Falle Dr. Lohse; ich halte es nicht für notwendig, meine Ausführungen zu wiederholen.
VORSITZENDER: Außer, daß er ermittelt werden sollte. Ich weiß nicht, wo er sich befindet.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl. Ich glaube, es wird zum ersten Male von Dr. Bunjes gesprochen. Deswegen konnten wir noch nicht ausfindig machen, ob sein Aufenthaltsort ermittelt werden kann oder nicht.
VORSITZENDER: Vielleicht weiß Dr. Stahmer etwas darüber.
DR. STAHMER: Mir wird soeben mitgeteilt, daß Dr. Lohse sich im Lager zu Hersbruck befinden soll; das ist hier in der Umgebung von Nürnberg.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde Erkundigungen über ihn einziehen lassen.
VORSITZENDER: Wissen Sie, wo Dr. Bunjes aufgefunden werden kann?
DR. STAHMER: Nein, sein Wohnsitz ist Trier; ob er dort ist, ist mir nicht bekannt.
VORSITZENDER: Damit endet Ihre Liste der Zeugen, nicht wahr?
DR. STAHMER: Jawohl.
VORSITZENDER: Das sind also alle Zeugen, die Sie beantragen wollen?
DR. STAHMER: Jawohl.
VORSITZENDER: Ist das Ihres Wissens die endgültige Liste?
DR. STAHMER: Ich kann noch nicht übersehen, wie weit nun die Anklagebehörde, die ja noch nicht mit ihrem Vortrag abgeschlossen hat, mir Veranlassung gibt, weitere Beweisanträge zu stellen.
VORSITZENDER: Ehe wir Ihre Dokumente erörtern, wird der Gerichtshof eine Pause einschalten.