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OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte den Gerichtshof um die Erlaubnis, seine Aufmerksamkeit auf zwei kurze Dokumente zu lenken, die von mir als USSR-400 dem Gerichtshof vorgelegt werden. Es sind Photokopien, und zwar sind sie von der Außerordentlichen staatlichen Kommission beglaubigt. Sie betreffen zwei Mitteilungen von dem Führer der Schutzpolizei, Leutnant Frank, und zwar sind es die Bedingungen, unter denen eine gewisse Zigeunerin Lucia Strasdinsch in der Stadt Libau wohnen durfte.

Das erste Dokument:

»Schutzpolizei-Dienstabteilung Libau. Libau, den 10. Dezember 1941. U. R. dem Präfekt der Stadt Libau.

Es ist entschieden, daß die Zigeunerin Lucia Strasdinsch nur dann wieder hier wohnen darf, wenn sie sich einer Sterilisation unterzieht. Dieses ist ihr zu eröffnen und das Ergebnis hierher zu berichten. Frank, Leutnant der Schutzpolizei und Führer der Schutzpolizei-Dienstabteilung.«

Das zweite Dokument ist ein Bericht des Präfekten der Stadt Libau, H. Grauds, an den Führer der Schutzpolizei-Dienstabteilung. Text:

»Ihr Schreiben vom 10. Dezember 1941, das die Sterilisation der Zigeunerin Lucia Strasdinsch betrifft, zurücksendend, teile ich mit, daß die genannte Person am 9. Januar ds. J. im hiesigen Krankenhaus sterilisiert worden ist, worüber ein Schreiben des Krankenhauses vom 12. Januar ds. J. Nr. 850 hier anliegt.«

Um das Ausmaß der Experimente, die an lebenden Menschen vorgenommen wurden, zu bestätigen, bitte ich den Gerichtshof, seine Aufmerksamkeit auf den Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über Auschwitz zu wenden. Die Stelle, die ich zitieren möchte, findet der Gerichtshof auf Seite 197 des Dokumentenbuches, Spalte 1, Absatz 2:

Es wird hier gesagt, daß in den Lagerakten eine statistische Übersicht des Lagerkommandanten gefunden wurde. Diese Übersicht ist von dem stellvertretenden Lagerkommandanten, Sella, unterschrieben. Darin befindet sich eine Rubrik »Für Experimente bestimmte Gefangene«. In dieser Rubrik heißt es:

»Frauen unter Experiment: 15. Mai 1944 400, 15. Juni 1944 413, 19. Juni 1944 348 usw.«

Ich möchte den Teil über Experimente an lebenden Menschen mit folgendem abschließen:

Von dem Umfang dieser Experimente gibt ein Dokument Zeugnis, und zwar der Befund der juristisch- medizinischen Kommission. Ein Auszug daraus befindet sich in dem Bericht über das Lager Auschwitz. Die Stelle, die ich anführen möchte, wird der Gerichtshof auf Seite 197 des Dokumentenbuches, Spalte 1, Absatz 5 finden. Ich lasse den Teil aus, der sich auf Sterilisierung und Kastrierung bezieht, denn diese Frage ist erschöpfend behandelt worden, und ich werde jetzt die Punkte 4, 6 und 7 zitieren. Hier wird gesagt, daß in Auschwitz

»... die Wirkung von verschiedenen chemischen Präparaten verschiedener deutscher Firmen studiert wurde. Ein deutscher Arzt, Dr. med. Valentin Erwin, hat ausgesagt, daß es einen Fall gegeben hat, wo für solche Experimente die Vertreter der chemischen Industrie Deutschlands – Glauber, ein Frauenarzt von Königshütte, und Gevel, ein Chemiker, – bei der Lagerverwaltung 150 Frauen gekauft haben.«

Ich lasse Punkt 5 aus und zitiere Punkt 6:

»Experimente an Männern in der Anwendung von chemischen Reizpräparaten auf die Haut des Beines zur künstlichen Erzeugung von Geschwüren und Phlegmonen.«

Punkt 7:

»Eine Anzahl anderer Experimente, wie die künstliche Infizierung mit Malaria, künstliche Befruchtung und so weiter.«

Ich lasse die drei nächsten Seiten meines Vortrags aus, da sie sich auf Einzelheiten dieser Experimente beziehen. Ich möchte mir lediglich erlauben, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf andere Verbrechen zu lenken, die von faschistischen Medizinern vollbracht wurden, insbesondere die Ermordung von Geisteskranken. Ich werde nicht viele Beispiele anführen. Der Gerichtshof kann Mitteilungen darüber im Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission finden. Ich möchte lediglich von einem Verbrechen sprechen, das in der Stadt Kiew begangen worden ist. Ich zitiere einen Absatz aus dem Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission der Stadt Kiew, den der Gerichtshof auf Seite 212 des Dokumentenbuches, Absatz 6, Spalte 1, finden wird. Ich zitiere:

»Am 14. Oktober 1941 brach eine von dem deutschen Garnisonsarzt Rikowsky geführte Abteilung von SS-Männern in die Heilanstalt ein. Die Hitleristen trieben 300 Patienten in eins der Gebäude, wo sie mehrere Tage ohne Essen und Trinken festgehalten und dann in einem Graben des Kirilowwaldes erschossen wurden. Die übrigen Patienten wurden am 7. Januar, 27. März und 17. Oktober 1942 ermordet.«

Im folgenden Text des Berichts der Außerordentlichen staatlichen Kommission wird die bereits geprüfte und bestätigte Untersuchung der Erklärungen des Professors Kapustyansky, der Ärztin Dzewaltowska und der Krankenschwester Tröpolska wiedergegeben. Ich lege dem Hohen Gerichtshof als USSR-249 eine Photokopie dieser Erklärung vor und bitte, sie als Beweis zu den Akten zu nehmen. Ich bringe einige Auszüge aus diesem Dokument:

»Während der deutschen Besetzung der Stadt Kiew mußte die Psychiatrische Heilanstalt dieser Stadt tragische Tage verleben, die mit einer völligen Verwüstung und Vernichtung der Heilanstalt endeten. An den armen Geisteskranken wurde eine bis daher der Geschichte unbekannte Gewalttat verübt....«

Ich lasse den weiteren Teil dieses Satzes aus und zitiere den nächsten Satz:

»Im Laufe der Jahre 1941/42 wurden 800 Kranke vernichtet.«

Ich lasse die nächsten 2 Absätze aus und zitiere weiter:

»Am 7. Januar 1942 erschien in der Heilanstalt die Gestapo. Überall auf dem Territorium der Heilanstalt wurden Wachposten aufgestellt. Man durfte das Krankenhaus zu dieser Zeit weder betreten noch verlassen. Der Vertreter der Gestapo verlangte, alle unheilbaren Kranken für den Abtransport nach Schitomir auszusondern.«

Ich lasse den nächsten Satz aus:

»Das was die Kranken erwartete, hat man vor dem Personal streng verheimlicht. Darauf erschienen spezielle Kraftwagen im Krankenhaus. In diese Autos wurden die Kranken, zu 60-70 Personen in jeden Wagen, hineingestoßen. Diese Greueltaten wurden vor den Augen aller, vor den Fenstern der Krankensäle begangen. Man stieß die Kranken in die Autos hinein, dort wurden sie ermordet und ihre Leichen wurden gleich darauf hinausgeworfen. Dieses grauenhafte Vorgehen dauerte 2 Tage lang. In diesen zwei Tagen wurden 365 Mann umgebracht. Die Kranken, die den Verstand nicht ganz verloren hatten, erkannten bald die Wahrheit. Man konnte herzzerreißende Szenen beobachten. So hat ein junges Mädchen, die Kranke J., trotz aller Bemühungen des Arztes doch verstanden, daß ihrer der Tod harrt; sie ging aus dem Krankenzimmer hinaus, umarmte den Arzt und fragte ihn leise: ›Ist das das Ende?‹ Totenbleich ging das Mädchen zum Auto, und die Hilfe anderer ablehnend, stieg es in den Wagen ein. Dem ganzen Personal wurde im voraus gesagt, daß jegliche Kritik und jede Äußerung der Unzufriedenheit hier durchaus nicht angebracht seien und als Sabotage angesehen werden.«

Ich zitiere noch einen Satz aus dieser Mitteilung:

»Es war eine charakteristische Besonderheit, daß diese in ihrer Scheußlichkeit beispiellose Ermordung am Weihnachtstage stattfand, als unter den deutschen Soldaten Weihnachtsbäume verteilt wurden, und auf den Riemenschnallen der Täter prangte die Aufschrift ›Gott mit uns‹.«

Ich beende damit dieses Zitat. Ich lasse die nächsten vier Seiten des Textes meines Vortrages aus, da sie von analogen Fällen der Vernichtung von Geisteskranken an anderen Stellen des Landes sprechen. Die Methode war stets die gleiche wie in Kiew. Ich möchte nur den Gerichtshof bitten, die Photokopien von drei deutschen Dokumenten, die von der Außerordentlichen staatlichen Kommission beglaubigt sind, als Beweis zuzulassen. Diese Dokumente zeugen davon, daß für die Berichterstattung über die Vernichtung der Geisteskranken besonders einheitliche Formulare ausgearbeitet wurden. Ich lege diese Dokumente vor. Das erste Dokument lege ich als USSR-397 vor. Der Gerichtshof wird dieses Dokument auf Seite 218 des Dokumentenbuches finden. Ich zitiere den Text des Dokuments:

»An das Rigaer Standesamt in Riga.«

Ich lasse den nächsten Absatz aus.

»Ich bescheinige hiermit, daß die in beigefügter Anlage aufgeführten 368 unheilbaren Geisteskranken am 29. 1. 1942 verstorben sind.

Unterschrift: Kirste, SS-Sturmbannführer.«

Das zweite Dokument wird als USSR-410 vorgelegt. Es ist ein Brief des Kommandeurs der Sicherheitspolizei u. d. SD, Nr. 357/42g, datiert vom 28. Mai 1942. Ich verlese den einzigen Absatz des Textes:

»Ich bescheinige hiermit, daß die in beigefügter Anlage aufgeführten 243 unheilbaren Geisteskranken am 14. 4. 1942 verstorben sind.

Unterschrift: Kirste, SS-Sturmbannführer.«

Das dritte Dokument wird als USSR-398 vorgelegt. Es ist der Bericht des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD Lettland vom 15. März 1943. Ich verlese den einen Absatz dieses Textes:

»Ich bescheinige hiermit, daß die in beigefügter Anlage aufgeführten 98 unheilbaren Geisteskranken am 22. 10. 1942 verstorben sind.

Unterschrift: Kirste, SS-Sturmbannführer.«

Ich glaube, ich kann auch weitere eineinhalb Seiten meines Berichtes auslassen, aber ich bitte den Gerichtshof, als USSR-406 ein Dokument als Beweis zuzulassen, ohne daß ich es verlese. Das Dokument, das ich vorlege, betrifft Experimente an lebenden Menschen, die in einem anderen Lager, in Ravensbrück, vorgenommen wurden. Es ist das Material, das von der Polnischen staatlichen Kommission zur Untersuchung der Verbrechen zusammengestellt worden ist. Es enthält sehr charakteristische Photoaufnahmen. Ich brauche dem keinen weiteren Kommentar beizufügen. Ich bitte den Gerichtshof, die polnische Staatsangehörige Schmaglewskaja als Zeugin zu rufen. Wir möchten nur eine Frage von ihr behandelt wissen, und zwar die Behandlung, die den Kindern in den faschistischen Lagern zuteil wurde.

Gestatten Sie, Herr Vorsitzender, daß ich die Zeugin rufe?

VORSITZENDER: Jawohl.