[Herr Dodd zitiert die fragliche Stelle aus dem Protokoll.]
VORSITZENDER: Hat der Verteidiger des Angeklagten Rosenberg irgend etwas dagegen, daß diese Stelle vom Protokoll gestrichen wird?
DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Ich habe keinen Einspruch zu erheben.
VORSITZENDER: Gut, dann wird es vom Protokoll gestrichen.
MR. DODD: Ich habe nur noch eine letzte Angelegenheit zu besprechen, von der ich bestimmt annehme, daß sie noch vor der üblichen Verhandlungspause erledigt werden kann.
Im Verlauf der Erörterung des Einzelfalles gegen den Angeklagten Ribbentrop hat unser verehrter Kollege Sir David Maxwell-Fyfe, der stellvertretende britische Hauptankläger, Dokument 3358-P6 als Beweisstück GB-158 vorgelegt. Das geschah am 9. Januar 1946 und kann in Band V, Seite 25 des Protokolls gefunden werden.
Dieses Dokument ist ein Zirkularschreiben des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 25. Januar 1939. Es betrifft »Die Judenfrage als Faktor der Außenpolitik im Jahre 1938«. Sir David hat Auszüge aus diesem Dokument in das Protokoll verlesen, einschließlich des ersten Satzes des ganzen Absatzes auf Seite 3 der englischen Übersetzung.
Ich habe die Angelegenheit mit Sir David besprochen, und er hat in äußerst freundlicher Weise gestattet, daß wir um die Erlaubnis des Gerichtshofs nachsuchen, noch zwei weitere Sätze dem von ihm verlesenen Zitat hinzuzufügen, weil wir, und auch Sir David, der Meinung sind, daß die zwei Sätze, die unmittelbar auf die von ihm verlesenen Sätze folgen, zusätzliches Beweismaterial über die Verfolgung der Juden enthalten, und zwar im Zusammenhang mit den Verbrechen gegen den Frieden. Es wird daher von der Anklagevertretung gewünscht, daß der ganze Absatz auf Seite 3 der englischen Übersetzung dieses Dokuments vom Gerichtshof als eingereicht betrachtet werde. In Übereinstimmung mit den Regeln des Gerichtshofs für derartige Fälle und, damit die Verlesung sich erübrige, legen wir hiermit jenen ganzen Absatz in englischer, deutscher, französischer und russischer Sprache vor. Das Original ist natürlich in deutscher Sprache abgefaßt.
Es ist nur ein sehr kurzer Absatz; ich glaube aber nicht, daß der Gerichtshof es wünscht, daß ich ihn zur Aufnahme in das Protokoll verlese, obgleich es nur wenige Minuten in Anspruch nehmen würde. Er ist bereits in das Protokoll aufgenommen. Es sind nur zwei Sätze hinzugefügt; das Zitat ist nicht aus dem Zusammenhang herausgerissen. Unserer Meinung nach verstärkt es nur etwas den Beweis. Wenn Sie es wünschen, werde ich den Absatz verlesen.
VORSITZENDER: Ja, bitte.
MR. DODD: Der von Sir David verlesene Satz lautet wie folgt:
»Es ist wohl kein Zufall, daß das Schicksalsjahr 1938 zugleich mit der Verwirklichung des großdeutschen Gedankens die Judenfrage ihrer Lösung nahegebracht hat. Denn die Judenpolitik war sowohl Voraussetzung wie Konsequenz der Ereignisse des Jahres 1938.«
Das ist das Ende des Satzes, und das ist es, was durch Sir David am 9. Januar in Band V, Seite 25, zitiert wurde. Wir möchten das Folgende hinzufügen, das unmittelbar an diesen Satz anschließt:
»Mehr vielleicht als die machtpolitische Gegnerschaft der ehemaligen Feindbundmächte des Weltkrieges hat das Vordringen jüdischen Einflusses und der zersetzenden jüdischen Geisteshaltung in Politik, Wirtschaft und Kultur die Kraft und den Willen des deutschen Volkes zum Wiederaufstieg gelähmt.«
Und außerdem dann der zweite Satz, der sofort darauf folgt:
»Die Heilung dieser Krankheit des Volkskörpers war daher wohl eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Kraftanstrengung, die im Jahre 1938 gegen, den Willen einer Welt den Zusammenschluß des Großdeutschen Reiches erzwang.«
Wir waren der Ansicht, daß das die Beweise über die Verfolgung der Juden etwas stärken würde.
Das sind die einzigen Fragen, die ich wegen des Protokolls vorbringen wollte.
VORSITZENDER: Vor einiger Zeit habe ich im Namen des Gerichtshofs an Herrn Justice Jackson geschrieben und ihn gefragt, ob dem Gerichtshof eine Liste der Personen, die den deutschen Generalstab bildeten, vorgelegt werden könne. Ist das geschehen?
MR. DODD: Ich kenne dieses Schreiben. Ich erinnere mich, daß Herr Justice Jackson es mir gezeigt hat. Wenn das Erforderliche noch nicht geschehen sein sollte, so wird es sofort nachgeholt werden. Es kann vielleicht übersehen worden sein.
VORSITZENDER: Herr Justice Jackson hat mir geantwortet, daß es geschehen werde.
MR. DODD: Ja, ich erinnere mich daran.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wäre dankbar, wenn Sie feststellen könnten, ob es geschehen ist.
MR. DODD: Wenn es nicht geschehen ist, so muß ich leider gestehen, daß ich wahrscheinlich daran schuld bin. Ich weiß, daß Herr Jackson mir das Schreiben überreichte, und ich glaube, ich habe es an das Büro von Oberst Taylor weitergereicht; ich werde die Sache aber sofort nachprüfen und dafür sorgen, daß die Liste abgeliefert wird.
VORSITZENDER: Wenn es noch nicht geschehen ist, so wäre es meines Erachtens angebracht, wenn es im Verlaufe der Erörterung über die Organisationen geschehen würde.
MR. DODD: Jawohl.
VORSITZENDER: Ja, und zusammen mit einer eidesstattlichen Erklärung, aus der ersichtlich ist, wie sie zusammengestellt wurde.
MR. DODD: Jawohl, Herr Präsident. Leutnant Margolies sagt mir eben, er glaube, sie sei vor zwei Tagen eingereicht worden, aber er ist nicht ganz sicher.
VORSITZENDER: Er glaubt, daß es geschehen ist?
MR. DODD: Er glaubt es; aber wir werden es nachprüfen.
VORSITZENDER: Gut. Wird dann morgen früh um 10.00 Uhr die Anklagevertretung bereit sein, ihren Vortrag über die Organisationen zu halten, die nach dem Anklageantrag gemäß Artikel 9 des Statuts vom Gerichtshof als verbrecherisch erklärt werden sollten?
MR. DODD: Die Anklagevertretung ist bereit, morgen um 10.00 Uhr damit zu beginnen.
VORSITZENDER: Und sind die Verteidiger der verschiedenen Organisationen bereit, ihre Gegenargumente vorzubringen?
Es ist also klar, daß der Gerichtshof morgen um 10.00 Uhr über diese Frage verhandeln wird, und zwar bis die Erörterung abgeschlossen ist.
DR. KUBUSCHOK: Die Vertreter der Organisationen sind bereit, entsprechend der Anregung des Gerichtshofs morgen in die Erörterung des neuen Vortrags der Anklage einzugehen. Die Anklage hat uns insoweit auch unterstützt, als sie die tatsächliche Fundierung, die für die Anklage nachgeholt wird, uns in Abschrift zugänglich gemacht hat.
Nach der Anregung des Gerichtshofs sollen morgen jedoch nicht nur diese tatsächlichen Fakten erörtert werden, sondern es sollen wohl auch die neu aufgetauchten rechtlichen Fragen insoweit erörtert werden, als sie für die Prüfung des Umfanges und der Erheblichkeit der Beweise erforderlich sind. Die Vertreter der Organisationen würden es begrüßen, wenn die Anklage den Vortrag, den sie morgen in rechtlicher Beziehung halten wird, uns vorher zugänglich machen würde, damit wir darauf auch sofort erwidern können.
VORSITZENDER: Ich weiß nicht. Wir haben kein Exemplar irgendwelcher schriftlicher Ausführungen erhalten. Ich weiß nicht, ob die Anklagevertretung mitteilen kann, ob sie schriftliche Ausführungen bereit hat.
MR. DODD: Sir David kann dies besser selbst erklären. Ich wollte nur sagen, wie ich schon vorhin erklärte, daß er, soweit mir bekannt ist, die Grundzüge seiner Darlegungen sowohl dem Gerichtshof als auch den Verteidigern vorgelegt hat.
Herr Justice Jackson arbeitet noch an seiner Rede, und, während er noch hoffte, einen Entwurf zu unterbreiten, erhielt er heute früh von interessierter Seite des Kriegsministeriums neue Mitteilungen, die ihn gezwungen haben, noch bis jetzt daran zu arbeiten. Daher glauben wir, die Schwierigkeit darin zu erblicken, daß er keine vorbereitete Erklärung hat, die er einreichen könnte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Ich habe zwei Nachträge vorbereitet, die sich auf die ersten zwei Punkte der Erklärung des Gerichtshofs vom Januar beziehen, nämlich die Elemente der Kriminalität und die damit im Zusammenhang stehenden Angeklagten, wie im Artikel 9 des Statuts gesagt ist. Ich habe veranlaßt, daß Abschriften in deutscher Sprache allen Verteidigern überreicht werden. Ich hoffe, daß alle ein Exemplar erhalten haben. Ich habe auch dafür gesorgt, daß Abschriften dem Gerichtshof vorgelegt werden.
Hierzu habe ich einen Zusatz gemacht, der die Hinweise auf das Protokoll und in einigen Fällen auch auf die Dokumente zeigt, und zwar im Hinblick auf die einzelnen Punkte; leider ist dies nur in englischer Sprache; da es sich aber um Hinweise auf Absätze handelt, so dürfte es für die Verteidiger nicht schwer sein, sich da zurechtzufinden.
Ich fürchte, es würde unmöglich sein, Abschriften der Reden von Herrn Justice Jackson und mir vorzulegen. Was ich hinzufügen wollte, bezieht sich hauptsächlich auf die Tatsachen, die ich bereits versucht habe, der Verteidigung mitzuteilen. Wenn aber die Verteidiger für die Organisationen inoffiziell von mir die allgemeinen Richtlinien erfahren möchten, so stehe ich ihnen gern zur Verfügung, wenn das von Nutzen wäre. Ich möchte ihnen nach Möglichkeit entgegenkommen.
VORSITZENDER: Jawohl, gut. Wir vertagen jetzt die Sitzung.