[Das Gericht vertagt sich bis 13.30 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
VORSITZENDER: Bitte, Dr. Seidl.
DR. SEIDL: Herr Vorsitzender, meine Herren Richter! Wenn ich Sir David richtig verstanden habe, hat er keine Einwendung gegen die Ladung der Zeugen Dr. Hans Bühler, Dr. Bilfinger und Fräulein Kraffzcyck.
VORSITZENDER: Ja.
DR. SEIDL: Der zweite von mir genannte Zeuge ist Dr. von Burgsdorff, zuletzt Gouverneur von Krakau. Er befindet sich zur Zeit im Internierungslager Moosburg, also in der Nähe von Nürnberg.
Der Zeuge Dr. von Burgsdorff ist der einzige von neun Gouverneuren, die ich dem Gericht als Zeugen benannt habe. Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Stellung der Gouverneure im Generalgouvernement und im Hinblick auf die großen Schwierigkeiten, die die Gouverneure zu überwinden hatten, erscheint es mir angebracht, den Zeugen Dr. von Burgsdorff hier persönlich vor dem Gericht zu vernehmen und nicht durch Beantwortung eines Fragebogens.
Ist es notwendig, hier im einzelnen das Beweismaterial zu verlesen, oder genügt es, auf den Beweisantrag Bezug zu nehmen?
VORSITZENDER: Wir haben es schriftlich erhalten, und verstehen, daß, während Sir David ein Affidavit vorschlägt, Sie auf seinem persönlichen Erscheinen bestehen.
DR. SEIDL: Jawohl, Herr Vorsitzender, mit Rücksicht darauf, daß das Gericht bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Zeugenvorladung genehmigt hat.
VORSITZENDER: Ja.
DR. SEIDL: Der nächste Zeuge ist der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Dr. Lammers. Dieser Zeuge wurde bereits für den Angeklagten Keitel genehmigt, so daß sich weitere Ausführungen erübrigen.
Der vierte Zeuge ist Staatsminister Dr. Meißner. Im Hinblick darauf, daß dieser Zeuge für Beweisthemen genannt wird, für die auch der Zeuge Dr. Lammers genannt wurde, möchte ich das Gericht bitten, einen Fragebogen zu bewilligen, es sei denn, daß der Zeuge noch für einen anderen Angeklagten genehmigt wird und persönlich erscheinen kann.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich habe meine Notizen soweit wie möglich überprüft, konnte jedoch nicht finden, daß er als Zeuge für einen anderen Angeklagten vorgeladen wurde. Wie Dr. Seidl bereits sehr fair in seinem ersten Satze bemerkte, ist Dr. Meißner über dasselbe Beweisthema geführt wie der Zeuge Dr. Lammers. Das ist mein Standpunkt.
VORSITZENDER: Ja.
DR. SEIDL: Der nächste Zeuge ist Dr. Max Meidinger, zuletzt Chef der Kanzlei des Generalgouverneurs; er befindet sich ebenso wie der Zeuge Dr. von Burgsdorff in Moosburg. Aus meinem schriftlichen Antrag ergibt sich, daß dieser Zeuge eine sehr wichtige Stellung innegehabt hat. Er hat bei der Regierung des Generalgouvernements den gesamten Schriftwechsel bearbeitet und kennt insbesondere den Inhalt der Vorschläge und Beschwerden, die der Angeklagte Frank an die zentralen Regierungsbehörden in Berlin gerichtet hat; er kennt insbesondere auch die Vorschläge, die der Angeklagte Dr. Frank zu wiederholten Malen dem Führer selbst gemacht hat.
Dieser Zeuge ist ebenfalls bereits in einem früheren Zeitpunkt vom Gericht genehmigt worden, und ich glaube, daß im Hinblick auf das große Wissen dieses Zeugen – er war mehrere Jahre im Generalgouvernement tätig – seine persönliche Vernehmung vor dem Gericht angezeigt erscheint.
VORSITZENDER: Sie sagten, er wurde genehmigt. War er nicht in der Gruppe, aus der der Angeklagte Frank drei auszuwählen hatte? Es handelt sich um eine große Gruppe von Zeugen.
DR. SEIDL: Jawohl, Herr Vorsitzender. Aus dieser Gruppe wurden die Zeugen von Burgsdorff und Dr. Max Meidinger gewählt. Es sind die beiden Zeugen, die aus einer Gruppe von dreizehn herausgewählt wurden.
VORSITZENDER: Wer war der andere Zeuge?
DR. SEIDL: Der andere war der Zeuge Nummer 2, Dr. von Burgsdorff.
Der sechste Zeuge, den ich genannt habe, und den ich persönlich hierher zu laden bitte, ist der Zeuge Hans Gaßner. Er war zuletzt Pressechef in der Regierung des Generalgouvernements und befindet sich ebenfalls im Internierungslager Moosburg. Er war unter anderem dafür genannt, daß der Angeklagte Frank erst im Jahre 1944 von der Existenz und von den Zuständen im Konzentrationslager Maidanek erfahren hat, und zwar durch Mitteilungen dieses Zeugen über Veröffentlichungen in der ausländischen Presse.
Dieser Zeuge war ferner anwesend, und das ist in dem Beweisantrag noch nicht enthalten, als der Angeklagte Frank einem Presseberichterstatter gegenüber die Äußerung gemacht hat, die Wälder Polens würden nicht ausreichen, um die Todesurteile zu veröffentlichen. Der Zeuge wird eingehende Angaben darüber machen können, wie dieses Interview im einzelnen verlaufen ist, wie der Angeklagte Dr. Frank diese Äußerung meinte und aufgefaßt wissen wollte, und was die Gründe waren, die ihn dazu veranlaßt haben.
Ich darf erwähnen, daß das Gericht auch diesen Zeugen zu einem früheren Zeitpunkt genehmigt hat.
Ich darf ferner ganz allgemein hinzusetzen, daß, entsprechend dem Wunsche des Gerichts, meine Beweisanträge nur ganz allgemein die Richtung andeuten, in der die Zeugen vernommen werden sollen, und daß ich bewußt davon abgesehen habe, die einzelnen Fragen zu formulieren, die ich an die Zeugen zu stellen beabsichtige.
VORSITZENDER: Sir David, wollen Sie bitte Ihren Standpunkt zu dem Zeugen Nummer 6 äußern?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Die Anklagevertretung ist der Ansicht, daß das zweite Beweisthema, über das Herr Gaßner sprechen soll, daß nämlich der Angeklagte Frank erst durch ihn im Jahre 1944 Kenntnis über Maidanek erhielt, wirklich eine Sache ist, über die kein Zeuge so befriedigende Angaben machen kann wie der Angeklagte selbst. Alles, was der Zeuge sagen kann, ist: Ich habe dem Angeklagten Frank über Maidanek berichtet, und ich hatte den Eindruck, daß er keine Kenntnis davon hatte. Dies ist nach Ansicht der Anklagevertretung kein befriedigender Beweis.
Der Gerichtshof wird in der Lage sein, sich aus der Aussage des Angeklagten Frank selbst ein Urteil zu bilden, wenn er darüber im Kreuzverhör vernommen worden ist. Wenn von der Verteidigung gewünscht wird, daß das Verhör dieses Zeugen vor dem Gerichtshof stattfinden soll, erklärt die Anklagevertretung, daß ihrer Meinung nach hier ein Fragebogen oder eine eidesstattliche Erklärung vollkommen ausreichend ist. Abgesehen davon sind die Beweisgegenstände allgemeiner Natur und können ebensogut in einer schriftlichen Erklärung behandelt werden.
VORSITZENDER: Zu dem nächsten Zeugen hat Sir David bereits seinen Standpunkt klargemacht.
DR. SEIDL: Ja, Herr Vorsitzender.
Der nächste Zeuge ist Helene Kraffzcyck, die letzte Sekretärin des Angeklagten, und wenn ich richtig verstanden habe, besteht seitens der Anklagebehörde keine Einwendung.
Zeuge Nummer 8 ist General von Epp, letzter Reichsstatthalter in Bayern. Er befindet sich derzeit im Internierungslager Oberursel. Was dieser Zeuge bekunden soll, betrifft im wesentlichen die Stellung des Angeklagten Frank zur Frage der Konzentrationslager im Jahre 1933. Im Hinblick darauf, daß der Zeuge sich in der Nähe von Frankfurt befindet, würde ich es für angemessen halten, diesen Fall durch einen Fragebogen zu erledigen.
VORSITZENDER: Ja, Sir David?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft wird sehen, daß General Ritter von Epp über den gleichen Vorfall geführt wird wie Dr. Stepp. Ich habe schon erklärt, daß ich keinen Einspruch gegen Dr. Stepp erhebe, aber wenn Dr. Seidl über einzelne besondere Punkte einen Fragebogen von General Ritter von Epp wünscht, habe ich dagegen nichts einzuwenden.
DR. SEIDL: Der nächste Zeuge, Nummer 9, ist Dr. Rudolf Bilfinger, zuletzt Oberregierungsrat und SS-Obersturmbannführer im Reichssicherheitshauptamt. Dieser Zeuge befindet sich bereits in Nürnberg. Die Anklagebehörde hat gegen die Vernehmung dieses Zeugen anscheinend keine Einwendungen zu erheben. Der nächste Zeuge Nummer 10...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: [unterbrechend] Euer Lordschaft! Ich möchte nur ein Wort zu Dr. Bilfinger sagen. Ich möchte dem Gerichtshof den Standpunkt der Anklagebehörde erklären. Der allgemeine Plan für diese Zeugen besteht darin, von beiden Seiten die Beziehungen zwischen dem Angeklagten Frank und den zentralen Ämtern darzustellen. Die Anklagebehörde hielt es für richtig, dem Angeklagten zu gestatten, zwei bis drei Mitglieder seines eigenen Stabes als Zeugen zu rufen und ein Mitglied seines Hauptquartiers, das in der Lage wäre, wie hier Dr. Bilfinger, auch die andere Seite des Bildes zu zeigen. Ich bringe dies vor, um dem Gerichtshof den Plan, nach dem wir arbeiten, darzulegen.
VORSITZENDER: Ja.
DR. SEIDL: Zeuge Nummer 10 ist Dr. Walter Stepp, zuletzt Oberlandesgerichtspräsident in München, gegenwärtig im Internierungslager Ludwigsburg. Wenn ich Sir David richtig verstanden habe, dann hat er gegen die Vorladung des Zeugen keine Einwendung.
Ich würde es begrüßen, wenn ich dem Gericht in diesem Falle eine eidesstattliche Erklärung vorlegen könnte, die sich in meinem Besitz befindet, und aus der sich die Richtigkeit dieser Punkte ergibt.
Die Verlesung dieser eidesstattlichen Erklärung würde nur wenige Minuten dauern, wenn das Gericht dafür einen anderen Zeugen bewilligen oder seinen Einspruch gegen einen anderen Zeugen zurückziehen würde.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich muß wissen, wer der andere Zeuge ist. Ich habe erklärt, keine Einwendung gegen Dr. Stepp zu erheben, weil er über die Stellung des Angeklagten Frank in seiner Beziehung zu anderen Leuten in Bayern in früheren Jahren aussagen kann. Ich kann natürlich nicht für meine Kollegen sprechen und einen anderen Zeugen blindlings annehmen, ohne zu wissen, wer der Zeuge ist und was er auszusagen hat.
DR. SEIDL: Der Zeuge ist Dr. Max Meidinger.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte so entgegenkommend sein wie nur möglich. Ich habe jedoch gegen Dr. Meidinger Einspruch erhoben, weil, wie der Gerichtshof unter Nummer 7 sieht, Fräulein Kraffzcyck geladen ist, um über positive Tatsachen auszusagen, für die Dr. Meidinger schon als Zeuge genannt worden ist. Meiner Ansicht nach ist die Privatsekretärin wahrscheinlich die beste Zeugin; ich fürchte, daß ich Dr. Seidl nicht weiter unterstützen kann. Ich habe meinen Standpunkt dargelegt und werde weiter nichts gegen ihn sagen. Ich fürchte, daß ich darüber nicht hinausgehen kann.
DR. SEIDL: Der nächste Zeuge, Nummer 11, ist von dem Bach-Zelewski, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, der bereits vor diesem Gericht als Zeuge der Staatsanwaltschaft vernommen wurde. Das Gericht hat bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Fragebogen bewilligt. Inzwischen habe ich mit diesem Zeugen gesprochen. Er hat eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, die ich an Stelle der persönlichen Vernehmung vorlegen werde.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, es wäre am besten, wenn der Zeuge von dem Bach-Zelewski zurückkäme und Dr. Seidl ihm die von ihm gewünschte eidesstattliche Erklärung vorlegen kann. Es kann sein, daß wir ihn dann neuerlich dazu vernehmen wollen. Wir kennen ja den Inhalt dieses Affidavits nicht.
VORSITZENDER: Wurde er von Dr. Seidl ins Kreuzverhör genommen?
DR. SEIDL: Als er hier vernommen wurde, hatte ich keine Möglichkeit, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen, und zwar deshalb...
VORSITZENDER: Warum hatten Sie keine Gelegenheit, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen?
DR. SEIDL: Weil ich vorher nicht wußte, daß er von der Staatsanwaltschaft als Zeuge vorgeführt werden würde und keine Möglichkeit hatte, mit dem Angeklagten Frank die Fragen zu besprechen, die eventuell an diesen Zeugen gerichtet werden können.
VORSITZENDER: Gut, wir werden in Erwägung ziehen, ob der Zeuge zum Zwecke des Kreuzverhörs zurückgerufen werden soll, oder ob es Ihnen gestattet wird, ihn selbst vorzuladen. Wurde das Affidavit, von dem Sie sprachen, der Anklagevertretung vorgelegt?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe es nicht gesehen, Euer Lordschaft.
DR. SEIDL: Nein, Herr Vorsitzender, meine Ansicht über diesen Punkt ist die folgende...
VORSITZENDER: Als Sie mit von dem Bach-Zelewski sprachen, geschah dies in Gegenwart eines Vertreters der Anklagebehörde?
DR. SEIDL: Nein, Herr Vorsitzender, es wurde genehmigt, und zwar vom Generalsekretär, daß ich mit dem Zeugen spreche, und zwar war das zu einer Zeit, nachdem das Gericht bereits die Beantwortung eines Fragebogens genehmigt hatte.
VORSITZENDER: Aber als der Zeuge von der Anklagevertretung vorgeladen worden war, und Sie die Möglichkeit hatten, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen, hierzu jedoch nicht vorbereitet waren, hätten Sie darum ersuchen sollen, ihn für einen späteren Termin erneut zum Kreuzverhör zu laden. Ich meine, wenn Sie damals nicht in der Lage waren, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen, weil Sie sich mit dem Angeklagten Frank über diesen Gegenstand nicht hatten besprechen können, hätten Sie um Bewilligung des Kreuzverhörs zu einem späteren Zeitpunkt ersuchen sollen.
DR. SEIDL: Diese Bitte an das Gericht hätte ich meines Erachtens stellen können, wenn ich überhaupt mit der Möglichkeit hätte rechnen müssen, an diesen Zeugen Fragen zu stellen. Daß der Zeuge aber tatsächlich etwas Wesentliches zu dem Tatbestand des Angeklagten Frank wußte, habe ich erst später erfahren.
VORSITZENDER: Gut, der Gerichtshof wird dies in Erwägung ziehen.
DR. SEIDL: Ich darf vielleicht zu diesem Punkt noch eines bemerken. Die Schwierigkeit des Kreuzverhörs besteht ja gerade darin, daß wir von der beabsichtigten Ladung eines Zeugen durch die Anklagevertretung immer erst dann erfahren haben, wenn der Zeuge in den Gerichtssaal geführt wurde, und wir erfuhren von den Beweisthemen erst dann etwas, wenn die Anklagebehörde damit anfing, den Zeugen zu befragen. Es wäre für uns sehr viel leichter gewesen, das Kreuzverhör durchzuführen, wenn wir von den Zeugen und den Beweisthemen so früh Kenntnis erlangt hätten, wie die Anklagebehörde von den Zeugen der Verteidigung.
Der nächste Zeuge, Nummer 12, ist Herr von Palezieux. Er war zuletzt Kunstreferent im Generalgouvernement. Hinsichtlich dieses Zeugen möchte ich vorschlagen, daß auch hier die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung zugelassen wird.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Falls Dr. Seidl einen Fragebogen beantragt, habe ich keinen Einwand zu erheben. Ich will es nur klarstellen, daß es sich um einen schriftlichen Fragebogen handelt. Ich will nicht, daß Dr. Seidl mich mißversteht.
VORSITZENDER: Sie haben doch einen schriftlichen Fragebogen gemeint, nicht wahr, Dr. Seidl?
DR. SEIDL: Ja. Ich nehme an, daß in dem Fall, in dem ein Fragebogen zugelassen wird, auch die Vorlage eines Affidavits von dem Gericht zugelassen wird. Der Zweck ist doch offenbar der, zu vermeiden, daß Zeugen hierher gebracht werden, und Zeit zu sparen.
Der nächste Zeuge ist Nummer 13, Dr. Böpple. Der Zeuge war zuletzt Staatssekretär in der Regierung des Generalgouvernements. Er befindet sich zur Zeit im Internierungslager Ludwigsburg bei Stuttgart. Dieser Zeuge scheint mir einer der wichtigsten zu sein, und zwar deshalb, weil er in der Regierung des Generalgouvernements eine Reihe von Fragen beantwortet hat, die in der gegen den Angeklagten Frank erhobenen Anklage eine wesentliche Rolle spielen. Ich darf im einzelnen Bezug nehmen auf mein Beweisangebot und möchte vor allem hinzufügen, daß dieser Zeuge eingehende Angaben darüber machen kann, ob im Verlauf des fünfjährigen Bestehens des Generalgouvernements die industrielle Ausrüstung dieses Gebietes ausgebeutet wurde oder ob es nicht so war, daß im Jahre 1943 und 1944 infolge der Verlagerungen aus dem Reichsgebiet das Generalgouvernement über erheblich mehr Industrie verfügte als zu Anfang.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Anklagebehörde behauptet, wie aus dem ersten Satz hervorgeht, daß Dr. Böpple für eine Reihe von Beweisthemen als Zeuge verlangt ist, für die Dr. Bühler bereits allgemein genannt wurde. Ein Teil der Beweisthemen sind die Beziehungen zwischen den Ämtern des Generalgouvernements. Das übrige, soweit es die Vorgänge im Generalgouvernement betrifft, kann von dem Zeugen ausreichend behandelt werden, zu dem die Anklagebehörde ihre Zustimmung bereits erteilt hat.
DR. SEIDL: Es ist richtig, daß manches von dem, was der Zeuge Dr. Böpple bestätigen soll, auch der Zeuge Bühler bekunden soll. Es kann aber meines Erachtens nicht bestritten werden, daß die Beweisthemen, zu denen dieser Zeuge benannt wurde, so wesentlich sind, daß unter Umständen ein Zeuge nicht ausreicht, um die Überzeugung des Gerichts zu begründen. Es ist ferner auf folgenden Gesichtspunkt hinzuweisen: Der Zeuge Bühler war Chef der Regierung des Generalgouvernements. Er wurde bereits wiederholt eingehend vernommen, und zwar auch von der Polnischen Delegation. Es besteht die Gefahr, daß auch gegen diesen Zeugen, wegen der Wichtigkeit der Stellung, die er bekleidete, ein Strafverfahren eingeleitet wird. Es ist selbstverständlich, daß unter diesen Umständen jeder pflichtbewußte Verteidiger damit rechnen muß, daß vielleicht bei bestimmten Fragen dieser Zeuge sich selbst verteidigen wird, und es erscheint im Hinblick auf die Bedeutung der Beweistatsachen angemessen, daß wegen der Schwierigkeiten dieses Sachverhaltes dem Angeklagten Frank auch noch weitere Zeugen bewilligt werden.
VORSITZENDER: Sir David, waren nach Ihrer Ansicht noch andere Zeugen kumulativ mit Bühler?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe ein Affidavit von Böpple vorgeschlagen und die Vernehmung Fräulein Kraffzcycks nur über die allgemeinen Fragen des Generalgouvernements. Die anderen beziehen sich wohl auf die verschiedenen Punkte der Verbindungen mit den zentralen Ämtern.
VORSITZENDER: Gut, ich verstehe.
DR. SEIDL: Der nächste Zeuge ist der Zeuge Nummer 14, Präsident Struve, zuletzt Leiter der Hauptabteilung Arbeit in der Regierung des Generalgouvernements. Er war also Arbeitsminister im Generalgouvernement. Im Hinblick darauf, daß gegen den Angeklagten Dr. Frank sowohl von der Anklagebehörde der Vereinigten Staaten als auch von der Sowjetischen Anklagebehörde gerade wegen der behaupteten Zwangsverschleppung von Arbeitern schwere Vorwürfe erhoben wurden, erscheint es mir angemessen, daß zu diesem Tatbestand der Anklage wenigstens ein Zeuge, und zwar der zuständige Beamte, vernommen wird, um darüber Angaben zu machen, welches die Anweisungen waren, die er vom Generalgouverneur in diesem Punkt empfangen hat. Es ist auch der Aufenthaltsort dieses Zeugen jetzt ermittelt worden. Er befindet sich in einem Internierungslager bei Paderborn.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich möchte ergebenst vorschlagen, daß Dr. Seidl die anderen Zeugen durchgeht und uns sagt, welche er für besonders wichtig hält. Es wäre dies für den Gerichtshof wohl zweckdienlich, und wenn Dr. Seidl uns unverblümt sagen würde, ob er einem der anderen besondere Bedeutung beilegt oder nicht, dann könnte die Anklagevertretung noch einmal überlegen, welche Zeugen ausgeschaltet werden sollen. Aber wie die Dinge im Moment liegen, haben wir Anträge auf Zeugen aus allen Abteilungen, allen Regierungsämtern im Generalgouvernement. Die Anklagebehörde konnte nicht einsehen, daß sie alle nötig sind. Wenn Dr. Seidl angeben wollte, welche besonderen Absichten er mit den einzelnen Zeugen verfolgt, könnte man darauf zurückkommen und Präsident Struve wieder in Erwägung ziehen. Im Augenblick steht die Sache jedoch so, daß die Anklagebehörde nicht einsehen kann, wieso es für den Fall des Angeklagten Frank nützlich sein soll, jeden einzelnen Abteilungsleiter vorzuladen.
DR. SEIDL: Es ist nicht so, daß hier sämtliche Ämter beziehungsweise die Inhaber dieser Ämter als Zeugen genannt wurden. Es wäre noch eine ganze Reihe zu benennen gewesen, und ich habe bereits erwähnt, daß ich zum Beispiel von neun Gouverneuren, von denen jeder drei bis dreieinhalb Millionen Menschen unter sich hatte, nur einen einzigen benannt habe, nämlich den Zeugen von Burgsdorff.
Ich habe auch auf Zeugen verzichtet, die ich bereits früher genannt habe, zum Beispiel auf die verschiedenen Militärbefehlshaber. Wenn aber die Anklagebehörde zu erfahren wünscht, welche Zeugen mir besonders wesentlich erscheinen, dann will ich die Nummern dieser Zeugen benennen. Es ist das außer dem Staatssekretär Dr. Bühler der Zeuge Nummer 2, von Burgsdorff; Lammers wurde bereits genehmigt. Ferner der Zeuge Dr. Max Meidinger, der Zeuge Gaßner, Nummer 6, die Zeugin Nummer 7, Helene Kraffzcyck, der Zeuge Nummer 9, Bilfinger. Er war nicht Mitglied der Regierung des Generalgouvernements. Von den Mitgliedern des Generalgouvernements Nummer 13, 14, 15 und 19. Das soll jedoch nicht bedeuten, daß ich freiwillig auf die jetzt nicht benannten Zeugen verzichten möchte. Der Zeuge Nummer 15, Präsident Dr. Naumann, ist deshalb ein wesentlicher Zeuge, weil er der Leiter der Hauptabteilung Ernährung und Landwirtschaft war und eingehende Angaben darüber machen kann, welches die Politik des Angeklagten Dr. Frank in Bezug auf die Ernährung des polnischen und ukrainischen Volkes war, und wie er sich insbesondere bei den obersten Reichsbehörden bemüht hat, eine Herabsetzung der Forderungen des Reiches zu erreichen. Bis jetzt war die Anschrift dieses Zeugen nicht bekannt. Wie ich aber gehört habe, soll der gegenwärtige Aufenthalt des Zeugen Naumann dem Herrn Generalstaatsanwalt Dr. Sawicki von der Polnischen Anklagebehörde bekannt sein.
Der nächste Zeuge ist Nummer 16, der Präsident Ohlenbusch, der insbesondere für die von dem Angeklagten Dr. Frank betriebene Kulturpolitik im Generalgouvernement Aussagen machen soll. Immerhin handelt es sich hier um einen Zeugen, der nicht zu den wichtigsten gehört und ich könnte mir denken, daß hier ein Fragebogen ausreichen würde.
Das gleiche gilt für den Zeugen Nummer 17.
Der Zeuge Nummer 18 ist Dr. Eisfeldt, der zuletzt Leiter der Hauptabteilung Forstwirtschaft war, und der zu der Frage der Forstwirtschaftspolitik des Angeklagten Angaben machen soll, und insbesondere, das scheint mir nun ein wesentlicher Punkt zu sein, Angaben darüber machen kann, daß das Bandenunwesen im Generalgouvernement derart überhand genommen hatte, daß es nicht zuletzt im Interesse des polnischen und ukrainischen Volkes selbst gelegen hat, wenn dagegen scharfe Maßnahmen ergriffen wurden.
Der Zeuge Nummer 19 ist Präsident Lesacker, welcher zuletzt Leiter der Hauptabteilung für Innere Verwaltung war und der zuletzt in Bad Tölz sich aufgehalten hat. Seine jetzige Adresse mag inzwischen ermittelt worden sein.
Der Zeuge Nummer 20 ist Professor Dr. Teitge, welcher, wie sich aus dem Antrag ergibt, Angaben über die Bemühungen des Angeklagten Dr. Frank auf dem Gebiete der Gesundheitsführung machen soll.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Nun hatte ich Gelegenheit, alles zu hören, was Dr. Seidl vorzubringen hat. Es scheint mir, daß, soweit die Zeugen von dem Generalgouvernement selbst in Frage kommen, die Dinge so liegen, daß Dr. Böpple, Nummer 13, nicht viel mehr über die allgemeine Lage aussagen kann, als was Dr. Bühler, Dr. von Burgsdorff und Fräulein Kraffzcyck angeben können, ferner daß der Zeuge Nummer 5, Dr. Meidinger, mehr oder weniger über die gleichen Fragen geführt wird wie Präsident Struve, Zeuge Nummer 14, und Zeuge Nummer 15, Naumann, und nach neuerlicher Überlegung wäre, wie ich glaube, die Anklagebehörde bereit, ihre Zustimmung zu geben, daß einer dieser Zeugen geladen wird, entweder Dr. Meidinger oder Dr. Struve oder Dr. Naumann.
Was alle anderen betrifft, so scheinen Dr. Ohlenbusch und Dr. Senkowsky und Dr. Eisfeldt über Punkte zu sprechen, die sehr weit von den Themen dieses Verfahrens entfernt sind. Dr. Lesacker spricht über die allgemeine Einstellung des Angeklagten den Polen und Ukrainern gegenüber, die von Dr. Bühler und von Burgsdorff und Meidinger, falls er zugelassen wird, erschöpfend erörtert werden können. Der letzte Zeuge, Teitge, schließlich scheint ebenfalls nur über Angelegenheiten eines Amtes zu sprechen, die in diesem Fall von keiner wesentlichen Bedeutung sind. Da es unser Prinzip ist, jeden Zeugen zu befürworten, der wirklich erheblich ist, wäre die Anklagebehörde bereit, so weit zu gehen, daß sie befürwortet und vorschlägt, außer den bereits genannten Zeugen entweder Dr. Meidinger oder einen von den anderen Zeugen, entweder Struve oder Naumann, vorzuladen.
OBERST POKROWSKY: Ich bitte um Erlaubnis, einige Worte dem Vorbringen meines verehrten Kollegen Sir David hinzufügen zu dürfen.
VORSITZENDER: Ja.
OBERST POKROWSKY: Nachdem ich den Ausführungen Dr. Seidls sehr aufmerksam zugehört habe, bin ich zu dem Entschluß gelangt, Sie um Kenntnisnahme des Umstandes zu bitten, daß wir gegen eine neuerliche Vorladung des Zeugen von dem Bach-Zelewski sind. Die Sowjetische Delegation befürchtet, daß, sollte der Gerichtshof den meines Erachtens vollkommen unbegründeten Antrag Dr. Seidls stattgeben, ein sehr gefährlicher Präzedenzfall der Wiederaufhebung eines bereits gefaßten prinzipiellen Beschlusses des Gerichtshofs geschaffen würde.
Soweit ich verstanden habe, steht der Gerichtshof auf dem Standpunkt, daß jeder Zeuge zur Vernehmung im Kreuzverhör nur einmal vorgeladen werden darf und kann. In Beantwortung Ihrer Frage hat Dr. Seidl bestätigt, daß er, als das Kreuzverhör hier von meinem Kollegen, Oberst Taylor, und von mir durchgeführt wurde, im Saale anwesend war. Er hat dem Verlauf des Kreuzverhörs zugesehen und zugehört. Sein Hinweis darauf, daß er keine Zeit hatte, sich vorzubereiten, beim Kreuzverhör auch seinerseits Fragen zu stellen, scheint mir völlig unbeachtlich zu sein. Er befand sich in derselben Lage, wie wir alle. Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß eine ganze Anzahl von Verteidigern von dem Bach-Zelewski verhört hatte. Ich sehe keinen Grund, warum zugunsten von Dr. Seidl eine Ausnahme geschaffen werden soll, und verstehe nicht, warum, um einem mir unverständlichen Wunsch Dr. Seidls entgegenzukommen, eine prinzipielle Entscheidung des Gerichtshofs über die Möglichkeit, einen Zeugen wiederholt zum Kreuzverhör zu laden, abgeändert werden soll.
Das wollte ich den Ausführungen meines verehrten Kollegen, Sir David Maxwell-Fyfe, hinzufügen.
DR. SEIDL: Herr Vorsitzender, ich glaube nicht, daß das Verlangen, einen wichtigen Zeugen hören zu dürfen, an sich schon unverständlich ist, wenn auch die Durchführung des Kreuzverhörs aus Gründen sehr erschwert ist, auf die wir keinen Einfluß haben. Ich habe in erster Linie nicht den Antrag gestellt, den Zeugen hierher zu laden, sondern ich habe den Gerichtshof um die Erlaubnis gebeten, eine eidesstattliche Versicherung dieses Zeugen dem Gerichtshof vorlegen zu dürfen. Wenn die eidesstattliche Erklärung nun derartig ist...
VORSITZENDER: Sprechen Sie von Nummer 20?
DR. SEIDL: Nein, ich spreche von dem Zeugen von dem Bach-Zelewski.
VORSITZENDER: Das Gericht wird in Erwägung ziehen, was Sie darüber vorgebracht haben.
DR. SEIDL: Darf ich nunmehr mit der Liste der Dokumente beginnen?
VORSITZENDER: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Was die Dokumente betrifft, so hat Dr. Seidl die Vorlage der Korrespondenz zwischen dem Generalgouvernement und der Reichskanzlei beantragt. Ich habe eben festgestellt, daß wir den anderen Teil des Schriftwechsels nicht haben. Falls wir etwas davon bekommen sollten, werden wir diesen Teil selbstverständlich Dr. Seidl gern geben. Wir haben ihn jedoch nicht. Auch die persönlichen Akten des Angeklagten Frank im Reichssicherheitshauptamt haben wir nicht. Hier gilt das gleiche, daß, wenn wir die Akten bekommen, wir Dr. Seidl sofort davon verständigen werden.
VORSITZENDER: Hat die Anklagebehörde irgendeinen Einwand gegen die anderen Dokumente, die beantragt wurden?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, das ist alles. Es bleibt nur noch das Tagebuch. Dr. Seidl kann das Tagebuch kommentieren und Beweise heranziehen, wie er es wünscht.
VORSITZENDER: Ja, sehr gut.
Ich erteile nun dem Verteidiger für den Angeklagten Frick das Wort.
DR. PANNENBECKER: Hohes Gericht! Ich habe als ersten Zeugen Dr. Lammers benannt, der bereits für den Angeklagten Keitel bewilligt worden ist. Ich glaube, daß ich daher keine weiteren Ausführungen zu machen brauche.
Als zweiten Zeugen habe ich sodann den früheren Staatssekretär im Innenministerium, Dr. Stuckart, benannt. Er ist einer von den Staatssekretären des Innenministeriums, und zwar derjenige, der hier in Nürnberg in Haft ist. Er ist Chef der Zentralstelle gewesen.
VORSITZENDER: Wurde Dr. Stuckart für den Angeklagten Keitel beantragt?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte das aufklären. Man war wohl der Ansicht, daß am 9. Februar dieser Zeuge vom Angeklagten Keitel beantragt wurde, und er deshalb auch für den Angeklagten Frick bewilligt wurde. Es ist nicht mein direkter Antrag, ihn auf die endgültige Liste des Angeklagten Keitel zu setzen.
VORSITZENDER: Sie haben keinen Einwand gegen ihn?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe keinen Einwand gegen ihn, Euer Lordschaft.
VORSITZENDER: Sehr gut.
DR. PANNENBECKER: Herr Präsident, als Zeugen Nummer 3 habe ich General Daluege genannt, der früher General der Ordnungspolizei war und sich hier in Nürnberg in Haft befindet. Er ist unterrichtet insbesondere über die Stellung des Angeklagten Frick zu den Judendemonstrationen am 9. November 1938, und weiß im übrigen Bescheid über das Verhältnis Fricks zu Himmler.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe keinen Einwand.
DR. PANNENBECKER: Als Zeugen Nummer 4 habe ich Dr. Diels benannt, der sich im Bezirk Hannover in einem Interniertenlager befindet. Der Zeuge war 1933/34 Chef der Gestapo in Preußen. Er ist unterrichtet über die Maßnahmen, die der Angeklagte Frick als Reichsminister des Innern über die Reichsaufsicht der Länder erlassen hat, sowie über die Konzentrationslager, insbesondere auch über die Maßnahmen in Einzelfällen und über die Zustände in den Lagern.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Anklagebehörde ist der Ansicht, daß die Aussage dieses Zeugen schriftlich eingeholt werden sollte. Was die Anfänge der Gestapo betrifft, so steht dem Gerichtshof der Angeklagte Göring zur Verfügung, der besonders mit der Praxis der preußischen Polizei in den Jahren 1933/34 vertraut war; und hinsichtlich der anderen Punkte, das heißt der Maßnahmen des Angeklagten Frick, seien es Gesetze, Erlasse oder Verwaltungsmaßnahmen, so können sie nach Ansicht der Anklage in der schriftlichen Zeugenaussage, ergänzt durch Zeugenaussage des Angeklagten Frick selbst, erledigt werden.
DR. PANNENBECKER: Ich möchte dazu etwas sagen: Ich glaube, daß es praktischer wäre, den Zeugen hier selbst vor dem Gericht zu vernehmen. Es wird sich dann durch eine vorherige Besprechung mit dem Zeugen klären lassen, über welche Beanstandungen er im einzelnen unterrichtet ist, während in einem Fragebogen diese Dinge nicht im einzelnen erörtert werden könnten.
VORSITZENDER: Wir wollen das in Betracht ziehen.
DR. PANNENBECKER: Als Zeugen Nummer 5 habe ich den früheren Polizeikommissar Gillhuber benannt. Gillhuber hat als polizeiliche Schutzperson den Angeklagten Frick auf allen seinen Dienstreisen begleitet. Er weiß also, welche Reisen Frick unternommen hat und kann deshalb aussagen, daß Frick niemals eine Reise ins Konzentrationslager Dachau gemacht hat, entgegen der Aussage des hier vernommenen Zeugen Dr. Blaha.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe selbstverständlich keine Einwendungen dagegen zu erheben, daß der Angeklagte Frick zu diesem Punkt Stellung nimmt. Die Schwierigkeit bei einem Zeugen dieser Art ist nur, daß er nicht von allen Reisen unterrichtet sein kann und als Schutzperson doch auch irgendeinmal Urlaub oder Dienstunterbrechungen haben konnte. Meiner Ansicht nach könnte man diese Frage mit Hilfe eines Affidavits oder Fragebogens, wenn nötig, klären. Nach Einsicht in diese Papiere könnte man die Angelegenheit erneut erwägen. Ich schlage aber doch zunächst einen Fragebogen vor, in dem der Zeuge allein angeben soll, wie oft er mit dem Angeklagten Frick zusammen war und welche Unterbrechungen in diesem Zeitraum üblich waren. Der Gerichtshof wird darüber zu entscheiden haben.
DR. PANNENBECKER: Ich bin damit einverstanden, Herr Präsident.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Um nun zum nächsten Punkt zu kommen, habe ich bezüglich des nächsten Zeugen, Denson, einen Vorschlag zu machen. Hier handelt es sich darum, wenn ich recht verstehe, daß der Zeuge Dr. Blaha hier vor Gericht erklärte, daß der Angeklagte Frick Dachau besucht hätte, während er bei dem Dachauer Prozeß ausgesagt hat, daß Frick nicht nach Dachau gekommen ist. Ich glaube, das beste wäre wohl, das stenographische Protokoll über die Aussage des Zeugen Dr. Blaha aus dem Dachauer Prozeß einzuholen und eine beglaubigte Abschrift davon vorzulegen.
DR. PANNENBECKER: Einverstanden. Ich glaube auch, daß dieses Protokoll...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Tatsächlich haben wir bereits eine beglaubigte Abschrift des Protokolls der Aussage von Dr. Blaha im Dachauer Prozeß hier, und ich muß, um dem Zeugen gerecht zu werden, sagen, daß es dort heißt, der Zeuge habe ausgesagt, daß Frick das Konzentrationslager Dachau besucht hat. Ich will es Dr. Pannenbecker, wann immer er es wünscht, gerne zeigen.
DR. PANNENBECKER: Als Zeugen Nummer 7 habe ich sodann Herrn Messersmith genannt, von dem ein Affidavit hier seitens der Staatsanwaltschaft schon verlesen worden ist. Für diesen Zeugen ist bereits ein Fragebogen bewilligt. Die Antwort ist noch nicht eingetroffen. Ich bitte die Frage vorerst zurückzustellen, ob eine persönliche Vernehmung des Zeugen erforderlich erscheint. Ich habe sodann in einem Ergänzungsantrag noch den Zeugen Gisevius genannt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich behaupte, daß die Aussage des Gisevius mit einem Affidavit erledigt werden kann, in welchem er die ihm mit Fragebogen gestellten Fragen beantwortet.
Er war Sachbearbeiter im Reichsministerium des Innern unter dem Angeklagten Frick und ging angeblich nach dem 20. Juli 1944 in die Schweiz. Er verfügt über eine genaue Kenntnis der Verantwortung und der tatsächlichen Amtsbefugnisse des Angeklagten Frick, Anordnungen in polizeilichen Angelegenheiten zu treffen. Ich glaube, daß auch diese Fragen durch ein Affidavit zufriedenstellend erledigt werden könnten.
VORSITZENDER: Dr. Pannenbecker, haben Sie dazu etwas zu sagen?
DR. PANNENBECKER: Ich möchte sagen, daß der Zeuge Gisevius auch von dem Angeklagten Schacht als Zeuge benötigt wird, soweit ich unterrichtet bin, wegen der Vorgänge vom 20. Juli 1944. Ich glaube, daß dieser Zeuge für Schacht persönlich hier erscheinen müßte. Besser wäre es auch, wenn der Zeuge für den Angeklagten Frick persönlich hier vernommen werden könnte. Notfalls würde für ihn auch ein Affidavit genügen.
VORSITZENDER: Hier ist noch ein anderer Punkt. Sie haben früher einen Oberst Ratke verlangt, und ich glaube, es wurde Ihnen gesagt, daß Sie entweder ihn oder Stuckart haben könnten. Lassen Sie nunmehr den Antrag auf Ratke fallen, weil Sie Stuckart haben?
DR. PANNENBECKER: Nein; es war so: Ich hatte für Dr. Blaha drei Zeugen genannt: Gillhuber, Ratke und einen Dritten. Ich ließ Ratke fallen, als ich Gillhuber bekam. Darf ich jetzt über das Dokumentenbuch sprechen?
VORSITZENDER: Ja.
DR. PANNENBECKER: Ich habe zur allgemeinen Charakterisierung der Person des Angeklagten Frick gebeten, Bezug nehmen zu dürfen auf zwei Bücher; das eine ist die kleine Schrift »Wir bauen das Dritte Reich«, in der sich Reden von Frick befinden. Ich habe lediglich die Absicht, kurze Auszüge aus diesen Reden im Rahmen des Beweisvortrags zu verlesen. Hinsichtlich des zweiten Buches »Inside Europe« von John Gunther habe ich auch nur einen kurzen Auszug, nur einen Satz über Frick, zu verlesen.
Ich habe dann weiteres Beweismaterial angeboten für den Fragenkomplex, daß Frick gegen willkürliche Maßnahmen bei der Verhängung von Schutzhaft eingeschritten ist durch einschränkende Verordnungen, und insoweit im wesentlichen Bezug genommen auf Dokumente, die die Staatsanwaltschaft ursprünglich vorgelegt, aber dann doch vor Gericht nicht verlesen hat. Ich habe diese Dokumente unter den Ziffern 2a-c im einzelnen angegeben. Ich habe weiter gebeten, die Akten der Polizeiabteilung aus dem Reichsministerium des Innern beizuziehen, aus denen sich ebenfalls einschränkende Anordnungen des Angeklagten Frick für die Frage der Schutzhaft ergeben müssen. Wegen des Eingreifens in Einzelfällen bitte ich sodann, einen an mich gerichteten Brief des früheren Reichstagsabgeordneten Wulle verlesen zu dürfen. Ich habe ihn unter Ziffer 3 aufgeführt. Die Staatsanwaltschaft hat ein Affidavit Seger vorgelegt, in welchem erklärt wird, Frick habe schon im Dezember 1932 als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Reichstags Äußerungen über die Verbringung politischer Gegner ins Konzentrationslager gemacht. Ich habe unter Ziffer 4 gebeten, die stenographischen Berichte des Auswärtigen Ausschusses beizuziehen zum Beweis dafür, daß eine solche Äußerung nicht protokolliert und nicht gemacht wurde.
Ziffer 5 betrifft sodann die Protokolle über den Prozeß in Dachau hinsichtlich des Falles Dr. Blaha, über den schon gesprochen worden ist.
Ziffer 6 betrifft ein Affidavit des Zeugen Dr. Stuckart, welches dieser am 21. September 1945 gegenüber der Amerikanischen Anklagebehörde abgegeben hat. Ich könnte genau so gut den Zeugen über den Fragenkomplex bei seiner persönlichen Vernehmung hören. Es würde aber die Vernehmung abkürzen, wenn ich das vor der Staatsanwaltschaft gemachte Affidavit verlesen dürfte.
Ich habe sodann für die Frage, welche Stellung Dr. Frick als Reichsprotektor für Böhmen und Mähren gehabt hat, das Dokument 1368-PS der Staatsanwaltschaft vorzulegen, aus dem sich im einzelnen die Beschränkungen ergeben, die hinsichtlich der Befugnisse des Angeklagten Frick als Reichsprotektor aufgestellt worden sind, als Frick diesen Posten erhielt.
In einem ergänzenden Antrag habe ich sodann noch gebeten, das Buch von Gisevius »Bis zum bitteren Ende« beizuziehen. Ich habe von diesem Buch Kenntnis erhalten durch einen Ausschnitt, der am 26. Februar 1946 in der »Süddeutschen Zeitung« erschienen ist und der interessante Einzelheiten bringt über den Röhm-Putsch am 30. Juni 1934. In diesem Ausschnitt befindet sich der Hinweis, daß für die Vorgänge am 30. Juni 1934 die Polizeigewalt durch Hitler persönlich übernommen und Göring und Himmler übertragen worden ist. Das Buch wird weitere Einzelheiten gerade auf diesem Gebiet bringen, da Gisevius in der damaligen Zeit Sachbearbeiter für die Angelegenheiten der Polizei im Reichsministerium des Innern gewesen ist.
Ich bitte also, dieses Buch, das mir noch nicht vorliegt, beizuziehen, beziehungsweise mir behilflich zu sein, dieses Buch zu erhalten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube kaum, daß zwischen Dr. Pannenbecker und der Staatsanwaltschaft große Meinungsverschiedenheiten herrschen. Ich werde die verlangten Dokumente durchsehen. Wenn Dr. Pannenbecker angibt, welche Ausschnitte er aus dem Buch »Wir bauen das Dritte Reich« verlesen will, haben wir nichts dagegen einzuwenden, daß er daraus verliest. Dasselbe gilt für die Zitate aus Gunthers Buch »Inside Europe«. Bezüglich des Absatzes 2 des Dokuments 779-PS und des Zeitungsausschnitts, Dokument 775-PS, haben wir keine Einwände zu erheben. Die Akten der Polizeiabteilung sind nicht in den Händen der Anklagebehörde. Falls wir sie bekommen, werden wir Herrn Dr. Pannenbecker davon verständigen. Was den Brief des ehemaligen Reichstagsabgeordneten Wulle betrifft, haben wir keinen Einwand. Ich habe zwar den Brief noch nicht gelesen, aber im Prinzip haben wir nichts dagegen einzuwenden. Was Nummer 4 betrifft, glaube ich, handelt es sich hier um ein Mißverständnis. Es ist Dokument L-83. Das Affidavit von Seger liegt dem Gericht bereits als Beweisstück US-234 vor. In der Aussage Segers, auf die Bezug genommen wird, heißt es, daß der Angeklagte Frick zu ihm gesagt habe: »Keine Angst, wenn wir erst einmal an der Macht sind, werfen wir euch Kerle alle in die Konzentrationslager.« Das Affidavit behauptet, daß Frick dies im Zuge einer Unterredung mit Seger gesagt habe. Es wird nicht behauptet, daß es im Auswärtigen Ausschuß gesagt wurde. Bezüglich der Ziffer 5 habe ich das stenographische Protokoll vor mir und werde es Dr. Pannenbecker zeigen. Was Ziffer 6 betrifft, höre ich, daß Dr. Stuckart vorgeladen werden wird. Dann kann man ihm das Affidavit vorlegen, und er kann dessen Richtigkeit bestätigen. Dokument 1366-PS wird der Verteidigung zur Verfügung gestellt werden, die es nach eigenem Ermessen verwenden kann. Soviel zu den Dokumenten.
Was das Buch von Gisevius betrifft, so hat, wenn ich recht verstehe, Dr. Pannenbecker kein Exemplar davon. Vielleicht kann der Gerichtshof ihm ein Exemplar besorgen. Ich weiß nicht, ob wir das Buch haben. Wir werden uns aber die größte Mühe geben, es zu beschaffen.
DR. PANNENBECKER: Bezüglich Nummer 4, Dr. Seger: Zu diesem Dokument 83 habe ich noch eine kurze Bemerkung zu machen. Vielleicht könnte durch einen Fragebogen geklärt werden, ob Dr. Frick die fragliche Äußerung in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses gemacht hat oder nicht, ob sich also die Äußerung in dem stenographischen Protokoll befindet.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verstand, daß die Äußerung nicht im Protokoll war. Sie konnte nicht im Protokoll sein, da Dr. Seger behauptet, daß die Äußerung in einer Unterredung gefallen sei und nicht in der Ausschußsitzung.
DR. PANNENBECKER: Danke schön.
VORSITZENDER: Das Gericht wird die Verhandlung morgen früh um 10.00 Uhr fortsetzen und, wenn möglich, die weiteren Anträge auf Zeugen und Dokumente behandeln, die, wie wir erfahren, Freitag Abend eingebracht worden sind.