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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Bezüglich der Dokumente, die Dr. Sauter angefordert hat, stellt sich die Anklagebehörde wie gewöhnlich auf den Standpunkt, daß im allgemeinen keine Einwände gegen die Vorlage von Auszügen bestehen. Sie behält sich jedoch in diesem Stadium aus Gründen der Erheblichkeit das Recht vor, die Zulässigkeit der Auszüge zu bestreiten.

Die Anklagebehörde muß Nummer 9, das Buch »Das Herz Europas«, sowie die Erläuterungen hierzu von dem verstorbenen Lloyd George, besonders genau prüfen. Sie möchte jedoch feststellen, daß gerade diese Frage besser behandelt werden kann, wenn sie das Dokumentenbuch eingesehen und die Auszüge vorliegen hat.

DR. SAUTER: Herr Vorsitzender! Bezüglich der Dokumente kann ich mich ja ganz kurz fassen. Es handelt sich in der Hauptsache um Bücher, um Reden und Aufsätze des Angeklagten von Schirach. Die betreffenden literarischen Werke habe ich in meinem Besitz und werde sie mit meinem Dokumentenbuch der Staatsanwaltschaft vorlegen. Mit dem Dokumentenbuch werde ich dann die einzelnen Exzerpte, die ich im Rahmen der Beweisaufnahme aus diesen Büchern verwerten will, der Staatsanwaltschaft und dem Gerichtshof vorlegen, so daß dann die Staatsanwaltschaft sich immer noch zu den einzelnen Exzerpten äußern kann. Ich glaube, das ist alles, was zu sagen ist.

DR. SEIDL: Herr Vorsitzender, meine Herren Richter! Ich habe am 28. Februar einen Ergänzungsantrag für den Angeklagten Rudolf Heß gestellt. Ich wäre dem Gerichtshof dankbar, wenn er mir mitteilen würde, ob er jetzt die Argumente über diesen Antrag hören will, oder zu einem anderen Zeitpunkt, weil ich nicht weiß, ob der Gerichtshof die Übersetzung meines Antrages in Händen hat.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat den Antrag noch nicht gesehen. Es ist daher besser, wenn Sie Ihre Ausführungen zurückstellen, bis der Gerichtshof den Antrag gesehen hat.

DR. SEIDL: Jawohl, Herr Vorsitzender.

DR. SERVATIUS: Für den Angeklagten Sauckel habe ich eine Anzahl von Zeugen vorgeschlagen und habe sie in der Vorbemerkung zu meiner Liste in einzelne Gruppen aufgeteilt. Die Besonderheit des Beweisantritts liegt wohl darin, daß hier mosaikartig kleinere Verhältnisse aufgeklärt werden müssen. Die Staatsanwaltschaft hat sich bei der Anklage gegen Sauckel darauf beschränkt, mehr generell gegen ihn Belastungsmaterial vorzubringen, sie hat auch den Komplex nicht im einzelnen herausgearbeitet, weder hinsichtlich der Arbeiten der SS, die im Rahmen des Arbeitseinsatzes durchgeführt worden sind, noch hinsichtlich ähnlicher Sachen. Es ist überhaupt die ganze Tätigkeit Sauckels wenig aufgeklärt worden. Ich bin daher gezwungen, seinen Arbeitsstab, seine Mitarbeiter und deren Tätigkeitsbereiche vorzuführen. Es sieht zunächst aus, als ob eine Reihe von Zeugen kumulativ wäre. Aber bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß sie verschiedene Gebiete betreffen. Die einen haben ein Sachgebiet Osten, die anderen beziehen sich auf den Westen oder auf den Süden. Dann handelt es sich um die Lenkung des Arbeitseinsatzes, um die Versorgung und Unterbringung, die Arbeitsstellen, die die einzelnen gehabt haben. Ein anderer Komplex ist die Erfassung der Arbeiter im Ausland, wo auch Zeugen gehört werden müssen.

Die Kernfrage bei Sauckel ist der Arbeitseinsatz. Die Frage der Conspiracy tritt zurück. Ich glaube, mich im großen Umfang auf das beziehen zu können, was von anderen Angeklagten und deren Zeugen hier vorgebracht werden dürfte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Die Anklagebehörde hat sich bemüht, Herrn Dr. Servatius zu folgen, indem sie die von ihm vorgeschlagenen Zeugen unter verschiedenen Gesichtspunkten erwogen hat.

Der erste, Botschafter Abetz, gehört zu einer besonderen Gruppe. Der Verteidiger möchte ihn vorladen, um ihn über die zwischen ihm und Laval getroffenen Abkommen zu befragen.

Die Anklagebehörde stellt sich auf den Standpunkt, daß dies auf die Einstellung, jedenfalls was das besetzte Frankreich anlangt, keinen Einfluß haben kann. Die Anklagebehörde ist daher der Ansicht, daß dieser Zeuge, soweit die Hauptanklagepunkte gegen den Angeklagten in Frage kommen, unerheblich ist. Meine französischen Kollegen werden jedoch Dr. Servatius, wenn er es wünscht, das Ergebnis eines Verhörs Abetz über dieses Thema übermitteln. Ich möchte dazu im Augenblick nichts bemerken, weil es eine Angelegenheit ist, die Dr. Servatius in Erwägung ziehen sollte, ehe dazu vor Gericht Stellung genommen wird. Aber er wird mir die Bemerkung gestatten, daß ich es für nützlich halte, wenn er diesen Punkt erwägt, bevor eine Entscheidung gefällt wird.

Die nächste Gruppe bilden die Zeugen Nummer 2 bis 8, die alle vom Reichsarbeitsministerium sind und vorgeladen wurden, um Aussagen zu machen über die allgemeine Einstellung des Angeklagten, über die ihm bei der Beschaffung von Arbeitskräften auferlegten Beschränkungen, sowie über die Art, wie er persönlich straffällige Personen behandeln ließ. Die Anklagebehörde schlägt vor, daß Dr. Servatius die zwei besten von diesen acht Zeugen für eine mündliche Vernehmung auswählt, und daß von zwei weiteren Zeugen eidesstattliche Erklärungen eingeholt werden.

Die nächsten drei Zeugen, Nummer 9, 10 und 11 gehörten dem Stab Sauckels an. Diese sollen vorgeladen werden, um über seine Bemühungen hinsichtlich der Schaffung günstiger Arbeitsbedingungen auszusagen. Auch hier schlägt die Anklagebehörde vor, daß eine Auswahl getroffen wird und schlägt einen Zeugen und eine eidesstattliche Erklärung vor.

Zeuge Nummer 12, Hoffmann, ist vorgeladen, um zu bezeugen, daß die DAF, die Deutsche Arbeitsfront, die Fremdarbeiter auf Grund eines Abkommens mit dem verstorbenen Dr. Ley betreute. Die Anklagebehörde ist der Ansicht, daß eine derartige Zeugenaussage eine Wiederholung darstellen würde. Sie lehnt diesen Zeugen daher ab, da dieses Thema bereits behandelt worden ist.

Dann ist da eine Reihe von Zeugen, Nummer 13 bis 18, die über die Beziehungen und Verbindungen zwischen dem Angeklagten Sauckel und der DAF aussagen sollen. Diese Erklärungen betreffen im großen und ganzen ein und dasselbe Thema, und die Anklagevertretung schlägt daher vor, sich mit einer Zeugenvernehmung und einer eidesstattlichen Erklärung zu begnügen.

Der nächste Zeuge, Nummer 19, Karl Götz, Bankdirektor, behandelt die Frage der Arbeitslöhne sowie die Geldüberweisungen von Fremdarbeitern an ihre Familien. Die Anklagebehörde ist der Ansicht, daß diese Sache gemäß dem Wunsch von Dr. Servatius durch eine eidesstattliche Erklärung oder einen Fragebogen erledigt werden könnte.

Zeuge Nummer 20, Beckurtz, soll über die besonderen Arbeitsbedingungen der Fremdarbeiter in den Gustloffwerken sprechen. Dies Thema ist in allgemeiner Art schon gründlich seitens früherer Zeugen behandelt worden. Die Anklagebehörde ist daher der Ansicht, daß dieser Zeuge überflüssig ist.

Franz Seldte vom Reichsarbeitsministerium soll über die Aufteilung der Machtbefugnisse zwischen Sauckel und Ley sprechen, sowie über die Behauptung, daß Sauckel nichts mit den Arbeitskräften in den Konzentrationslagern zu tun hatte. Auch hier ist die Anklagebehörde der Meinung, daß eine eidesstattliche Erklärung genügen würde, um festzustellen, inwieweit der Zeuge Seldte lediglich über laufende, gewöhnliche Fragen, wie Verordnungen und so weiter, und inwieweit er über besondere Angelegenheiten oder persönliche Dinge aussagen kann. Falls sich zeigen sollte, daß er über Einzelfälle, persönliche Angelegenheiten und Besprechungen aussagen kann, würde ich vorschlagen, daß dann Dr. Servatius seinen Antrag auf Vorladung des Zeugen wiederholt.

Der Zeuge Darre, früherer Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, soll bekunden, daß der Angeklagte sich bemühte, insbesondere für Fremdarbeiter in den Ostgebieten höhere Lebensmittelrationen zu beschaffen. Die Anklagebehörde glaubt, daß auch diese Zeugenaussage kumulativ ist; sie wird eine Reihe anderer Zeugenaussagen und Dokumente vorlegen, die sich mit dem gleichen Thema befassen.

Gegen den Zeugen Nummer 23, General Reinecke, wird keine Einwendung erhoben.

Zeuge Nummer 24, Oberstleutnant Frantz, soll aussagen, daß französische Kriegsgefangene gegen freiwillige Arbeiter ausgetauscht worden sind. Die Anklagebehörde widerspricht der Vorladung dieses Zeugen, da er unerheblich ist.

Gegen Zeugen Nummer 25, Reichsminister Dr. Lammers, bestehen keine Bedenken. Lammers ist von fast jedem Angeklagten angefordert worden.

Zeuge Nummer 26, Staatsrat Peuckert, befaßt sich ebenfalls mit Verwaltungsfragen und mit den ausführenden Organen Sauckels. Darüber haben bereits schon andere Zeugen ausführlich berichtet. Die Anklagebehörde erhebt daher Einspruch gegen diesen Zeugen, da er kumulativ ist.

Zeuge Nummer 27, Gouverneur Fischer, Chef des Arbeitseinsatzes im Generalgouvernement, soll aussagen, daß Sauckel mit der SS über die Repatriierung verhandelt hat. Wenn dieser Zeuge nur über damals erlassene Vorschriften und Anordnungen aussagen soll, so schlagen wir eine eidesstattliche Erklärung vor.

Der nächste Zeuge, Dr. Wilhelm Jäger, soll, wenn ich recht verstehe, zum Kreuzverhör über seine eidesstattliche Erklärung vorgeladen werden. Es handelt sich hier um Beweisstück US-202, Sitzungsprotokoll (Band III, Seite 493 bis 499; Band V, Seite 572). Damals ist kein Antrag gestellt worden, diesen Zeugen vorzuladen, und Dr. Servatius möge diesen Punkt erst aufklären, bevor wir uns weiter darüber unterhalten.

Die nächsten zwei Zeugen, Dr. Voß und Dr. Scharmann, wollen über den Gesundheitszustand der Fremdarbeiter in verschiedenen Gegenden sprechen. Die Anklagebehörde stellt sich auf den Standpunkt, daß diese Frage durch eine eidesstattliche Erklärung erledigt werden könnte.

Ich glaube, von den nächsten drei Zeugen Nummer 31, 32 und 33 will Dr. Servatius einen vorladen, um bestimmtes, von Herrn Dubost am 28. Januar vorgelegtes Beweismaterial darüber, daß der Angeklagte die Räumung von Buchenwald gebilligt habe, zu entkräften.

Ich habe mir die entsprechenden Seiten des Protokolls (Band VI, Seite 268 bis 291) angesehen, kann aber das Beweismaterial, von dem Dr. Servatius spricht, nicht finden. Vielleicht ist er so freundlich, dem Gerichtshof nähere Auskunft darüber zu geben.

In Bezug auf den Zeugen Nummer 34, Skorzeny, der beweisen soll, daß der Angeklagte als Gauleiter nichts mit den Konzentrationslagern zu tun gehabt hat, erhebt die Anklagebehörde keinen Einspruch.

Hinsichtlich des Zeugen Schwarz, der beweisen soll, daß das dem Gerichtshof vorliegende Schema der Parteiorganisation in einem Punkt falsch war, schlagen wir vor, ihn zuzulassen.

Frau Sauckel soll über die Mildtätigkeit des Angeklagten außerhalb der Partei aussagen. Die Anklagevertretung ist der Ansicht, daß dies für die Entscheidung des Gerichtshofs ohne Bedeutung ist.

Meiner Ansicht nach ist es in diesem Falle nicht möglich, Herr Vorsitzender, die Frage der Zeugen abzuschließen, ohne den Gerichtshof zu bitten, einen Blick auf die Dokumente zu werfen, da diese beiden Fragen miteinander im Zusammenhang stehen.

Es liegt ein Antrag auf Vorlage von 97 verschiedenen Dokumenten vor, die im allgemeinen alle erheblichen Vorschriften und Verordnungen enthalten, wie wir in England zu sagen pflegen: »relevant statutory rules and orders«, also die im Zusammenhang mit der Tätigkeit dieses Angeklagten erlassenen Ausführungsverordnungen.

Ich habe, offen gesagt, keine Gelegenheit gehabt, die Original-Verordnungen durchzulesen. Ich habe lediglich die Zusammenstellung gelesen, die mir Dr. Servatius freundlicherweise zusammen mit seinem Antrag überreicht hat. Ganz offensichtlich behandeln diese Dokumente wiederum in ausführlichster Weise die verschiedenen Probleme, über die die betreffenden Zeugengruppen aussagen sollen. Die Anklagevertretung ist daher der Ansicht, daß sie einen guten Anlaß und eine ausreichende Grundlage für eine erhebliche Beschränkung der mündlichen Zeugenaussagen darstellen.

Gegen einige dieser Dokumente erheben meine Kollegen und ich ernste Einwände; ich will zwei oder drei von ihnen erwähnen.

Dokument Nummer 45 betrifft das Reichsgesetz über Fleischbeschau. Es soll vor allem beweisen, daß die deutsche Zivilbevölkerung ebenfalls minderwertiges Fleisch erhielt, das daher nicht als ungenießbar bezeichnet werden konnte. Wenn man den Kaloriengehalt und die anderen Eigenschaften dieses Fleisches nicht kennt, ist es sehr schwer, aus diesem Beweismaterial irgendwelchen Nutzen zu ziehen. Das Beweismaterial ist viel zu umfangreich für die Untersuchung des Gerichtshofs.

Ich bitte den Gerichtshof nunmehr, sich die Nummern 80 und 81 anzusehen. Dr. Servatius möchte einige sowjetische Verordnungen vorlegen, an Hand deren er anscheinend beweisen möchte, daß die sowjetischen Mobilisierungsmethoden in Widerspruch mit dem Haager Abkommen standen und daher beweisen, daß das Haager Abkommen außer Übung gekommen war.

Ich vertrete die Ansicht, daß diese beiden kleinen Beispiele von Beweisangeboten zeigen, daß eine eingehende Prüfung der damit zusammenhängenden Tatsachen notwendig wäre; überdies könnten diese Tatsachen nicht die Grundlage für eine stichhaltige Behauptung dafür darstellen, daß ein Abkommen nicht mehr besteht. Es ist möglich, daß in Sonderfällen internationale Abkommen im Falle einer Eroberung aufgehoben werden. Beweismittel dieser Art können jedoch meiner Meinung nach keine Grundlage für eine derartige Behauptung darstellen.

Dann verweise ich auf die Nummern 90 und 91, die geheftete eidesstattliche Erklärungen enthalten. Auch hier ist es sehr schwierig, ohne gründliche und eingehende Prüfungen der Umstände, unter denen jede eidesstattliche Erklärung abgegeben wurde, den Wert von ganzen Bündeln solcher Erklärungen zu bestimmen.

Nummer 92 ist ein Film über Fremdarbeiter. Ich schlage vor, diesen Film vorerst nur den Vertretern der Anklagebehörde zu zeigen, ehe er dem Gerichtshof vorgeführt wird. So wurde, glaube ich, mit dem Film über Konzentrationslager verfahren. Das Problem der Propaganda ist, ohne auf die Sache näher eingehen zu wollen, sehr ernst, und die Anklagevertretung muß es in Erwägung ziehen. Ich habe ausdrücklich von weiteren Kommentaren Abstand genommen, glaube jedoch, daß der Gerichtshof mich verstanden hat und es für angebracht hält, daß wir den Film zuerst sehen, bevor wir aufgefordert werden, uns hierüber weiter zu äußern.

Ich habe nur bestimmte Beispiele aus diesen Dokumenten angeführt, da sie einzeln geprüft werden müssen, wenn der Text vorliegt.

Die Anklagebehörde muß sich das Recht vorbehalten, Einwendungen zu erheben. Ich möchte jedoch ganz allgemein darauf hinweisen, daß angesichts der ungeheuren Dokumentenfülle die Zeugen besonders sorgfältig ausgesucht werden müssen; ich hoffe, daß der Gerichtshof mir beistimmen wird, und daß Herr Dr. Servatius nicht glaubt, daß ich seine Arbeit herabsetzen will; ich möchte im Gegenteil den Fleiß und die Sorgfalt, die er an den Tag gelegt hat, betonen. Dies, wie gesagt, ist unser allgemeiner Standpunkt.

VORSITZENDER: Bevor Sie sich mit den Ausführungen Sir Davids befassen, Dr. Servatius, möchte ich zur Information der anderen Verteidiger und auch anderer Personen sagen, daß sich der Gerichtshof heute um 16.00 Uhr statt um 17.00 Uhr vertagen wird.

Sir David, ich möchte Sie fragen: Sie haben in Ihren Ausführungen ständig von eidesstattlichen Erklärungen gesprochen. Sprachen Sie von eidesstattlichen Erklärungen im Gegensatz zu Fragebogen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Nein, ich bitte um Entschuldigung, ich habe diesen Unterschied nicht gemacht. Ich wollte mich auf schriftliche Zeugenaussagen beziehen und überlasse es Dr. Servatius, ob er eidesstattliche Erklärungen oder Fragebogen wünscht.

VORSITZENDER: Noch eine andere Frage, im Hinblick auf das, was Sie bezüglich der Dokumente sagten: wäre es für die Anklagebehörde nicht besser, wenn sie etwas mehr Zeit für deren Überprüfung hätte? Dann könnte sie vielleicht ihre Stellungnahme dazu genauer äußern.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist richtig, Herr Vorsitzender. Sie werden jedoch zugeben, daß wir in den letzten Wochen sehr überlastet waren. Es war unmöglich, alle Dokumente durchzusehen; wir wären jedoch dankbar, wenn wir etwas Zeit für die Durchsicht bekämen.

VORSITZENDER: Vielleicht könnten Sie nach der Vertagung heute mit Dr. Servatius darüber sprechen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.

VORSITZENDER: Und uns in ein oder zwei Tagen darüber Bescheid geben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das können wir tun.

VORSITZENDER: Wollen Sie jetzt über die Zeugen sprechen, Dr. Servatius?

DR. SERVATIUS: Zeuge 1: Botschafter Abetz. Ich habe den Zeugen benannt für die subjektive Auffassung Sauckels von der völkerrechtlichen Zulässigkeit des Arbeitseinsatzes; daß er auf Grund der Verhandlungen annehmen konnte, daß dies mangels eines Widerspruchs der Regierungen der verschiedenen Länder, wofür Frankreich als Beispiel hervorgehoben sei, zulässig war. Ich bin aber einverstanden, wenn der Zeuge Stothfang zugelassen wird, der als Beauftragter Sauckels auch wiederholt mit Laval verhandelt hat; wenn also Nummer 9, Stothfang, darüber gehört wird, dann will ich auf den Zeugen Abetz verzichten. – Ich würde also vom Zeugen Nummer 1 Abstand nehmen, wenn mir Zeuge Nummer 9 erlaubt wird.

VORSITZENDER: Ja, gut; wie steht es mit den Zeugen 2 bis 8?

DR. SERVATIUS: Zeugen aus dem Stabe. Es ist schwer, auf irgendeinen Zeugen zu verzichten; aber die praktische Handhabung der praktischen Anweisungen, die gegeben worden sind, müssen durch einen Zeugen plastisch hervorgehoben werden. Das Gericht kann diesen großen Umfang von Gesetzen nur mit großer Mühe durchlesen, und es ist leichter, Zeugen über die Kernfrage zu hören, als sich dieser Arbeit zu unterziehen.

Der Zeuge Timm ist der wichtigste Zeuge, da er praktisch das sogenannte Europa-Amt geleitet hat, in dem die tatsächliche Verteilung der Arbeitskräfte erfolgte.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, Dr. Servatius. Vor allem wollen Sie doch sicherlich den Angeklagten Sauckel selbst befragen.

DR. SERVATIUS: Ja, ich möchte ihn zum Schluß hören, denn er ist ja Angeklagter und seine Aussage weniger wertvoll als die eines Zeugen.

VORSITZENDER: Diese Zeugen sollen also die Aussagen Sauckels über seine Verwaltungstätigkeit bestätigen. Würden unter diesen Umständen nicht zwei von diesen acht Zeugen und zwei weitere eidesstattliche Erklärungen gemäß dem Vorschlag von Sir David ausreichen?

DR. SERVATIUS: Auf den Zeugen Beisiegl über die gesetzliche Seite könnte man verzichten, da man ja die Gesetze hat. Aber die anderen Zeugen sind nötig, weil sie einen Einblick in den Arbeitereinsatz im Ausland haben. Ich habe bisher keine Zeugen, die tatsächlich über den Arbeitseinsatz im Osten sprechen können, außer einem. Dieser Zeuge müßte also aussagen können, wie man praktisch verfahren ist; denn die Gesetze selbst sind ja tot, wenn man nicht weiß, wie sie gehandhabt worden sind.

Da ist der Zeuge Letsch für den Osten, ein sehr wesentlicher Zeuge. Zeuge Hildebrand für den Westen, der also aussagen kann, wie sich in Frankreich allmählich die Verhältnisse infolge der Resistance entwickelt haben.

Der Zeuge Kästner konnte nicht gefunden werden, auf ihn würde ich verzichten.

Der Zeuge 7, Dr. Geißler, ist von größter Bedeutung, da er sich auf die Inspektionen bezieht. Es ist ja die große Frage, wann diese Arbeiter in Deutschland beschäftigt waren, und wie sich Sauckel darum gekümmert hat. Daß seine, wie ich behaupte, mustergültigen Verordnungen nun auch tatsächlich angewandt wurden, dazu war eine Reihe von Inspektionen vorhanden. Der Zeuge 7, Geißler, war der Leiter der Reichsinspektion, eines Amtes, das Sauckel eingeführt hat. Ich glaube nicht, daß man ihn entbehren kann.

VORSITZENDER: Warum? Behandeln Nummer 3 und Nummer 8 nicht den gleichen Gegenstand?

DR. SERVATIUS: Nummer 8 habe ich genannt, weil die Lohnfrage besonders herausgestellt werden sollte. Bis jetzt hat die Anklage sich eigentlich nicht spezialisiert auf einzelne Punkte. Ich komme sonst in einen Beweisnotstand, wenn man später gerade auf die Frage der Lohnverhältnisse den Schwerpunkt verlegt.

Nur der Zeuge 8 kann zu dieser Frage aussagen. Der Zeuge 3 kann im allgemeinen zum Verordnungswerk etwas aussagen und vor allen Dingen, daß Sauckel laufend die Verhältnisse verbessert hat, bis zum Schluß, so daß die Lage aller Arbeiter, die aus dem Ausland kamen, in rechtlicher Hinsicht erheblich und ständig gebessert wurde. Das ergibt sich aus all diesen Verordnungen, die ich zu diesem Zweck auch so sorgfältig zusammengetragen habe.

Der Zeuge 9, Dr. Stothfang, war persönlicher Referent von Sauckel und hat viele Verhandlungen geführt, insbesondere mit Frankreich. Deswegen habe ich ihn als Ersatz für den Zeugen 1, Abetz, genannt. Vor allen Dingen hat er wegen Beschränkung des sogenannten Weisungsrechtes verhandelt, über das Recht Sauckels zur Erfassung der Arbeiter. Es stellte sich nämlich gleich bei Beginn der Tätigkeit Sauckels heraus, daß niemand, der ein Gebiet verwaltete, einen solchen Eingriff Sauckels dulden wollte und auch praktisch dulden konnte, und daß sofort sein Weisungsrecht durch Verhandlungen begrenzt wurde. Das könnte der Zeuge Stothfang bezeugen.

VORSITZENDER: Behandeln 9 und 10 nicht den gleichen Gegenstand?

DR. SERVATIUS: Auf 10 will ich verzichten. Ich möchte zu einem ziemlich anderen Gebiet etwas sagen.

VORSITZENDER: Ja.

DR. SERVATIUS: Der Zeuge 11 kennt die Verhältnisse. Er ist der Pressereferent, und, wenn ich auf einen Zeugen verzichten muß, würde ich auf diesen noch am ehesten verzichten. Er weiß aber tatsächlich genau, wie die Verhältnisse waren. Er hat das Buch »Europa arbeitet in Deutschland« und diesen Film verfertigt und kann sagen, daß diese Sachen nicht gestellt sind, sondern, daß es sich um echte übliche Aufnahmen handelt. Insofern ist er als Ergänzung zu dem Film und als Ergänzung zu dem Buch wesentlich.

Die nächsten Zeugen gehören zur Arbeitsfront. Die Arbeitsfront hatte die Betreuung der gesamten ausländischen Arbeiter, so wie sie ja auch die Betreuung der deutschen Arbeiter hatte. Es ist auch dabei geblieben, und die Zeugen können nun zu der Art der Durchführungen im einzelnen Aussagen machen: über die Errichtung der Lager, über die Versorgung, über die Bekleidung und was noch alles getan worden ist.

Der Zeuge 13 wäre der wichtigste Zeuge; er ist aber nicht gefunden. Deshalb würde ich auf den Zeugen 14 Wert legen, der sein Mitarbeiter war. Der Zeuge Hoffmann hat praktisch die Betreuung durchgeführt und weiß, wie es in den Lagern zugegangen ist.

Das waren die Zeugen, die mit Sauckel zusammenarbeiteten, zur Arbeitsfront hin. Über die praktische Arbeit, die die Arbeiter selbst leisteten, sollen die weiteren Zeugen aussagen.

Es ist ja so, daß Dr. Ley hier nun nicht mehr als Angeklagter vertreten ist, so daß der ganze Komplex Ley mit hier in die Sache Sauckels hineinfällt und den Angeklagten Sauckel mitbelastet, wenn dort nicht eine Aufklärung erfolgt. Die Vorwürfe sind ganz erheblich, und sie müssen aufgeklärt werden.

VORSITZENDER: Worin besteht der Unterschied zwischen 15 und 16?

DR. SERVATIUS: 15 ist ein Versehen von seiten der Stenographen. 15 ist identisch mit dem Zeugen 12. Der Zeuge 16, Mende, von der Hauptdienststelle, ist mir besonders wichtig, weil er innerhalb der Arbeitsfront die Organisationen zu betreuen hatte.

VORSITZENDER: Sie sagen also 15 entfällt?

DR. SERVATIUS: Ja.

VORSITZENDER: Gut.

DR. SERVATIUS: Der Zeuge 17, Dr. Hupfauer, weiß mehr Generelles über die Entstehung der Gesetzgebung und über die Tendenzen Sauckels auszusagen.

VORSITZENDER: Warum? Behandeln seine Aussagen nicht das gleiche Thema wie die des Zeugen 14, den Sie an Stelle von Nummer 13 wünschten? Beide betreffen die Anklage wegen Unmenschlichkeit.

DR. SERVATIUS: Weil der Zeuge 14 die praktische Seite behandelt, während der Zeuge 17 sich mit der Gesetzgebung befaßt.

Der Zeuge 18 hat die praktische Durchführung in der Arbeitsfront. Man muß ja diese verschiedenen Gebiete auseinanderhalten. Sauckel hatte ja letzten Endes ein kleines Büro, das aufgegangen war im Arbeitsministerium. Er hat Bestimmungen erlassen mit dem Ziel ständiger Verbesserungen.

Ich stelle Beweisanträge, daß sie sozial waren, und daß sie sich bei der Prüfung als einwandfrei ergaben. Die andere Seite ist nachher die praktische Durchführung, die durch die Arbeitsfront erfolgt ist, oder die Erfassung, für die ich bestimmte Zeugen benannt habe.

Die nächsten Zeugen sind aus dem fachlichen Arbeitsstab Sauckels. Zeuge 19 ist Bankdirektor Götz, der darüber aussagen kann, daß Milliardenbeträge an Löhnen in das Ausland transferiert wurden.

Der Zeuge 20, Beckurtz, war Leiter der Gustloffwerke im engsten Arbeitsbereich Sauckels. Er wird bestätigen, daß gerade in den Gustloffwerken die Behandlung und Unterbringung der Arbeiter mustergültig war.

Der Zeuge 21 soll über die Zuständigkeitsverteilung in der Betreuung zwischen Dr. Ley und Sauckel aussagen. Es ist ja von großer Bedeutung, ob Sauckel selbst verantwortlich war, oder ob eine andere Stelle die praktische Betreuung hatte.

VORSITZENDER: Warum kann dies nicht durch eine eidesstattliche Erklärung oder durch einen Fragebogen erledigt werden?

DR. SERVATIUS: Ich werde hier mit einem Affidavit zufrieden sein. Ich habe den Zeugen noch nicht sprechen können und habe ihn deshalb zunächst angeben müssen.

Der Zeuge Nummer 22 ist der Landwirtschaftsminister; er soll bekunden, daß Sauckel sich sofort nach Dienstantritt um Besserung der Verpflegung der ausländischen Arbeiter bemüht hat, und daß er auch laufend auf diesem Gebiet mit besonderer Mühe tätig gewesen ist. Es ist das gegenüber dem Vorwurf, daß die ausländischen Arbeiter größten Hunger gelitten hätten, von besonderer Bedeutung. Ich werde hierdurch Beweis antreten können, daß sich die ausländischen Arbeiter zum Teil, ich sage zum Teil, besser standen als deutsche Arbeiter.

Der Zeuge 23 wird bestätigen...

VORSITZENDER: Dieser Zeuge ist bereits einem anderen Angeklagten zugestanden worden.

DR. SERVATIUS: Ich sehe; dann kann ich auf ihn verzichten. Der nächste Zeuge wurde bisher noch nicht gefunden. Er wird über den Austausch der Kriegsgefangenen mit französischen Arbeitern Zeugnis ablegen. Reichsminister Lammers ist, soviel ich weiß, für andere Angeklagte bereits bewilligt.

Die Zeugen 26 und 27 sind deswegen wichtig, weil sie Aufschluß geben können über die Art der Erfassung in den Ostgebieten. Welche Befugnisse Sauckel hatte, ob er Exekutive hatte, welche Befugnisse die Polizei hatte, welche Trennung zur SS vorlag, das sind wesentliche Themen.

Der Zeuge 26 ist nicht gefunden, ich muß mich daher schon auf den Zeugen 27, den Gouverneur Fischer, beschränken, der gefunden und auch bewilligt worden ist.

VORSITZENDER: Wie wäre es mit einer eidesstattlichen Erklärung für Nummer 27?

DR. SERVATIUS: Ich glaube nicht, daß man auf ihn verzichten kann. Es ist doch von größter Bedeutung, hier einen Zeugen zu sehen, der darüber sprechen kann, wie die Verhältnisse im Osten nun praktisch waren.

Der Zeuge 28, Dr. Jäger; hier ist ein ausführliches Affidavit vorgelegt worden, das jedoch große Mängel zeigt, schon in der äußeren Form. Es ist hier, ich habe das Dokument hier, es ist Dokument D-288, das als US-202 vorgelegt wurde; es ist mir in der deutschen Übersetzung auch zugegangen.

VORSITZENDER: Dr. Servatius, wäre es nicht richtig gewesen, ein Kreuzverhör des Dr. Jäger zu beantragen als seine eidesstattliche Erklärung verlesen wurde?

DR. SERVATIUS: Ich hatte angenommen, daß sie stimmen würde; ich kannte die Verhältnisse in diesem Bezirk nicht. Ich habe mich erkundigt und habe Belege, wonach dessen Angaben völlig übertrieben sind, ja sogar im großen Teil unrichtig sind. Ich habe etwa sechs eidesstattliche Versicherungen bekommen, aus denen sich dies einzeln ergibt.

Krupp hat sechzig Lager gehabt. Er befaßt sich mit drei oder vier Lagern zu einer Zeit, als der Bombenkrieg seine Höhe erreicht hatte, was der Zeuge nicht erwähnt. Ich habe hierzu – ich glaube, es ist mir leicht – festzustellen, daß seine Angaben nicht zutreffen. Ich bitte, mir auch hierzu vorzubehalten, noch einige Affidavits beizubringen, die dem Zeugen vorgehalten werden können, wenn er hier erscheinen soll.

Ich habe weiter beantragt, der Antrag ist noch nicht erledigt, eine Reihe von ärztlichen Berichten beizuziehen, die gerade in diesen Werken abgegeben worden sind, aus denen sich schon ergibt, daß die Aussagen von Dr. Jäger unzutreffend sind. Es ist schwierig für mich gewesen, an dieses Beweismaterial heranzukommen, und daher diese Verspätung, sonst wäre ich früher schon damit herausgetreten. Ich lege großen Wert darauf, daß Dr. Jäger hier erscheint.

Die nächsten Zeugen; Dr. Voß und Dr. Scharmann. Diese beiden Zeugen sagen zwar über dasselbe Thema aus, aber jeder für einen anderen Bezirk. Sie haben Lager als Ärzte mitbetreut und können bekunden, daß dort die Verhältnisse gut und einwandfrei waren. Ich könnte noch viele solche Ärzte benennen, wenn ich Zeit und Möglichkeit hätte, sie aufzusuchen. Diese beiden sind mir bekannt, und sie werden bestätigen, wie die Verhältnisse wirklich waren.

VORSITZENDER: Wenn das so ist, warum können nicht beide eine eidesstattliche Erklärung darüber geben?

DR. SERVATIUS: Sie befinden sich in einem Lager. Es ist für mich schwierig, heranzukommen, es wäre bequemer, daß die Zeugen hierher gebracht werden. Vielleicht kann doch der Dr. Voß hier auftreten, damit man einen von den Zeugen hier hört. Die drei nächsten Zeugen sind dafür benannt...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich habe im Anschluß an meine Ausführungen Gelegenheit gehabt, den englischen Text mit dem französischen Texte zu vergleichen, und ich habe den Eindruck, daß in dem englischen Text ein Fehler unterlaufen ist. Es heißt dort:

»... er schien beeindruckt zu sein und erklärte den Ernst der von Schiedlowsky gemachten Mitteilung. Schiedlowsky hatte den Befehl gegeben, daß kein Gefangener in Buchenwald bleiben sollte.«

Der französische Text lautet, wenn ich ihn übersetzen darf:

»... er schien verlegen zu sein, und eine Erklärung wurde gegeben. Der Gauleiter von Thüringen, Sauckel, hatte den Befehl erteilt, daß keiner der Häftlinge in Buchenwald bleiben sollte.«

Als ich daher dem Gerichtshof erklärte, daß wir diese Textstelle nicht finden könnten, bezog ich mich auf den englischen Text; es scheint jedoch, daß in dem französischen Text eine derartige Bemerkung vorhanden ist. Wahrscheinlich ist der französische Text richtig, da Herr Dubost den Zeugen vorgeladen hat, und da wir Beweise dafür haben, daß Sauckel einen solchen Befehl erteilt hat, glaubt die Anklagebehörde, daß es billig wäre, einem Zeugen zu gestatten, über diesen Punkt auszusagen. Aber natürlich hat der Gerichtshof darüber zu entscheiden.

DR. SERVATIUS: Ich bin mit dem Anklagevertreter einverstanden und brauche nur einen der drei Zeugen. Sollte keiner der Zeugen gefunden werden, so habe ich im Dokumentenbuch ein Affidavit eines Sohnes von Sauckel, der auch bei der Besprechung zugegen war. Der Zeuge 34, Skorzeny, soll aussagen über die allgemeine Verbindung zwischen den Konzentrationslagern und der Gauleitung, also die Frage: wie weit mußte die Gauleitung auf Grund ihrer Dienststellung von den Dingen wissen, die im Konzentrationslager vor sich gingen.

Der Zeuge 35: Reichsschatzmeister Schwarz. Die Frage ist erledigt, ich habe den Fragebogen beantwortet erhalten.

Zeuge 36: Frau Sauckel ist seinerzeit vom Gericht bewilligt worden. Ich sehe wohl ein, daß dem gewisse Bedenken entgegenstehen, aber es ist noch folgendes wesentlich: Die Zeugin hat unter anderem wiederholt gehört, daß dem Angeklagten Sauckel Vorwürfe gemacht wurden, daß er die ausländischen Arbeiter zu gut behandle, daß er mehr international als national sei. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist der der Conspiracy, daß Sauckel sich allein und mit den übrigen Parteileuten sehr wenig Verbindung hielt, sondern auf sich gestellt war und daher von den Vorgängen der großen Politik im allgemeinen nichts erfuhr.

Das sind die Bemerkungen zu der Zeugenliste.

VORSITZENDER: Dr. Servatius, Sie werden zugeben müssen, daß Sie eine weit größere Anzahl von Zeugen beantragt haben als irgendein anderer Verteidiger. Ich muß Sie daher fragen, welche Zeugen Sie als die wichtigsten betrachten. Es wird vielleicht nötig sein, die Zahl der Zeugen zu beschränken, da wir, wie Sie wissen, angewiesen worden sind, den Prozeß zu beschleunigen. Wollen Sie mir daher bitte eine Liste der Zeugen vorlegen, die Sie für unbedingt notwendig halten?

DR. SERVATIUS: Wenn ich mir dies bis morgen überlegen kann, will ich versuchen, die Zahl zu beschränken. Es ist deswegen schwierig, weil das Gebiet so groß ist. Ich habe auch keinen Verhandlungsschriftsatz für Sauckel bekommen, wo nun die Anklage präzisiert ist, so daß ich mich nach allen Seiten sichern muß. Es ist die Ernährung, der Lohn, der Urlaub, Abtransport der Arbeiter, Krankheit, und es sind so viele Aspekte, zu denen ich Stellung nehmen muß.

VORSITZENDER: Sie dürfen nicht vergessen, daß viele der Angeklagten in verschiedener Hinsicht belastet sind; doch keiner von ihnen hat eine derartig große Anzahl von Zeugen gefordert und zugebilligt erhalten.

DR. SERVATIUS: Darf ich nun zu den Dokumenten übergehen?

VORSITZENDER: Ich möchte vorschlagen, daß Sir David sich mit Ihnen nach der Vertagung in Verbindung setzt, so daß Sie dann besser über die Dokumente sprechen könnten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es wäre sehr zweckmäßig, Herr Vorsitzender, wenn der Gerichtshof das gestatten würde.

VORSITZENDER: Ja.

Ich rufe Herrn Dr. Exner für den Angeklagten Jodl auf.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Dr. Exner und Professor Jahrreiß haben sich freundlicherweise mit der Anklagebehörde in Verbindung gesetzt und gewisse Vorschläge unterbreitet, einschließlich der Namen der Zeugen, auf die sie den größten Wert legen. Im großen, und ganzen sind wir uns einig. In einigen Punkten, die ich sogleich darlegen werde, stimmen wir nicht überein. Tatsache ist jedoch, wenn ich hier in aller Kürze diesen Antrag besprechen darf, daß die Anklagebehörde keine Einwände gegen General Winter erhebt, der über die Organisation des OKW und die zuständigen Funktionen der Angeklagten Keitel und Jodl sprechen wird. Sie wird keine Einwände gegen Major Professor Schramm erheben, obwohl die Notwendigkeit seiner Aussagen nicht so offensichtlich ist. Hinsichtlich Nummer 3 jedoch, es handelt sich um die Aussagen des Major Kipp über die Fesselung oder Inkettenlegung von Kriegsgefangenen in Dieppe und die Ursachen der Erschießung von Kommandos, ist die Anklagebehörde der Ansicht, daß dies Beweismaterial unerheblich ist. Was Major Büchs angeht, so erklärt mir Dr. Exner, daß er sich mit einem Fragebogen begnügen wird. Die Anklagebehörde hat dagegen nichts einzuwenden.

Zu Nummer 5, General von Buttlar, schlägt Professor Exner vor, daß dieser als Zeuge erscheinen soll, wogegen die Anklagebehörde nichts einzuwenden hat.

Hinsichtlich Nummer 6 ist die Anklagebehörde damit einverstanden, daß ein Fragebogen eingeholt wird.

Gegen Vizeadmiral Bürckner wird die Anklagebehörde keinen Einspruch erheben.

Was Nummer 8, General Buhle, anbelangt, ist ein Fragebogen bereits abgegangen.

Es wird vorgeschlagen, daß Nummer 9, Oberstleutnant Waizzenägger, einen Fragebogen ausfüllt.

Nummer 10, Fragebogen.

In den Fällen Nummer 11 bis 21 hat der Gerichtshof in jedem Falle eine Einvernahme zugebilligt, und in vielen Fällen ist ein Fragebogen abgesandt worden. Aus diesem Grunde konnte die Anklagebehörde keine Einwendungen mehr machen, da auf Vorschlag des Gerichtshofs bereits etwas unternommen worden ist. Das heißt also, der Angeklagte Jodl würde vier persönliche Zeugen haben, abgesehen von den Fragebogen, die von dem Gerichtshof bereits in großem Umfange bewilligt worden sind. Der Einwand der Anklagebehörde zu Nummer 3 wird aufrechterhalten.

PROF. DR. EXNER: Ich möchte zunächst zu Nummer 3, Kipp, sprechen. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Bedenken dagegen. Kipp soll Auskunft geben über die Entstehung des Führerbefehls vom 18. Oktober 1942, das ist der Führerbefehl über die Kommandos. Dieser Befehl wird Jodl sehr gravierend zur Last gelegt, und es ist von großer Bedeutung, zu hören, wie dieser Befehl entstanden ist. Es handelt sich um Niedermachung von Kommandos, welche auf dem Luftwege kamen oder mit Schiffen landeten.

Das Bedenken, soweit ich verstehe, welches gegen diesen Zeugen und gegen dieses Beweisthema besteht, ist, daß es den Anschein hat, als ob es sich im wesentlichen um die Ereignisse von Dieppe handeln würde, die allerdings Anlaß gewesen sind, diesen Befehl zu erlassen. Aber uns kommt es nicht darauf an, die Vorfälle von Dieppe in ihrer Genauigkeit der Wirklichkeit zu schildern; das könnte auch der Zeuge Kipp gar nicht, denn er war im OKW und nicht etwa Zeuge jener Ereignisse. Uns kommt es auf etwas anderes an, nämlich auf die Tatsache, daß gewisse Meldungen dem OKW vorgelegt waren, welche diesen Befehl auslösten. Und uns kommt es weiter auf folgende Tatsachen an, und die kann eben Kipp bezeugen: Als diese Meldungen über die Ereignisse in Dieppe einlangten, kam der Führer in eine große Wut und befahl, es solle ein scharfer Befehl gegen diese Kommandos erlassen werden. Jodl hat sich geweigert, diesen Befehl zu erlassen, zu entwerfen, so wie er vom Führer gefordert worden war. Als er gedrängt wurde, hat er gesagt, er wisse nicht, wie er diesen Befehl zu begründen habe. Dann hat Jodl die Angelegenheit wegen ihrer besonderen Kompliziertheit in rechtlicher Hinsicht dem Major Kipp, der Professor der Rechte ist und also von Rechtswissenschaft etwas verstehen soll, zur genauen Untersuchung übergeben. Ferner ist im Wehrmachtführungsstab bei Jodl eine Art Poll gemacht worden, sozusagen, es wurden die Anschauungen anderer Stellen über diese fragliche Angelegenheit gesammelt, die Anschauungen also etwa der Abteilung Ausland/Abwehr oder Rechtsabteilung und so weiter; diese Anschauungen gingen auseinander. Und nun, weil inzwischen zehn Tage vergangen waren, so ist dem Führer die Geduld gerissen, und er hat sich hingesetzt und hat den ganzen Befehl selbst geschrieben und in einem weiteren Erlaß eine Begründung des Befehls geschrieben. Jodl hat also diesen Befehl nicht verfaßt, sondern hat nur Bedenken dagegen ausgesprochen, und diese Entstehungsgeschichte des Befehls vom 28. Oktober 1942, die, wie gesagt, Jodl schwer zur Last gelegt wird, ist doch außerordentlich bedeutsam, und Kipp soll sie bezeugen.

Weiter wurde schon gesagt, daß bei dem Zeugen Nummer 5, Buttlar, keine Schwierigkeiten bestehen.

Bezüglich des Zeugen Nummer 4 bin ich, wie schon gesagt, mit einem Affidavit oder einem Fragebogen einverstanden; nur muß ich vorbehalten, daß, wenn der Fragebogen etwa ungenügend und unklar ist, wir vielleicht doch noch diesen Zeugen hören; aber ich hoffe, daß es zu vermeiden ist.

Was Punkt 7, Vizeadmiral Gottlieb Bürckner, anbelangt, möchte ich aufmerksam machen, daß es derselbe Admiral Bürckner ist, über den heute früh gelegentlich der Zeugen für den Angeklagten Raeder debattiert wurde. Damit wird sich vielleicht die Schwierigkeit bei Raeder erledigen.

Bezüglich Punkt 8 ist der Fragebogen bereits abgeschickt. Wir haben uns nun damals ausdrücklich vorbehalten, daß, wenn dieser Fragebogen auch wieder unbefriedigend zurückkommt, wir auf eine mündliche Aussage zurückzugreifen haben werden. Im übrigen habe ich dazu nichts zu sagen, und die Prosekution hat ja keinen Protest zu erheben.

Ich bekomme gerade einen Zettel, wo es heißt: »Ich habe mich verlassen, daß Büchs als Zeuge kommt, daher habe ich ihn nicht angefordert.« Das ist für Göring, nicht wahr?

Also ich muß es dem Gericht überlassen, wie es sich zu dieser Frage stellt. Tatsächlich hatte ich die Absicht, Büchs als Zeugen zu rufen, und habe nur im Verhandlungsweg auf die persönliche Vernehmung verzichtet.

VORSITZENDER: Über welchen Zeugen sprachen Sie gerade?

PROF. DR. EXNER: Zeuge Nummer 4.

VORSITZENDER: Sagten Sie, daß Sie ihn zur mündlichen Zeugenaussage beantragen wollen?

PROF. DR. EXNER: Göring hat ihn ebenfalls als Zeuge verlangt.

VORSITZENDER: Ist er bereits dem Angeklagten Göring bewilligt worden?

PROF. DR. EXNER: Er hat darauf gerechnet, daß ich ihn als Zeugen rufen werde, daß er mir bewilligt wird, und daß er dann noch Fragen stellen darf. Büchs ist hier in Nürnberg.

Darf ich nun zu den Dokumenten übergehen?

VORSITZENDER: Ja.

PROF. DR. EXNER: Also bezüglich Punkt 1 und 4 hat die Anklagebehörde keinen Einwand. Ich verstehe das in dem Sinne, daß ich in meinem Urkundenbuch einen Auszug mache des Teiles, den ich verlese. Ich lege die gesamte Urkunde dem Gericht vor, ohne daß eine Übersetzung vorgelegt werden müßte, mit Ausnahme des von mir zu verlesenden Teiles. Das ist ein wichtiger Punkt, der klargestellt werden muß; wenn es sich um eine große Urkunde handelt, und ich brauche nur einen Absatz dieser Urkunde zu zitieren, so genügt es ja wohl, wenn ich diese große Urkunde im Original, oder soweit ich sie habe, vorlege und in mein Dokumentenbuch nur diesen Absatz und seine Übersetzung hineinnehme.

VORSITZENDER: Das ist richtig.

PROF. DR. EXNER: Bezüglich der Punkte 5 und 6 erhebt die Anklagebehörde Einwände, und ich ziehe diese beiden Dokumente zurück.

Punkt 7 ist eine Eigentümlichkeit; das ist Dokument 532-PS, das hatte die Anklagebehörde gebracht, und ich habe seinerzeit dagegen Protest erhoben. Dieses Dokument wurde im Protokoll gestrichen, und jetzt beantrage ich selber, daß dieses Dokument wieder gebracht werden soll. Dies aus folgendem Grunde: Das Dokument besteht nämlich aus einem Befehlsentwurf, der Jodl vorgelegt worden ist; Jodl hat ihn nicht approbiert und hat ihn durchgestrichen und zurückgegeben, ohne ihn zu unterschreiben. Dieser Befehlsentwurf wurde nun von der Prosekution vorgebracht, und ich habe daher protestiert, daß er hier eingeführt wird, als ob das ein Befehl sei, den Jodl unterschrieben hat. Ich will ihn nun meinerseits bringen als Beweis dafür, daß Jodl gerade dadurch, daß er diesen Befehl unmöglich gemacht hat, einen rechtswidrigen Befehl zum Unschädlichsein gebracht hat.

Gegen Punkt 8 bis 15 hat die Anklagebehörde auch keinen Widerspruch.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gegen die Punkte 16 und 17 wird von der Anklagebehörde Einspruch erhoben. Punkt 16 bezieht sich auf die englische Nahkampf Vorschrift des Jahres 1942; Punkt 17 ist der Befehl für die Operation Dieppe des gleichen Jahres. Die Nahkampfvorschriften könnten lediglich im Zusammenhang mit einem Einwand gegen diese Form von Training von Bedeutung sein; nach Ansicht der Anklagebehörde sind sie bezüglich der Frage des Kommandobefehls unerheblich.

Was die Frage der Fesselungen betrifft, so ist es das beste, darauf hinzuweisen, daß die Anklagebehörde, wie Herr Dodd bereits erklärt hat, diese Angelegenheit nicht in den Fall einbezieht. Der in Frage stehende britische Befehl scheint also nicht erheblich gewesen zu sein.

Von den allgemeinen Einwänden abgesehen, scheint keiner dieser Gegenstände mit den Anklagepunkten etwas zu tun zu haben.

Ich darf noch kurz auf Dokument Nummer 20 eingehen, gegen das ebenfalls Einspruch erhoben wird. Dieser Fall liegt ebenso wie der des früheren Dokuments, das dem Gerichtshof wohl vorgelegen hat, und das die seitens des Deutschen Auswärtigen Amtes aus Völkerrechtsverletzungen gezogenen Folgerungen behandelte. Es soll, wie dem Gerichtshof ersichtlich sein wird, als Beweismaterial für die Meldungen dienen, die beim OKW einliefen und die zu Vergeltungsmaßnahmen Anlaß gaben.

Ein ähnlicher Grund liegt bei dem Einwand gegen Nummer 21 vor, eine Geschichte des weißrussischen Bandenkrieges. Dieses Dokument wird als Beweis dafür beantragt, daß die Gefahren des Partisanenkrieges Anlaß zur Durchführung weitgehender Gegenmaßnahmen gegeben haben.

Alle diese Einwände können zusammengefaßt werden. Sie fallen unter den allgemeinen Einwand gegen den »tu quoque«-Beweis, den die Anklagevertretung während des ganzen Prozesses aufrechterhalten hat.

PROF. DR. EXNER: Darf ich dazu etwas sagen?

Was 16 und 17 anbelangt, so wollen wir diese Urkunden nur zur Einsicht haben. Wir wollen sie erst sehen, um dann beurteilen zu können, ob wir sie in die Beweisaufnahme einführen oder nicht, das habe ich auch am Ende der Seite geschrieben.

Was die Irrelevanz anbelangt: Wir behaupten nicht, daß diese Befehle Rechtswidriges enthalten. Wenn aber zum Beispiel in dem Nahkampfbefehl den englischen Soldaten Handlungen befohlen werden, die man unseren Soldaten zum Vorwurf macht, dann läge doch ein Widerspruch vor, der allerdings von Bedeutung wäre. Denn offenbar stünde dann die Englische Regierung auf dem Standpunkt, daß diese Art Kampfhandlungen zulässig sind; wenn sie aber dort zulässig sind, so müssen sie auch bei uns zulässig sein, denn es darf nicht mit zwei Maßen gemessen werden. Um dies festzustellen, wollten wir Einsicht in die Nahkampfbefehle als Punkt 18 nehmen.

Punkt 19 handelt über etwas Ähnliches, doch kann ich hier eher verstehen, daß uns das verweigert wird, denn es ist vielleicht ein Geheimbefehl. Nummer 20, das Weißbuch...

VORSITZENDER: Sir David hat Nummer 19 nicht erwähnt, nicht wahr? Er befaßte sich nur mit 16, 17, 20 und 21.

PROF. DR. EXNER: Jawohl, gegen die Punkte 18 und 19 bestehen keine Einwendungen.

VORSITZENDER: So wie ich es verstanden habe, bestand sein Einspruch gegen 16 und 17 darin, daß gegen die Deutsche Wehrmacht weder bezüglich der Nahkampfvorschriften noch der Frage der Fesselungen in der Anklageschrift Beschuldigungen erhoben wurden.

PROF. DR. EXNER: Wenn etwa in diesen Nahkampfvorschriften eine Fesselung von Gefangenen abgebildet und befohlen ist, es sind nämlich Bilder darin, so würde man doch sagen müssen, die Englische Regierung stehe nicht auf dem Standpunkt, daß diese Art der Behandlung rechtswidrig ist, und wenn es auf unserer Seite vorkommt, es auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann; es ist mir schwer, etwas darüber zu sagen, warum uns das wichtig ist, weil ich ja diese Nahkampfvorschriften nicht in Händen habe. Wenn ich sie hätte, so könnte ich dann einen Antrag stellen: ich möchte sie in das Beweisverfahren einführen oder ich brauche sie nicht.

Gegen die Punkte 18 und 19 besteht also keine Einwendung. Was Punkt 20 betrifft, sind dies die Weißbücher, die für Göring schon bewilligt sind und von mir nicht weiter angefordert zu werden brauchen.

Punkt 21: Da bin ich allerdings der Überzeugung, daß dies nicht mit einem »tu quoque«-Argument erledigt werden könne. Es handelt sich hier um ein russisches Buch, welches den Bandenkampf beschreibt, und zwar ist der Verfasser des Buches ein Russe, der selber mehrere Jahre im Bandenkampf als Chef eines Stabes tätig war, und er schreibt aus eigener Erfahrung.

Wir behaupten nun nicht, daß die Russen dasselbe gemacht hätten, was wir gemacht haben, was dem »tu quoque«-Argument entsprechen würde, sondern ich möchte das Buch aus einem anderen Grunde haben: Wenn man unsere Bandenkampfvorschriften verstehen und würdigen soll, dann muß man doch die Banden kennen. Man muß verstehen und wissen, wie sie gearbeitet haben, und man muß ihre Gefährlichkeit einzuschätzen verstehen. Dieses russische Buch beschreibt das alles und ist daher wichtig. Der Referent ist, wie gesagt, selbst bei der Bandenbekämpfung tätig gewesen. In der Anklageschrift heißt es: Der Bandenkampf sei für uns ein Vorwand gewesen für die Vernichtung von Juden, Slawen und so weiter. Aus diesem Buch wird man entnehmen, daß dieser Bandenkrieg ein wirklicher Krieg gewesen ist und kein Vorwand.

Wenn das Buch nicht zu beschaffen ist, bitte ich, den kurzen Bericht darüber verlesen zu dürfen, der gelegentlich in »Stars and Stripes« gestanden ist über den Inhalt dieses Buches. Zu betonen wäre schließlich noch, daß dieses Buch ja von einem sowjetrussischen Verfasser stammt, es daher nicht anzunehmen ist, daß es etwa einseitig russenfeindlich eingestellt ist.

Damit bin ich mit meiner Berichterstattung zu Ende.

VORSITZENDER: Sir David, der Gerichtshof würde gerne Ihre Ansicht bezüglich Punkt 21 hören.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich war aus den bereits erwähnten Gründen dagegen. Das Buch wurde als Beweis dafür beantragt, daß die Gefahr des Bandenkrieges die Ergreifung weitgehender Maßnahmen veranlaßt hatte.

Die Anklagebehörde ist der Ansicht, daß die Maßnahmen zur Bekämpfung der Partisanen Greueltaten darstellen. Beweise hierfür sind bereits vorgelegt worden. Meiner Ansicht nach stellt die Behauptung, daß der Partisanenkrieg große Ausmaße hatte oder sehr erbittert und hartnäckig geführt wurde, keine Entschuldigung für die Verübung von Greueltaten gegenüber Partisanen dar, wie sie in dem Beweismaterial geschildert sind. Da liegt ja gerade das »tu quoque«-Argument; weil die Partisanen sie bekämpften, hatten sie das Recht, ihre Dörfer niederzubrennen, ihre Frauen zu erschießen und ihre Kinder zu ermorden. Dies ist ja gerade das Argument, das wir als unerheblich und nicht zulässig bezeichnen.

Ich habe nichts dagegen, Herr Vorsitzender, daß Dr. Exner die Dokumente, soweit sie beschafft werden können, bezüglich des Punktes, auf den die Anklagebehörde Wert legt, durchsieht. Ich hielt es jedoch für wichtig, und ich glaube auch im Sinne meiner Kollegen zu sprechen, unseren Standpunkt klarzustellen.

VORSITZENDER: Damit sind Sie mit Ihren Ausführungen zu Ende, Dr. Exner, nicht wahr?

PROF. DR. EXNER: Darf ich zu dem letzten Punkt noch etwas hinzufügen? Ich bin mir natürlich klar darüber, daß wüste Grausamkeiten, wie sie hier geschildert worden sind, durch ein scharfes Vorgehen der Partisanen nicht gerechtfertigt werden können; aber je ärger es auf der Partisanenseite getrieben wurde, desto schärfer mußte vorgegangen werden auf der Seite des Militärs; darum hängen die Dinge doch zusammen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich mit Ihrem Argument befassen.

Der Gerichtshof wird sich nun vertagen.