[Das Gericht vertagt sich bis
7. März 3946, 10.00 Uhr.]
Sechsundsiebzigster Tag.
Donnerstag, 7. März 1946.
Vormittagssitzung.
VORSITZENDER: Ich erteile das Wort dem Verteidiger des Angeklagten von Papen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn es dem Gerichtshof genehm ist, möchte ich zunächst die Ansicht der Anklagevertretung über die von Dr. Kubuschok beantragten Zeugen bekanntgeben.
VORSITZENDER: Sehr gut.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der erste Zeuge ist von Lersner; wir haben gegen ihn nichts einzuwenden. Der Zeuge soll unter anderem über die Zeit der Machtergreifung der Regierung Hitlers aussagen; diese Zeit ist im Falle von Papen von großer Bedeutung.
Wenn der Gerichtshof die Zulassung der nächsten drei Zeugen erwägt, muß ich auf eine Kleinigkeit hinweisen. Der Zeuge Tschirschky war, soweit ich verstehe, von Papens Privatsekretär von 1933 bis Februar 1935, das heißt also zur Zeit der Machtergreifung der Nazi-Partei. Er soll auch einiges über die österreichische Zeit aussagen.
Der nächste Zeuge, von Kageneck, war ebenfalls Privatsekretär;
er weiß nichts über die Zeit der Machtergreifung, aber über die ganze österreichische Zeit.
Der nächste Zeuge, Erbach, war Gesandtschaftsrat in Wien und soll über die Zeit von 1934 bis 1938 aussagen.
Die Anklagevertretung hat immer gezögert, gegen die Vorladung von Sekretären Einspruch zu erheben, weil sie das Gedächtnis der Angeklagten unterstützen können. Es scheint uns jedoch, daß die Aussage des Zeugen Tschirschky sowohl für die Zeit der Machtübernahme als auch für die österreichische Zeit kumulativ wäre; es würde daher genügen, in diesem Falle einen Fragebogen zu verwenden. Abgesehen davon würde die Anklagebehörde gegen von Kageneck und Erbach keinen Einwand erheben.
VORSITZENDER: Sie schlagen also Fragebogen für 2 und die Vorladung von 3 und 4 vor?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft, Fragebogen und Vorladung von 3 und 4.
VORSITZENDER: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hinsichtlich des Zeugen Kroll, Nummer 5, behauptet die Anklagevertretung, daß er unerheblich ist. Er soll Aussagen über die Zeit machen, während welcher der Angeklagte Botschafter in der Türkei war; er soll angeblich auch in der Lage sein, zu bekunden, daß von Papen keine Angriffsgedanken gegen Rußland gehabt habe. Nach Ansicht der Anklagevertretung kann von Papen selbst über eine solche Angelegenheit sprechen. Die Anklagevertretung hat keine Beweise über irgendeine umstürzlerische Tätigkeit der Nazi-Partei in der Türkei vorgelegt; das ist ein weiterer Punkt, über den der Zeuge sprechen soll.
Dann kommen die nächsten fünf Zeugen, 6, 7, 8, 9 und 10. Der Gerichtshof hat bereits Fragebogen zugelassen; soweit die Angelegenheit auf Fragebogen beschränkt bleibt, will die Anklagevertretung keinen Einspruch erheben.
Nummer 11, Baronesse de Nothomb: die Anklagevertretung erhebt Einspruch gegen Beweise über eine Fürsprache für Mitglieder der Widerstandsbewegung; einzelne Handlungen dieser Art sind nach Ansicht der Anklagevertretung für die Punkte, mit denen sich der Gerichtshof zu befassen hat, nicht erheblich.
Ich bitte den Gerichtshof, sich nun der Nummer 12 des Antrages zuzuwenden; es handelt sich um den Erzbischof Groeber. Die Anklagebehörde ist der Ansicht, daß die Dinge, über die er befragt werden soll, nicht erheblich sind. Die erste Frage lautet: »Wurden die Konkordatsverhandlungen zwischen Deutschland und dem Hl. Stuhl auf Grund von Papens eigener Initiative herbeigeführt?« Der zweite Teil der Frage lautet kurz: »Bemühte sich Papen bei Hitler um den Abschluß des Konkordats?« Gut, das Konkordat wurde abgeschlossen; was den Gerichtshof wirklich interessiert, sind die Fälle, in denen das Konkordat gebrochen wurde; darüber hat die Anklagevertretung schriftliche Beweise vorgelegt.
Leider verstehe ich die zweite Frage nicht; in der vorliegenden Form halte ich sie für unerheblich und außerdem für unbestimmt. Sie lautet: »War die Handlungsweise des Angeklagten von seiner positiven religiösen Einstellung auch nach Abschluß des Konkordats beeinflußt?«
Dann die dritte Frage: »Hat das deutsche Episkopat den Abschluß des Konkordats begrüßt?« Ich glaube nicht, daß wir damit irgendwie weiterkommen.
Und 4: »Hat das Konkordat der Kirche während der späteren religiösen Kämpfe gesetzlichen Rückhalt geboten?« und: »Hat sich die Kirche schließlich auf das Konkordat berufen können?«
Das Konkordat liegt uns vor und spricht für sich selbst; wie gesagt, es handelt sich hier um die Verletzungen des Konkordats, nicht um seinen Inhalt. Deshalb erheben wir Einspruch gegen Nummer 12.
Nummer 13 ist der Zeuge von Beaulieu. Das geht sehr schnell, wenn sich der Gerichtshof den Antrag ansehen will: »Ich werde eine eidesstattliche Erklärung des Zeugen vorlegen über das Eintreten des Angeklagten von Papen als Präsident des Union-Clubs für Juden.«
Die Anklagevertretung ist der Ansicht, daß das Eintreten für einige jüdische Mitglieder eines Rennklubs nicht weiter wesentlich ist, auch nicht einmal für die Judenfrage.
Nummer 14, Zeuge Josten. Hier wünscht Dr. Kubuschok eine Erklärung vorzulegen, die dem Gerichtshof eingesandt wurde. Die Anklagevertretung würde hier eine eidesstattliche Erklärung oder einen Fragebogen vorziehen, wenn dies möglich ist.
Dann 15, Seine Majestät der König von Schweden.
Das ist ein neuer Antrag und in seinen Ausführungen allgemein gehalten. Es ist schwer zu beurteilen, was König Gustav hier beitragen könnte; die Anklagevertretung hat daher gegen einen Fragebogen nichts einzuwenden.
VORSITZENDER: Sir David, zu Nummer 14 gibt Dr. Kubuschok an, beantragt zu haben, daß die vom Zeugen vor der Rechtsabteilung des Hauptquartiers der Militärregierung in Düsseldorf abgegebene Zeugenaussage ihm zugestellt werde. Haben Sie etwas dagegen einzuwenden, daß ihm die Aussage zugestellt wird?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, ich glaubte, er hätte sie schon erhalten.
DR. KUBUSCHOK: Ich habe sie heute Morgen erhalten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dr. Kubuschok sagt, daß er sie heute Morgen erhalten hat.
VORSITZENDER: Haben Sie etwas dagegen einzuwenden, daß er sie als Beweisstück einreicht?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, ich wollte nur sagen, daß wir eine eidesstattliche Erklärung oder einen Fragebogen vorziehen würden, wenn das möglich wäre. Ich möchte hier keine großen Einwendungen machen.
DR. KUBUSCHOK: Bezüglich der Zeugen möchte ich folgendes ausführen: Zeuge Nummer 1, Baron Lersner. Der Gerichtshof hatte ursprünglich nur einen Fragebogen bewilligt.
Der Vertreter der Anklage hat sich heute vor Gericht mit der Vernehmung des Zeugen einverstanden erklärt. Ich bitte meinerseits auch sehr dringend, diesen Zeugen vor Gericht zu vernehmen. Der Zeuge war Präsident der deutschen Friedensdelegation in Versailles. Er ist ein sehr bekannter deutscher Diplomat, der engstens mit dem Angeklagten von Papen seit 1932 zusammengearbeitet hat. Ein Mann wie Lersner hatte selbstverständlich für jede Politik der Aggression ein besonders feines Gehör. Es ist infolgedessen sehr wichtig, diesen Mitarbeiter des Angeklagten von Papen zu hören und uns schildern zu lassen, wie er den Angeklagten in seiner Tätigkeit bis 1944 beobachtet hat. Insbesondere ist wichtig, daß Lersner auf Veranlassung des Angeklagten von Papen in die Türkei kommen konnte.
VORSITZENDER: Dr. Kubuschok, Sir David hat, wie ich glaube, dem Zeugen Nummer 1 zugestimmt.
DR. KUBUSCHOK: Ja, wenn der Gerichtshof dem auch zustimmt, dann ist die Sache erledigt.
Bezüglich des zweiten Zeugen, Tschirschky:
Tschirschky war der Privatsekretär des Angeklagten von 1933 bis 1935, der erste Privatsekretär während der Vizekanzlerschaft des Angeklagten von Papen. Tschirschky ist ein Mann, der selbst von der Gestapo verfolgt wurde und 1935 ins Exil gehen mußte, wo er auch heute noch ist. Er ist ein Mann, der über die ganze Periode von 1933 bis 1935 erschöpfend Auskunft geben kann, und zwar über die äußere Tätigkeit des Angeklagten und seine eigene subjektive Haltung. Ich glaube, wir bekommen insbesondere über die Zeit von Anfang 1933 kein erschöpfendes Bild, wenn wir diesen intimsten Mitarbeiter des Angeklagten hier nicht persönlich hören. Die anderen Zeugen betreffen meistens andere Zeitspannen, teilweise überschneiden sie sich mit der Tätigkeit des Zeugen Tschirschky.
VORSITZENDER: Wenn der Gerichtshof es für richtig hielte, Nummer 2 als mündlichen Zeugen zu genehmigen, wäre es dann nicht möglich, auf Nummer 3 oder 4 zu verzichten, von einem von ihnen nur einen Fragebogen anzufordern und den anderen vorzuladen? Beide behandeln ungefähr den gleichen Zeitraum.
DR. KUBUSCHOK: Wir benötigen Zeugen Nummer 3 noch unbedingt deswegen, weil Zeuge Kageneck bei der Auftragserteilung Hitlers an Papen hinsichtlich der österreichischen Mission zugegen war. Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, da die Anklage behauptet, er wäre zu den vorgeworfenen Zwecken mit dieser Mission beauftragt worden. Der Zeuge soll beurkunden, daß Papen erst nach klarer Sicherstellung des Auftragszieles den Auftrag angenommen hat. Weiterhin ist Graf Kageneck in Wien auch nach 1935 gewesen, also von 1935 bis zum Anschluß. Für diese Zeit würden wir keinen Zeugen haben. Kageneck kann auch einen sehr wichtigen Punkt bestätigen, nämlich, daß er damit betraut worden ist, diplomatische Akten in die Schweiz zu bringen und dort sicherzustellen, weil sich aus diesen Akten der Urkundenbeweis für die Tätigkeit des Angeklagten in Wien ergab. Deswegen ist meines Erachtens auch der Zeuge Kageneck nicht zu entbehren. Wenn ein Zeuge irgendwie entbehrt werden könnte, so würde es der Zeuge Nummer 4, Erbach, sein, für den ich dann allerdings um Genehmigung eines Fragebogens bitten dürfte, weil auch hier Fragen gestellt werden, die von anderen Zeugen nicht beantwortet werden können.
Bezüglich des Zeugen Nummer 5, des Gesandten Kroll – Papen ist wegen »conspiracy« für Angriffskriege angeklagt. Die Anklage ist zeitlich nicht begrenzt. Im größten Teil der in Betracht kommenden Zeit, nämlich von 1938 bis 1944, ist Papen auf einem Posten gewesen, der für eine friedenstörende Tätigkeit an sich bevorzugt geeignet gewesen wäre. Die Türkei war ja schließlich lange Zeit ein wichtiger Eckpfeiler in militärischer und diplomatischer Hinsicht. Es ist daher von größtem Interesse, ob Papen seine Stellung zu irgendwelcher Tätigkeit im Sinne der Verschwörung benutzt habe. Ich will darüber hinaus aber den Gegenbeweis dafür führen, daß seine Tätigkeit auf Friedensbemühungen gerichtet war, daß er insbesondere gegen jede Kriegsausweitung durch militärische Maßnahmen gegen Rußland und gegen jede politische Maßnahme zur Störung der Beziehungen der Türkei zu den alliierten Mächten eingestellt war. Der Zeuge war in der Türkei der erste Mitarbeiter des Angeklagten. Er kann uns daher über den ganzen Zeitraum eine erschöpfende Auskunft geben.
Bezüglich der Zeugin Baronesse de Nothomb:
Ich habe hier gebeten, ein Affidavit oder einen Fragebogen vorlegen zu können. Ich will...
VORSITZENDER: Mit welcher Nummer befassen Sie sich?
DR. KUBUSCHOK: Mit Nummer 11.
VORSITZENDER: Sie beschäftigen sich nicht mit 6 bis 10?
DR. KUBUSCHOK: Nein, wir sind im Einklang mit 6 bis 10.
VORSITZENDER: Sehr gut, 11.
DR. KUBUSCHOK: Nummer 11, Baronesse de Nothomb. Hier bat ich um einen Fragebogen oder um die Genehmigung der Beibringung eines Affidavits.
Beweisthema: Der Angeklagte hat sich in den ganzen Jahren von 1940 bis 1944 fortlaufend für Interventionen der Zeugin eingesetzt, die diese für verfolgte Mitglieder der französischen Resistenzbewegung unternommen hatte.
Ich will damit beweisen, daß der Angeklagte von Papen hier wieder zeigt, daß ihm an einer friedlichen Gestaltung der deutsch-französischen Beziehungen gelegen ist, und daß er während des Krieges nur immer im Auge hatte, die Zeit nach dem Kriege für diese Beziehungen zu entgiften. Die Intervention des Angeklagten erfolgte auch aus allgemeinen Humanitätsgedanken, die für die Beurteilung des Angeklagten im Rahmen der vorgeworfenen konspiratorischen Tätigkeit nicht unerheblich ist.
Zeuge Nummer 12: Erzbischof Groeber.
Die Anklage behauptet, daß der Angeklagte von Papen seine Stellung als prominenter deutscher Katholik zu einem schmutzigen Täuschungsgeschäft ausgenutzt hat, und daß der Abschluß des Konkordats an sich in Verfolg einer kirchenfeindlichen Politik erfolgt sei; ferner, daß der Abschluß des Konkordats nicht ernstlich gemeint gewesen sei, wie man dann aus den späteren Verletzungen des Konkordats ersehen könne. Erzbischof Groeber war zur Zeit der Konkordatsverhandlungen beim Heiligen Stuhl. Er hat die ganzen Verhandlungen miterlebt; er weiß, daß die Initiative zur Anbahnung von Verhandlungen von Papen selbst ausgegangen ist, und daß der Entwurf, der von Papen für das Konkordat gemacht worden war, von Hitler schwerstens mißbilligt worden war, und daß erst nach langen Kämpfen Papen diesen Entwurf durchbringen konnte. Der Zeuge kennt den Angeklagten von Papen ganz genau. Er weiß, aus welcher inneren Einstellung zur katholischen Frage der Angeklagte an den Abschluß des Konkordats herangegangen ist. Er kann auch die Auswirkung des Konkordats als maßgeblicher deutscher Kirchenfürst beurteilen. Er kann beurteilen, daß der Inhalt des Konkordats auch später noch ein Schutz für die kirchlichen Interessen gewesen ist; er kann aus der Kenntnis der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten und der gesamten Kirchenverhältnisse in Deutschland darüber etwas aussagen, ob der Angeklagte mit den Verstößen gegen das Konkordat auch nur das geringste zu tun gehabt hat.
VORSITZENDER: Dr. Kubuschok, behandelt denn nicht der Zeuge Nummer 2 dasselbe Thema? Sagen Sie nicht in Ihren Erörterungen über das Beweisthema, daß der Zeuge Nummer 2 mit – dem Angeklagten nach Rom fuhr, um dort das Konkordat abzuschließen? Kann er aussagen, daß es ihm gegen Hitlers energischen Widerspruch doch noch in letzter Minute gelang, das Konkordat abzuschließen? War der Zeuge nicht bei all diesen Gesprächen zugegen?
DR. KUBUSCHOK: Der Zeuge Tschirschky kam in die Konkordatsverhandlungen durch den Angeklagten hinein. Es ist meines Erachtens unbedingt wichtig, hier auch einen Zeugen zu vernehmen, der die Verhandlungen von der Gegenseite mitgemacht hat. Insbesondere kann ja dieser Zeuge, Erzbischof Groeber, auch die spätere Zeit, die Konkordatsverstöße, beurteilen. Er kann die ganze Kirchensituation besser beurteilen als der Privatsekretär Tschirschky. Er kann sich ja auch ein wesentlich kompetenteres Bild über die Persönlichkeit von Papen machen, die ja in diesem Fall mit seiner politischen Tätigkeit in einer sehr engen Verbindung steht. Ich bin an sich in meinen Beweisbitten sehr bescheiden gewesen. Ich möchte doch hier aber dringend bitten, einen Fragebogen oder ein Affidavit des Erzbischofs zu genehmigen, denn es ist wohl klar, daß ein Vorwurf, ein prominenter deutscher Katholik habe diese seine Eigenschaft zu schmutzigen Täuschungszwecken benutzt, sehr schwerwiegend ist. Dem Angeklagten liegt im Rahmen der Anklage, aber auch über diese hinaus, sehr viel daran, diese Frage geklärt zu wissen.
Zeuge Nummer 13: Ein Affidavit eines Herrn von Beaulieu, der bekunden soll, daß der Angeklagte sich in seiner Eigenschaft als Präsident eines sehr großen und prominenten deutschen Vereins bis in die späteste Zeit hinein für die nichtarischen Mitglieder im Sinne der damaligen Terminologie eingesetzt hat. Alles, was für die Beurteilung des Falles Papen wichtig ist, liegt zum überwiegenden Teil auf subjektivem Gebiete. Tatsächliche Handlungen werden wir im Falle Papen wenig sehen. Die Beschuldigungen gehen meistenteils darauf hinaus, daß er mit dabei war. Die Beweiserfassung ist daher verhältnismäßig schwer, und die Gegenbeweise müssen sich sehr erheblich auf subjektives Gebiet verlagern. Es ist für die Beurteilung einer Persönlichkeit in ihrer Gesamtheit keinesfalls unwichtig, wie diese sich in breitester Öffentlichkeit im Jahre 1938 zum Beispiel in der Frage der Judenbehandlung eingestellt hat; denn wenn hier Papen von einer Generallinie Hitlers und des Nazismus bewußt und öffentlich abgerückt ist, so wird man doch sicherlich einen Schluß daraus ziehen können, ob er wirklich der getreue Gefolgsmann Hitlers gewesen ist, als den ihn die Anklage bezeichnet.
Zeuge Nummer 14: Ich habe heute das Statement erhalten. Ich habe es noch nicht durcharbeiten können. Ich werde entweder das Statement vorlegen oder ein Affidavit, das ich mir dann beschaffen würde.
Zeuge Nummer 15: Eine in irgendeiner Weise vorzunehmende Befragung Seiner-Majestät König Gustavs von Schweden. Die Frage ist sehr wichtig. Sie berührt einen Hauptpunkt der Verteidigung, nämlich wie weit ein nicht in den Ideen des Nazismus Verfangener in einem gewissen Umfange mitarbeiten konnte. Wie weit konnte er hoffen, durch seine persönliche Tätigkeit die Dinge zu wenden oder mindestens zu mildern? Wenn wir durch das gestellte Beweisthema beweisen, daß von Papen nicht nur im inneren Deutschland seine Mittel erschöpfte, um diesem Ziel zu dienen, sondern wenn er darüber hinaus auch seine außenpolitischen Beziehungen hierzu mitverwendete, so dürfte das meines Erachtens eine sehr wichtige Abrundung des Bildes über die Persönlichkeit des Angeklagten bieten. Es ist dies eine derartig starke Aktivität im Sinne des Friedens, daß meines Erachtens schon allein aus derartigen Bemühungen sich die absolute Unrichtigkeit und Haltlosigkeit der Anklage ergibt, daß der Angeklagte auch nur zu irgendeiner Zeit die Ziele einer aggressiven Politik im Rahmen einer »conspiracy« gebilligt haben könnte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof, was die Dokumente Nummer 1 bis 8 anlangt, bittet die Anklagebehörde Dr. Kubuschok um Vorlage der Auszüge; wir können dann sogleich beurteilen, ob Sie erheblich sind. Ich glaube, Nummer 9 befindet sich im Besitz von Dr. Kubuschok.
DR. KUBUSCHOK: Ich habe nur die Photokopie im Besitz, die ich von der Staatsanwaltschaft erhalten habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bitte um Entschuldigung. Ich hätte sagen sollen, daß er eine Photokopie hat. Die Anklagebehörde hat die Photokopie jedoch beglaubigt. Das Originaldokument ist zur Zeit nicht zu beschaffen. Wenn wir es bekommen, werden wir Dr. Kubuschok Einsicht nehmen lassen.
Drittens erklärt Dr. Kubuschok, daß er vielleicht einen Ergänzungsantrag zu stellen haben wird, wenn Herr von Papen junior zurückkommt. Das ist natürlich seine Sache und die des Gerichtshofs. Die Anklagebehörde erhebt keine Einwendung.
VORSITZENDER: Hat Dr. Kubuschok die Bücher zu 1 bis 8?
DR. KUBUSCHOK: Ja.
VORSITZENDER: Gut. Dann sind Sie wohl auch bereit, genau anzugeben, welche Stellen daraus...
DR. KUBUSCHOK: Ich möchte nur die Liste noch um einen Punkt ergänzen. Ich habe gestern von der Staatsanwaltschaft einen weiteren Bericht Papens an Hitler während seiner Wiener Tätigkeit bekommen. Ziffer 9, auch ein Bericht an Hitler, auch in Form einer Photokopie, habe ich gestern erhalten. Ich werde auch diesen Bericht zu Beweiszwecken vorlegen.
VORSITZENDER: Ich erteile dem Verteidiger des Angeklagten Seyß-Inquart das Wort.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Darf ich unseren Standpunkt vortragen?
Hoher Gerichtshof! Bei diesem Angeklagten beziehen sich die ersten vier Zeugen auf den österreichischen Teil des Falles. Am 2. Dezember stellte der Gerichtshof dem Angeklagten frei, vier Zeugen aus neun auszuwählen. Er hat Glaise-Horstenau gewählt, einen Minister der österreichischen Regierung; Guido Schmidt, den Außenminister zur Zeit der Besprechung Schuschnigg-Hitler-Ribbentrop; Skubl, den Polizeipräsidenten und Staatssekretär für das Sicherheitswesen in Wien und Rainer, einen wohlbekannten Nazi und späteren Gauleiter von Kärnten.
Die Anklagevertretung erhebt gegen diese Zeugen keinen Einspruch.
Dann kommen wir zur Periode der Niederlande. Die Anklagevertretung hat gegen Wimmer und Schwebel nichts einzuwenden, sie erhebt aber Einspruch gegen die mündliche Vernehmung des Zeugen Bolle. Er wurde bereits vom Gerichtshof am 26. Januar abgelehnt. Nach dieser Ablehnung wurden Fragebogen vorgelegt; die dort aufgestellten Fragen scheinen jedoch fast völlig mit denen des Fragebogens übereinzustimmen, der dem Zeugen von der Wense, Nummer 2 auf der Affidavitliste, vorgelegt worden ist. Ich glaube, daß von den zwanzig Fragen, die an Bolle gestellt werden sollen, nur zwei nicht bereits an von der Wense gerichtet wurden, und zwar sind das Nummer 17 und Nummer 18. Zwei weitere Fragen befassen sich, wie es scheint, mit ganz klaren Punkten.
Das ist also der Einwand, den wir gegen Bolle erheben; die Anklagebehörde behauptet, daß er tatsächlich kumulativ und daher unnötig ist.
Wir erheben keinen Einwand gegen Fischböck, der über die Judenfrage, Finanzverwaltung, Kunstschätze und Zwangsarbeit aussagen wird.
Wir erheben auch keinen Einwand gegen Hirschfeld, der über Beschlagnahmen, Zerstörungen von Fabriken und die Ernährungslage aussagen soll.
Von den mündlich zu hörenden Zeugen erheben wir also nur gegen Bolle Einspruch.
Gegen die eidesstattlichen Erklärungen haben wir keine Bedenken, das heißt, es sollten eigentlich Fragebogen an deren Stelle treten. Der Gerichtshof hat Fragebogen am 26. Januar genehmigt; unter diesen Umständen hat die Anklagevertretung keine Einwendungen gegen sie.
VORSITZENDER: Bitte, Dr. Steinbauer?
DR. GUSTAV STEINBAUER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SEYSS-INQUART: Herr Präsident, Hoher Militärgerichtshof!
Mein Klient, Dr. Seyß-Inquart, hat anfänglich eine sehr große Zahl von Zeugen beantragt gehabt und dann auf meinen Rat, einem Wunsche des Hohen Gerichtshofs folgend, diese Zahl auf eine ganz kleine herabgesetzt. Ich bitte, auch den Zeugen Baudirektor Bolle vor Gericht zuzulassen, weil meines Erachtens der Einwand der Staatsanwaltschaft, daß es sich hier um einen kumulativen Zeugen handelt, nicht ganz zutreffend ist. Bolle war vor der Besetzung Hafendirektor in Hamburg und dann die ganzen Jahre hindurch während der Besetzung Leiter der Verkehrsabteilung in den Niederlanden. Er kann insbesondere Aussagen machen über den Eisenbahner- und Schifferstreik im Oktober 1944. Dieses Kapitel der Besatzungsgeschichte ist deshalb außerordentlich wichtig, weil aus diesem Streik heraus eine Verkehrssperre erfolgt ist, die zu einem Embargo führte. Die Anklage behauptet nun weiter, daß ein Teil der Ursachen der späteren, wie wir es ruhig nennen können, Hungerkatastrophe in Holland, auf Maßnahmen zurückzuführen ist, die der Angeklagte Seyß-Inquart im Oktober 1944 getroffen hat. Die Wehrmacht wollte begreiflicherweise die noch spärlich funktionierenden Verkehrsmittel für ihre Zwecke heranziehen. Gerade durch die Vernehmung des Zeugen Bolle wird sich herausstellen, daß Seyß-Inquart bestrebt war, diesen durch die Maßnahmen der Wehrmacht hervorgerufenen Zustand soweit wie möglich in seinen Auswirkungen zu mildern. Durch einen Fragebogen würde dieser Komplex jedoch nicht so leicht vollkommen ausgeschöpft werden, um der Frage gerecht zu werden.
Ich bitte, meine Herren, zu beachten, daß es sich hier um die Überprüfung einer Verwaltung eines Königreiches von neun Millionen im Zeitraum von fünf Jahren durch den Angeklagten handelt. Wenn man den Bericht der Holländischen Delegation durchliest, so sieht man allein nur in den finanziellen Auswirkungen, daß behauptet wird, der Schaden, der durch die Verwaltung und durch die kriegerischen Ereignisse andererseits, mit einem Wort, durch die Besetzung Hollands durch Deutschland entstanden ist, habe eine Ziffer von 25725000000 holländische Gulden erreicht, zu denen noch mit Rücksicht auf die Preisdifferenz zwischen 1938 und jetzt ein 175 %iger Aufschlag zu kommen hat. Ich meine, es handelt sich hier um die Überprüfung von administrativen, richterlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Maßnahmen einer Zeitperiode von fünf Jahren. Ich glaube, daß daher die Bitte des Angeklagten, auch diesen Zeugen zuzulassen, gewiß keine unbillige ist.
Was die Affidavits anbelangt, so habe ich mir erlaubt, noch zwei zu beantragen, die noch nicht bewilligt sind. Es ist dies, auf der letzten Seite, ein ganz kurzes Affidavit des Baron Lindhorst-Hormann. Derselbe war früher Kommissar der Provinz Groningen und soll insbesondere über einen Punkt einvernommen werden, über die Behandlung der sogenannten Geiseln im Geisellager, und ferner über die Tatsache, daß keine dieser Geiseln erschossen wurde. Ich habe außer der Einholung dieses Affidavits auch noch gebeten, einige amtliche Verlautbarungen beizuschaffen, Verlautbarungen des höheren Polizei- und SS-Führers Rauter über die Erschießungen; ich will damit nachweisen, von wem die Sache ausgegangen ist; der Angeklagte behauptet, daß diese bedauerlichen Maßnahmen von der Polizei und nicht von der Zivilverwaltung ausgegangen sind.
Ich habe auch die Absicht, zwei Affidavits vorzulegen, die bereits in meinen Händen sind. Das eine ist ein Affidavit eines deutschen Richters, Kammergerichtsrat Rudolf Fritsch. Derselbe war in der Verwaltung Seyß-Inquarts in Holland Referent für Gnadensachen. Er kann also Auskunft geben, wie Seyß-Inquart dieses wichtige Kapitel der Rechtsprechung gehandhabt hat.
Ein zweites Affidavit, das sich in meinen Händen befindet, stammt von einem gewissen Dr. Walter Stricker. Es ist das angeführte Dokument Nummer 30. Dr. Walter Stricker war Rechtsanwalt in Wien und ist 1938 nach Australien ausgewandert, hat in der australischen Armee gedient und mir unaufgefordert eine vor einem australischen Notar abgegebene Zeugenaussage geschickt, wo er Zeugnis abgibt über die Verhältnisse in Wien in den kritischen Oktober- und Novembertagen des Jahres 1938. Ich bitte auch dieses Affidavit zuzulassen.
Was die Dokumente anbelangt, so werde ich, das habe ich auch bereits Sir David gesagt, eine genaue Liste vorlegen.
VORSITZENDER: Einen Moment bitte, bevor Sie sich damit befassen. Sir David sagte zu den eidesstattlichen Erklärungen, die auf Seite 2 erwähnt sind, daß diese als Fragebogen eingereicht werden sollten. Ich weiß nun nicht, ob Sie Affidavits oder Fragebogen beantragen wollen.
DR. STEINBAUER: Ja, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: Sie wollen Affidavits?
DR. STEINBAUER: Fragebogen, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: Hätten Sie etwas dagegen einzuwenden, daß die eidesstattliche Erklärung des Anwalts in Australien der Anklagevertretung vorgelegt wird, damit diese sich entscheiden kann, ob sie einen Gegenfragebogen vorzulegen wünscht. Australien ist zu weit weg, um ihn zum Kreuzverhör hierherzubringen.
DR. STEINBAUER: Sicher.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mir wurde soeben diese eidesstattliche Erklärung des Zeugen Stricker ausgehändigt; außerdem Nummer 6 über die holländischen Fragen von Richter Fritsch; wenn in derselben Weise mit dem Affidavit des Barons Lindhorst-Hormann verfahren wenden könnte, werde ich in der Lage sein, auch dazu Stellung zu nehmen.
VORSITZENDER: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hinsichtlich der übrigen Dokumente bitte ich die Verteidigung, wie üblich, Auszüge anzufertigen und uns zur Einsicht vorzulegen.
VORSITZENDER: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auf einen Punkt möchte ich den Gerichtshof noch aufmerksam machen. Es könnte von Nutzen sein, daß Nummer 28, Dokument D-571, bereits als Beweisstück US-112 vorliegt. Ich weiß nicht, ob die Verteidigung Nummer 3 wirklich benötigt. Ich werde mich jetzt nicht damit befassen, aber die Anklagebehörde wird die Ansicht vertreten, daß dieses Dokument tatsächlich unnötig und unerheblich ist. Ich glaube jedoch, daß diese Angelegenheit am besten erst dann besprochen wird, wenn sie an der Reihe ist.
VORSITZENDER: Ja! Wird es ausreichen, daß Nummer 2 unter der Überschrift »Betrifft die holländische Frage« in Form einer eidesstattlichen Erklärung erledigt und Ihnen dann vorgelegt wird, damit Sie einen Gegenfragebogen vorlegen können, wenn Sie es wünschen?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Damit wäre ich sehr zufrieden.
VORSITZENDER: Dr. Steinbauer, haben Sie die eidesstattliche Erklärung, die im Absatz 2 unter der letzten Überschrift erwähnt ist, schon erhalten?
DR. STEINBAUER: Nein, die habe ich noch nicht, sondern ich habe einen Antrag gestellt, der Gerichtshof möge die Güte haben, den Zeugen zu befragen.
VORSITZENDER: Wäre ein Fragebogen nicht eine bessere Lösung?
DR. STEINBAUER: Jawohl.
VORSITZENDER: Dann brauchen wir Sie wegen der Dokumente nicht weiter zu bemühen.
DR. STEINBAUER: Ich habe nur die Bitte, wenn möglich zwei Bücher, die nicht in meinem Besitz sind, beizuschaffen; es handelt sich um Dokument Nummer 8 »Guido Zernatto: Die Wahrheit über Österreich« und Nummer 9, das Buch »Ein Pakt mit Hitler – Das österreichische Drama« von Martin Fuchs. Mir wurde von österreichischer Seite gesagt, daß diese beiden Bücher sehr wertvolle Aufklärung über die Vorgänge im Jahre 1937 und 1938 enthalten. Beide Bücher waren begreiflicherweise in Österreich während der Nazi-Zeit verboten und daher von mir nicht erreichbar.
Das zweite Buch befindet sich auch in der von der Französischen Anklage vorgelegten Liste, aus der ich entnommen habe, daß das Buch im Verlag Plon in Paris erschienen ist. Vielleicht ist es mit Hilfe der Anklagebehörde möglich, diese zwei Bücher noch rechtzeitig beizuschaffen. Alle anderen Dokumente habe ich in meinem Besitz.
VORSITZENDER: Sagten Sie Nummer 2? Sie sagten 8 und 9, aber Sie haben auch Nummer 2 erwähnt?
DR. STEINBAUER: Nummer 2 »Dreimal Österreich« von Schuschnigg.
VORSITZENDER: Ich dachte, Sie hätten auch das dritte Buch erwähnt. Sie sagten, Sie haben Nummer 8 und 9 nicht, und dann, glaubte ich, wollten Sie auch noch von einem dritten Buch sprechen.
DR. STEINBAUER: Nein, Herr Vorsitzender, nur diese zwei Bücher.
VORSITZENDER: Gut, dann wird die Anklagebehörde zweifellos behilflich sein, die Bücher zu beschaffen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Wir werden Erkundigungen einziehen und die Verteidigung verständigen.
VORSITZENDER: Gut. Ich erteile nun das Wort dem Verteidiger des Angeklagten Speer.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Der Angeklagte Speer hat 22 Zeugen beantragt, die alle schriftliche Erklärungen abgeben sollen. Es sind also keine Zeugen zu vernehmen. Ferner hat er 41 Dokumente beantragt. Außerdem hat er einen Antrag gestellt, der Gerichtshof möge eine Reihe von Sachverständigen bestellen, die eine Anzahl von Zeugen über »Wirtschaftsfragen«, wie es heißt, vernehmen sollen. Ich halte es für zweckmäßig, in vier Sätzen den Standpunkt der Verteidigung zusammenzufassen, wie er auf Seite 26 und den folgenden des Antrags dargelegt ist, denn wenn der Gerichtshof die Ansicht der Verteidigung kennt, wird ihm die Beurteilung dieser Zeugen leichter fallen.
Es kommen 4 Punkte in Frage: Nummer 1 soll die Verantwortlichkeit Speers zeigen. Der Angeklagte Speer behauptet, daß er für die Aufbringung, Zuteilung und Behandlung von Arbeitern nicht verantwortlich war.
In Punkt 2 will er beweisen, daß seine Aufgaben rein technische und nicht politische waren.
Mit Punkt 3 will er beweisen, daß er Vorkehrungen traf, um die Hereinnahme von ausländischen Arbeitern und die Verwendung von KZ-Arbeitern in der Rüstungsindustrie, für die er verantwortlich war, zu beenden.
Punkt 4 behandelt seine Bemühungen bei Kriegsende, die Zerstörungen innerhalb Deutschlands zum Nutzen der Alliierten und Deutschlands nach dem Kriege aufzuhalten.
Von den Zeugen stammen die folgenden aus seinem eigenen Ministerium, Nummer 1 bis 6, 8, 10 und 12. Die Anklagebehörde ist der Ansicht, daß 9 Zeugen, die alle die Stellung des Ministeriums behandeln sollen, eine verhältnismäßig große Zahl ist. Sie sind in vielen Punkten kumulativ; wir möchten daher den Vorschlag machen, daß der Verteidiger sich 3 Zeugen heraussucht, die diesen Teil des Falles erschöpfend behandeln können.
Die folgenden Zeugen Nummer 15 bis 21 sollen über die Einstellung des Angeklagten bei Kriegsende Aussagen machen. Wir haben eine Anzahl von Dokumenten über diese Frage; die Anklagevertretung schlägt daher wiederum vor, die Zahl der Zeugen auf 2 oder 3 zu vermindern.
Von den übrigen Zeugen wurde Nummer 7, Feldmarschall Milch, bereits für den Angeklagten Göring genehmigt, so daß sich diese Frage erledigt. Zeuge Nummer 9, Dr. Malzacher, war, obwohl er nicht zum Ministerium des Angeklagten gehörte, mit der Rüstung im Südosten beauftragt und erscheint daher gegenüber den Mitgliedern des Ministeriums kumulativ.
Zeuge Nummer 11 ist der Verbindungsoffizier zwischen dem Ministerium und dem OKW und erscheint uns ebenfalls kumulativ, es sei denn, daß uns der Verteidiger einen besonderen Punkt angeben kann, der der Anklagebehörde entgangen ist.
Zeuge Nummer 13 ist wirklich kumulativ zu Nummer 12, da er über eine Sache aussagen soll, über die Frau Kempf sprechen kann.
Zeuge Nummer 14 ist der Arzt des Angeklagten, der über eine Krankheitsperiode sprechen soll. Auch hier sind wir wieder der Ansicht, daß der Angeklagte selbst und seine Sekretärin über die Zeit seiner Krankheit sprechen können, es sei denn, daß noch ein weiterer Punkt hinzukommt, den die Anklagebehörde nicht beachtet hat.
Zeuge Nummer 22, Gottlob Berger, soll schließlich dem Gerichtshof über die allgemeine Ansicht Hitlers über die Lage Ende April 1945 berichten; das erscheint unerheblich. Ich glaube, es soll lediglich bewiesen werden, daß diese eine gewisse Wirkung auf eine Rede über den Rundfunk hatte, die der Angeklagte halten wollte.
Dies ist die Ansicht der Anklagebehörde zu den Zeugen. Was die Liste der Sachverständigen angeht, so macht die Anklagebehörde ergebenst geltend, daß uns diese Fragen der Versorgung, des Arbeitseinsatzes und der Rüstung heute schon ganz allgemein bekannt sind, daß uns darüber eine Menge Beweismaterial vorliegt und daß es sich im wesentlichen um Fragen handelt, die der Gerichtshof selbst als Tatsachenfragen entscheiden kann. Es sind keine solchen Spezialfragen, die es verdienten, daß sie der Gerichtshof durch Sachverständige behandeln ließe.
Das ist also die Auffassung der Anklagebehörde zu der Frage der Zeugen.
VORSITZENDER: Ja. Dr. Flächsner.
DR. HANS FLÄCHSNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SPEER: Darf ich, Herr Vorsitzender, mit dem letzten Punkt beginnen, den der Herr Vertreter der Anklagebehörde erörtert hat, nämlich der Frage, ob der Fall des Angeklagten Speer Veranlassung geben könnte, seinen Tätigkeitsbereich dem Gerichtshof durch einen Sachverständigen erläutern und aufklären zu lassen? Der Herr Vertreter der Anklagebehörde steht auf dem Standpunkt, daß das bisherige Beweismaterial ausreichend sei, um das Gericht über die Arbeitsweise, den Arbeitsgang und über die Konsequenzen bei den Fragen, die der Zuständigkeit des Angeklagten Speer unterlagen, beziehungsweise sie in ihren Zusammenhängen aufzuklären. Ich muß aber zu meinem Bedauern bemerken, daß die Schilderung, die die Anklagebehörde von der Tätigkeit des Angeklagten Speer bisher gegeben hat, nicht zutreffend beziehungsweise nicht vollständig erkannt ist.
Es ist auch schwer, ein Ministerium und seine Arbeitsweise zu erkennen, das in normalen Zeiten in der Staatsverwaltung keinen Platz hat. In allen kriegführenden Staaten sind die Rüstungs- und Produktionsministerien während des Krieges geschaffen worden. Der Aufgabenkreis dieser Ministerien ist von Fall zu Fall bestimmt worden. So auch bei dem Ministerium, das der Angeklagte Speer geleitet hat.
Nicht nur das Ministerium des Angeklagten Speer war ja mit den Fragen befaßt, die hier die Anklagebehörde zur Kenntnis des Gerichts gebracht hat, sondern vor allen Dingen andere Behörden der Staatsverwaltung, und die Zuständigkeiten überschnitten sich; manchmal waren die Zuständigkeiten gar nicht abgrenzbar, so daß von Fall zu Fall eine Lösung gefunden werden mußte.
Das alles sind Fragen, die von Bedeutung sind, wenn sich der Gerichtshof darüber ein Urteil bilden will, inwieweit der, eine oder andere Vorwurf der Anklagebehörde, besonders in Bezug auf Beschäftigung von Fremdarbeitern, begründet ist. Hinzu kommt noch, daß der ursprünglich in diesen wirtschaftlichen Fragenkomplex verwickelte Angeklagte, der sehr zur Aufklärung der verschiedenen Zuständigkeiten hätte dienen können, der Angeklagte Ley, der ja als Leiter der DAF bei der Frage des Arbeitseinsatzes beziehungsweise der Betreuung der eingesetzten Arbeitskräfte eine große Rolle gespielt hat, daß dieser Angeklagte Ley vor dem Prozeß ausgeschieden ist.
Es muß also die Frage der Verwendung fremdländischer Arbeitskräfte, die heute dem Angeklagten Speer im wesentlichen von der Anklagebehörde vorgeworfen wird, weiter ausgeführt werden. Ich habe aus diesem Grund gebeten, daß man diese rein technischen Fragen des Arbeitseinsatzes zur Unterstützung des Gerichts durch einen Sachverständigen klären lassen sollte.
Nun ist die Auswahl eines solchen Sachverständigen der Person nach nicht leicht. Ich habe zum Vorschlag gebracht, daß einer der Herren, der in der landwirtschaftlichen Abteilung in Washington arbeitet, diese Frage des Ministeriums Speer untersuchen und als Sachverständiger hier vor Gericht auftreten möchte. Wie ich gehört habe, ist dieses Amt aufgelöst und die Persönlichkeiten, von denen der Angeklagte Speer bei einem Verhör den Eindruck gewonnen hatte, daß sie die Sachlage wirklich überschauen, stehen nicht mehr zur Verfügung. Wohl aber besteht noch eine alliierte Behörde hier, die sich mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigt, und es wäre vielleicht möglich, aus dem Kreise der dort befindlichen Herren eine geeignete Persönlichkeit zu finden, die diese Fragen zur Unterstützung des Gerichtshofs zu klären imstande wäre.
Ich wende mich nun der Frage der Zeugen zu. Da muß ich zunächst eine falsche Auffassung berichtigen, die sich auf seiten der Anklagebehörde vielleicht gebildet hat. Wenn es heißt, daß die Zeugen 1 bis 6, 8 und 10 und 12...
VORSITZENDER: Wenn Sie jetzt die Frage der Liste von Sachverständigen verlassen, wäre es wohl eine geeignete Zeit, eine Pause einzulegen.