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[Pause von 10 Minuten.]

DR. FLÄCHSNER: Herr Vorsitzender! Wenn ich mich jetzt der Frage der Zeugen zuwende, so darf ich eine allgemeine Bemerkung vorausschicken. Der Zeugenbeweis, den ich schriftlich angeboten habe, ist deswegen etwas umfangreicher, weil gerade diejenigen Zeugen, die die umfassendste Kenntnis besessen hatten, weggefallen sind. Es ist das der frühere Chef der Heeresrüstung, Generaloberst Fromm, und der langjährige Leiter des Zentralamtes im Ministerium Speer, Schieber. Die Namen, die ich in meiner Liste der Zeugen aufgeführt habe, sind zum Teil Männer, die später erst in ihre Aufgaben berufen worden sind.

Der Zeuge Hupfauer, der als Zeuge Nummer 1 fungiert, ist zum Beispiel erst ab 1. Januar 1945, also knapp 4 Monate in dieser Funktion tätig gewesen, nämlich als Chef des Zentralamtes, welches vorher der bereits genannte Zeuge Schieber innehatte.

Ich weiß also, wenn ich mehrere Zeugen benannt habe, die im Ministerium Speer beschäftigt waren, sehr wohl, daß dadurch der Anschein erweckt wird, daß diese Zeugen, weil sie über dieselben Punkte gefragt werden sollen, kumulativ sein könnten. In Wirklichkeit ist das nicht der Fall. Wenn diese betreffenden Zeugen auch im Ministerium beschäftigt waren, so waren sie es doch nicht in der Weise, wie ein Routinebeamter, das heißt ein Berufsbeamter, in einer Behörde tätig ist. Das Ministerium Speer als Kriegserscheinung war gänzlich anders aufgebaut als ein normales Ministerium. Wesentliche Funktionen waren Industriellen übertragen, die diese im Nebenamt ausübten. So war zum Beispiel der Zeuge Rohland, Nummer 2, im Hauptberuf Direktor der Vereinigten Stahlwerke; der Zeuge Nummer 4, Direktor der Zellwoll-AG.; der Zeuge Nummer 6, Fabrikant, Inhaber einer Textilfabrik; der Zeuge Nummer 9, Direktor der Oberschlesischen Bergwerk- und Hütten-AG. Neben dieser Funktion hatten sie einzelne Funktionen im Ministerium Speer. Sie können also nur immer wieder über einen kleinen Ausschnitt, nämlich über die ihnen übertragenen Funktionen, Bekundungen machen. Ich kann daher nicht der Anregung der Anklagebehörde folgen, nur zwei von diesen Herren auszuwählen. Ich weiß nicht, wie weit jeder dieser Herren über die Fragen, die ich ihm vorlegen werde, unterrichtet ist. Ich bin ja nicht in der glücklichen Lage wie die Anklagebehörde, die ihre Zeugen zum größten Teil vorher fragen kann, was sie wissen. Ich muß mich darauf verlassen, den Zeugen einen Fragebogen vorlegen zu lassen, und kann nur vermuten, daß sie die Fragen, die ich ihnen vorlege, zu beantworten in der Lage sind. Wenn ich der Anregung der Anklagebehörde folgen würde und mir zwei oder drei von diesen Herren herausgreifen würde, kann es mir passieren, daß ich gerade die falschen herausgreife, die nichts wissen. Infolgedessen kann ich nicht sagen, daß ich auf einen dieser Zeugen, die über die eigentliche, hier im Prozeß für den Angeklagten Speer wesentliche Hauptfrage, nämlich die Beschäftigung von Fremdarbeitern, Bekundungen machen sollen, verzichten könnte.

Ich habe in der Liste der Zeugen im einzelnen kurz angeführt, worüber die Zeugen gehört werden sollen. Ich glaube, ich brauche hierüber keine weiteren Ausführungen zu machen, diese Angaben dürften aus sich heraus verständlich sein.

Ich wende mich nun zu der Frage, die den Zeugen Nummer 7 betrifft. Dieser Zeuge ist bereits genehmigt. Ich glaube, daß darüber wesentliche Ausführungen nicht weiter erforderlich sind.

Beim Zeugen Nummer 9, Malzacher, hat die Anklagebehörde behauptet, daß er kumulativ sei für den Zeugen Nummer 1. Das stimmt aber nicht. Die wesentliche Frage, die diesem Zeugen vorgelegt werden soll, ist die, wie die Verteilung der Arbeitskräfte durch das Arbeitsamt an die Betriebe vor sich ging. Die zweite Frage, ob und inwieweit die Dienststellen des Ministeriums Speer und die Betriebe Möglichkeiten hatten, die Aufteilung der zugewiesenen Arbeitskräfte irgendwie zu beeinflussen. Für diese Frage ist dieser Zeuge von ausschlaggebender Bedeutung. Ich habe überhaupt an diesen Zeugen noch weitere Fragen und würde diese im Fragebogen zum Ausdruck bringen; sie beziehen sich insbesondere auf Zerstörungen und so weiter. Ich hatte nur in meiner Liste, um diese möglichst zusammenfassend zu gestalten, lediglich die Hauptpunkte erwähnt. Ich bitte, mir daher diesen Zeugen zu belassen, zumal ja von dem Fragebogen nur insoweit Gebrauch gemacht werden wird, als die Zeugen in ihm wirklich Sachdienliches zu sagen haben werden. Wenn ich einen Fragebogen zurückbekomme, der für die Ausführung des Sachverhalts wesentliches Material nicht enthält, werde ich mich hüten, die Zeit und Geduld des Gerichtshofs zu mißbrauchen, indem ich einen solchen Fragebogen vorlege.

Die Anklagebehörde steht auf dem Standpunkt, daß die Zeugen Nummer 12 und Nummer 13 kumulativ seien. Das ist nicht richtig. Vielleicht habe ich mich bei den Tatsachen, über die diese Zeugen Bekundungen machen sollen, zu kurz ausgedrückt. Die Anklagebehörde hatte allerdings nur nebenher ein Schriftstück produziert, 3568-PS, das einen Fragebogen enthielt, der über die Zugehörigkeit des Angeklagten Speer zur SS Angaben enthielt.

Diese Urkunde ist nach der Behauptung des Angeklagten Speer nicht von ihm ausgegangen. Dafür benenne ich die Sekretärin als Zeugin dieser Tatsache, beziehungsweise soll sie einen Fragebogen erhalten.

Der Zeuge Nummer 13 dagegen soll über etwas ganz anderes aussagen. Der Reichsführer-SS Himmler hatte die Absicht, Speer zum SS-Mann zu machen und in seinen persönlichen Stab aufzunehmen. Wolff hatte den Dienstausweis für Speer von Himmler übergeben erhalten, damit er ihn an Speer aushändigt. Und Wolff soll nun bekunden, daß es zur Aushändigung dieses Ausweises an ihn niemals gekommen ist, so daß von einer Zugehörigkeit des Angeklagten Speer zur SS nicht gesprochen werden kann.

Wenngleich gegenüber dem Vorwurf der Anklage dies ein ganz untergeordneter Punkt ist, so muß doch auf ihn eingegangen werden, nachdem die Anklagebehörde das Dokument 3568-PS eingeführt und zur Behauptung ihrer Tatsachen herangezogen hat.

Ich gebe der Anklagebehörde zu, daß die Befragung des Zeugen Nummer 22 unterbleiben kann, und ich kann darauf verzichten. Ich bitte dagegen, mir die Befragung der übrigen Zeugen durch Fragebogen gestatten zu wollen.

VORSITZENDER: Darf ich Sie fragen, was Sie zu Nummer 14 zu sagen haben? Sicherlich kann die Sekretärin über die Tatsache sprechen, daß der Angeklagte im Frühling 1944 krank war...

DR. FLÄCHSNER: Jawohl, Herr Vorsitzender, ich hatte diese Frage nicht im Fragebogen vorgesehen, kann sie aber hineinarbeiten, und wir können auf den Zeugen 14 verzichten.

VORSITZENDER: Sir David, würde es Ihrer Meinung nach das Verfahren beschleunigen oder dem Verteidiger helfen, wenn ihm gestattet würde, alle diese Fragebogen zu versenden und sie danach mit Ihnen zu prüfen, um festzustellen, was dann noch kumulativ wäre?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, ich bin vollkommen einverstanden, das zu tun. Da alle Zeugen ihre Bekundungen schriftlich machen, bin ich gern dazu bereit.

VORSITZENDER: Gut, der Gerichtshof wird dem bei der Beratung Rechnung tragen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn der Gerichtshof diese Lösung für glücklich hält, werde ich gerne bereit sein, mitzuarbeiten.

VORSITZENDER: Dann können Sie sich jetzt mit den Dokumenten befassen, Dr. Flächsner, oder Sir David zuerst?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Die Dokumente Nummer 1 bis 8 handeln davon, daß der Angeklagte Speer gegen die Hereinnahme von Fremdarbeiterin nach Deutschland war; sie scheinen erheblich zu sein mit Ausnahme von Nummer 1. Das aber scheint nicht ganz in diesen Zusammenhang zu gehören, denn die Frage der Zahl der in der Rüstungsindustrie Beschäftigten hat unserer Ansicht nach nichts mit der Kriegsgefangenenkonvention von 1929 zu tun. Nummer 6 über den Einsatz von Frauen in Deutschland scheint auch ziemlich weit hergeholt. Aber vielleicht kann man diese Frage doch erst dann entscheiden, wenn der Verteidiger die Dokumente tatsächlich einführt.

Nummer 9 bis 13 zeigen die allgemeine Einstellung des Angeklagten Speer zu der Behandlung der Fremdarbeiter und scheinen daher erheblich. Nummer 14 behandelt einen Punkt, über den auch, wie ich glaube, der Zeuge Milch gehört werden sollte.

Nummer 15 bis 18 sind Berichte, die die Hoffnungslosigkeit der wirtschaftlichen Lage in Deutschland vom Juni 1944 an zeigen. Die Anklagebehörde erhebt im Augenblick keinen Einspruch dagegen. Natürlich werden alle diese Fragen noch einmal geprüft werden müssen, wenn die Dokumente tatsächlich vorgelegt werden. Nummer 19 bis 41 befassen sich alle mit den Bemühungen des Angeklagten Speer, in den letzten Kriegswochen die Zerstörung von Brücken, Eisenbahnen, Wassertransportmitteln und ähnlichem zu verhindern. Sie könnten Einfluß auf den Strafausspruch haben; daher erhebt die Anklagebehörde keinen Einspruch.

Vielleicht wird uns der Herr Verteidiger die Zitate angeben, die er zu diesem Punkt zugelassen haben will. Zu diesem hat die Anklagebehörde keinerlei Gegenbeweise beantragt; wenn also der Verteidiger angeben will, welche Stellen er vorlegen will, dann werden wir vielleicht in der Lage sein, unser Einverständnis dazu zu erklären und den Vortrag abzukürzen.

Die Dokumente 38 bis 41 sollen im Besitz der Französischen Delegation sein. Sie sind jedoch gegenwärtig nicht in ihrem Besitz, die Delegation hat gebeten, daß sie ihr zugeschickt werden.

Ich glaube, damit unsere Stellungnahme zu den Dokumenten umrissen zu haben.

DR. FLÄCHSNER: Ich darf nur kurz auf eines hinweisen. Das Dokument Nummer 1 hat natürlich nur dann Zweck, wenn der Gerichtshof sich entschließt, einen Sachverständigen über diese generellen Themen, die ich vor der Pause dem Gerichtshof beschrieben habe, zu hören. Aus dem alten Verteilungsplan kann ein Sachverständiger, zweckdienlicherweise ein Industriefachmann, Rückschlüsse ziehen, die der Jurist im allgemeinen nicht ziehen kann. Wenn der Sachverständige vom Gerichtshof als überflüssig erachtet wird, ist die Urkunde Nummer 1 auch überflüssig; das sehe ich vollkommen ein.

Die anderen, von mir erbetenen Urkunden sind von Erheblichkeit, zwar nicht in dem Sinne, wie die Anklage anzunehmen scheint, daß ich bemüht wäre, den Beweis zu führen, daß wir keine Fremdarbeiter gewollt hätten; so pointiert darf man das nicht ausdrücken.

Der Angeklagte Speer hatte die Aufgabe, Rüstung zu produzieren und brauchte dazu auch Arbeiter. Es liegt ihm nichts ferner, als seine Verantwortung dafür irgendwie abzustreiten oder zu verkleinern. Aber worauf ich Wert legen muß, und wozu diese Dokumente, um deren Herbeiziehung ich bitte, wesentlich sind, ist die Aufgabe, den Umfang abzugrenzen, inwieweit den Angeklagten eine Verantwortlichkeit trifft.

Ich glaube, daß damit die Frage der Dokumente geklärt ist.

VORSITZENDER: Mir ist nicht ganz klar, ob Sie vorschlagen, daß der Gerichtshof eine Liste Sachverständiger aufstellen soll, oder ob Sie die Personen für diese Liste selbst bezeichnen wollen.

DR. FLÄCHSNER: Die Auswahl der Sachverständigen bitte ich den Gerichtshof, vorzunehmen. Mir selbst würde gar keine Möglichkeit im Augenblick zur Verfügung stehen, eine geeignete Persönlichkeit zu finden. Wohl aber weiß ich, daß in dem Departement of Economic Warfare Persönlichkeiten vorhanden waren, die als Sachverständige durchaus geeignet wären und über die Vorkenntnisse verfügen, die zur Beurteilung der Fragen notwendig sind.

VORSITZENDER: Wenn nun der Gerichtshof Ihrem Antrage, eine Reihe von Sachverständigen zu bestellen, nicht stattgeben würde, hätten Sie dann niemanden Ihrer Fragebogenliste hinzuzufügen?

DR. FLÄCHSNER: Ich glaube nicht, Herr Vorsitzender. Ich habe nur noch eine Bitte. Der Sachverständige sollte auch ein Urteil darüber abgeben, ob die Ziffern, die der Herr Deuß in seinem Affidavit, 2520-PS, errechnet hatte, einer genaueren Nachprüfung standhalten.

In diesem Affidavit hatte Herr Deuß rechnerisch ermittelt, wie viele von den insgesamt in Deutschland beschäftigten Arbeitskräften auf Fremdarbeiter in der Rüstung und so weiter entfielen. Gegen diese Art der Berechnung des Herrn Deuß bestehen erhebliche sachliche Bedenken. Sollte der Gerichtshof von der Bestellung eines Sachverständigen Abstand nehmen, so bitte ich, mir zu gestatten, Herrn Deuß bestimmte Fragen vorzulegen, auch wieder natürlich in Form eines Fragebogens, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Berechnung nachzuprüfen.

Das Affidavit des Herrn Deuß und die in ihm enthaltenen Angaben wurden ja seinerzeit von der Anklagebehörde für relevant erachtet; ich nehme an, daß die Einwendungen, die gegen die Berechnung des Herrn Deuß erhoben werden, es ebenfalls sind. Ich müßte daher dann bitten, Herrn Deuß auf die Punkte in Form eines Fragebogens aufmerksam machen zu dürfen, die meines Erachtens sachlich falsch sind.

VORSITZENDER: Danke.

OBERST POKROWSKY: Ich habe leider keine Zeit gehabt, diese Fragen mit meinem Freund, Sir David, und meinen anderen Kollegen zu besprechen. Deshalb möchte ich zu der Frage der Sachverständigen nur die Auffassung der Sowjetdelegation wiedergeben. Ich glaube nicht, daß die Ernennung einer Reihe von Sachverständigen die richtige Methode ist, Fragen zu lösen, die im Prinzip korrekt sind. Wir würden gegen die Einführung von Sachverständigen zur Klärung von Umständen, die den Angeklagten Speer und seinen Verteidiger interessieren und in dem von ihnen eingereichten Dokument dargelegt sind, Einspruch erheben. Wir finden es nicht richtig, daß solche Fragen, wie die des Verfahrens bei der Anforderung von Arbeitskräften für das Speer-Ministerium und die der Erfüllung dieser Anforderungen durch Sauckel, wie auch der Verteilung der Arbeiter durch die zuständigen örtlichen Arbeitsämter, die Beurteilung durch eine Reihe von Sachverständigen erfordern sollten. Wir halten es für falsch, daß produktionstechnische Fragen, die das Ministerium Speer betreffen, durch Sachverständige geklärt werden sollen. Ich könnte auch noch eine ganze Menge zu all den folgenden Punkten sagen. Wir sind geneigt, den Standpunkt zu verteidigen, daß alle diese Fragen durch den Gerichtshof selbst ohne Heranziehung von Sachverständigen gelöst werden können. Deshalb erhebt die Sowjetische Anklagevertretung Einspruch gegen die Genehmigung dieses Antrages und bittet den Gerichtshof, das Gesuch auf Bestellung von Sachverständigen zurückzuweisen.

VORSITZENDER: Ich erteile dem Verteidiger des Angeklagten von Neurath das Wort.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Was die Zeugen des Angeklagten von Neurath anbetrifft, erhebt, die Anklagebehörde keinen Einspruch gegen Nummer 1, Dr. Köpke, den Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes.

Ziffer 2, Dr. Gaus, ist der Zeuge, der dem Angeklagten von Ribbentrop schon bewilligt wurde.

Den dritten Zeugen, Dr. Dieckhoff, hat der Gerichtshof schon am 19. Dezember bewilligt. Die Anklagebehörde schlägt jedoch unter Berücksichtigung der Grundlagen des gegenwärtigen Antrages ergebenst vor, diese Sache mit einem Fragebogen zu erledigen.

DR. OTTO FREIHERR VON LÜDINGHAUSEN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON NEURATH: Herr Präsident! Ich bin damit einverstanden und habe bereits einen Fragebogen ausgearbeitet, der heute noch dem Generalsekretariat überreicht wird. Ich muß mir allerdings vorbehalten, daß, wenn ich den Fragebogen zurückbekomme, ich unter Umständen darum bitte, daß der Zeuge trotzdem hier persönlich vor Gericht vernommen werden kann; im Prinzip bin ich jedoch damit einverstanden, daß er durch einen Fragebogen vernommen wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danke.

Denselben Standpunkt nimmt die Anklagevertretung bei Nummer 4, dem Zeugen Prüfer, ein. Es scheint sich auch hier hauptsächlich um eine historische Frage zu handeln, und wir schlagen deshalb einen Fragebogen vor. Wir haben nichts dagegen einzuwenden, daß die Aussage dieses Zeugen dem Gerichtshof vorgelegt wird.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Der Fragebogen ist von nur bereits vor mehreren Wochen dem Generalsekretariat übergeben worden. Ich nehme an, daß er in absehbarer Zeit beantwortet wieder hier sein wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann, Nummer 5 ist Graf Schwerin-Krosigk, Reichsfinanzminister in der Reichsregierung seit einer langen Reihe von Jahren. Wenn der Gerichtshof die Güte hätte, den Antrag Dr. von Lüdinghausens zu betrachten, dann werden Sie die Behauptung finden, daß dieser Zeuge genauestens über die Persönlichkeit des Angeklagten informiert ist, seine politischen Ansichten sowie die Grundgedanken und die Ziele der von dem Angeklagten betriebenen Friedenspolitik kennt; er soll auch wissen, daß ihm jede Gewaltanwendung seinerseits widerstrebt hat, und daß er sich um die Erhaltung des Friedens auch noch nach seinem Ausscheiden als Reichsaußenminister bemüht hat; er soll ferner seine Einstellung zum Nationalsozialismus und schließlich die Vorgänge in der Kabinettssitzung vom 30. Januar 1937 kennen.

Die Anklagebehörde ist der Ansicht, daß es sich hier um gerade die Dinge handelt, über die der Angeklagte sprechen wird; es ist sehr schwer, einzusehen, daß der Graf Schwerin-Krosigk über irgendeinen besonderen Punkt aussagen sollte, der noch strittig wäre. Wir sind deshalb hier wiederum der Ansicht, daß ein Fragebogen für die Zwecke der Verteidigung genügt.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich glaube nicht, daß wir mit einem Fragebogen das erreichen, was ich bezwecke; denn es handelt sich um verschiedene Abschnitte aus der Tätigkeit des Angeklagten von Neurath, über die der Zeuge uns Auskunft geben soll. So zum Beispiel wird ja in der Anklage behauptet, daß der Angeklagte von Neurath eine Art Fünfte Kolonne gewesen wäre in den Reihen der konservativen, also Deutschnationalen Partei. Darüber, daß das nicht der Fall gewesen ist, kann uns der von mir genannte Zeuge, Graf Schwerin-Krosigk, ganz eingehend Auskunft geben: ich lege Wert darauf, daß das hier vor Gericht erfolgt, damit es wirklich in einer solchen Form geschieht, daß der Gerichtshof den Eindruck bekommt, wie sich die Dinge damals auch stimmungsmäßig in den Reihen der rechtsgerichteten Parteien zugetragen haben.

Der weitere Gegenstand seiner Vernehmung ist dann auch der Punkt, in welch hervorragender Weise der Angeklagte von Neurath, trotzdem er damals nicht mehr Außenminister war, eingegriffen hat, um die Münchener Konferenz im September 1938 zustande zu bringen, und in welchem Maße er bei dieser Konferenz an deren damals allgemein als beglückend empfundenen Ergebnis mitgewirkt hat. Ich würde doch Wert darauf legen, daß dieser Zeuge, der hier in Nürnberg anwesend ist, also nicht erst hierher gebracht zu werden braucht, vor dem Gerichtshof als Zeuge vernommen wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte mich über diesen Punkt nicht weiter äußern. Dann kommt Feldmarschall von Blomberg. Er ist, soviel wir wissen, krank; ein Fragebogen wird daher nötig sein.

Nummer 7, Dr. Guido Schmidt, ist derselbe Zeuge, über den wir heute Morgen im Falle Seyß-Inquart gesprochen haben. Er ist der ehemalige österreichische Außenminister. Ich habe im Falle Seyß-Inquart keinen Einspruch erhoben und erhebe natürlich auch hier keinen Einspruch.

Die Aussage des Lord Halifax ist bereits Gegenstand eines Fragebogens gewesen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Der Fragebogen wurde bereits an Lord Halifax abgesandt. Dies ist mir vom Generalsekretariat so gesagt worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dr. Mastny, der ehemalige Tschechische Botschafter in Berlin, kommt dadurch in diese Sache, daß die Anklagevertretung einen Brief von Jan Masaryk vorgelegt hat, in dem dieser einen Besuch des Dr. Mastny bei dem Angeklagten von Neurath schildert. Sollte ein Streit über diesen Bericht entstehen, beispielsweise, daß er nicht wahr sei, so würde das natürlich ein Grund sein, ihn als Zeugen zu laden. Wenn es sich jedoch nur um eine Frage der Klarstellung handelt, so glaube ich, würde ein Fragebogen ausreichen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich bin mit einem Fragebogen einverstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der nächste Zeuge, Dr. Strölin, sollte von dem Gerichtshof in Zusammenhang mit Nummer 12, Dr. Wurm, betrachtet werden. Soweit ich weiß, hat der Gerichtshof Nummer 12 am 19. Dezember genehmigt, wobei er dem Angeklagten die Wahl ließ zwischen dem Zeugen Strölin und dem Zeugen Wurm. Dr. Strölin ist Oberbürgermeister von Stuttgart. Ich weiß nicht, ob Dr. Seidl dem Gerichtshof sagen kann, ob dieser Dr. Strölin derselbe ist wie im Falle Heß.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dr. von Lüdinghausen sagt mir, daß es derselbe ist. Ich bitte den Gerichtshof, davon Kenntnis zu nehmen, daß dieser Zeuge auch von Dr. Seidl im Falle Heß beantragt werden wird; ich schlage deshalb vor, daß wir diesen Punkt im Augenblick in der Schwebe lassen. Wenn ihn der Gerichtshof im Falle Heß zuläßt, so wird natürlich Dr. Lüdinghausen automatisch damit den Zeugen erhalten. Sollte er nicht zugelassen werden,... ich weiß nicht, ob Dr. Lüdinghausen an seiner persönlichen Anwesenheit besonders viel liegt... Ich bin nicht der Gerichtshof... ich habe selbst in dieser Sache keine feste Meinung. Wünschen Sie dazu etwas zu erklären?

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich bin damit einverstanden, daß ich mich darüber erst entscheide, wenn die Frage geregelt ist, ob der Zeuge bereits für einen anderen Angeklagten bewilligt wird oder nicht. Ich darf hierzu noch das Folgende bemerken.

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte! Welchen Zeugen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nummer 10, Dr. Strölin.

VORSITZENDER: Falls Dr. Strölin bewilligt würde, würden Sie dann Dr. Wurm, Nummer 12, überhaupt noch beantragen?

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Herrn Landesbischof Dr. Wurm beanspruche ich nicht zur persönlichen Vernehmung in Nürnberg. Herr Landesbischof Wurm hat sich mir gegenüber bereiterklärt, mir in Form eines Affidavits die von mir erbetenen Auskünfte zu geben. Ich würde um die Erlaubnis bitten, diese dann dem Gerichtshof vorlegen zu dürfen. Von einer persönlichen Vernehmung des Dr. Wurm sehe ich ab.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nummer 10 ist nur kumulativ. Wenn Sie jedoch glauben, daß Ihnen ein Affidavit helfen würde – es läge ungefähr auf der gleichen Linie –, so will ich nicht auf einem Einspruch bestehen.

Nun zu Nummer 11. Die Anklagevertretung ist der Ansicht, daß der Zeuge Zimmermann wirklich nur über Gedankengänge des Angeklagten sprechen sollte. Ich möchte gern die ersten fünf Zeilen des Antrags verlesen:

»Der Zeuge ist in der Lage, Auskunft zu geben über die Persönlichkeit, den Charakter und die Weltanschauung des Angeklagten, sowie darüber, daß er nur auf ausdrücklichen Wunsch des Reichspräsidenten von Hindenburg ins Kabinett eingetreten ist, und daß er auch nach dessen Tode im Kabinett verblieb, da er ein überzeugter Freund des Friedens und Gegner irgendwelcher Politik war, die auf Krieg oder Gewalt hinzielte, und daß er aus diesen Gründen alsbald nach dem 5. November 1937 seinen Rücktritt als Reichsaußenminister erbat. Ferner, aus welchen Gründen und Motiven er sich bereiterklärt hat, das Amt des Reichsprotektors von Böhmen und Mähren zu übernehmen.«

Es scheint mir, daß all dies Dinge sind, die Dr. Zimmermann von dem Angeklagten selbst gehört hat. Ich glaube wirklich nicht, daß dies dem Angeklagten irgendwie weiter hilft. Aus diesen Gründen ist die Anklagebehörde der Ansicht, daß der Zeuge unerheblich ist.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich darf bitten, daß er hier vernommen wird. Der Zeuge ist seit vielen Jahren mit dem Angeklagten von Neurath auf das intimste bekannt. Der Angeklagte hat ihn, gewissermaßen als seinen Beichtvater, über alles orientiert, was ihn bedrückte. Er hat dadurch den wahrsten Eindruck von Ereignissen und Geschehnissen, die ihm seine Mitteilungen gemacht haben. So ist der Rechtsanwalt Dr. Zimmermann genauestens unterrichtet über die Vorgänge, die sich abspielten, als der Angeklagte seinerzeit im September 1932 in das neue Kabinett von Papen berufen wurde, und zwar ausschließlich auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Reichspräsidenten von Hindenburg. Der Zeuge ist darüber unterrichtet, daß der Angeklagte von Neurath diese Berufung nicht annehmen wollte, und daß es eines sehr ernsten Zuredens seitens des Reichspräsidenten von Hindenburg, eines Hinweises auf seine vaterländische und persönliche Pflicht durch den Reichspräsidenten bedurfte, um ihn überhaupt zur Annahme des Amtes als Reichsaußenminister zu bewegen. Er kennt auch die Motive, aus denen heraus der Angeklagte nach dem Tode des Reichspräsidenten sich für verpflichtet hielt, einem ihm damals geäußerten Wunsche des Reichspräsidenten zufolge auch über seinen Tod hinaus im Amte zu verbleiben und dadurch dessen Wünsche zu erfüllen. Er weiß auch genau, welchen geradezu niederschmetternden Eindruck es auf den Angeklagten von Neurath gemacht hat, als am 5. November 1937 Hitler zum ersten Male mit kriegerischen Plänen hervortrat. Der Zeuge Zimmermann war ebenfalls genau orientiert über die Gründe, die den Angeklagten nach sehr langer Überlegung bewegt haben, schließlich doch das Amt als Reichsprotektor anzunehmen. Der Zeuge ist ferner genauestens orientiert, nicht nur über die Schwierigkeiten der Stellung des Reichsprotektors, sondern auch über die ganze Einstellung des Angeklagten zu den Problemen im Reichsprotektorat. Dies sind ja alles Momente, die zur Beurteilung des Angeklagten wirklich von ausschlaggebender Bedeutung sind; ich glaube kaum, daß auch das bestausgearbeitete Affidavit oder Vernehmungsprotokoll die gleiche Eindringlichkeit besitzen kann wie eine persönliche Vernehmung.

Aus diesen Gründen bitte ich darum, mir diesen Zeugen zu bewilligen, der sich mir gegenüber bereiterklärt hat, jederzeit von Berlin hierher zu kommen. Er braucht nicht gefunden zu werden, er amtiert als freier Anwalt und Notar in Berlin.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will dem nichts mehr hinzufügen.

Es bleibt also noch ein Punkt, die zwei Zeugen Nummer 13 und 14. Der erstere, Dr. Völkers, war Kabinettschef des Angeklagten von Neurath in Prag. Er ist nicht ausfindig gemacht worden. Der zweite, von Holleben, war...

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Der Zeuge befindet sich im Internierungslager von Neumünster. Ich habe die Adresse genau angegeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann, glaube ich, vertritt die Anklagevertretung die Ansicht, daß einer dieser Zeugen genügt und es unnötig wäre, den zweiten Zeugen vorzuladen, wenn Dr. Völkers auffindbar ist. Das ist meine Meinung.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich bin damit durchaus einverstanden, ich bitte Sie jedoch zuzustimmen, daß die Vernehmung des Zeugen, Konsul von Holleben, durch einen Fragebogen geschieht.

VORSITZENDER: Es ist nunmehr 12.45 Uhr und wir wollen uns jetzt bis 2.00 Uhr vertagen.