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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof dürfte wahrscheinlich die Behandlung der Anträge auf Ladung von Zeugen und Vorlage von Dokumenten vor Schluß der heutigen Verhandlung beenden; er schlägt jedoch vor, mit der Sache gegen den Angeklagten Göring nicht vor morgen zu beginnen. Der Gerichtshof wird diesen Fall morgen früh um 10 Uhr drannehmen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Was die Dokumente anlangt, deren Vorlage der Angeklagte von Neurath beantragt, so erfordert Absatz 1 keine nähere Erklärung.

Absatz 2 betrifft Dokumente, die Dr. von Lüdinghausen in seinem Besitz hat. Wenn sie in der üblichen Weise behandelt und Auszüge angefertigt werden, habe ich hierzu nichts weiter zu bemerken.

Dann kommen wir zu Dokumenten, die noch nicht in seinem Besitz sind. Nummer 1 und 4 sind Protokolle über die Abrüstungskonferenz von 1932 und vom Mai 1933. Leider weiß ich nicht, worin die Schwierigkeit bestand, diese Dokumente zu erhalten; wenn die Anklagebehörde hierbei irgendwie behilflich sein kann, so wird sie es tun.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Bezüglich Dokument Nummer 1 ist es mir inzwischen gelungen, in einem der Schriftstücke über die Verhandlungen der Abrüstungskonferenz einen Abdruck dessen zu finden, was für mich wichtig ist, nämlich die Resolution über die Gleichberechtigung Deutschlands. Wenn das von mir geforderte Dokument nicht rechtzeitig hier ist, bin ich trotzdem in der Lage, einen Auszug aus dem betreffenden deutschen Buche vorzulegen. Das trifft jedoch nicht hinsichtlich der Protokolle zu Punkt 4 zu; da würde ich darum bitten, daß mir diese zugänglich gemacht werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nummer 2 ist ein Antrag auf Vorlage des Vernehmungsprotokolls Karl Hermann Franks.

Es bestand eine Verfügung des Gerichtshofs, daß nur die Stellen aus Vernehmungsprotokollen von Angeklagten, die von der Anklagebehörde verwendet worden waren, noch einmal verwendet werden dürften. Wenn irgendwelche Stellen aus diesem Verhör von der Sowjetischen Anklagebehörde verwendet wurden, und ich muß gestehen...

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, Sir David. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie unsere Verfügung nicht ganz genau wiedergegeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bitte um Entschuldigung, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Ich glaube, unsere Verfügung bestimmte, daß der Angeklagte, falls die Anklagebehörde irgendeinen Teil seines Vernehmungsprotokolls vorlegt, die Möglichkeit haben sollte, auch jeden anderen Teil dieses Vernehmungsprotokolls zu verwenden und das Vernehmungsprotokoll als Dokument zu behandeln.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danke sehr, Herr Vorsitzender. Diese Verfügung bezog sich auf die Angeklagten, aber Karl Hermann Frank ist kein Angeklagter.

VORSITZENDER: Das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und jede Stelle, die verwendet wurde, würde normalerweise im Dokumentenbuch der Delegation erscheinen, die sie benutzt hat. Das allgemeine Verhör wurde natürlich nicht nur für die Zwecke der Anklagevertretung in diesem Verfahren sondern auch für die Zwecke der Tschechoslowakischen Regierung in dem Verfahren gegen Karl Hermann Frank selbst durchgeführt. Deshalb schlage ich vor, daß Dr. von Lüdinghausen Karl Hermann Frank einen Fragebogen über alle Fragen vorlegt, die er ihm stellen möchte. Die Anklagevertretung würde dagegen keinen Einspruch erheben.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Darf ich darauf folgendes erwidern: Diese vier Protokolle über Vernehmungen von Karl Hermann Frank sind in dem mir übergebenen Dokument USSR-60, welches die Anklagen der Tschechischen Regierung enthält, erwähnt und aufgeführt.

Ich kann nun nicht beurteilen, wie weit diese Vernehmungen wichtig sind, irgendwie meinen Mandanten, den Angeklagten von Neurath, als Reichsprotektor betreffen, oder ob sie sich auf Zeiten beziehen, die später liegen. Aus diesem Grunde habe ich gebeten, daß mir diese Vernehmungsprotokolle zugänglich gemacht werden. Es ist mir nämlich bekannt, daß Herr Karl Hermann Frank auch über ein Dokument vernommen worden ist, das eine Sitzung behandelt, die in Prag über eine Germanisierungspolitik gegenüber der Tschechei stattgefunden hat. Und im Zusammenhang mit diesem Dokument, das vorgelegt und in einem Buch des Generals Friderici enthalten ist, ist auf diese Protokolle Bezug genommen.

Nun weiß ich, daß Frank einmal einen Bericht an den Reichsprotektor erstattet hat, in dem er diese ganzen dort entwickelten Ansichten und Vorschläge – die ja tatsächlich aber überhaupt nicht zur Ausführung gekommen sind – ad absurdum führt und als unmöglich erklärt. Es ist deshalb für mich natürlich wichtig zu wissen, was in diesen Protokollen, die zu diesem Punkt der tschechischen Anklage herangezogen werden, gesagt wird. Wenn nichts darin enthalten ist, dann verzichte ich natürlich; aber das muß ich selber tun.

Deshalb ist es für mich wichtig, diese Protokolle zum mindesten einzusehen und dann daraus vorzulegen, was für mich wichtig ist.

VORSITZENDER: Sir David, würden Sie Einspruch dagegen erheben, daß der Verteidiger des Angeklagten von Neurath diese Vernehmungsprotokolle einsieht?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich müßte erst die Tschechoslowakische Regierung befragen, bevor ich zustimmen kann, denn, offen gesagt, ich habe die Teile des Falles, die uns nicht betreffen, noch nicht durchgesehen; ich weiß nicht, auf welche Themen sich die Vernehmung bezieht.

VORSITZENDER: Aber um diese Frage als eine grundsätzliche zu behandeln, müßte es nicht, wenn ein Dokument oder Stellen aus einem Dokument benützt werden, den Angeklagten freistehen, auch das restliche Dokument zu verwenden?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich stimme dem grundsätzlich zu, Euer Lordschaft, wenn es sich um Stellen handelt, die miteinander zusammenhängen. Ich glaube, das ist die allgemeine Vorschrift, die – sagen wir – bei Vernehmungsprotokollen von englischen Gerichten beachtet wird. Nehmen wir zum Beispiel an, daß Karl Hermann Frank eines Tages über die erste Zeit des Protektorats verhört wird, und ein anderes Mal über ein bestimmtes Ereignis gegen Ende des Protektorats; dann glaube ich nicht, daß diese beiden Dinge genügend eng miteinander zusammenhängen.

Euer Lordschaft! Ich werde eben an einen anderen Punkt erinnert, auf den mich Herr Barrington soeben aufmerksam gemacht hat. Diese Vernehmungsprotokolle waren die Grundlage des Berichts der Tschechoslowakischen Regierung. Sie wurden nicht als Vernehmungsprotokolle vorgelegt, sondern, wie mir mitgeteilt wird, als Teil des Berichtes der Person, die ihn angefertigt hat. Es ist unwesentlich, ob wir in der Lage sind, sie als Vernehmungsprotokolle vorzulegen. Sie erscheinen als Bericht der Tschechoslowakischen Regierung.

MR. BIDDLE: Wenn sich später herausstellen sollte, daß er für bestimmte Punkte erheblich wäre, könnte dann die Anklagevertretung Einspruch erheben, daß er vorgelegt wird?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, wenn die Verteidigung das Material erhalten kann. Aber es ist Eigentum der Tschechischen Regierung.

MR. BIDDLE: Dann haben sie es also wirklich nicht, sondern es ist Sache der Tschechoslowakischen Regierung, darüber zu entscheiden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß.

MR. BIDDLE: Ich sehe das ein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das einzige verbleibende Dokument ist das Abkommen zwischen Frankreich und der Sowjetunion vom Jahre 1935. Diese Urkunde wurde vom Generalsekretär am 29. Januar beglaubigt; wenn Schwierigkeiten bestehen, eine Abschrift zu erhalten, werde ich tun, was ich nur kann, um zu helfen; ich behalte mir jedoch vor, seine Erheblichkeit zu bestreiten, sobald ich von dem Zweck seiner Verwendung Kenntnis erlange.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Darf ich zu diesem Punkt noch ein paar Worte hinzufügen? Es sind mir in den allerletzten Tagen von verschiedenen Seiten noch Informationen gegeben bzw. angedeutet worden, die mir für meine Verteidigung wichtig erscheinen. Ich habe aber noch nicht die Möglichkeit gehabt, diesen Informationen näher nachzugehen und zu prüfen, ob sie tatsächlich für mich in meiner Verteidigung von Bedeutung sind.

Ich will daher darum bitten, falls dies doch der Fall sein sollte, und ich den einen oder anderen Zeugen, das eine oder andere Dokument später erst feststellen kann, noch einen nachträglichen Antrag zu der heutigen Liste der Zeugen und Dokumente stellen zu dürfen.

VORSITZENDER: Ich erteile dem Verteidiger für den Angeklagten Fritzsche das Wort.