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[Der Angeklagte Heß wird aus dem Saal geführt.]

DR. STAHMER: Soll ich fortfahren?

VORSITZENDER: Gewiß.

DR. STAHMER:

»Unter dem Vorwand, es sei der erste Schritt zur Weltabrüstung, war es gewaltsam entwaffnet worden. Großbritannien war allerdings ebenfalls hinter das Licht geführt worden. Es hat dann auch wirklich noch fünfzehn Jahre lang abgerüstet. Aber Frankreich hat von dem Tage an, an dem die verschiedenen Friedensverträge unterzeichnet wurden, eine Menge kleiner Staaten zu kräftiger Aufrüstung ermuntert. Das Ergebnis war, daß Deutschland fünf Jahre nach Versailles von einem noch festeren Eisenring umschlossen war als fünf Jahre vor dem Weltkriege.

Es war unvermeidlich, daß ein deutsches Regime, das sich von dem Versailler Diktat lossagte, bei der ersten Gelegenheit sich schwer bewaffnen würde. Es war klar, daß seine Waffen diplomatisch, wenn nicht im wahren Sinne des Wortes, gegen die Versailler Mächte gerichtet werden mußten.«

In gleicher Weise umstritten ist der Vertrag von Locarno, dessen Verletzung dem Angeklagten gleichfalls, und zwar nach Auffassung der Verteidigung zu Unrecht, zur Last gelegt wird.

Von diesem Vertrag hat Deutschland sich losgesagt und konnte sich mit Recht von ihm lossagen, weil Frankreich einen militärischen Beistandspakt mit Sowjetrußland abgeschlossen hatte, obgleich durch, den Locarnopakt eine Garantie zum Schutze der französischen Ostgrenze geschaffen war. Diese Handlung Frankreichs stand nach der Auffassung Deutschlands in scharfem Widerspruch zu der durch den Locarnovertrag geschaffenen Rechtslage.

Diese Auffassung hat der damalige Bevollmächtigte von Ribbentrop vor dem Völkerbund am 19. März 1936 mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere hier aus dem Dokumentenbuch 1, Seite 32....

VORSITZENDER: Dr. Stahmer, ich habe vor mir nun die Entscheidung des Gerichtshofs vom 26. Februar 1946. Absatz 4 dieser Entscheidung hat folgenden Wortlaut: »Die folgenden Dokumente werden abgelehnt als unerheblich« und dann kommt Überschrift »Göring«. Das vierte Dokument ist die Rede von Paul Boncour vom 8. April 1927, und das sechste Dokument ist die Rede von Lloyd George vom 7. November 1927, die nicht verlesen wurde, aber die in Ihrem Schriftsatz enthalten ist. Ich möchte erneut Sie, wie auch alle anderen Verteidiger, darauf aufmerksam machen, daß es Ihnen nicht gestattet werden wird, Dokumente zu verlesen, die vom Gerichtshof abgelehnt wurden. Fahren Sie fort.

DR. STAHMER: Es heißt da folgendermaßen:

»... Es ist aber weiterhin klar, daß, wenn eine Großmacht wie Frankreich sich ohne Bedenken gegen bestehende Verträge kraft ihrer Souveränität zu Militärbündnissen so gewaltigen Ausmaßes entschließen kann, dann eine andere Großmacht wie Deutschland zumindest das Recht besitzt, den Schutz des ganzen Reichsgebietes durch die Wiederherstellung der allen Völkern zugebilligten natürlichen Hoheitsrechte innerhalb ihrer eigenen Grenzen sicherzustellen.«

Bevor ich nun die Frage des Angriffskrieges näher behandle, habe ich die Absicht, wenn das Gericht es gestattet, als ersten Zeugen den General der Luftwaffe Bodenschatz aufzurufen.

VORSITZENDER: Ja, gewiß.

[Der Zeuge Karl Bodenschatz betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE KARL BODENSCHATZ: Karl Bodenschatz.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sage, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.