HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen, wenn Sie wünschen.

DR. STAHMER: General Bodenschatz, seit wann kennen Sie den Reichsmarschall Göring?

BODENSCHATZ: Den Reichsmarschall Göring kenne ich seit Juni 1918.

DR. STAHMER: In welcher Eigenschaft lernten Sie ihn damals kennen?

BODENSCHATZ: Ich lernte ihn kennen, als er Kommandeur des Jagdgeschwaders »Richthofen« wurde. Ich war damals Adjutant des vorher gefallenen Rittmeisters Freiherrn von Richthofen.

DR. STAHMER: Wurden Sie nach dem Ende des ersten Weltkrieges in die Reichswehr übernommen?

BODENSCHATZ: Nach dem ersten Weltkriege wurde ich in die Reichswehr als Berufsoffizier übernommen und blieb in der Reichswehr vom Jahre 1919 bis zum April 1933.

DR. STAHMER: Wann sind Sie nach der Beendigung des Weltkrieges mit Göring wieder in Verbindung getreten?

BODENSCHATZ: Im November 1918 war ich mit Hermann Göring zusammen in Aschaffenburg bei der Demobilmachung des Jagdgeschwaders »Richthofen«, und später im Frühjahr 1919 war ich noch einige Wochen in Berlin mit ihm zusammen. Dort trennten sich unsere Wege. Dann traf ich Hermann Göring zum erstenmal wieder bei seiner ersten Hochzeit. Das war, ich glaube, im Jahre 1919 oder 1920. Ich weiß es nicht mehr genau. Bis 1929 bestand keine Verbindung mit ihm. In den Jahren 1929 bis 1933 sah ich Hermann Göring mehrmals hier in Nürnberg, wo ich seinerzeit Kompaniechef beim Infanterieregiment 21 war. Das Zusammensein hier in Nürnberg erfolgte ausschließlich zu dem Zwecke der Pflege der alten Kameradschaft.

DR. STAHMER: Und im Jahre 1939 traten Sie in die Luftwaffe ein?

BODENSCHATZ: 1933 meldete ich mich bei Hermann Göring in Berlin und wurde damals, da Hermann Göring Reichskommissar der Luftwaffe war, sein militärischer Adjutant.

DR. STAHMER: Wie lange verblieben Sie in dieser Stellung als Adjutant?

BODENSCHATZ: In dieser Stellung als Adjutant blieb ich bis zum Jahre 1938. Später wurde ich der Chef des Ministeramtes, 1938.

DR. STAHMER: Und welche Stellung hatten Sie während des Krieges?

BODENSCHATZ: Während des Krieges war ich Verbindungsoffizier zwischen dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe und dem Führerhauptquartier.

DR. STAHMER: Hielten Sie sich im Hauptquartier auf oder wo sonst?

BODENSCHATZ: Ich hielt mich abwechselnd einmal im Führerhauptquartier und einmal im Hauptquartier des Oberbefehlshabers der Luftwaffe auf.

DR. STAHMER: Wann schieden Sie dort aus dieser Stellung?

BODENSCHATZ: Ich schied aus der Stellung am 20. Juli 1944, weil ich an diesem Tage sehr schwer verwundet worden bin.

DR. STAHMER: Aus welchem Anlaß wurden Sie verwundet?

BODENSCHATZ: Ich wurde durch das Attentat auf Hitler verwundet.

DR. STAHMER: Sie waren zugegen?

BODENSCHATZ: Ja.

DR. STAHMER: Welche Aufgaben hatten Sie im Führerhauptquartier?

BODENSCHATZ: Ich hatte im Führerhauptquartier die Aufgabe, Meldungen über besondere Vorkommnisse, Fragen, Rückfragen und Wünsche des Reichsmarschalls während seiner Abwesenheit im Führerhauptquartier vorzutragen und zu übermitteln; ferner Rückfragen aus dem Führerhauptquartier unmittelbar an Hermann Göring zu leiten. Dann hatte ich Hermann Göring alle Vorgänge im Führerhauptquartier, soweit sie für ihn als Reichsmarschall wichtig waren, frühzeitig, also außerhalb des Dienstweges, zu übermitteln.

DR. STAHMER: Nahmen Sie an den Lagebesprechungen regelmäßig teil?

BODENSCHATZ: Ich nahm an den Lagebesprechungen als Zuhörer teil.

DR. STAHMER: Von welchem Zeitpunkt ab verlor der Reichsmarschall Göring an Einfluß bei Hitler?

BODENSCHATZ: Nach meiner persönlichen Ansicht und Überzeugung verlor Hermann Göring seit dem Frühjahr 1943 an Einnuß bei Adolf Hitler.

DR. STAHMER: Aus welchem Grunde?

BODENSCHATZ: In diese Zeit fällt der Beginn der großen Nachtangriffe der englischen Luftwaffe auf die deutschen Städte. Seit dieser Zeit traten zwischen Hitler und Göring Meinungsverschiedenheiten auf, die sich in der Folgezeit immer mehr steigerten.

Trotz aller Bemühungen gelang es dem Reichsmarschall nicht mehr, seinen Einnuß auf den Führer wie früher geltend zu machen. Die äußeren Zeichen dieses sinkenden Einflusses sind folgende:

1. Der Führer übt schärfere Kritik.

2. Die früher lang dauernden Einzelbesprechungen zwischen Adolf Hitler und Hermann Göring werden kürzer, seltener und hören schließlich ganz auf.

3. Der Reichsmarschall wird zu wichtigen Besprechungen nicht mehr beigezogen.

4. In den letzten Monaten und Wochen steigert sich die Spannung zwischen Adolf Hitler und Hermann Göring so weit, daß er schließlich festgenommen wird.

DR. STAHMER: Wissen Sie etwas über diese Festnahme? Aus welchem Anlaß erfolgte sie?

BODENSCHATZ: Darüber bin ich nicht genau orientiert. Ich habe nur gehört, daß, ich habe damals in Bad Reichenhall im Lazarett gelegen, daß der Reichsmarschall ein Telegramm an den Führer geschickt haben soll. In diesem Telegramm soll Hermann Göring gebeten haben, daß er, nachdem der Führer nicht mehr die Handlungsfreiheit besitze, nunmehr handeln dürfe. Auf dieses Telegramm hin, das funktelegraphisch von Berchtesgaden nach Berlin geschickt wurde, erfolgte die Festnahme. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich das nur gehört habe. Unterlagen selbst habe ich nicht.

DR. STAHMER: Durch wen erfolgte die Festnahme?

BODENSCHATZ: Darüber kann ich nichts aussagen, weil ich nichts weiß. Ich habe aber gehört, daß sie durch ein Kommando der SS auf dem Obersalzberg erfolgte.

DR. STAHMER: Hatte der damalige Feldmarschall Göring vorher Kenntnis von den Vorgängen gegen die Juden in der Nacht vom 9. und 10. November 1938?

BODENSCHATZ: Von diesen Vorgängen hatte Göring vorher keine Kenntnis. Das folgerte ich aus seinem Verhalten; wie er sich nämlich nachher mir gegenüber zu diesen Vorgängen verhalten hat. Sein Verhalten war folgendermaßen: Er war bestürzt, als er von diesen Vorkommnissen hörte, und verurteilte diese Vorfälle. Er ging einige Tage nachher mit Unterlagen zum Führer und beschwerte sich über die Urheber dieser Ereignisse. Hierüber kann Hauptmann Wiedemann, der Adjutant des Führers, mehrere Einzelheiten eidlich bekunden.

Einige Wochen später berief Hermann Göring die Gauleiter nach Berlin, um ihnen seine Auffassung über die Ereignisse des 9. und 10. darzulegen. Er nahm gegen diese wilden Einzelaktionen scharf Stellung. Er geißelte sie als Unrecht, als wirtschaftliche Unvernunft und als eine Schädigung des Ansehens im Ausland. Der ehemalige Gauleiter Dr. Uiberreither, der an dieser Gauleiterbesprechung teilnahm, hat darüber mehrere Einzelheiten bereits eidlich bekundet.

DR. STAHMER: Waren Sie bei einer Besprechung zugegen, die Anfang August 1939 im Soenke-Nissen- Koog bei Husum stattfand?

BODENSCHATZ: An dieser Besprechung nahm ich persönlich teil.

DR. STAHMER: Wer war dort versammelt?

BODENSCHATZ: Soweit ich mich erinnere, waren anwesend Hermann Göring, Herr Dahlerus aus Stockholm, sechs bis acht englische Wirtschaftsführer, deren Namen ich nicht mehr weiß; dann war ich dabei und als Dolmetscher Ministerialrat Dr. Böcker.

DR. STAHMER: Können Sie etwas über den Inhalt dieser Besprechung sagen?

BODENSCHATZ: An den Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern. Sinngemäß führte aber Hermann Göring folgendes aus:

VORSITZENDER: Hat der Zeuge gesagt, wo diese Besprechung stattfand?

DR. STAHMER: Ja.

VORSITZENDER: Würden Sie uns sagen, wo das war?

DR. STAHMER: