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[zum Zeugen]

Wiederholen Sie, wo diese Besprechung stattfand.

BODENSCHATZ: Die Besprechung fand statt am Anfang August im Soenke-Nissen-Koog bei Husum in Schleswig-Holstein.

DR. STAHMER: Wollen Sie bitte fortfahren. Sie waren dabei, den Inhalt dieser Unterredung zu schildern.

BODENSCHATZ: Ich wiederhole: Sinngemäß führte Hermann Göring aus:

Zwischen England und Deutschland sind die politischen Beziehungen zur Zeit sehr gespannt. Unter keinen Umständen darf sich diese Spannung weiter verschärfen oder gar den Frieden gefährden. Die Wohlfahrt und die Wirtschaft unserer beiden Länder kann nur im Frieden blühen und gedeihen. Deutschland und Europa haben das größte Interesse daran, daß das englische Imperium existiert. Hermann Göring betonte, daß er seine ganze Kraft für die Erhaltung des Friedens einsetzen werde. Er bitte die englischen Herren, sie möchten in England, wenn sie zurückkämen, ihren Einfluß bei den maßgebenden Stellen für das gleiche Ziel geltend machen.

DR. STAHMER: Hat der Reichsmarschall Göring sich mit Ihnen darüber unterhalten, wie die Politik des Reiches nach seiner Ansicht geführt werden müsse? Wann und bei welcher Gelegenheit haben solche Gespräche stattgefunden?

BODENSCHATZ: Hermann Göring hat sich über diesen Gegenstand mit mir öfter unterhalten, und zwar in den Jahren 1938 und 1939, besonders in der Zeit nach dem Münchener Abkommen. Die Gespräche fanden gelegentlich im Anschluß an einen Vortrag oder teilweise auch in seinem Sonderzug statt. Hermann Göring vertrat immer die Ansicht, man müsse die Politik des Reiches so führen, daß es nach Möglichkeit nicht zu einem Krieg komme. Hermann Göring hat diesen Gedanken besonders ausführlich bei einer Besprechung mit den Gauleitern im Sommer 1938 in Karinhall behandelt. Der vorhergenannte Dr. Uiberreither hat darüber mehreres eidlich ausgesagt.

DR. STAHMER: Hat der Feldmarschall Göring vor seiner Abreise nach München im September 1938 mit Ihnen gesprochen?

BODENSCHATZ: Bevor Göring nach München fuhr, sagte er mir, er werde alles tun, um eine friedliche Lösung zu erreichen. »Wir können keinen Krieg gebrauchen.« In diesem Sinne hat er auf den Führer eingewirkt und während der Verhandlungen in München zur Erhaltung des Friedens entscheidend mitgewirkt. Als er nach der Besprechung in München aus dem Sitzungssaal kam, sagte er zu uns spontan: »Das ist der Friede.«

DR. STAHMER: Hat er sich mit Ihnen wiederholt darüber unterhalten, aus welchen Gründen er einen Krieg ablehnte und bei welcher Gelegenheit?

BODENSCHATZ: Bevor Göring nach München fuhr, sagte er zu mir immer: »Ich war im ersten Weltkriege als Infanterie- und Fliegeroffizier ständig an der Front. Ich kenne die Schrecken eines Krieges und daher meine Einstellung, diese Schrecken des Krieges dem deutschen Volke nach Möglichkeit zu ersparen. Es ist mein Bestreben, alle Konflikte friedlich zu lösen.« Allgemein war seine Ansicht: »Ein Krieg ist immer eine unsichere, riskante Sache. Selbst wenn man ihn gewinnt, stehen die Vorteile in keinem Verhältnis zu den Nachteilen und Opfern, die gebracht werden müssen. Wenn man ihn verliert, dann ist in unserer Lage alles zu Ende. Unsere Generation hat bereits die Schrecken eines großen Weltkrieges und seine bitteren Folgen erlebt. Der gleichen Generation einen zweiten Krieg zuzumuten, ist nicht tragbar.«

Ich darf noch hinzufügen, daß Hermann Göring seiner ganzen inneren Einstellung und seiner Wesensart entsprechend nie für den Krieg war. Es lag ihm alles ferner als der Gedanke an einen Krieg.

DR. STAHMER: Hat der Feldmarschall Göring sich mit Ihnen darüber unterhalten, welche Ziele nach seinem Willen mit der Aufrüstung, die ja in Deutschland vorgenommen wurde, erreicht werden sollten? Wann und bei welcher Gelegenheit?

BODENSCHATZ: Hermann Göring sprach mit mir darüber im Jahre 1935, nachdem die Wehrfreiheit verkündet worden war. Er bezeichnete, nach den vergeblichen Versuchen, zur allgemeinen Rüstungsbeschränkung zu kommen, die Aufrüstung Deutschlands als eine Angleichung an die Rüstung anderer Länder mit dem Zwecke, gleichberechtigt mit anderen Mächten in der großen Politik mitwirken zu können.

DR. STAHMER: Haben solche Unterhaltungen auch noch nach 1935 stattgefunden?

BODENSCHATZ: Hie und da kamen wir auf solche Gespräche zurück, und da hat er in ähnlichem Sinne gesprochen.

DR. STAHMER: Haben Sie etwas durch den Reichsmarschall Göring darüber erfahren, welchem Zwecke der Vierjahresplan dienen sollte?

BODENSCHATZ: Ich sprach mit Hermann Göring über dieses Thema gelegentlich im Jahre 1936, und zwar nach Verkündung des Vierjahresplanes. Er führte mir gegenüber aus, daß er in diesem Plane ein Mittel sehe, um Deutschland die Rohstoffe zu sichern, die es im Frieden mangels Devisen nicht einführen, oder von deren Einfuhr es in einem Notfalle möglicherweise abgeschnitten werden könnte.

DR. STAHMER: Wann und bei welcher Gelegenheit hat Göring mit Ihnen über seine Ansicht bezüglich des russischen Feldzuges gesprochen?

BODENSCHATZ: Gegen Ende 1941, nach den ersten Rückschlägen im Rußlandfeldzug, sprach Hermann Göring mit mir über die Kämpfe im Osten. Er sagte zu mir:

»Adolf Hitler hat zwar einen sehr harten Kampf im Osten vorausgesagt, mit solchen Rückschlägen hat er aber nicht gerechnet. Ich habe vor Beginn des Feldzuges vergebens versucht, Adolf Hitler von seinem Plane, Rußland anzugreifen, abzubringen. Ich erinnerte ihn daran, daß er selbst in seinem Buche ›Mein Kampf‹ den Zweifrontenkrieg ablehnte. Ferner wies ich darauf hin, daß die Masse der deutschen Luftwaffe im Osten gebunden sein würde. England, dessen Luftfahrtindustrie zusammengeschlagen sei, werde aufatmen und sich wieder erholen können.«

VORSITZENDER: Ich glaube, daß dies der geeignete Zeitpunkt ist, eine Pause von 10 Minuten einzuschalten.