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[Das Gericht vertagt sich bis

11. März 1946, 10.00 Uhr.]

Achtundsiebzigster Tag.

Montag, 11. März 1946.

Vormittagssitzung.

VORSITZENDER: Dr. Laternser, hatten Sie Ihre Vernehmung beendet?

DR. LATERNSER: Ich habe nur noch ganz wenige Fragen an den Zeugen zu stellen.

Herr Zeuge, ich möchte nur noch einmal ganz kurz auf die Frage zurückkommen, inwieweit die Kriegsbereitschaft der Luftwaffe im Jahre 1939 nicht vorhanden war. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob die Zusammenarbeit der Luftwaffe mit OKW, Heer und Marine im Jahre 1939 sichergestellt war?

MILCH: Die Luftwaffe war im Jahre 1939 nach meiner Überzeugung für einen größeren Krieg nicht vorbereitet. Mit den anderen Wehrmachtsteilen waren keine gemeinsamen Abreden irgendwelcher Art getroffen worden. Wenigstens ist mir von solchen nichts bekannt.

DR. LATERNSER: Wenn solche Vereinbarungen mit den anderen Wehrmachtsteilen vorgelegen haben würden, dann wären sie Ihnen wohl auch bekannt?

MILCH: Ich möchte es annehmen, da ich in dieser Zeit in dieser Frage wohl eingeschaltet worden wäre.

DR. LATERNSER: Wie war die Zusammenarbeit der wichtigsten Ressorts innerhalb der Luftwaffe selbst?

MILCH: Sie war seit dem Jahre 1937 verhältnismäßig lose. Es waren abgetrennt der Generalstab, das technische Amt und auch das Personalamt, die mehr oder minder stärker für sich allein ihre Arbeiten machten.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge, Sie erwähnten gerade den Generalstab. Was verstehen Sie unter dem deutschen Generalstab der Luftwaffe?

MILCH: Generalstab bedeutet im Deutschen: Führergehilfen. Das heißt, das sind jüngere Offiziere mit einer besonderen Vorbildung, zu der sie kommandiert werden, und die nun den Truppenbefehlshabern, den Truppenkommandeuren vom Divisionskommandeur ab aufwärts zur Seite stehen.

DR. LATERNSER: Was zählte alles zum Generalstab der Luftwaffe?

MILCH: Einmal die Offiziere, vom Chef des Generalstabs der Luftwaffe persönlich an abwärts, die in den Ressorts ihres Generalstabs sich befinden, und ebenso die Offiziere, die als Generalstabsoffiziere draußen bei den Divisionen, Korps und Luftflotten eingesetzt waren.

DR. LATERNSER: Wie stand es mit den Terminen für Neuaufstellungen innerhalb der Luftwaffe?

MILCH: Die großen Aufstellungen waren noch nicht befohlen, obwohl man über sie schon längere Zeit vor dem Kriegsausbruch beraten hatte. Man wollte eine größere Luftwaffe später aufstellen, die Termine lagen aber, soweit ich mich heute entsinne, noch sechs bis acht Jahre voraus.

DR. LATERNSER: Also in welches Jahr wäre die Erfüllung der Termine gefallen?

MILCH: Ich schätze, etwa in die Jahre 1944 bis 1946.

VORSITZENDER: Wir haben eine technische Störung. Wir hören zwei Übersetzungen gleichzeitig. Außerdem sprechen Verteidiger und Zeuge zu schnell.

DR. LATERNSER: War im Jahre 1939 bereits eine Organisation für Tag- und Nachtjäger vorhanden?

MILCH: Nein, die war damals noch nicht vorhanden.

DR. LATERNSER: War eine Organisation für den Bombenkrieg vorhanden?

MILCH: Nicht in dem Sinne, wie er nötig gewesen wäre für einen Angriffskrieg.

DR. LATERNSER: Wie weit war damals die Flugplatzorganisation gediehen?

MILCH: Es waren Flugplätze in der Masse, im Größenverhältnis bis zu 1000 Metern aufwärts ausgebaut, das heißt, diese Rollfelder genügten für Jäger, nicht für beladene größere Bomber.

DR. LATERNSER: Wie stand es mit dem Nachrichtennetz der Luftwaffe?

MILCH: Das Führungsnetz, das heißt das Kabelnetz für die Führung, war in der Masse nicht vorhanden, mußte erst später im Kriege improvisiert aufgebaut werden.

DR. LATERNSER: Wie stand es mit dem Flugmeldedienst?

MILCH: Auch dieser war noch nicht organisiert.

Zu der Frage der Bomber kann ich vielleicht als markantesten Punkt hinzufügen, daß ursprünglich in den ersten Jahren Typen von viermotorigen Bombern, die auch für Nachteinsatz geeignet gewesen wären, in Bau genommen worden sind; diese Bomber wurden aber, ich glaube, im Jahre 1937 aufgegeben, obwohl sie technisch in Ordnung waren. Man glaubte sich die großen Ausgaben solcher schweren Bomber ersparen zu können, da man mit einem Krieg damals nicht rechnete. Es ist dies zu der Zeit gewesen, als der Feldmarschall Kesselring Generalstabschef war; die Frage wurde dem Reichsmarschall zur Entscheidung vorgetragen und er hat die Ausschaltung dieser großen Bomber gebilligt.

DR. LATERNSER: In welcher Zeit war das?

MILCH: Einen Augenblick, ich sehe gerade nach. Am 29. April 1937 hat der Reichsmarschall auf Vortrag des Generalstabschefs den Bau dieser weittragenden Bomber gestoppt. Es waren dadurch 1939 für die Nacht geeignete Nachtbomber nicht vorhanden, die sich etwa den englischen Maschinen vom Typ Lancaster und so weiter hätten an die Seite stellen können.

DR. LATERNSER: Wie stand es mit dem Personal für die fliegenden Besatzungen?

MILCH: Wir hatten für diese damals vorhandene, verhältnismäßig kleine Luftwaffe, gerade ausreichenden Personalersatz. In dem Personalersatz lagen mit die größten Schwierigkeiten im Aufbau überhaupt. Von der Ausbildung des Personals war überhaupt die Terminfrage abhängig. Die Personalfrage war der Schrittmacher. Es war möglich, schneller Flugzeuge zu bauen, es war aber nicht möglich, die Ausbildung des Personals zu beschleunigen. Und wie ich am Freitag sagte, mußte terminmäßig darauf die Hauptrücksicht genommen werden. Piloten und technisches Fliegerpersonal haben nur dann überhaupt einen Zweck, wenn sie richtig, das heißt gut ausgebildet worden sind. Halbausgebildete Leute sind ein größerer Schaden als gar keine.

VORSITZENDER: Ich will Ihr Kreuzverhör nicht unterbrechen, Dr. Laternser, aber wir sitzen hier schon fast 20 Minuten und hörten lediglich, daß die Luftwaffe 1939 nicht kriegsbereit gewesen ist. Ich glaube, daß zuviel Zeit für Einzelheiten verbraucht wird.

DR. LATERNSER: Ich habe zu diesem Thema nur noch eine Frage. Waren Reserven an Aluminium, Magnesium und Kautschuk vorhanden, und bestanden Produktionsmöglichkeiten hierfür, für diese Materialien?

MILCH: Nicht in ausreichendem Umfang.

DR. LATERNSER: Ich habe dann eine letzte Frage. Herr Zeuge, Sie haben bei Ihrer Vernehmung am Freitag den »Grundsätzlichen Befehl Nummer 1« erwähnt. Sie haben auch bereits den Inhalt dieses Befehles angegeben. Ich habe nun hinsichtlich dieses Befehles noch die Frage: Wurde dieser Befehl streng eingehalten oder nicht?

MILCH: Jawohl, außerordentlich streng.

DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.

VORSITZENDER: Wünscht einer der anderen Verteidiger an den Zeugen noch Fragen zu stellen?

DR. HANS FLÄCHSNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SPEER: Ich bitte an den Zeugen einige Fragen richten zu dürfen: