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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie sagten, Göring hat niemals mit Ihnen über seine Kunstsammlung gesprochen?

MILCH: Nein.

MR. ROBERTS: Wissen Sie nicht, daß, wie aus einem Inventar hervorgeht, 21000 wertvolle Kunstgegenstände aus den besetzten westlichen Ländern weggeholt worden sind?

MILCH: Nein, darüber ist mir nichts bekannt.

MR. ROBERTS: Was hätte der General, der die Juwelen gestohlen hat, mit ihnen machen sollen? Hätte er sie dem Führer oder vielleicht Göring schenken sollen?

MILCH: Ich bitte, mir die Antwort darauf zu erlassen.

GENERAL RUDENKO: Wollen Sie mir sagen, wann Sie von dem Plan Hitlers, gegen die Sowjetunion Krieg zu führen, hörten? Im Jahre 1941?

MILCH: Im Januar habe ich erfahren, wie ich Freitag sagte, vom Reichsmarschall Göring, daß ihm Hitler mitgeteilt hatte, er erwarte einen Angriff auf Rußland. Dann habe ich mehrere Monate von der ganzen Sache nichts mehr gehört, bis ich durch Zufall von einem Untergebenen erfuhr, daß ein Krieg mit Rußland bevorstände und daher Vorbereitungen für die Bekleidung der Truppen getroffen wurden.

GENERAL RUDENKO: Kannten Sie den Plan »Barbarossa«?

MILCH: Den Namen habe ich gehört, und habe den Plan als solchen demonstriert gesehen bei einer Besprechung, die beim Führer stattfand, ein bis zwei Tage vor dem Angriff, mit den einzelnen Heeresgruppen- und Armee-Oberbefehlshabern.

GENERAL RUDENKO: Wann hat das stattgefunden, ein, zwei Tage vor der Invasion?

MILCH: Ich kann Ihnen das Datum genau sagen in einer Sekunde.

GENERAL RUDENKO: Bitte, tun Sie es!

MILCH: Am 14. Juni, das ist etwa 8 Tage vor dem Angriff, der am 22. Juni stattgefunden hat.

GENERAL RUDENKO: Und vorher haben Sie von dem Plan weder gehört noch etwas gesehen?

MILCH: Ich sage, den Namen »Barbarossa« habe ich gehört, wahrscheinlich schon vorher.

GENERAL RUDENKO: Wie lange vorher?

MILCH: Das kann ich nicht sagen, denn ich bin in den Monaten Januar, Februar, März und auch im April außerhalb Deutschlands gewesen und bin erst im Mai wieder zurückgekehrt. Ich war in Afrika, Griechenland, Jugoslawien und im Westen.

GENERAL RUDENKO: Mich interessiert die Periode, während welcher Sie sich im Oberkommando der Luftwaffe befanden. Im Dezember und Januar waren Sie in Deutschland?

MILCH: Im Dezember 1940?

GENERAL RUDENKO: So?

MILCH: Nur zum Teil, ich war auch zum Teil in Frankreich, und auch in Italien.

GENERAL RUDENKO: Und im Januar 1941 befanden Sie sich in Deutschland?

MILCH: Da war ich die ganze Zeit im Westen und soviel ich weiß, auch nicht einen Tag in Deutschland.

GENERAL RUDENKO: Sie haben doch gesagt, daß Sie im Januar 1941 mit Göring eine Besprechung über den Plan des Krieges gegen die Sowjetunion hatten.

MILCH: Ja, ich...

GENERAL RUDENKO: Im Januar 1941?

MILCH: Jawohl, am 13. Januar. Ich kann aber nun nicht mehr sagen, ob ich mit Göring in Frankreich gesprochen habe oder durch ein Ferngespräch, oder ob ich ein oder zwei Tage in Deutschland war. Das kann ich nicht sagen, ich habe es mir nicht aufgeschrieben.

GENERAL RUDENKO: Verzeihen Sie, durch ein Ferngespräch wurde die Frage des Angriffs auf die Sowjetunion besprochen?

MILCH: Nicht von einem Angriff auf Rußland, sondern von einem Angriff von Rußland auf Deutschland ist damals gesprochen worden und wir hatten bei...

GENERAL RUDENKO: Sie behaupten, die Frage eines Angriffs der Sowjetunion gegen Deutschland sei telephonisch besprochen worden?

MILCH: Ich habe überhaupt nichts behauptet, sondern ich habe gesagt, ich weiß nicht, ob mir die Nachricht gegeben worden ist, durch ein Sonderkabel, das nicht abgehört werden konnte, oder ob der Reichsmarschall mir das in Frankreich gesagt hat, oder ob ich für diesen Tag in Deutschland gewesen bin.

GENERAL RUDENKO: Und wann haben Sie diese Frage mit Göring besprochen, und wann hat Ihnen Göring mitgeteilt, daß er einen Krieg mit der Sowjetunion nicht wünsche?

MILCH: Das war am 22. Mai.

GENERAL RUDENKO: Des Jahres 1941?

MILCH: 1941. Jawohl.

GENERAL RUDENKO: Und wo wurde diese Frage besprochen?

MILCH: In der Nähe hier von Nürnberg, in Veldenstein.

GENERAL RUDENKO: Haben Sie diese Frage nur mit Göring besprochen, oder war noch jemand anderes zugegen?

MILCH: Damals nur mit Göring. Wir waren allein.

GENERAL RUDENKO: Und Sie behaupten, daß Göring den Krieg mit Rußland nicht wünschte?

MILCH: Das war mein Eindruck.

GENERAL RUDENKO: So! Und warum wünschte Göring nicht den Krieg gegen die Sowjetunion? Es war doch ein Verteidigungskrieg, nicht wahr?

MILCH: Göring war einem solchen Krieg abgeneigt, weil er genau wie auch wir anderen wollten...

GENERAL RUDENKO: Er war einem Verteidigungskrieg abgeneigt?

MILCH: Er persönlich war jedem Krieg abgeneigt.

GENERAL RUDENKO: Sonderbar, vielleicht können Sie mir genau erklären, warum Göring den Krieg mit der Sowjetunion nicht wünschte?

MILCH: Weil ein Zweifrontenkrieg, noch dazu ein Krieg gegen Rußland, für Deutschland, so wie ich es sah, den Verlust des Krieges bedeutete; und ich glaube, daß auch viele Soldaten und andere es so gesehen haben.

GENERAL RUDENKO: Sie waren also persönlich auch ein Gegner des Krieges gegen die Sowjetunion?

MILCH: Ein ausgesprochener Gegner eines Krieges mit Rußland.

GENERAL RUDENKO: Sonderbar. Ihre Aussagen sind zumindest nicht sehr überzeugend. Auf der einen Seite sagen Sie, daß die Rede von einem Angriff der Sowjetunion auf Deutschland war, und auf der anderen Seite sagen Sie, daß Göring und andere hohe Offiziere keinen Krieg mit der Sowjetunion wünschten.

MILCH: Darf ich dazu nochmal auseinandersetzen: Am 13. Januar teilte Göring mir mit, daß Hitler den Eindruck habe, Rußland wolle gegen Deutschland ziehen. Das war nicht die Auffassung von Göring, das war auch nicht meine Auffassung, das, nehme ich an, war die Auffassung Hitlers, die er als die seine geäußert hatte.

GENERAL RUDENKO: Entschuldigen Sie bitte. Soviel ich verstehen kann, glaubten weder Göring noch Sie an die Richtigkeit dieser Auffassung Hitlers.

MILCH: Ich kann hier nur über mich selbst sprechen. Ich habe offen darüber gesprochen, daß ich nicht glaubte, daß Rußland gegen uns ziehen würde. Was Göring darüber geglaubt hat, vermag ich nicht zu sagen. Er hat mit mir darüber nicht gesprochen. Man müßte ihn selbst fragen.

GENERAL RUDENKO: Ja, und jetzt frage ich Sie: Sie wollen sagen, daß Sie nicht an das, was Hitler sagte, glaubten. Und Sie meinen, daß auch Göring keinen Krieg gegen die Sowjetunion wünschte?

MILCH: Am 22. Mai, als ich mit Göring über diese Frage sprach und ihn dringend bat, bei Hitler alles zu tun, um einen Krieg gegen Rußland zu vermeiden, hat Göring mir gesagt, daß er dieselben Argumente bei Hitler vorgebracht habe, daß es aber nicht möglich wäre, ihn, Hitler umzustimmen. Seine Meinung wäre fest gefaßt und es gäbe keine Kraft der Welt, ihn davon abzubringen.

GENERAL RUDENKO: Ich verstehe. Sie meinen, daß Göring sich gegen den Krieg mit der Sowjetunion aussprach, weil er ihn für undurchführbar hielt, während Sie mit England Krieg führten, und weil er einen Zweifrontenkrieg verhindern wollte.

MILCH: Rein militärisch gesprochen, sicher. Aber ich glaube, wenn es damals nicht zum Krieg gekommen wäre, so wäre es nachher auch nicht dazu gekommen.

GENERAL RUDENKO: Und Sie behaupten ernstlich, daß man so lange vorher von einem Präventivkrieg sprechen und gleichzeitig den Plan »Barbarossa« und alle damit zusammenhängenden Weisungen ausarbeiten kann? Daß man Verbündete für den Angriff auf die Sowjetunion gewinnen kann? Glauben Sie ernstlich an den präventiven Charakter eines solchen Krieges?

MILCH: Ich habe den Sinn der Frage nicht verstanden.

GENERAL RUDENKO: Wie kann man es sich erklären, daß einerseits die Sowjetunion einen Angriff auf Deutschland unternehmen wollte, und daß man andererseits aber einen Angriffsplan gegen die Sowjetunion ausarbeitete, und dies bereits im Dezember 1940, wie aus den Angaben amtlicher Dokumente hervorgeht?

MILCH: Ich kann das nur so verstehen, daß, wenn Hitler wirklich an einen Angriff von Rußland glaubte, daß er dann sagte, er müsse durch einen Präventivkrieg dem russischen Einfall zuvorkommen. Das hat aber nichts mit der Auffassung zu tun, nach der ich hier gefragt worden bin. Für mich war die Voraussetzung, daß Rußland über uns herfiele, nicht unbedingt gegeben. Ich habe zwar keinen vollen Überblick gehabt, aber ich hatte persönlich nicht den Glauben, daß Rußland das tun würde, aus den russischen Interessen heraus, in die ich mich hineinzudenken versucht habe.

GENERAL RUDENKO: Ich verstehe. Ich habe noch einige Fragen im Zusammenhang mit den Kriegsgefangenen an Sie zu stellen. Die Verwendung von Kriegsgefangenen, besonders aus der Sowjetunion, zur Arbeit in der Flugzeugindustrie ist hier bereits erörtert worden.

MILCH: Jawohl.

GENERAL RUDENKO: Wie betrachten Sie die Frage der Verwendung von Kriegsgefangenen zur Arbeit gegen ihr eigenes Land? Was halten Sie davon?

MILCH: Es ist dies natürlich eine sehr unschöne Sache, wurde aber, soweit ich weiß, von allen Ländern auch gegenüber unseren Kriegsgefangenen angewandt.

GENERAL RUDENKO: Ich spreche jetzt von Deutschland. Sie sagen, daß es eine unschöne Handlung ist. Ist das nicht eine allzu milde Darstellung?

MILCH: Kommt darauf an, was die anderen machen. Alle Kriegsgesetze beruhen auf Gegenseitigkeit, solange die Gegenseitigkeit da ist.

GENERAL RUDENKO: Ich möchte Sie bitten, meine Frage zu beantworten. Wie war die Einstellung des deutschen Oberkommandos zu dieser Verwendung? Finden Sie nicht, daß diese Handlungen die Bestimmungen des Völkerrechts verletzen?

MILCH: Diese Frage ist rechtlich nicht klar und mir auch heute nicht klar. Ich weiß nur, daß befohlen war, sie einzusetzen und den Kampf um die Existenz auch mit Hilfe dieser Männer und Frauen zu führen.

GENERAL RUDENKO: Finden Sie, daß dieser Befehl richtig war?

MILCH: Das kann ich nicht beurteilen. Das kommt auf die Verhältnisse an und wie gesagt, auf die Gegenseitigkeit.

DR. HANS LATERNSER, VERTEIDIGER FÜR GENERALSTAB UND OBERKOMMANDO: Herr Präsident, ich bitte, diese Frage und Antwort aus dem Protokoll streichen zu wollen. Die Frage verlangt von dem Zeugen die Bekanntgabe einer Rechtsmeinung, was nicht Aufgabe des Zeugen ist, und, da diese Frage unzulässig ist, muß auch die Antwort gestrichen werden.

VORSITZENDER: General Rudenko?

GENERAL RUDENKO: Ich möchte dazu sagen, mir war es nicht bekannt, daß der Zeuge nicht wußte, ob dies eine Verletzung des Völkerrechts war oder nicht. Im Gegenteil habe ich jeden Grund, anzunehmen, daß der Zeuge in dieser Frage kompetent ist, um so mehr, als er zu Anfang seiner Aussagen heute und am Freitag die zehn Anordnungen zitierte und von ihnen sagte, daß sie von den Soldaten nicht verletzt werden durften, da sie auf Völkerrecht beruhten. Ich dachte daher, daß der Zeuge kompetent sei, auch auf die Frage der Verwendung von Kriegsgefangenen durch die Luftwaffe gegen ihre Heimat zu antworten. Wenn der Gerichtshof der Ansicht ist, daß diese Frage nicht gestellt werden soll, werde ich sie selbstverständlich zurückziehen.

VORSITZENDER: Die Frage hätte anders formuliert werden können, ob es sich um einen Bruch der Regeln handelt, die in seinem Soldbuch stehen. Wenn es sich jedoch um eine Frage des Völkerrechts handelt, so muß sie der Gerichtshof entscheiden, und wir wünschen natürlich auf diesem Gebiet keine Zeugenaussage.

GENERAL RUDENKO: Ja.

Ich möchte noch zwei Fragen an den Zeugen stellen.

VORSITZENDER: Wir wollten uns um halb fünf Uhr vertagen. Wenn Sie noch mehrere Fragen stellen wollen, würden wir besser jetzt unterbrechen, oder sind Sie fertig?

GENERAL RUDENKO: Ich glaube, es ist besser, jetzt eine Pause einzulegen, denn ich habe noch mehrere Fragen an den Zeugen zu richten.