[Zum Zeugen gewandt:]
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf Punkt sechs dieses Befehls lenken, der folgendermaßen lautet:
»Ich werde für die Nichtdurchführung dieses Befehls alle Kommandeure und Offiziere kriegsgerichtlich verantwortlich machen, die entweder ihre Pflicht der Belehrung der Truppe über diesen Befehl versäumt haben oder die in der Durchführung entgegen diesem Befehl handeln.«
Haben Sie diesen Punkt des Befehls gefunden?
KESSELRING: Ja, ich habe ihn gerade gelesen.
JUSTICE JACKSON: Haben Sie jemals berichtet, daß Sie diesen Befehl nicht durchführten oder haben Sie Ihre Vorgesetzten über diese Tatsache getäuscht?
KESSELRING: In einem Sonderfall ist diese Frage im Hauptquartier sehr entscheidend behandelt worden. Es hat sich hier um das Kommandounternehmen Pescara gehandelt, wo Adolf Hitler trotz der Schonung der Beteiligten durch mich und meine Leute deren Erschießung angeordnet hat. Ich glaube insbesondere, daß hier die vermittelnde Mitwirkung von Jodl entscheidend war, nämlich mit dem Erfolg, daß diese Sache vergessen wurde, und daß dementsprechend die Leute in den Gefangenenlagern und den Lazaretten am Leben erhalten werden konnten.
Von einer Täuschung, wie Sie gerade sagten, Herr Generalstaatsanwalt, möchte ich nicht sprechen, denn ich möchte ausdrücklich sagen, daß ich auf meinem Kriegsschauplatz Aktionen dieser Art als Rahmenbefehle angesehen habe, und daß dieser Kommandobefehl ganz zweifellos verschiedene Deutungen zugelassen hat.
JUSTICE JACKSON: Mit anderen Worten, es war dem befehlshabenden Kommandeur überlassen, in welchem Ausmaß ein solcher Befehl durchgeführt wurde. Ist es richtig, daß Hitler sich nicht darauf verlassen konnte, daß ein so nachdrücklicher Befehl wie dieser von seinen Kommandeuren auch ausgeführt wurde?
War das der Zustand der Deutschen Wehrmacht?
KESSELRING: Nein, das nicht, sondern es ist folgendes zu sagen: Wenn von seiten einer Armee eine derartige Unternehmung als Kommandounternehmung im Sinne dieser Verfügung nach oben gemeldet wird, dann mußten die notwendigen Maßnahmen ausgeführt werden. Es hing aber von der Berichterstattung der Formation ab, und ich habe gestern ausführlich darüber berichtet, daß eine einheitliche Auffassung allmählich Platz gegriffen habe, daß Uniformträger, die eine taktische Aufgabe durchführten, keine Kommandos im Sinne dieser Verfügung darstellten.
JUSTICE JACKSON: Sie haben heute ausgesagt, und noch ein anderer Zeuge hat hier ausgesagt, daß, wenn man sich einem Befehl Adolf Hitlers widersetzte, dies den Tod bedeutete. Dann haben Sie auch ausgesagt, daß ein absoluter Befehl über die Hinrichtung von Kommandos, der Bestrafung bei Nichtbefolgung androhte, es Ihrem Ermessen überließ, ihn zu befolgen oder nicht, und ich möchte Sie daher jetzt bitten, ein für allemal dem Gerichtshof zu sagen, wie der Sachverhalt war, und dann werden wir dieses Thema fallen lassen.
KESSELRING: Ich muß nochmals das wiederholen, was ich gesagt habe, nämlich, daß der italienische Kriegsschauplatz nicht mit anderen Kriegsschauplätzen zu vergleichen war. Durch die Zusammenarbeit Hitlers und Mussolinis war stets eine außerordentlich entgegenkommende Haltung vorzufinden, so daß diese Verfügung des OKW nicht ohne weiteres auf dem italienischen Kriegsschauplatz angewendet werden konnte.
JUSTICE JACKSON: Sie wurde also, soweit Sie wissen, mit Ausnahme des italienischen Kriegsschauplatzes, überall angewendet?
KESSELRING: Das kann ich nicht sagen, ich habe schon wiederholt anführen dürfen, daß ich mich nur um meinen an sich sehr großen Arbeitskreis gekümmert habe.
JUSTICE JACKSON: Wenn ich Sie recht verstanden habe, sagten Sie aus, daß Sie Plünderungen Ihrer Soldaten in Italien bestraft haben.
KESSELRING: Sobald sie mir zur Kenntnis gekommen sind, habe ich sie bestraft und habe die Armeeführer und Luftwaffenführer in dieser Richtung schärfstens angewiesen.
JUSTICE JACKSON: Nun, die Strafen, die Sie für Plünderungen verhängten, waren aber sehr mild, nicht wahr?
KESSELRING: Ich habe bis zum Erschießen an Ort und Stelle durchgegriffen, und auf diese Weise habe ich es verstanden, die Unordnung, die eingetreten war, zu beseitigen.
JUSTICE JACKSON: Ein deutscher General betrachtet also Erschießen als geeignete Strafe für Plünderungen, wenn es sich um einen deutschen Soldaten handelt?
KESSELRING: Diese weitgehenden Konsequenzen kann ich nicht anerkennen. Ich möchte folgendes darüber sagen: Wenn ein Heer, wie es seinerzeit die 14. Armee war, in eine gewisse Deroute gekommen war, waren die schärfsten Maßnahmen gerade genügend, um im Interesse des Ansehens meiner Armee und der Bevölkerung und zur Wiederherstellung der Ordnung unter der Zivilbevölkerung ergriffen zu werden. Ich habe gerade wegen dieses Punktes eine scharfe Auseinandersetzung im Hauptquartier gehabt. Im übrigen stand ich auf dem Standpunkt, es nützt sich jede Schärfe auf die Dauer ab, und deswegen habe ich zeitweise die Strafe als reines Erziehungsmittel und nicht als Strafe angesehen, und dementsprechend kommen zeitweise die geringeren Strafen zum Ausdruck.
JUSTICE JACKSON: Sie sagten aus, daß Sie energische Schritte unternahmen, um die Kunstschätze Italiens zu schützen.
KESSELRING: Soweit ich von Kunstschätzen unterrichtet war, ja.
JUSTICE JACKSON: Was für Schritte haben Sie unternommen und gegen wen?
KESSELRING: In erster Linie Schritte vorbeugender Art, indem ich erstens die Kunst- und Kulturstätten überhaupt aus dem Kampf ausgeschlossen habe, zweitens durch Räumung derartiger Orte, die Anlaß zum Bombenangriff durch den Feind gegeben haben, und drittens, durch Zusammenarbeit mit General Wolff und Verlagerung dieser Kunst- und Kulturschätze an sichere Orte. Ich erinnere an die Kunstschätze von Cassino und Florenz.
JUSTICE JACKSON: Ist Ihnen bekannt, daß Kunstschätze zum Beispiel von Monte Cassino entfernt und nach Berlin gebracht wurden?
KESSELRING: Ich habe sehr spät, also in Mondorf, davon gehört. Seinerzeit war mir nur in Erinnerung, daß sie in Rom dem Vatikan übergeben wurden.
JUSTICE JACKSON: Oh, ist Ihnen nicht bekannt, daß Kunstschätze von Monte Cassino entfernt und an Göring übergeben wurden? Haben Sie jemals davon gehört?
KESSELRING: Ich habe einmal etwas von einer Heiligenfigur gehört, kann aber tatsächlich nichts Näheres angeben.
JUSTICE JACKSON: War es eine Verletzung Ihres Befehls, wenn Göring einen solchen Kunstgegenstand von Monte Cassino erhielt?
KESSELRING: In diesem Raum stand die Division »Hermann Göring« und der Kommandant dieser Division war der frühere Adjutant von Hermann Göring, und es ist klar, daß hier eine gewisse Verbindung stattgefunden hat. In welchem Umfang kann ich nicht sagen.
JUSTICE JACKSON: Ich habe einige weitere Fragen hinsichtlich Ihrer Verhöre zu stellen.
VORSITZENDER: Wir unterbrechen jetzt vielleicht auf zehn Minuten.