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[Dem Zeugen wird ein Dokument ausgehändigt.]

Ich hoffe, ich habe Ihnen das richtige Dokument gegeben. Es heißt dort... ich werde es sehr langsam lesen:

»Der Führer hat hierzu befohlen:

1. Der Feind setzt im Bandenkampf fanatische, kommunistisch geschulte Kämpfer ein, die vor keiner Gewalttat zurückschrecken. Es geht hier mehr denn je um Sein oder Nichtsein. Mit soldatischer Ritterlichkeit oder mit den Vereinbarungen in der Genfer Konvention hat dieser Kampf nichts mehr zu tun.

Wenn dieser Kampf gegen die Banden sowohl im Osten wie auf dem Balkan nicht mit den allerbrutalsten Mitteln geführt wird, so reichen in absehbarer Zeit die verfügbaren Kräfte nicht mehr aus, um dieser Pest Herr zu werden.

Die Truppe ist daher berechtigt und verpflichtet, in diesem Kampf ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es nur zum Erfolg führt.

Rücksichten, gleich welcher Art, sind ein Verbrechen gegen das deutsche Volk.«

Erinnern Sie sich an diesen Befehl?

KESSELRING: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und haben Sie dann Ihrerseits am 17. Juni 1944 einen Befehl herausgegeben, als Sie Befehlshaber in Italien waren? Erinnern Sie sich daran? Ich werde ihn Ihnen gleich zeigen, wenn ich das deutsche Exemplar aus dem Akt nehmen kann. Ich werde wieder nur eine kurze Stelle verlesen, so daß der Gerichtshof sie im Gedächtnis hat; aber, Zeuge, Sie können auch auf jede andere Stelle verweisen, denn ich möchte den richtigen Eindruck von diesem Befehl geben:

»1. Die Bandenlage im italienischen Raum, insbesondere in Mittelitalien, hat sich in kurzer Zeit derart verschärft, daß sie eine ernste Gefahr für die kämpfende Truppe und ihre Versorgung sowie für die Rüstungswirtschaft bildet.

Der Kampf gegen die Banden muß daher mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und mit größter Schärfe durchgeführt werden. Ich werde jeden Führer decken, der in der Wahl und Schärfe des Mittels bei der Bekämpfung der Banden über das bei uns übliche zurückhaltende Maß hinausgeht. Auch hier gilt der alte Grundsatz, daß ein Fehlgreifen in der Wahl der Mittel, sich durchzusetzen, immer noch besser ist, als Unterlassung und Nachlässigkeit.«

Erinnern Sie sich daran, Herr Zeuge?

KESSELRING: Ja, ich erinnere mich an diesen Befehl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich, daß Sie drei Tage später, um keine Mißverständnisse über Ihre Meinung aufkommen zu lassen, diesen weiteren Befehl erlassen haben, eine weitere »Geheime Kommandosache«. Ich lese die dritte Zeile nach dem Satz:

»Diese Ankündigung darf keine leere Drohung sein.«

Sie sagen:

»Ich mache es allen Soldaten und Polizeisoldaten meines Befehlsbereiches zur Pflicht, im Tatfalle die schärfsten Mittel zur Anwendung zu bringen. Jeder Gewaltakt der Banden ist sofort zu ahnden. Aus der eingereichten Meldung muß auch die eigene Gegenmaßnahme zu ersehen sein. Wo Banden in großer Zahl auftreten, ist der in diesem Bezirk wohnende jeweils zu bestimmende Prozentsatz der männlichen Bevölkerung festzunehmen und bei vorkommenden Gewalttätigkeiten zu erschießen.«

Nun, Zeuge, möchte ich nur zwei Beispiele herausgreifen über die Art und Weise, wie das durchgeführt wurde. Erinnern Sie sich daran, daß einer Ihrer Offiziere, Oberst von Gablenz, von Partisanen gefangengenommen wurde, erinnern Sie sich?

KESSELRING: General von Gablenz?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, er war Oberst damals, es war am 26. Juni, gleich nach Ihrem Befehl. Erinnern Sie sich, daß Oberst von Gablenz gefangengenommen wurde, ja?

KESSELRING: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er war ein Oberst der Nachschubtruppen, kein sehr wichtiger Offizier, aber doch ein Oberst.

KESSELRING: Ja, ich erinnere mich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun sehen Sie sich diese beiden Dokumente an. Stimmt dies? Es ist ein Auszug aus dem täglichen Lagebericht des Oberbefehlshabers in Südwestitalien vom 26. Juni.

»Bandenlage. Nördlich von Arezzo wurde der zum Korück der 10. Armee gehörende Oberst von Gablenz durch Banden verschleppt. Die gesamte männliche Bevölkerung der an dem in Frage kommenden Straßenabschnitt liegenden Ortschaften, wurde festgenommen......«

Es wurde weiterhin bekanntgegeben, daß all diese Geiseln erschossen würden, wenn der gefangengenommene Oberst nicht binnen 48 Stunden freigelassen würde. Erinnern Sie sich daran?

KESSELRING: Nicht im einzelnen, aber im großen und ganzen...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, nein, aber Sie erinnern sich an den Vorfall?

KESSELRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich das nächste Stück an, einen Lagebericht über zwei Tage – der Bericht für zwei Tage später – vom 28. Juni 1944; der zweite Absatz:

»Als Sühne für den verschleppten Oberst Freiherrn von Gablenz wurden zunächst 560 Personen, davon 250 Männer, festgenommen.«

Ist das Ihre Auffassung über »die notwendigen Schritte zur Abwehr des Bandenkrieges«, daß 410 Frauen und Kinder in Gewahrsam genommen werden müssen?

KESSELRING: Das ist nicht notwendig gewesen, ich darf aber dann im Zusammenhang auf diese Sache kommen...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nehmen wir noch ein weiteres Beispiel. Sie erinnern sich an Civitella? Erinnern Sie sich, was Ihre Truppen in Civitella angerichtet haben?

KESSELRING: Ich weiß es augenblicklich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde Sie daran erinnern, was sich in Civitella ereignet hat. Es geschah am 18. Juni, einen Tag nach Ihrem Befehl.

»Zwei deutsche Soldaten wurden getötet und ein dritter verwundet im Kampf mit Partisanen in dem Dorf Civitella. Die Dorfbewohner befürchteten Repressalien und räumten das Dorf. Als die Deutschen dies entdeckten, wurden die Strafmaßnahmen aufgeschoben. Am 29. Juni,«

Sie werden sich erinnern, Zeuge, das war neun Tage, nachdem Sie die Bekanntmachung zur Verstärkung Ihres Befehles herausgegeben hatten,

»als die Einwohnerschaft sich wieder sicher fühlte und in das Dorf zurückkehrte, führten die Deutschen organisierte Repressalien durch und kämmten die Nachbarschaft durch. Unschuldige Einwohner wurden oft beim ersten Anblick erschossen. An jenem Tage wurden 212 Männer, Frauen und Kinder in der nächsten Umgebung des Dorfes erschossen. Einige der ermordeten Frauen wurden vollständig nackt aufgefunden. Im Laufe der Untersuchung wurde eine Namensliste der Toten aufgestellt, die vollständig ist mit Ausnahme jener wenigen Leichen, die nicht identifiziert werden konnten. Die Toten standen im Alter von 1 bis 84 Jahren. Etwa 100 Häuser wurden durch Feuer zerstört; einige der Opfer wurden bei lebendigem Leibe in ihren Häusern verbrannt.«

Das ist der Bericht der Untersuchungskommission für Kriegsverbrechen der Vereinten Nationen. Nun, Zeuge, glauben Sie wirklich, daß militärische Notwendigkeit die Tötung von Säuglingen von einem Jahr und Greisen von 84 Jahren erfordert?

KESSELRING: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun möchte ich Sie mit einer Angelegenheit bekanntmachen, die in Ihren eigenen Wirkungskreis fiel, nämlich mit der Stellung der Division »Hermann Göring«. Sie erwähnten bereits einen der Leute, die ich im Sinne habe, und nur um dem Gericht ein klares Bild zu geben, möchte ich jetzt genau feststellen, wer Ihre Offiziere damals waren.

War General Vietinghoff, Verzeihung, ich glaube, er war von Vietinghoff, Befehlshaber der 10. Armee?

KESSELRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Im Jahre 1944?

KESSELRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: War er direkt Ihrem Befehl unterstellt?

KESSELRING: Unterstellt, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich nehme also an, daß er ein ziemlich hoher General mit ziemlicher Verantwortung war.

Ich kenne seinen Rang nicht, Generaloberst oder?

KESSELRING: Generaloberst.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und ihm war das 76. Korps unterstellt, das von General Herr kommandiert wurde. Ist das richtig?

KESSELRING: Stimmt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und General Herr war die Hermann-Göring-Division unterstellt, die von General Schmalz kommandiert wurde, von dem Sie heute Morgen schon gesprochen haben? Ist das richtig?

KESSELRING: General Schmalz kommandierte, aber vorher habe ich einen anderen Namen genannt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, zu dieser Zeit war es Schmalz. Nun, die Hermann-Göring- Division war an einer Reihe von solchen »Zwischenfällen«, wie ich sie nenne, beteiligt. Ich will allerdings bemerken, daß ich als »Zwischenfälle« nicht solche Vorfälle, wie den von Civitella bezeichne. Ich möchte Ihnen einen oder zwei dieser Zwischenfälle ins Gedächtnis zurückrufen. Erinnern Sie sich daran, daß in Stia vom 13. bis zum 18. April 137 Zivilisten getötet wurden, darunter 45 Frauen und Kinder. Erinnern Sie sich an diesen Zwischenfall? Civitella war am 29. Juni. Erinnern Sie sich an Bucchini, am 7. und 9. Juli? Erinnern Sie sich an den Zwischenfall von Bucchini?

KESSELRING: Es kann sein, aber ich müßte die Einzelheiten erst studieren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Vielleicht erinnern Sie sich daran. Ich will Sie ganz allgemein fragen, Zeuge, weil dies vollkommen dem allgemeinen Verhalten entspricht, und weil es eine ganze Anzahl solcher Zwischenfälle gab, an denen die Hermann-Göring-Division beteiligt war. Erinnern Sie sich daran?

KESSELRING: Es sind viele derartige Vorfälle auf der einen und der anderen Seite gewesen, so daß ich erst im einzelnen die Sache genauestens studieren müßte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie bitten, sich dies ins Gedächtnis zurückzurufen. Stimmt es, daß die Hermann-Göring-Division dem General Herr und dem General von Vietinghoff nur für taktische Zwecke unterstellt war und jeden Tag dem Reichsmarschall Göring nach Berlin über ihre Tätigkeit Bericht erstattete?

KESSELRING: Die Division Hermann Göring war taktisch dem Generalkommando und der Armee unterstellt, aber in diesen Fragen müßte ich eine Unterstellung unter Generalkommando und Armee eigentlich auch als vorhanden annehmen. Ich weiß nicht, ob daneben noch irgendwelche Sachen gelaufen sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will meine Frage genau formulieren, und Sie werden daraus ersehen, woher ich die Worte nehme, die ich gebrauche:

»Die 1. Fallschirmjäger-Division und die Hermann-Göring-Division waren unter dem Befehl des Armeekommandos nur, was taktische Fragen betraf. Bezüglich aller anderen Fragen andererseits unterstanden sie unmittelbar dem Reichsmarschall, an den sie tägliche Berichte zu senden hatten. Es war ihnen nicht erlaubt, Befehle von Oberbefehlshabern der Armeen bezüglich Strafverfahren entgegenzunehmen, noch über die Ergebnisse derartiger Verfahren zu berichten. Auf diese Weise führten sie Krieg gegen Partisanen nach Grundsätzen, die in gewisser Hinsicht von denen der Armee abwichen.«

Ist diese Aussage richtig?

KESSELRING: Diese Auffassung ist richtig. Es handelt sich nur vielleicht darum, daß der Begriff »Taktik« natürlich etwas enger oder weiter aufgefaßt werden kann.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Welches Wort?

KESSELRING: Taktik. Daß diese taktische Unterstellung entweder weiter oder enger aufgefaßt werden kann.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zeuge, ich lese Ihnen deshalb das Ganze vor, weil es ja ganz klar ist, was die Person, deren Aussage ich verlese, damit meint, nicht wahr? Er sagt,

»daß ihnen nicht erlaubt war, Befehle von Oberbefehls habern der Armeen bezüglich Strafverfahren entgegenzunehmen, noch über die Ergebnisse... zu berichten«; weiterhin, »daß sie den Bandenkrieg nach Grundsätzen führten, die von denen des Generals von Vietinghoff abwichen«,

nicht wahr?

KESSELRING: Das höre ich jetzt zum ersten Male. Aber wenn es von einem anderen Herrn gesagt worden ist, so muß ich annehmen, daß es stimmt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sind Sie sicher, daß Sie davon zum ersten Male hören? Es ist sehr schwierig, jeden Zwischenfall in Erinnerung zu behalten. Bitte, glauben Sie nicht, daß ich Sie verletzen will, doch ich möchte, daß Sie versuchen, sich daran zu erinnern. Hat nicht General Herr zahlreiche Beschwerden über diese regelwidrige Stellung der Hermann-Göring-Division an Sie gerichtet, und haben Sie niemals amtlich auf die Berichte des Generals Herr Antwort gegeben?

KESSELRING: Viele Berichte sind von General Herr sicher nicht gekommen, sondern es sind vielleicht mündliche Rücksprachen bei meiner...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: In Ihrer Befehlsstelle?

KESSELRING: Jawohl. Ich darf vielleicht nochmals sagen, daß derartige Stellungnahmen absolut innerhalb der Heeresgruppe vorhanden waren. Zu dem betreffenden Fall muß ich sagen, daß ich nicht weiß, ob dieses Gebiet zur Taktik gehört oder zu einer anderen Funktion.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Vielleicht setze ich Ihnen diesen Punkt nicht ganz klar auseinander. Ich behaupte folgendes: Falls Sie mit dem Wort »zahlreichen« nicht einverstanden sind, werden Sie vielleicht »einige« annehmen, daß General Herr also in »einigen« Fällen Ihnen berichtete, daß er infolge der regelwidrigen Stellung der Hermann-Göring-Division in eine schwierige Lage gekommen sei?

KESSELRING: Das kann ich annehmen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ihr Stabschef war damals General Röttinger, nicht wahr?

KESSELRING: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Vom 10. Juni an, gerade während dieser Zeit. Hat nicht auch General Röttinger mit Ihnen über die Stellung der Hermann- Göring-Division gesprochen, daß sie unter dem besonderen Schutz des Reichsmarschalls Göring in Berlin stünde?

KESSELRING: Darüber habe ich des öfteren gesprochen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was die besonderen Zwischenfälle betrifft, in die die Hermann-Göring-Division verwickelt war, so empfing sie ihre Befehle über die Behandlung der Partisanen doch von dem Angeklagten Göring, der auf der Anklagebank sitzt, nicht wahr?

KESSELRING: Ich kann das nicht sagen, weil dieser Weg an mir vorbeigegangen ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verstehe: Dieser Weg ging an Ihnen vorbei. Dieser Weg ging an General Herr vorbei, er ging an Vietinghoff vorbei, er ging an Ihnen vorbei und ging direkt nach Berlin. Das stimmt, nicht wahr?

KESSELRING: Ja. Das war der Sonderdienstweg für die SS und für die Division Hermann Göring.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, sehen Sie, derzeit befaßt sich der Gerichtshof mit dem Fall des Angeklagten Göring. Deshalb stelle ich diese Fragen an Sie.

Nun noch eine oder zwei kurze Fragen: Erinnern Sie sich daran, daß Dr. Laternser eine oder zwei Fragen über das Oberkommando und den Generalstab an Sie gestellt hat? Erinnern Sie sich daran, daß Dr. Laternser Fragen an Sie gerichtet hat?

KESSELRING: Jawohl, ich bin im Bilde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, ich möchte nur einen Punkt völlig klarstellen. Zeuge, Sie müssen wahrgenommen haben, daß die Körperschaft, die in diesem Fall erwähnt ist, nichts mit dem Korps der Generalstabsoffiziere der deutschen Armee zu tun hat. Ich glaube, Sie haben das gestern selbst klar zum Ausdruck gebracht.

KESSELRING: Mit wem?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mit dem Korps der Generalstabsoffiziere. Sie hatten sowohl im Heer als auch in der Luftwaffe ein Korps von Offizieren, die die Militärakademie besucht hatten und Stabsoffiziere verschiedenen Ranges geworden waren; ich nehme an, bis zum Hauptmann hinunter, nicht wahr?

KESSELRING: Die Frage ist für mich nicht ganz deutlich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bitte um Entschuldigung. Sie hatten im Heer wie auch in der Luftwaffe ein Stabskorps von Offizieren, die die Militärakademie besucht hatten und dann Generalstabsoffiziere wurden. Und diese hatten, glaube ich, wenn sie wollten, das Recht, dem Chef des Stabes direkt zu berichten, nicht wahr? Ist das richtig oder falsch?

KESSELRING: Das stimmt nicht, nur, wie ich gestern gesagt habe, in erzieherischer Richtung und in der allgemeinen geistigen Einstellung hatte der Generalstabschef das Recht, unmittelbar auf die Generalstabsoffiziere einzuwirken. Umgekehrt: nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dieses Korps ging bis zum Hauptmann oder Leutnant hinunter, nicht wahr?

KESSELRING: Nein, Hauptmann.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich dachte es. Ich möchte Ihnen sagen, daß wir überhaupt kein Interesse an diesem Korps haben. Die Anklagebehörde ist an diesem Korps überhaupt nicht interessiert.

Was nun die Personen betrifft, die in der Anklageschrift erwähnt sind, so wissen Sie: es sind neun Oberbefehlshaber oder Stabsstellungen genannt, dann die Oberbefehlshaber, die in bestimmten Gegenden oder über gewisse Einheiten der Luftwaffe den Befehl hatten. Sie haben sich das angesehen, nehme ich an, nicht wahr?

KESSELRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zeuge, ich will mich kurz fassen, damit wir nicht zuviel Zeit verlieren. Ich möchte, daß Sie folgendes in Betracht ziehen: Sind die dort genannten Personen, also die Chefs des OKW, OKH, OKM, OKL und ihre Stellvertreter sowie die Oberbefehlshaber nicht die Offiziere der Deutschen Wehrmacht, die sich am meisten mit Politik und Planung von Kriegen befaßten?

KESSELRING: Die Oberbefehlshaber der Wehrmachtsteile waren selbstverständlich die beratenden Organe des Staatsoberhauptes in allen militärpolitischen Fragen. Die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen und so weiter hatten keinerlei Einwirkung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Ich möchte nur zwei Beispiele herausgreifen. Ich glaube, daß Sie in beiden Fällen zugegen waren. Am 22. August, vor dem Angriff auf Polen, fand eine Konferenz statt, von der hier bereits gesprochen wurde. Waren bei dieser Konferenz die höheren Offiziere, die ich genannt habe, die Chefs der verschiedenen Wehrmachtsteile, sowie die Oberbefehlshaber zugegen?

KESSELRING: Die führenden Offiziere im Kriege auf diesem Kriegsschauplatz.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Polen sollte damals Kriegsschauplatz werden. Der Hauptzweck dieser Konferenz war also Erörterung des polnischen Feldzuges, nicht wahr? Der Hauptzweck dieser Konferenz, nehme ich an, war die Erörterung des polnischen Feldzuges im Zusammenhang mit der Möglichkeit eines Feldzuges gegen die Westmächte, falls diese in den Krieg eintreten sollten.

KESSELRING: Darüber kann ich keinen Aufschluß geben. Wir haben im allgemeinen nur über polnische Fragen...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, der Gerichtshof hat über diese Konferenz bereits so viel gehört, daß ich darüber keine weiteren Fragen stellen will. Ich möchte nur von Ihnen wissen, welche Leute dabei waren.

Ich möchte Sie noch an eine andere Konferenz erinnern. Am 9. Juni 1941 fand eine Konferenz »Barbarossa« zur Besprechung des Angriffes gegen die Sowjetunion statt. Erinnern Sie sich daran? In Berchtesgaden?

KESSELRING: Eine Besprechung vom 9. Juni weiß ich nicht, aber eine Besprechung habe ich mitgemacht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren dabei. Und vor dem russischen Feldzug waren wiederum die dort anwesenden Personen die Inhaber dieser höchsten Stellen und die Oberbefehlshaber, nicht wahr?

KESSELRING: Das stimmt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einschließlich der Befehlshaber der besetzten Gebiete, wie z.B. General von Falkenhorst, der damals Oberbefehlshaber der Armee in Norwegen war. Er war dabei, nicht wahr?

KESSELRING: General von Falkenhorst?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.

KESSELRING: Das kann sein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: General Stumpf, von der Luftflotte 5 und, ich weiß nicht, welchen Rang sie hatten, so will ich nur die Namen nennen:

Rundstedt, Reichenau, Stülpnagel, Schubert, Kleist und natürlich Bock, Kluge, Guderian, Halder, Kesselring.

KESSELRING: Die letzteren waren bestimmt da. Von Stumpf und von Falkenhorst kann ich es nicht sagen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es war daher üblich, daß vor einem Feldzug die Inhaber dieser hohen Stellungen mit dem Führer zusammenkamen, nicht wahr?

KESSELRING: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich möchte Sie bitten, noch einen anderen kleinen Punkt aufzuklären. Erinnern Sie sich, gestern Dr. Laternser gesagt zu haben, daß die Mitglieder dieser angeführten Gruppe mit wichtigen strategischen Dingen viel zu beschäftigt waren, um sich noch irgendwie mit der Fünften Kolonne befassen zu können. Erinnern Sie sich daran, in diesem Sinne ausgesagt zu haben?

KESSELRING: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, aber außerhalb Deutschlands ist der Name Quisling allgemein als Begriff an Stelle der Fünften Kolonne gebraucht worden. Wußten Sie das? Wenn man von einem Mitglied der Fünften Kolonne spricht, so sagt man »Quisling«, haben Sie das noch nicht gehört?

KESSELRING: Nein, das weiß ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie, wer Quisling war?

KESSELRING: Jawohl, das weiß ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie folgendem zuhören, weil es Ihre Dienststelle betrifft: Der Angeklagte Rosenberg hat im Januar 1940 an den Führer wie folgt geschrieben:

»In der Annahme, daß die Ausführungen« – nämlich die Quislings – »aus fliegerstrategischen Gründen Reichsmarschall Göring besonders interessieren werden, wurde Quisling vom Amt an Staatssekretär Körner verwiesen.«

Hat er sich aus »fliegertechnischen Gründen« an Sie gewandt?

KESSELRING: Ist mir unbekannt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wußten Sie, daß der Angeklagte Raeder Quisling im Dezember 1939 Hitler vorstellte? Wußten Sie das?

KESSELRING: Unbekannt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie stimmen mit mir darin überein, daß der Chef der deutschen Luftwaffe und der Chef der deutschen Marine wichtige Mitglieder dieser Gruppe der Oberbefehlshaber sind, nicht wahr?

KESSELRING: Der Oberbefehlshaber, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn diese mit den typischen Vertretern der Fünften Kolonne zu tun hatten, so hatten vielleicht andere Mitglieder der Gruppe mit Mitgliedern der Fünften Kolonne mehr zu tun, als Sie wußten?

KESSELRING: Ich habe gestern vom Standpunkt der Oberbefehlshaber der Front gesprochen, und unsere Aufgaben lagen auf einem anderen Gebiet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender, ich glaube, ich bin fertig. Vielleicht erlaubt der Gerichtshof, daß ich während der Pause nachsehe, ob noch eine Kleinigkeit offengeblieben ist.

Dann, Herr Vorsitzender, möchte ich noch etwas vorbringen. Ich glaube, wir sollten die Dokumente, auf die ich mich bezogen habe, als Beweisstück vorlegen, weil die Verteidigung sich vielleicht später damit befassen will.

VORSITZENDER: Ja, wenn sie nicht bereits vorgelegt worden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, einige der Befehle sind noch nicht vorgelegt worden. Ich habe einen Teil von ihnen zwecks Aufnahme in das Protokoll verlesen, und ich werde sie nun vorlegen.

VORSITZENDER: Sie müssen vorgelegt und mit Nummern versehen werden.