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[Das Dokument wird dem Angeklagten ausgehändigt.]

GÖRING: Dies ist ein Erlaß, der eine allgemeine Anweisung darstellt, wie wirtschaftlich zu verfahren ist in dem gesamten von uns besetzten polnischen Gebiet. Er regelt die Erfassung und Verwaltung des Vermögens des Polnischen Staates innerhalb der von den deutschen Truppen besetzten Gebiete, die Regelung des Geld- und Kreditwesens, die Anordnung von wirtschaftlichen Maßnahmen, Vorbereitung einer notwendig werdenden Auseinandersetzung mit fremdstaatlichen Gläubigern und so weiter, Beschlagnahmen dürfen nur von der Treuhandstelle Ost durchgeführt werden und so weiter. Es handelt sich nicht so sehr um die Herausnahme von Wirtschaftsgütern. Dem war auch nicht so. Im Gegenteil wurde auch im Gouvernement die dort bestehende Wirtschaft, selbstverständlich die Wirtschaft, die für den Kriegszweck zu dieser Zeit brauchbar war, verstärkt und ausgebaut. Die Wirtschaft, die nicht sehr notwendig war, wurde genau so gedrosselt, wie sie im ganzen übrigen Deutschland auch gedrosselt war und bei allen anderen Staaten im Kriegsfall auch gedrosselt wird. Was die Rohstoffe anbelangt, die vorhanden waren und von Wichtigkeit für die Kriegsführung, nehmen wir an, Stahl oder Kupfer oder Zinn oder so was, so war die Auffassung die, oder mein Wille besser gesagt, daß diese Rohstoffe dort zu verarbeiten waren, wo sie am schnellsten umgewandelt werden konnten. War das an Ort und Stelle und durch die Verkehrslage möglich, so sollten sie dort bleiben, um dort verarbeitet zu werden. War die Verarbeitung im Lande dort nicht möglich, so hätte ich selbstverständlich kriegswichtige Rohstoffe nicht dort liegen lassen, sondern sie unbedingt dorthin schaffen lassen, wo ihre Verarbeitung am schnellsten zum Zwecke der Kriegsverwendung möglich war. Das sagt im großen und ganzen auch dieser Erlaß zum Teil. Das war meine grundsätzliche Einstellung und meine grundsätzliche Anweisung. Der Sinn war schnellste, möglichste und zweckmäßigste Verarbeitung dort, wo sie möglich war.

DR. STAHMER: Unter dem 19. November 1945 hat ein Dr. Cajetan Mühlmann eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, die überreicht ist von der Anklagebehörde und die die Nummer 3042-PS trägt. In der heißt es folgendermaßen; es sind drei kurze Sätze:

»Ich war der Sonderbeauftragte des Generalgouverneurs von Polen, Hans Frank, für die Sicherung der Kunstschätze im Generalgouvernement....

Den Auftrag hatte mir Göring in seiner Funktion als Vorsitzender des Reichsverteidigungsausschusses erteilt.

Ich bestätige, daß es die offizielle Politik des Generalgouverneurs Hans Frank war, alle wichtigen Kunstwerke, die polnischen öffentlichen Einrichtungen, privaten Sammlungen und der Kirche gehörten, in Verwahrung zu nehmen. Ich bestätige, daß die erwähnten Kunstwerke tatsächlich konfisziert wurden, und ich bin mir darüber klar, daß sie im Falle eines deutschen Sieges nicht in Polen geblieben wären, sondern zur Vervollständigung des deutschen Kunstbesitzes verwendet worden wären.«

GÖRING: An sich hatte ich mit der Sicherstellung der Kunstschätze in Polen nicht unmittelbar etwas zu tun, schon ganz und gar nicht als Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung. Tatsächlich aber kam Mühlmann, den ich kannte, zu mir und sagte, daß er sich um die Sicherstellung der Kunstschätze dort bemühen sollte. Ich stand auch auf dem Standpunkt, daß diese Kunstschätze während der Kampfzeit zunächst einmal ganz unabhängig, was mit ihnen zu geschehen habe, zu sichern wären, damit keinerlei Zerstörung möglich sei, sei es durch Feuer, durch Kampfeinwirkung und so weiter. Ich möchte gleich betonen – ich komme ja im französischen Zusammenhang darauf zurück –, daß von diesen Kunstschätzen für meine sogenannte Sammlung nichts entnommen worden ist. Das nur nebenbei. Daß die Kunstschätze tatsächlich sichergestellt wurden, ist richtig und auch beabsichtigt gewesen, zum Teil schon deshalb, weil die Besitzer nicht da waren. Dort aber, wo die Besitzer da waren, zum Beispiel, wie ich mich erinnere, – Graf Potocki auf Lancut – blieb die Kunstsammlung an Ort und Stelle. Die Absicht, was mit diesen Kunstschätzen geschehen sollte, war vom Führer noch nicht endgültig bestimmt. Er hatte angeordnet, und das habe ich in einem Schreiben auch dem Mühlmann und, soweit ich mich erinnere, auch an Frank übermittelt, daß diese Kunstschätze zunächst nach Königsberg zu bringen seien. Vier Bilder seien in den Sicherheitsbunker oder die Sicherheitsstelle des Deutschen Museums in Berlin zu bringen, oder Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin zu bringen. Es spielten dann noch – ich will das in diesem Zusammenhang gleich vorwegnehmen, weil die Anklage sich damit beschäftigt hat – die Dürerzeichnungen aus Lemberg eine Rolle. Die Dürerzeichnungen in Lemberg wurden nicht von uns in dieser Zeit beschlagnahmt, da Lemberg russisch geworden war. Erst beim Vormarsch gegen Rußland wurden während der Kampfperiode diese Dürerzeichnungen, soweit ich mich der Darstellung von Mühlmann erinnere, von einem polnischen Professor, der sie vor den Russen bis dato versteckt hatte, aus dem brennenden Lemberg gerettet und ihm übergeben. Es waren Zeichnungen, er kam damit bei mir an, und obwohl ich sonst außerordentliches Interesse habe, hatte ich leider nicht einmal Zeit, sie in Muße anzusehen, da ich in diesem Augenblick zum Führer fuhr und sie mitnahm, und wie auch, glaube ich, Mühlmann bestätigt, dort sofort abgegeben habe. Wo sie von da aus hingekommen sind, weiß ich nicht. Damit glaube ich die Frage über die polnischen Kunstschätze beantwortet zu haben. Abgesehen davon handelt es sich noch um den Veit- Stoß-Altar, der seinerzeit hier in Nürnberg hergestellt worden ist, eine rein deutsche Arbeit, und der Führer wünschte, daß dieser Altar – damit hatte ich persönlich nichts zu tun – nach Nürnberg hier ins Germanische Museum kommen sollte. Das ist mir nur bekannt. Was endgültig beabsichtigt war, war noch nicht ausgesprochen, aber daß bei einem Friedensschluß das auch eine Rolle gespielt haben würde, Verhandlungen darüber, ist sicherlich zu bejahen.

DR. STAHMER: Welche Verbindung hatten Sie mit Quisling?

GÖRING: Quisling habe ich erst lange nach der Besetzung Norwegens zum ersten und einzigen Male gesehen. Er war in Berlin, besuchte mich, wir hatten ein belangloses, kurzes Gespräch. Vorher hat ein Mann von ihm, den ich auch nicht persönlich kannte, das heißt also vor Ausbruch des Krieges überhaupt, einen Brief an mich geschickt, der mir hier gezeigt wurde, an den ich mich persönlich nicht erinnern kann, weil derartige Briefe nach unserer Praxis auch mir kaum vorgelegt wurden, ist aber gleichgültig. In diesem Brief sprach er sich im Namen Quislings dahingehend aus, daß wir die Bewegung Quislings doch finanziell stützen möchten, und gab eine Darstellung, wie weit die politischen Gelder einerseits von Rußland an die Kommunistische Partei dort, andererseits von England an interessierte politische Stellen fließen würden. Ich habe dann... später sprach jemand mit mir darüber, ob auf dem Wege der Kohlenlieferungen eine Abgabe an Quisling in irgendeiner Form gegeben werden könnte. Ich habe den Standpunkt eingenommen, wenn wir natürlich auch aus Devisenlage und auch sonstigen... – wir sind ja nicht so reich gewesen – weder mit den englischen noch russischen Geldern konkurrieren könnten, so seien die Stellen, die das zu beurteilen vermögen, ob es zweckmäßig sei, der Bewegung Quisling Unterstützung finanzieller Art zu geben oder nicht, zu hören. Wenn sie das bejahten, so sei mir..., selbstverständlich könne Quisling Geld bekommen. Der Betrag, um den es sich handelte und den ich auch gegeben haben würde, war erheblich höher wie der, der tatsächlich später dann vom Führer über das Auswärtige Amt zugeleitet worden ist. Ich habe niemals von solchen kleinen geldlichen Unterstützungen etwas gehalten, sondern wenn, dann sollte man ordentlich geben, damit wirklich auch ein Zweck damit erreicht wurde. Ich hatte meine Kenntnisse aus dem letzten Weltkrieg zur Genüge bei dem Geld, das in das Rumänische Parlament gewandert ist, das leider auch zu wenig gewesen war. Aus diesen Erfahrungen, wenn gegeben werden sollte, das war meine Anweisung, dann ordentlich. Sonst habe ich, wie gesagt, Quisling erst sehr viel später kennengelernt und ein völlig belangloses Gespräch mit ihm gehabt, an das ich mich auch nicht erinnere.

DR. STAHMER: Wie standen Sie zu dem Norwegen- Unternehmen?

GÖRING: Das Norwegen-Unternehmen überraschte mich einigermaßen, und zwar deshalb, weil hier ich ziemlich lange merkwürdigerweise nicht unterrichtet worden war. Der Führer ging sehr weit mit seinem Grunderlaß, von dem ich anfangs schon gesprochen habe, und hat die Luftwaffe sehr spät herangezogen. Da aber der Luftwaffe ein wichtigster Teil dieses Unternehmens zufiel, habe ich mich unmißverständlich und sehr unfreundlich darüber geäußert. An sich stand ich dem Unternehmen, militärisch gesehen, durchaus positiv gegenüber, denn als Oberbefehlshaber der Luftwaffe hatte ich ja zunächst, völlig unabhängig von politischen Erwägungen, ausschließlich die strategischen zu sehen. Daß ich meine Position, luftwaffenmäßig gesehen, erheblich verbessern würde, wenn meine Geschwader von norwegischen Basen aus gegen England operieren konnten, war ja oder ist für jeden einsichtigen militärischen Fachmann eine Selbstverständlichkeit. Ich konnte deshalb vom strategischen Standpunkt aus als Oberbefehlshaber der Luftwaffe nur durchaus positiv zu dem Unternehmen stehen. Mein Einwand ging nur dagegen, daß ich erstens zu spät unterrichtet wurde und zweitens mir die Pläne nicht ganz richtig erschienen, aber sonst durchaus positiv.

DR. STAHMER: Befürchtete Hitler Komplikationen mit Schweden aus dieser Besetzung?

GÖRING: Ja, nicht aus der Besetzung durch Deutschland an sich, sondern, als wir uns entschlossen haben, der Führer, Norwegen zu besetzen, hatten wir ja schon ganz eingehende und detaillierte Unterlagen über die beabsichtigte Besetzung seitens England und Frankreich, wie wir sie später auch bestätigt fanden in den erbeuteten englischen Papieren und französischen Generalstabspapieren. Hier war nun uns ebenfalls bekannt, daß vor allem die Absicht bestand, nicht nur Norwegen zu besetzen, sondern in erster Linie über Narvik das schwedische Erz, die schwedischen Erzlieferungen an Deutschland auszuschalten, ja darüber hinaus in den damals noch bestehenden russisch-finnischen Konflikt pro Finnland einzugreifen. Der Führer fürchtete nun, daß Schweden einem englischen Druck absolut nachgeben würde, das heißt unter der Firma, Finnland zur Hilfe zu kommen, einen Durchmarsch gestatten und damit eine Gesamtausschaltung des schwedischen Erzbeckens und damit der Erzlieferungen für uns..., sich das so ereignen würde. Ich habe damals eine sehr schwere Verantwortung auf mich genommen, indem ich Hitler versicherte, daß ich Schweden, sein Volk und seinen König so genau kennen würde, daß ich wüßte, daß, wer auch immer einen Druck auf Schweden ausüben würde, ganz gleichgültig welche Macht, ob wir oder die andere Seite, daß Schweden unter allen und jeden Umständen seine Neutralität bewaffnet gegen den verteidigen würde, der sie zu kränken beabsichtige, gleichgültig welche Gründe hierfür vorliegen mögen, und daß ich mich persönlich für diese Auffassung verpflichte und mit meiner ganzen Kenntnis die Verantwortung dafür trage, daß er in dieser Richtung beruhigt sein könnte. Daraufhin war die Frage erledigt.

VORSITZENDER: Das Gericht vertagt sich.