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[Der Zeuge nickt bejahend.]

Dann wollen wir nur ganz kurz auf das, was dann später geschah, übergehen.

Am Wochenende des 26. und 27. August reisten Sie nach England. Sie haben ausgesagt, daß Sie nichts davon wußten, daß der Angriff am Morgen des 26. abgeblasen worden war und auch nichts davon wußten, daß es Hitlers Absicht war, ein englisches Eingreifen auszuschalten. Das alles wußten Sie nicht; und so fuhren Sie also am 27. mit den ausführlicheren Bedingungen nach England zurück; die englische Antwort lautete, daß sie bei Aufrechterhaltung ihrer Verpflichtungen hofften und empfahlen, daß die Deutsche und die Polnische Regierung Verhandlungen über diesen Punkt anknüpfen sollten.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und das war die Antwort, die Sie zurückbrachten. Denken Sie bitte einen Augenblick über die Besprechung nach, die Sie beim Frühstück mit Göring hatten – ich glaube in seinem Zug oder in seinem Hauptquartier – am 28. August. Sie finden es auf Seite 65 Ihres Buches, falls Sie Ihr Gedächtnis auffrischen wollen. Hat Göring damals nicht versucht, Sie davon zu überzeugen, daß die Rückgabe Danzigs und des Korridors Polens militärische Lage nicht ändern würde?

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Da er, wie er auf Grund seiner eigenen Kriegskarte erläuterte, annahm, daß Deutschland ja in der Lage sei, Polen sowieso zu besiegen, gleichgültig ob es den Korridor habe oder nicht.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und seine Luftflotte und seine Truppen waren schon aufmarschiert, um dies durchzuführen.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gehen wir nun zu der Frage der Zusammenkunft über, bei der Sir Nevile Henderson die Bedingungen überreicht wurden. Das war am 29. August um 7.15 abends, und die Besprechung dauerte längere Zeit. Können Sie sich an diese Besprechung erinnern?

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dann, wie schon einer der Anklagevertreter von Ihnen erfuhr, traten Schwierigkeiten auf wegen der Forderung, daß ein Bevollmächtigter binnen 24 Stunden zurück sein sollte. So haben Sie das erklärt.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, daß Sir George Ogilvy Forbes Ihnen gesagt hat, daß diese Besprechung sehr schlecht verlaufen sei, und daß Sie dann um 11.30 Uhr wiederum Göring gesehen haben, der Ihnen ungefähr das gleiche über den Verlauf der Besprechung gesagt hat wie Sir George Ogilvy Forbes.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und er hat gesagt, daß das, was den Kanzler so aufgeregt habe, die Tatsache gewesen sei, daß Sir Nevile Henderson zu verstehen gegeben habe, daß diese Forderung, wonach der Bevollmächtigte innerhalb von 24 Stunden kommen sollte, einem Ultimatum gleichkäme.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Können Sie sich daran erinnern, daß Göring damals gewisse Bedingungen unterstrichen hat? Ich verweise auf die Einleitung zu Ihrem Buch.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sehen das Faksimile. Haben Sie einen Abdruck?

DAHLERUS: Ich habe das Original hier.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, wollen Sie es sich bitte ansehen. Es ist in deutscher Sprache. Ich will nur die Teile vorlesen, die Göring unterstrichen hat. Ich werde es in Englisch lesen, und Sie folgen dem deutschen Text und sehen, ob ich die richtige Stelle habe:

»Im übrigen hat die Deutsche Reichsregierung bei ihren Vorschlägen nie die Absicht gehabt, lebenswichtige Interessen Polens anzugreifen oder die Existenz eines unabhängigen Polnischen Staates in Frage zu stellen. Die Deutsche Reichsregierung ist unter diesen Umständen daher damit einverstanden, die vorgeschlagene Vermittlung der Königlich Britischen Regierung zur Entsendung einer mit allen Vollmachten versehenen polnischen Persönlichkeit nach Berlin anzunehmen. Sie rechnet mit dem Eintreffen dieser Persönlichkeit für Mittwoch, den 30. August 1939.

Die Reichsregierung wird die Vorschläge einer für sie akzeptablen Lösung sofort ausarbeiten und diese, wenn möglich, bis zur Ankunft des polnischen Unterhändlers auch der Britischen Regierung zur Verfügung stellen.«

Das ist der Teil, den der Angeklagte Göring unterstrichen hat, kurz vor dem Teil über die Entsendung des Bevollmächtigten?

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es unterliegt also keinem Zweifel, daß der Angeklagte Göring von der Wichtigkeit dieses Punktes überzeugt war.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Können Sie sich erinnern, daß der Angeklagte Göring zu dieser Zeit, während dieser Besprechung – in der Nacht vom 29. – eine große Tirade gegen die Polen vom Stapel ließ?

DAHLERUS: Das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will das nicht in Einzelheiten behandeln, aber er sagte doch dann zu Ihnen, daß der Führer ein sehr »großherziges Angebot« vorbereitet hätte?

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Um zu zeigen, wie großherzig dieses Angebot war, steckte er einen Teil von Polen ein. Das steht auch im Vorwort Ihres Buches.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hier sind zwei Punkte über das, was er einsteckte. Erstens war es viel mehr als das, was Deutschland unter dem Versailler Vertrag weggenommen worden war. Zweitens war es sehr verschieden von dem, was Ribbentrop in der folgenden Nacht an Henderson telegraphierte.

DAHLERUS: Das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und nun, Herr Dahlerus, ich glaube, daß ich selber es kaum besser ausdrücken kann als Sie mit Ihren eigenen Worten. Ich verweise auf Seite 75. Sie schreiben wie folgt; haben Sie es nicht so in Ihrem Buch niedergeschrieben, im zweiten Absatz:

»Diese Landkarte, die in diesem Buch wiedergegeben ist, ist außerordentlich interessant, da sie zeigt, mit welcher Schnelligkeit und Rücksichtslosigkeit diese Frage entschieden wurde. Ich hatte diese Landkarte bei mir, als ich einige Stunden später nach London abreiste. Es stellte sich aber heraus, daß die darin eingezeichneten Grenzen von dem bekannten Plan, den Ribbentrop mit größter Geschwindigkeit Henderson in der Nacht vom 30. zum 31. August vorlas, beträchtlich abwichen.«

Das heißt also weniger als 24 Stunden später.

DAHLERUS: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dann schreiben Sie weiter, was daraus zu ersehen war. Nun, man konnte daraus ganz klar erkennen, daß 24 Stunden vor dem Telegramm an Sir Nevile Henderson die Deutsche Regierung noch nicht ernsthaft erwähnt hatte, welchen Teil des Korridors sie verlangen würde und welchen nicht. Stimmt das? Göring schlug Ihnen in der Nacht vorher etwas ganz anderes vor; nicht wahr?

DAHLERUS: Den ersten Vorschlag brachte ich am Sonntag früh, dem 27., mit. Es handelte sich nur um den kleinen Korridor; aber nach diesem späteren Plan erweiterten sie ihre Ansprüche.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie erweiterten ihre Forderung, so daß das, was man Ihnen also vorlegte, und was Sie ankündigen sollten, nämlich, daß ein »großherziges Angebot« unterwegs sei, tatsächlich eine Vergrößerung der Ansprüche war, und tatsächlich wiederum verschieden war von dem, was der Angeklagte Ribbentrop in der nächsten Nacht vorschlug.

DAHLERUS: Das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie nun kurz über eine Besprechung vom 31. August befragen. Sie finden es auf Seite 87: Es ist die Besprechung, bei der Sir George Ogilvy Forbes Ihnen mitteilte, was Herr Lipski gesagt hatte. Ich möchte Sie nun bitten, mir zu sagen: Sie haben Herrn Lipski getroffen, nicht wahr?

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und selbstverständlich – das gleiche könnte wohl von jedem gesagt werden, sicherlich aber von Ihnen –, Herr Lipski litt während dieser sehr kritischen Tage an großer Überanstrengung?

DAHLERUS: Er war sehr nervös.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehr nervös. Und hat Sir George Forbes Ihnen nicht gesagt, daß Herr Lipski seine Ansicht ganz klar ausgedrückt hat, daß das deutsche Angebot eine Verletzung der polnischen Souveränität sei, und daß seiner Ansicht nach Polen, Frankreich und England fest zusammenstehen und eine gemeinsame Front bilden müßten, und daß Polen, falls es allein gelassen würde, allein kämpfen und allein sterben würde? Das war die Gemütsverfassung, in der sich Lipski damals befand, nicht wahr?

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was die anderen Punkte betrifft, so werde ich diese nicht im einzelnen behandeln; aber es besteht ein beträchtlicher und bedeutsamer Unterschied zwischen der polnischen Fassung des Instruktionstelegramms an Herrn Lipski und der Fassung, die Ihnen der Angeklagte Göring gezeigt hat.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Am Morgen des 1. September, glaube ich, sahen Sie Göring um 8.00 Uhr. Wäre es zutreffend, wenn man die Art und Weise, in welcher er Ihnen die Tatsache des Angriffs auf Polen beibrachte, dahingehend schildern würde, daß er Ihnen die Mitteilung über den stattgefundenen Angriff äußerst zögernd oder langsam machte.

DAHLERUS: Ja; so, daß ich daraufhin sofort London angerufen, mich mit dem Foreign Office in Verbindung gesetzt habe, jemandem die Mitteilung gemacht habe, daß auf Grund von mir zugegangenen Nachrichten Polen angegriffen sei; sie wollten natürlich wissen, was mit mir nun passieren würde, nachdem ich diese Informationen gegeben habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja – aber jedenfalls hat er schließlich zugegeben, daß sie Polen angegriffen hätten; und dann hatten Sie eine weitere Besprechung mit Hitler. Ich habe noch einen Punkt, über den ich Klarheit haben möchte. Ich glaube nicht, daß Sie dem Gerichtshof den Vorfall beschrieben haben, bei dem er sagte, daß er zehn Jahre lang kämpfen würde. Schauen Sie bitte auf Seite 98 nach.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dort steht, daß er nach den Worten: »Will ich zehn Jahre kämpfen«, seine Faust ballte und sich so weit bückte, daß sie beinahe den Fußboden berührte.

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich nehme daher an, daß er sich in derselben Gemütsverfassung befand, wie bei Ihrer vorhergehenden Besprechung.

DAHLERUS: Er war möglicherweise noch nervöser.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und zum Schluß nun noch einen Punkt. – Sehen Sie bitte auf Seite 102 nach, und dann bin ich mit Ihrem Buch fertig. Können Sie sich erinnern, daß Sie den Angeklagten Göring am Samstagmorgen, dem 2. September, gesprochen haben?

DAHLERUS: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagen hier:

»Zu meiner Überraschung war er heute mehr gewillt, sich meine Ansichten anzuhören. Ich war erstaunt darüber; denn wir hatten kaum in seinem privaten Salon wagen Platz genommen, als er mir sagte, daß es hieße, Mussolini wolle eine Vermittlerrolle übernehmen. Es hieß, Mussolini wolle mit aller Kraft versuchen, den Krieg zu beenden und vor allem seine Ausbreitung zu verhindern.«

Im nächsten Satz sagen Sie:

»Göring sagte, er wollte ein neues München herbeiführen.«

Ich möchte dies nicht unfair auslegen, und deshalb frage ich Sie, Herr Dahlerus, bezieht sich das »er« auf Göring oder Mussolini?

DAHLERUS: Ich glaube, es bezieht sich auf Mussolini.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie glauben, es bezieht sich auf Mussolini. Das habe ich mir gedacht; und wir brauchen deshalb nicht weiter darauf eingehen, außer, daß ich Sie folgendes fragen möchte:

Ich habe Sie kurz – und ich hoffe, daß ich fair gewesen bin – über die diesbezüglichen Punkte befragt, und nun möchte ich Sie fragen, ob diese Tatsachen – die, wie Sie zugeben, Tatsachen sind – die Grundlage Ihrer Meinung dafür bilden, daß es das Ziel der Deutschen Regierung einschließlich Görings war, Polen und Großbritannien auseinander zu bringen und Polen mit der Zustimmung Großbritanniens zu besetzen.

DAHLERUS: Wenn ich die Tatsachen, die ich später erfuhr, gekannt hätte...

DR. STAHMER: Ich glaube, daß diese Frage zu weitgehend ist. Ich muß daher dieser Frage widersprechen. Sie bezieht sich allgemein auf die Regierung und auf eine ganz bestimmte Anzahl von Personen. Außerdem ist es eine gutachtliche Äußerung und keine Tatsache, über die der Zeuge aussagen soll.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Frage lautet: Sind diese Tatsachen die Grundlage für Ihre Meinung?

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß diese Frage absolut zulässig ist und unmittelbar mit dem direkten Verhör zusammenhängt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und nun, Herr Dahlerus, Sie hatten gerade mit Ihrer Antwort begonnen. Ich hatte Sie gefragt: Sind diese Tatsachen, die ich Ihnen unterbreitet habe..

DR. SAUTER: Dann bitte ich aber, Herr Präsident, dafür sorgen zu wollen, daß geklärt wird, was unter der »Deutschen Regierung« verstanden werden soll, von der der Herr Ankläger andauernd spricht. Die Deutsche Regierung besteht aus einer ganzen Reihe von Ministern, und wenn hier andauernd von der Deutschen Regierung gesprochen wird, ohne daß gesagt wird, wer im einzelnen damit gemeint wird, dann muß der Eindruck entstehen, als ob jeder einzelne Minister dafür verantwortlich wäre und sich an diesen Verhandlungen beteiligt hätte, obwohl er in Wirklichkeit gar nichts gewußt hat. Ich vertrete einen dieser Minister, der von diesen Verhandlungen nichts gewußt hat, und ich habe deshalb ein Interesse daran, daß der Herr Ankläger die Liebenswürdigkeit hat, klarzustellen, wer eigentlich unter dieser »Deutschen Regierung« gemeint ist, ob also zum Beispiel der Wirtschaftsminister Funk auch damit gemeint ist, oder ob sich das bloß auf zwei oder drei andere Herren bezieht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender, ich nehme nicht an,...

VORSITZENDER: Wir stimmen durchaus nicht überein mit dem, was Dr. Sauter vorgebracht hat. Wir haben schon den Angeklagten Göring ausführlichst über die Frage der Zusammensetzung der Deutschen Regierung gehört, und es steht der Verteidigung offen, zum geeigneten Zeitpunkt vorzubringen, daß ihre Klienten der Regierung nicht angehörten. Die Verteidiger scheinen nicht zu verstehen, daß das, was sie Klarstellung nennen, bei der späteren, nochmaligen Vernehmung erfolgen kann. Dr. Stahmer wird Gelegenheit haben, den Zeugen nochmals zu vernehmen, und er kann dann Fragen, die sich aus diesem Kreuzverhör ergeben, stellen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Dahlerus! Ich will die Frage nun so formulieren: Sind diese Tatsachen, die Sie gehört haben und die Sie heute nachmittag zugegeben haben, sind diese die Grundlage für Ihre Ansicht, die Sie heute Morgen in Ihrer Antwort auf die Frage von Dr. Stahmer dargelegt haben?

DAHLERUS: Ja. Damals glaubte ich, ich könnte etwas dazu beitragen, um einen neuen Krieg zu verhindern, zumal ich eindeutig beweisen konnte, daß von seiten der Englischen Regierung alles geschehen ist, um den Krieg zu verhindern. Hätte ich jedoch gewußt, was ich heute weiß, würde mir schon damals klar geworden sein, daß meine Bemühungen auf keinen Fall Erfolg haben könnten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Wenn es gestattet ist, möchte ich noch einen anderen Punkt vorbringen. Dr. Stahmer fragte nach den Namen der englischen Großindustriellen. Es liegt mir als Vertreter der Englischen Regierung sehr viel daran, daß diese Angelegenheit ganz offen behandelt wird, und ich möchte deshalb das Gericht ergebenst ersuchen, Herrn Dahlerus schon allein aus diesem Grunde um diese Namen bitten zu dürfen.

VORSITZENDER: Gewiß, wenn Sie es wünschen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Dahlerus! Können Sie uns die Namen der Herren nennen, die Sie auf dem Gut Ihrer Gattin in Schleswig-Holstein getroffen haben?

DAHLERUS: Soll ich die Namen verlesen oder überreichen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Lesen Sie sie bitte.

DAHLERUS: Charles Mc Larn, S. W. Rossen, A. Holden, Sir Robert Renig, Bryon S. Mountain, C. F. Spencer, T. Menceford.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Vielen Dank.

VORSITZENDER: Will irgendein anderes Mitglied der Anklage den Zeugen ins Kreuzverhör nehmen?

Dr. Stahmer, wollen Sie den Zeugen nochmals verhören?

DR. HORN: Herr Präsident! Ich bitte, mir eine Anfrage zu erlauben. Darf ich fragen – ohne mißverstanden zu werden – warum heute Morgen diese Namen auf die Frage von Herrn Dr. Stahmer nicht verlesen werden durften?

VORSITZENDER: Warum stellen Sie diese Frage? Was hat das mit dem Fall Ribbentrop zu tun?

DR. HORN: Der Zeuge Dahlerus war außerdem dem Angeklagten von Ribbentrop genehmigt, und ich hatte mit Herrn Dr. Stahmer gewisse Fragen vereinbart. Auch mich haben diese Fragen interessiert, auch wegen dieser Mitglieder heute Morgen.

VORSITZENDER: Der Grund, warum die Namen heute früh nicht angegeben worden waren, war der der Zeitersparnis und der, daß wir die Namen dieser Herren für unerheblich hielten. Aber da Sir David Maxwell-Fyfe darum ersucht hat, daß sie vorgelesen werden, um allen Anschein, irgend etwas verbergen zu wollen, zu vermeiden, hat das Gericht die Erlaubnis dazu erteilt.

DR. HORN: Danke sehr.

DR. STAHMER: Herr Dahlerus! Sie sagten heute Morgen, daß Sie am 23. August in Stockholm von Göring angerufen worden seien, und daß er Ihnen mitgeteilt habe, daß die Lage bedrohlich geworden sei, und daß er Sie daher unbedingt sprechen müsse. Hat er Ihnen angegeben, aus welchem Grunde er die Lage in dem Augenblick als bedrohlich ansah?

DAHLERUS: Nein.

DR. STAHMER: Sie haben ihn auch nicht danach gefragt?

DAHLERUS: Nein.

DR. STAHMER: Sie sind dann nach Berlin gekommen am 24., haben sofort mit Göring Rücksprache genommen. Hat Göring Ihnen bei dieser Gelegenheit gesagt, wodurch die Lage inzwischen bedrohlich geworden sei?

DAHLERUS: Nicht ganz deutlich.

DR. STAHMER: Was hat er Ihnen über die Bedrohlichkeit gesagt? Worin bestand der Ernst der Lage?

DAHLERUS: Er ließ durchblicken, daß die Tatsache, daß die polnische Frage noch nicht gelöst sei, und daß auch keine Aussichten darauf bestünden, daß sie gelöst werden würde, die Situation verschärft habe. Er sagte ferner, daß es ganz von der britischen Stellungnahme und Initiative abhinge, ob eine Lösung gefunden werden könnte.

DR. STAHMER: Sie erfuhren also durch diese Antwort, daß Polen der Gefahrenpunkt sei?

DAHLERUS: Jawohl.

DR. STAHMER: Sie haben dann ja auch Vorschläge übermittelt am 27. August, die im wesentlichen eine Lösung der Polenfrage zum Gegenstand hatten?

DAHLERUS: Jawohl.

DR. STAHMER: Sie hatten heute Morgen auf meine Frage nach den Vorgängen vom 26. September nach meinen Notizen gesagt, Sie seien damals der Auffassung gewesen, daß Hitlers Pläne nicht ganz durchsichtig gewesen seien. Sie haben dann heute nachmittag von Göring gesprochen. Worauf ist dieser Unterschied in Ihrer Antwort zurückzuführen?

DAHLERUS: Damals mußte ich annehmen, daß die führenden Mitglieder der Deutschen Regierung eng zusammenarbeiteten.

DR. STAHMER: Sie hatten das nur also aus der Tatsache geschlossen? Sie haben ferner vorhin gesagt: wenn Sie wüßten, was Ihnen heute bekannt ist, dann hätten Sie sich nicht eingesetzt. Wodurch ist Ihre Meinungsänderung hervorgerufen?

DAHLERUS: Durch die inzwischen bekanntgewordenen Tatsachen, insbesondere während dieser Gerichtsverhandlung, und durch Veröffentlichungen.

DR. STAHMER: Um welche Tatsachen handelt es sich?

DAHLERUS: Die Ereignisse, die ich schon zitiert habe, die Erklärungen vom 11. April, vom 23. Mai und vom 22. August.

DR. STAHMER: Weitere Tatsachen haben Sie nicht?

DAHLERUS: Jawohl; aber das sind die Hauptpunkte.

DR. STAHMER: Welches sind die Nebenpunkte? Welches sind Ihre weiteren Bedenken?

DAHLERUS: Eins ist mein Erlebnis vom 26. September 1939, dann die Hitler-Rede vom 6. Oktober 1939, wie auch eine Reihe von Erklärungen, die später abgegeben wurden.

DR. STAHMER: Sie sprachen vorhin von einem Flugzeugabsturz, wenn ich Sie richtig verstanden habe, der durch Ribbentrop herbeigeführt werden sollte. Ist es wirklich Ihr Ernst gewesen?

DR. DAHLERUS: Ich habe meine Erklärung ja schon dahin verbessert, daß ich sagte, ich nehme an, daß es Ribbentrop war, da sein Name gerade eine Minute vorher erwähnt worden war.

DR. STAHMER: Ich habe noch eine Frage an den Zeugen. Wie verhält es sich mit der Karte über Polen, die angeblich von Göring gezeichnet worden ist?

DAHLERUS: Ich habe das Original dieser Karte in meinem Besitz.

DR. STAHMER: Und was wurde Ihnen als Erklärung gegeben?

DAHLERUS: Daß es sich um ein Gebiet handelte, in dem die Majorität Deutsche und nicht Polen waren.

DR. STAHMER: Wie erklären Sie dann die Differenz zwischen dem späteren Angebot und dieser Karte?

DAHLERUS: Ich kann nur annehmen, daß die Frage nicht gründlich diskutiert worden war, und daß verschiedene Vorschläge gemacht worden waren, ehe die endgültige Fassung vorgelegt wurde.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich entfernen, und die Verhandlung wird vertagt.