HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]

GÖRING: Ich habe hier einen Brief vor mir liegen vom 21. Februar 1944.

JUSTICE JACKSON: Dann haben Sie das falsche Beweisstück, es soll EC-317 sein, Seite 3.

GÖRING: Ja, Seite 3.

JUSTICE JACKSON: Wir wollen den Begleitbrief außer acht lassen. Ihre »Geheime Kommandosache« trägt das Datum 7. September 1943, nicht wahr?

GÖRING: Das ist richtig.

JUSTICE JACKSON: Und der Text ist folgender:

»Betr.: Räumung der Erntevorräte und Zerstörung der Produktionsmöglichkeiten der Land- und Ernährungswirtschaft in Teilen der besetzten Ostgebiete.

Auf Weisung des Führers ordne ich an:

I. In den Räumen ostwärts der von der Obersten militärischen Führung festgelegten Linie sind folgende Maßnahmen nach der jeweiligen militärischen Lage abschnittsweise durchzuführen. Die Abschnitte sind durch die OB der Heeresgruppen zu bestimmen:

1. Alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse, Betriebsmittel und Maschinen sind aus land- und ernährungswirtschaftlichen Betrieben abzutransportieren.

2. Die ernährungswirtschaftlichen Be- und Verarbeitungsbetriebe sind zu zerstören.

3. Die Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft, insbesondere die Unterlagen und Einrichtungen (Lager und so weiter) der ernährungswirtschaftlichen Erfassungsorganisationen sind zu vernichten.

4. Die in der Land- und Ernährungswirtschaft tätige Bevölkerung ist in Räume westlich der festgelegten Linie zu verbringen.«

Stimmt das?

GÖRING: Das ist absolut richtig; aber ich darf nun dazu folgende Erklärung abgeben. Es handelt sich hier um rein militärische Maßnahmen bei einem Rückzug. Darf ich zu den vier Punkten Stellung nehmen. Erstens habe ich neulich betont, daß wir außerordentlich zahlreiche landwirtschaftliche Betriebsmaschinen nach Rußland geschafft haben. Nachdem die Russen auf ihrem Rückzug damals alles zerstört haben, hatten wir um so weniger militärische Veranlassung, unsere dort aufgebauten und hingeführten Maschinen und Betriebe ihnen unzerstört in die Hände fallen zu lassen. Es handelt sich hier um einen militärisch dringend notwendigen Befehl, der bei einem Rückzug angeordnet worden ist, und der in der gleichen Weise wie vorher im umgekehrten Sinne durchgeführt wurde. Es handelt sich um keinerlei Privateigentum.

JUSTICE JACKSON: Und er trägt Ihre Unterschrift?

GÖRING: Ja, dieser Befehl trägt meine Unterschrift.

JUSTICE JACKSON: Ich möchte jetzt auf ein anderes Thema übergehen, Hoher Gerichtshof.

VORSITZENDER: Ja, wir lassen jetzt eine Pause eintreten.

[Pause von 10 Minuten.]

JUSTICE JACKSON: Ich möchte bitten, dem Zeugen ein Dokument vorzulegen, 3786-PS, von dem keine Abschriften vorhanden sind, da wir es erst in letzter Minute bekommen haben. Ich bitte Sie, dieses Dokument durchzusehen und mir zu sagen, ob Sie sich an die Besprechung erinnern, die in diesem Protokoll erwähnt ist.

GÖRING: Es handelt sich hier scheinbar um einen Bericht über eine Lage, wie sie täglich beim Führer ein- oder zweimal stattfand. Da diese Lage täglich ein- bis zweimal stattgefunden hat, kann ich mich natürlich mit keiner Exaktheit, ohne den Bericht gelesen zu haben, an die vom 27. Januar 1945 genau oder auch nur annähernd erinnern; denn solche Lagen habe ich im Laufe des Krieges unzählige Male mitgemacht.

JUSTICE JACKSON: Ich verweise Sie auf einen bestimmten Punkt im Protokoll. Das Protokoll erwähnt, daß der Führer, Sie selbst, Keitel und Jodl anwesend waren. Stimmt das?

GÖRING: Das steht hier auf Grund der Besprechungsnotiz.

JUSTICE JACKSON: Ich verweise Sie auf Seite 31 und ersuche Sie, das Protokoll mit mir durchzulesen und zu sagen, ob das Ihr Gedächtnis auffrischt. Es bezieht sich auf 10000 in Gefangenschaft befindliche Fliegeroffiziere, und ich zitiere die Aussprüche, die Ihnen zugeschrieben werden:

»Göring: Bei Sagan sind 10000 gefangene Fliegeroffiziere, die Bewachung ist beim BdE. Bewachungs- und Transportkräfte sollen nicht zur Verfügung stehen. Es wurde der Gedanke laut, ob man nicht die Gefangenen den sowjetrussischen Bundesgenossen überlassen soll. Sie würden 10000 Flieger bekommen.

Der Führer: Warum transportieren sie die nicht früher weg? Das ist eine Schlamperei sondergleichen.

Göring: Das ist der BdE. Wir haben damit nichts zu tun. Ich kann das nur melden.

Der Führer: Die müssen weg, und wenn sie im Treck zu Fuß marschieren. Da wird Volkssturm aufgeboten. Wer ausreißt, wird erschossen. Das muß mit allen Mitteln gemacht werden.

Göring: Das ist aus Sagan, da sind 10000 Mann.

Guderian: Im Abtransport ist die 4. Panzerdivision ganz abgerollt, ebenso die 227. Division. Von der 32. Division rollt jetzt der Rest. Dann kommt das Generalkommando des III. SS-Panzerkorps in der Nacht von heute zu morgen, und von morgen zu übermorgen die Division ›Nederland‹, die bereits heraus ist. Ebenfalls sind Teile von ›Nordland‹ bereits aus der Front herausgezogen.

Der Führer: Kriegen sie nun Nachersatz? Ist das schon im Anrollen?

Guderian: Das hat Fegelein veranlaßt. Er ist bereits bestellt, daß sie sofort aufgefrischt werden.

Der Führer: Es ist ganz klar, die Heeresgruppe Weichsel hat zunächst außer dem Korps Nehring, der einen Gruppe und dem, was sie an der Weichsel hat, nichts. Das muß organisiert werden. Das kommt jetzt erst von hier, zum Teil von Deutschland. Das muß gemacht werden. Trotzdem!

Göring: Wieviel Viehwagen braucht man für 10000 Männer?

Der Führer: Wenn wir sie nach deutschen Begriffen transportieren, brauchen wir für 10000 Männer mindestens 20 Transportzüge. Wenn wir sie nach russischen Begriffen transportieren, brauchen wir fünf oder drei.

Göring: Hosen und Stiefel ausziehen, daß sie bei Schnee nicht laufen können.«

Erinnern Sie sich an diesen Zwischenfall?

GÖRING: Ich kann mich an diesen Zwischenfall nur schwach erinnern.

Ich möchte jetzt, nachdem ich die Antwort gegeben habe, eine kurze Erklärung zu dem Wert dieses Dokuments abgeben:

Ich habe Sie so verstanden, daß dieses Dokument eben erst gekommen ist. Aber ich bin zu diesem Dokument schon lange vor Beginn des Prozesses gehört worden, und ich habe damals schon darauf aufmerksam gemacht, daß bei den Mitstenogrammen der Lage zwei Stenographen gleichzeitig mitschrieben, daß diese Lage oft vier bis fünf Stunden dauerte, und daß deshalb diese Stenogramme später immer außerordentlich haben überarbeitet werden müssen und daß vor allem bei Anwesenheit von vielen Herren besonders viele und besonders häufig Fehler in der Übermittlung vorgekommen sind, daß man Aussprüche, die der eine getan hat, im Protokoll als Ausspruch eines anderen wiedergefunden hat. Ich habe daher damals schon gesagt, daß ich mich an diese Aussprüche nicht nur nicht erinnern kann, sondern daß ich diese auch nach meiner Überzeugung keineswegs getan habe, sondern es handelte sich nur um die Bereitstellung der Kraftwagen zum Abtransport.

JUSTICE JACKSON: Ich darf wohl sagen, daß Sie über diesen Zwischenfall schon vernommen wurden, aber nicht über diese Niederschrift.

GÖRING: Mit Bezug auf diese Niederschrift und diesen Zwischenfall wurde ausdrücklich betont, daß es sich um ein Stenogramm des Lageberichtes handelt, und ich habe mich schon damals im ähnlichen Sinne geäußert. Es ist mir damals, das ist richtig, nicht vorgelegt worden.

JUSTICE JACKSON: Es ist nicht in Maschinenschrift, sondern als gewöhnliches Stenogramm aufgenommen worden.

Sie sind auch auf Seite 35 erwähnt. Ich verweise Sie hierauf und frage Sie, ob Ihnen auch das Folgende irrtümlicherweise zugeschrieben wurde:

»Göring: Die 10000 Gefangenen in Sagan soll Obergruppenführer Jüttner abtransportieren!« Möglicherweise ist meine Aussprache nicht zu gut.

»Der Führer: Die müssen mit allen Mitteln abtransportiert werden, da muß Volkssturm aufgeboten werden mit den energischsten Leuten. Fluchtversuch wird mit Erschießen geahndet.

Fegelein: Wir haben einen Mann dafür, der die KZs bewacht. Das ist Gruppenführer Glücks, der muß das machen.«

Hat sich das so abgespielt?

GÖRING: Das weiß ich nicht. Ich habe mich ja schon vorher geäußert, daß BdE den Abtransport leiten mußte, weil wir damit nichts zu tun haben. Welche Erörterungen im einzelnen die anderen Herren in dem Hin und Her dieser Gespräche gegeben haben, kann ich hier nicht voll bestätigen oder aussagen. Es ging darum, ob die 10000 übergeben oder abtransportiert werden sollten.

JUSTICE JACKSON: Jetzt will ich Ihnen eine oder zwei Fragen über die Bombardierung Warschaus stellen. Ist Ihnen bekannt, daß am 3. September das Haus des Amerikanischen Botschafters, das sich ungefähr 17 Kilometer außerhalb von Warschau befindet, von der deutschen Luftwaffe bombardiert wurde?

GÖRING: Nein, das ist mir nicht bekannt.

JUSTICE JACKSON: Ihre Luftwaffe hat viele Bilder von polnischen Dörfern und Warschau aufgenommen und sie unter das deutsche Volk verteilt. Ist das richtig?

GÖRING: Möglich. Darum habe ich mich nicht gekümmert. Dem deutschen Volke hat jedenfalls meine Luftwaffe keine Bilder verteilt. Es ist nur möglich, daß Bilder, die die Luftwaffe angefertigt hat, über die Propagandaabteilung in deutsche Zeitschriften gekommen sind; das ist möglich. Aber Verteilen in dem Sinne, daß die Luftwaffe unter das deutsche Volk Bilder gleich Flugblättern verteilte, ist niemals vorgekommen.

JUSTICE JACKSON: Die Luftwaffe hat die Bilder aufgenommen, um ihre Zielsicherheit festzustellen. Stimmt das?

GÖRING: Die Luftwaffe nimmt die Bilder auf, bevor man ein Ziel bombardiert und, nachdem ein Ziel bombardiert worden ist, wiederum zur Feststellung, ob das Ziel getroffen worden ist.

JUSTICE JACKSON: Ich lasse Ihnen fünf Bilder zeigen und frage Sie, ob das nicht Aufnahmen sind, die die Luftwaffe nach dem Angriff auf Polen aufgenommen hat?