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[Das Schriftstück wird dem Zeugen übergehen.]

Der Besprechung, über die ich gerade die Aktennotiz verlesen habe, folgte eine Woche später der Befehl, 731-PS, das Memorandum, 731-PS, worin folgendes steht:

»Der Führer hat über Maßnahmen gegenüber englisch- amerikanischen Flugzeugbesatzungen in Sonderfällen entschieden:

Abgeschossene feindliche Flieger sind ohne Standgericht zu erschießen, in folgenden Fällen:...«

VORSITZENDER: Herr Jackson! Sollten Sie nicht einen Abschnitt verlesen, der vier Zeilen vorher, nach dem »Bericht des Reichsmarschalls«, steht?

JUSTICE JACKSON: Ich hatte es nicht im Sinn, aber vielleicht sollte es für das Protokoll vollständig verlesen werden:

»Chef WFSt.

Bitte Befehlsentwurf anordnen!

W.« (Abzeichnung Warlimont) »K.« (Abzeichnung Keitel, Bleistiftvermerk Keitels.)

»Muß auch an den RfSS gehen.« (Bleistiftnotiz Jodls.) »(Gen. Korten teilt nach Vortrag des Reichsmarschalls mit:)« (Bleistiftnotiz Keitels.)

»Notiz:

Der Führer hat über Maßnahmen gegenüber englisch- amerikanischen Flugzeugbesatzungen in Sonderfällen entschieden:

Abgeschossene feindliche Flieger sind ohne Standgericht zu erschießen, in folgenden Fällen:

1. Bei Beschuß von am Fallschirm hängenden eigenen (deutschen) Flugzeugbesatzungen;

2. Bei Bordwaffenangriffen auf notgelandete deutsche Flugzeuge, in deren unmittelbarer Nähe sich Angehörige der Besatzungen befinden;

3. Bei Angriffen auf Eisenbahnzüge des öffentlichen Verkehrs;

4. Bei Bordwaffen-Tiefangriffen auf einzelne Zivilpersonen (Bauern, Arbeiter, Einzelfahrzeuge und so weiter).«

Nun ist da eine Korrektur eingefügt:

»Bei Bordwaffen-Tiefangriffen auf einzelne Zivilpersonen, zivile Einzelfahrzeuge und so weiter.«

Nicht wahr?

GÖRING: Bei mir: bei »Bordwaffen-Tiefangriff auf einzelne« ist »einzelne« ausgestrichen, und es stehen zwei Worte, die ich nicht lesen kann, darüber.

Vor »Einzelfahrzeuge« ist das Wort »zivile« gesetzt, und zu Punkt 2 steht:

»Das halte ich für bedenklich, denn die Zerstörung eines notgelandeten Flugzeuges kann man nicht als ›Gangstermethode‹ bezeichnen, sondern entspricht durchaus dem strengsten Maßstab einer gesitteten Kriegsführung.«

Es handelt sich hier um den gesamten Komplex, der in diesen Tagen spielte oder in diesen Wochen, und von dem neulich schon auch der Zeuge Brauchitsch berichtet hat.

JUSTICE JACKSON: Und diese Bemerkung über die Notlandung ist mit dem Buchstaben J. unterzeichnet, der Jodl bedeutet?

GÖRING: Sicherlich.

JUSTICE JACKSON: Ich glaube, das ist alles, was ich zu fragen beabsichtigte.

Es sind eine Reihe von Dokumenten vorhanden, die in diesem Zusammenhang vorgelegt werden sollten, und ich glaube, es wäre vielleicht am besten, sie heute Abend listenmäßig zusammenzustellen und morgen früh vorzulegen.

VORSITZENDER: Ja, Herr Jackson! Sie können sie dann alle vorlegen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Ihnen zuerst über die Angelegenheit der aus Stalag Luft III entkommenen englischen Fliegeroffiziere Fragen stellen. Erinnern Sie sich daran, in Ihrer Aussage erklärt zu haben, daß Sie von diesem Zwischenfall sehr genaue und eingehende Kenntnis hatten? Können Sie sich erinnern, daß Sie das gesagt haben?

GÖRING: Nein, daß ich genau Kenntnis bekommen habe, nicht, daß ich hatte, sondern bekommen habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann will ich Ihre eigenen Worte zitieren, wie sie niedergeschrieben wurden:

»Ich kenne diesen Vorfall ganz genau bis ins einzelnste. Er wurde mir aber unglücklicherweise erst später unterbreitet.« Das haben Sie vor einigen Tagen doch gesagt. Stimmt das?

GÖRING: Ja, so meinte ich das, daß ich den Vorfall genau kenne, aber ihn erst zwei Tage später erfahren habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben dem Gerichtshof erklärt, daß Sie damals auf Urlaub waren, gegen Ende März 1944. Stimmt das?

GÖRING: Jawohl, ich habe mich, soweit ich mich genau erinnern kann, habe ich mich den März über auf Urlaub befunden, bis wenige Tage vor Ostern.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagten, »wie ich beweisen kann«. Ich möchte, daß Sie dem Gerichtshof das Datum Ihres Urlaubes nennen.

GÖRING: Ich sage noch einmal, daß der ganze März nach meiner bestimmten Erinnerung dazu gehört, und als Beweis wollte ich die Personen anführen, die mit mir während dieses Urlaubs zusammen waren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte wissen, wo Sie Ihren Urlaub verbrachten.

GÖRING: Hier, in der Nähe von Nürnberg.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren also telephonisch vom Luftfahrtministerium oder von Breslau aus leicht zu erreichen, wenn man Sie gewünscht hätte?

GÖRING: Wenn man mich gewünscht hätte, wäre ich telephonisch zu erreichen gewesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt bitte ich Sie, mir bei ein oder zwei anderen Daten, die Sie erwähnt haben, behilflich zu sein. Sie sagen: »Ich habe ein oder zwei Tage später von dieser Flucht gehört.« Verstehen Sie mich richtig, Zeuge, ich befrage Sie im Augenblick über die Flucht und nicht über das Erschießen. Ich möchte das ganz klarstellen.

GÖRING: Das ist mir klar.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollten Sie damit sagen, daß Sie über die Flucht selbst ein oder zwei Tage nach ihrer Ausführung hörten?

GÖRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie davon durch Ihre Adjutantur oder durch Ihren Stabschef gehört?

GÖRING: Ich habe diese Sachen immer durch meinen Adjutanten gehört. Es waren ja mehrere Ausbrüche vorausgegangen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Richtig. Es gab eine Reihe von Ausbrüchen aus diesem Lager.

GÖRING: Ob aus diesem Lager, kann ich nicht genau sagen. Es waren kurz vorher mehrere Großausbrüche gewesen, die ich immer nur auf dem Wege über die Adjutantur gehört habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und jetzt wünsche ich, daß Sie dem Gerichtshof ein anderes Datum nennen. Sie sagen, bei Ihrer Rückkehr vom Urlaub habe Ihr Stabschef Ihnen eine Mitteilung gemacht. Wer war Ihr Stabschef?

GÖRING: General Korten war damals Stabschef.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Können Sie uns sagen, an welchem Tag er diese Mitteilung gemacht hat?

GÖRING: Nein, das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Über diesen Vorfall habe ich mit dem Chef meines Stabes, glaube ich, später gesprochen, wie ich ihn schon von anderer Seite gehört habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wer hat Ihnen zuerst davon berichtet? Hat Ihnen Ihr Stabschef über die Erschießungen berichtet? Sind Sie der Meinung, daß Ihnen ein anderer über die Erschießung berichtet hat?

GÖRING: Das kann ich jetzt nicht genau sagen, ob ich die Erschießung vom Chef des Stabes oder von anderer Seite erfahren habe. Aber jedenfalls habe ich dann mit dem Chef des Stabes darüber gesprochen, über diese Tatsache.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wann haben Sie darüber mit Ihrem Stabschef gesprochen?

GÖRING: Das kann ich Ihnen aus dem Gedächtnis auf den Tag und das Datum nicht sagen, aber es muß um die Osterzeit gewesen sein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das wäre ungefähr Ende März gewesen, nicht wahr?

GÖRING: Nein, es kann auch Anfang April gewesen sein, die erste Hälfte April.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dann hatten Sie eine Unterredung mit Himmler, wie Sie ausgesagt haben?

GÖRING: Mit Himmler habe ich darüber gesprochen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Können Sie das genau festlegen?

GÖRING: Auf den Tag kann ich das natürlich nicht festsetzen. Ich habe Himmler gesehen und bei der ersten Gelegenheit, nachdem ich von dem Vorfall erfahren hatte, ihn darauf angesprochen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können also das Datum Ihrer Rückkehr vom Urlaub, oder der Besprechung mit Ihrem Stabschef, nicht genau festlegen, auch nicht irgendein anderes Datum oder Ostern?

GÖRING: Das ist ohne jede Unterlage heute für mich, auf den Tag, wie gesagt, unmöglich. Ich kann Ihnen nur den ungefähren Zeitabschnitt nennen, und das habe ich getan.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben vor ein paar Tagen die Erklärung abgegeben, Sie könnten beweisen, wann Sie auf Urlaub waren. Soll ich jetzt annehmen, daß Sie sich nicht der Mühe unterzogen haben, Ihr Urlaubsdatum nachzuprüfen?

GÖRING: Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß ich im März auf Urlaub war. Ob ich nun am 26. oder 28. oder 29. März zurückgekommen bin, das kann ich Ihnen nicht sagen und dazu müßte man zum Beweise meine Begleitung fragen, die vielleicht dieses Datum genauer fixieren könnte. Ich weiß nur die Tatsache, daß ich im März dort war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zeuge, wäre es Ihnen gegenüber nicht fair, das letzte der von Ihnen genannten Daten, den 29. März, als Ausgangspunkt zu nehmen?

GÖRING: Wir würden zweckmäßiger davon ausgehen, daß Sie mir sagen würden – ich habe das nicht im Kopf –, wann Ostern in diesem Jahr gewesen ist, dann kann ich leichter ungefähr auf dieses Datum kommen, da ich weiß, daß ich einige Tage vor Ostern nach Berchtesgaden zurück bin, um das Fest mit meiner Familie zu begehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie fuhren einige Tage vor Ostern nach Berchtesgaden zurück?

GÖRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie kamen also einige Tage vorher vom Urlaub zurück. Sie kamen von Ihrem Märzurlaub zurück, bevor Sie nach Berchtesgaden gingen?

GÖRING: Berchtesgaden war damals gleichzeitig das Hauptquartier vom Führer. Ich kam also vom Urlaub nach Berchtesgaden, und damit endete mein Urlaub, weil ich mich wieder in die Geschäfte einschaltete. Die Rückkehr, also nach Berchtesgaden, müssen Sie gleichsetzen mit der Beendigung meines Urlaubes.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich kann Ihnen nicht so ohne weiteres das Osterdatum nennen. Aber ich erinnere mich zufällig, daß Pfingsten am 28. Mai war. Ostern wäre demnach frühzeitig, ungefähr am 5. April, gewesen. Ihr Urlaub wäre daher ungefähr Ende März, vielleicht am 26. oder 29. März zu Ende gegangen. Das stimmt, nicht wahr? Nun, die Erschießungen dieser Offiziere fanden in der Zeit vom 25. März bis zum 13. April statt. Wissen Sie das?

GÖRING: Das weiß ich nicht so exakt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können mir das glauben; denn über diese Erschießung liegt ein offizieller Bericht vor, und ich will Ihnen gegenüber durchaus fair sein. Nur 49 dieser Offiziere wurden an diesen Daten erschossen, so weit wir feststellen können, am 6. April, und einer am 13. April oder später. Die kritische Periode aber ist Ende März, und wir dürfen annehmen, daß Sie ungefähr am 29. März von Ihrem Urlaub zurück waren.

Jetzt möchte ich gerne, daß Sie dem Gerichtshof bestätigen, daß dies eine sehr wichtige Angelegenheit war. Es wurde als ein sehr wichtiges Vorkommnis angesehen?

GÖRING: Eine außerordentlich wichtige Angelegenheit.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: General Milch, ich bitte um Verzeihung, Feldmarschall Milch hat die Erklärung abgegeben, daß es eine Angelegenheit war, die das Interesse höchster Stellen beanspruche, und Sie sagten meines Wissens, Sie wüßten, daß diese Offiziere auf Grund einer Entscheidung von Hitler erschossen werden sollten. Stimmt das?

GÖRING: Die Frage ist hier nicht klar durchgekommen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es war Hitlers Entscheidung, daß diese Offiziere erschossen werden sollten?

GÖRING: Das ist richtig; das habe ich als solches später erfahren, daß es sein Befehl war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt möchte ich, daß Sie sich noch an etwas anderes erinnern. Nachdem dieser Vorfall bekannt geworden war, hat der britische Außenminister Eden sofort erklärt, England werde diese Mörder zur Rechenschaft ziehen. Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: An die Unterredung oder an die Unterhausansprache von Mr. Eden kann ich mich nicht erinnern. Ich kenne selbst den Inhalt nicht, bis heute nicht. Ich habe nur gehört, daß er im Parlament über diesen Vorfall gesprochen hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt sagen Sie bitte dem Gerichtshof, wer die daran beteiligten Personen in Ihrem Ministerium waren. Ich werde sie Ihnen nennen, es wird die Sache abkürzen, und, wenn Sie nicht einverstanden sind, dann können Sie mich verbessern.

Der Kommandant von Stalag Luft III war Oberst von Lindeiner aus Ihrem Amte. Stimmt das?

GÖRING: Das ist durchaus möglich. Im einzelnen kannte ich die Kommandanten ja nicht. Gegen diesen ist ein Kriegsgericht eingesetzt worden und zwar, weil der Ausbruch möglich war. Er hatte aber nichts mit den Erschießungen zu tun.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, aber er war der Kommandant des Lagers, und Sie hatten wahrscheinlich das Verfahren vor dem Zentralluftwaffengericht, das ihn wegen Pflichtvernachlässigung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt hat, zu prüfen und zu bestätigen. Das wurde Ihnen doch vorgelegt, nicht wahr? Wurde es Ihnen nicht zur Prüfung unterbreitet?

GÖRING: Nein, erst bei höheren Strafen. Ein Jahr Gefängnis wurde mir nicht vorgelegt, aber ich weiß und möchte das bestätigen, daß ein Gerichtsverfahren wegen Vernachlässigung seiner Pflichten bei dem Ausbruch durchgeführt worden ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Im Mai 1943 ist die Inspektion 17 zwischen der Luftwaffe und der Abteilung des OKW für Kriegsgefangenenwesen eingeschaltet worden. Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: Die Einzelheiten darüber kenne ich nicht über Inspektionen und inwieweit es das Kriegsgefangenenwesen OKW betrifft, und wie es sonst war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will Sie nur an Ihre eigenen Offiziere erinnern. Sie wissen, Zeuge, daß Ihre eigenen Offiziere in diese Angelegenheit verwickelt waren. Ich will Sie nur daran erinnern, wer beteiligt war. Der Leiter der Inspektion 17 war Generalmajor Grosch von der Luftwaffe, stimmt das?

GÖRING: Generalmajor Grosch ist von der Luftwaffe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben vor dem Gerichtshof vor einigen Tagen ausgesagt, ich zitiere Ihre eigenen Worte, daß Sie den Vorfall auf Grund von Informationen genauestens kannten. Sie sagen jetzt, daß Sie nicht wissen, daß Generalmajor Grosch Leiter der Inspektion 17 der Luftwaffe war?

GÖRING: Das hat ja damit gar nichts zu tun. Ich habe dem Gerichtshof gesagt, daß ich den Vorfall über die Erschießung der Flieger nachher ganz genau erfahren habe, aber das hat ja mit dem General Grosch und seinem Inspektorat nichts zu tun, denn dieser war ja bei der Erschießung nicht beteiligt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde Ihnen diese Verbindung in einer Minute klar machen, wenn Sie nur meine Fragen beantworten wollen.

War Oberst Walde Grosch direkt unterstellt? Können Sie sich daran erinnern?

GÖRING: Die Einzelheiten der Organisation der Gefangeneninspektion und ihrer Führer, und wie sie besetzt waren, kenne ich nicht. Jedenfalls nicht auswendig. Ich möchte noch einmal betonen, daß hier keine Verwechslung eintritt, als ich sagte, ich kenne die Sache genau, so meine ich damit, daß ich die Tatsache, wie der Befehl zustande gekommen ist, und daß die Leute erschossen worden sind, daß ich das genau erfahren habe, aber die Zusammenhänge meine ich damit nicht, mit den einzelnen Inspektionen, Fluchtmöglichkeiten und so weiter.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hatte General Grosch, als Chef der Inspektion 17, an General Förster, den Leiter der Operationsabteilung im Luftfahrtministerium, Bericht zu erstatten?

GÖRING: Das kann ich Ihnen, ohne daß ich das Diagramm der Unterstellung hier habe, nicht sagen. General Förster war zu dieser Zeit, glaube ich, Chef der Luftwehr, oder eine ähnliche Bezeichnung, im Ministerium. Ich habe mich an sich um diese Dinge weniger gekümmert, weil sie nicht unmittelbar taktischer, strategischer oder rüstungsmäßiger Art waren. Aber es ist durchaus möglich und sicher, daß er ministeriell dieser Abteilung unterstand.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Kurz gesagt, wenn Sie es nicht wissen, dann lasse ich es für den Augenblick.

Wußten Sie, daß Generalmajor von Graevenitz Chef der Abteilung für Kriegsgefangenenwesen des Angeklagten Keitel war?

GÖRING: General Graevenitz, seinen Namen habe ich erst hier erfahren, denn diese Abteilung hatte ja keine direkte Berührung mit mir. Ich kann ja nicht alle militärischen Unterführer in ihren hunderten und tausenden Abteilungen kennen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich nehme also an, daß Sie auch Oberst, jetzt General Westhoff in der von Graevenitz geleiteten Abteilung nicht kannten.

GÖRING: Westhoff habe ich überhaupt nicht gesehen. Er gehörte auch nicht der Luftwaffe an.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich behaupte nicht, daß von Graevenitz und Westhoff der Luftwaffe angehört haben; ich wollte nur klarstellen, daß sie meiner Ansicht nach zur Organisation des General Keitel gehörten.

GÖRING: Ich kannte sie beide nicht und kannte auch ihre Dienststellung nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Sie noch immer einen bedeutenden Einfluß im Reich, stimmt das?

GÖRING: Zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Es handelt sich um den Zeitpunkt 1944; durchaus nicht mehr.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, aber Sie waren noch immer Chef der Luftwaffe und des Luftfahrtministeriums, nicht wahr?

GÖRING: Das war ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und als Chef der Luftwaffe und des Luftfahrtministeriums waren Sie doch für sechs Kriegsgefangenenlager für die gesamte Kriegszeit bis zu diesem Zeitpunkt verantwortlich? Stimmt das?

GÖRING: Wieviel Kriegsgefangenenlager es waren, weiß ich nicht. Aber für die meinem Ministerium unterstellten trage ich selbstverständlich die Verantwortung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Für die von der Luftwaffe?

GÖRING: Ja, die der Luftwaffe unterstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten von den allgemeinen Plänen über die Behandlung von Kriegsgefangenen, die als Aktion »Kugel« hier vorgelegt wurde, nicht wahr?

GÖRING: Nein, von dieser Aktion wußte ich nichts, sie ist mir nicht mitgeteilt worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wurden niemals über die Aktion »Kugel« unterrichtet?

GÖRING: Von der Aktion »Kugel« habe ich erst hier gehört, das Dokument zum erstenmal gesehen und auch den Ausdruck gehört; es hat mir auch niemals ein einziger Offizier aus der Luftwaffe gemeldet, und ich glaube das auch nicht, daß ein einziger Offizier aus den Luftwaffenlagern abtransportiert worden ist in dieser Richtung. Jedenfalls ist die Meldung niemals an mich gemacht worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen doch, was die Aktion »Kugel« war: Entkommene Offiziere und Unteroffiziere, die nicht Engländer und Amerikaner waren, sollten der Polizei übergeben und nach Mauthausen gebracht werden. Dort wurden sie durch eine Vorrichtung, bestehend aus einem Gestell zur Messung der Körpergröße, in das eine Schußwaffe versteckt eingebaut war, erschossen, während sie noch im Glauben an die Verteilung ihrer Gefangenenkleidung gehalten wurden.

Sie wissen doch, was die Aktion »Kugel« ist, nicht wahr?

GÖRING: Das habe ich hier gehört.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, Sie hätten nicht gewußt, daß entkommene Kriegsgefangene, die von der Polizei wieder gefangen worden waren, bei ihr zurückgehalten und dann nach Mauthausen gebracht wurden?

GÖRING: Nein, das habe ich nicht gewußt. Ich hatte hingegen soundso oft Ausbrüche aus meinen Lagern, die durch die Polizei wieder gefangen wurden, sie sind alle in die Lager zurückgebracht worden, und dieser vorhin war der erste Fall, wo das zum Teil nicht geschah.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: War Ihnen nicht bekannt, daß Oberst Walde als stellvertretender Chef der Inspektion Ihres Ministeriums einen Monat vorher, im Februar 1944, einen schriftlichen Befehl erlassen hatte, nach dem alle von der Luftwaffe wiederaufgegriffenen Kriegsgefangenen in ihre Lager zurückgebracht werden sollten, und nach dem die von der Polizei aufgegriffenen Kriegsgefangenen von dieser festzuhalten seien und nicht mehr dem Schutze der Luftwaffe unterstehen sollten. Wußten Sie das nicht?

GÖRING: Nein, ich bitte dann diesen Oberst vorzuladen, ob er mir jemals darüber eine Meldung gemacht hat, oder an mich einen solchen Schriftwechsel richtete.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich kann natürlich nicht sagen, ob Ihr Ministerium gut geführt wurde oder nicht. Aber er hat diesen Befehl sicher erlassen, denn er gibt dies selbst zu.

GÖRING: Dann muß er ja sagen, von wem er diesen Befehl bekommen hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er sagt, er habe diesen Befehl erteilt, und Sie wissen genau so gut wie ich, daß man mit Kriegsgefangenen sorgfältig umgehen muß, weil eine Schutzmacht alle Beschwerden untersuchen kann. Sie haben die Konvention doch niemals gekündigt, und Sie haben während des ganzen Krieges die Vorteile beansprucht, die das Bestehen einer Schutzmacht Ihnen in diesen Angelegenheiten gewährt hat. Stimmt das?

GÖRING: Das ist richtig, aber ich erlaubte mir zu fragen, wer ihm den Befehl gegeben hat, ob er ihn von mir bekommen hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er wird den Befehl wohl nicht von Ihnen direkt bekommen haben. Ich glaube nicht, daß Sie ihn jemals kennengelernt haben. Er wird ihn wohl von Generalmajor Grosch bekommen haben, nicht wahr?

GÖRING: Dann möchte Grosch sagen, ob er einen solchen Befehl von mir bekommen hat. Ich habe einen solchen Befehl nicht gegeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie behaupten, Sie hätten niemals gehört – und dies dreieinhalb Jahre nach Kriegsbeginn –, daß ausgebrochene Kriegsgefangene der Polizei übergeben werden mußten. Sie wollen, daß der Gerichtshof Ihnen das glaubt?

GÖRING: Soweit ausgebrochene Kriegsgefangene irgendwelche Vergehen oder Verbrechen begangen halben, wurden sie selbstverständlich der Polizei übergeben, glaube ich; aber, daß sie nur wegen ihres Ausbruchsversuches und nur wegen ihres Fluchtversuches der Polizei oder einem Konzentrationslager zugeführt wurden, oder ein solcher Befehl gegeben wurde, das will ich allerdings hier vor dem Gericht bestätigen, daß ich das weder gewußt, noch einen solchen Befehl gegeben habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun meine letzte Frage: Ich möchte unbedingt klarstellen, Zeuge, daß ich die ausgebrochenen und von der Polizei wieder aufgegriffenen Kriegsgefangenen im Auge habe. Wußten Sie nicht, daß diese der Polizei übergeben wurden?

GÖRING: Nein, nur wenn sie Verbrechen begangen hatten auf der Flucht, Mord oder sonstiges, das kam ja auch vor.