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[Kurze Pause.]

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben mir erklärt, Zeuge, daß die Pläne, Polen am Morgen des 26. anzugreifen, am Abend des 25. geändert wurden. Bevor ich dazu komme, möchte ich Ihnen ein oder zwei Fragen stellen.

GÖRING: Nein, das habe ich nicht gesagt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Augenblick bitte, es tut mir leid, aber ich habe Ihre Ausführungen so aufgefaßt.

GÖRING: Nein. Ich habe ausdrücklich erklärt, daß bereits am 25. der Angriff für den 26. morgens abgesagt war. Es ist ja auch technisch und militärisch unmöglich, am Abend des 25. einen Großangriff einer ganzen Wehrmacht für den nächsten Morgen abzusagen.

Das Kürzeste ist mindestens von 24 bis 48 Stunden. Ich habe ausdrücklich gesagt, am 25. war die Situation klar.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Damals haben Sie Dahlerus ersucht, am 24. nach England zu gehen. Damals bestand noch immer der Plan, daß der Angriff am 26. erfolgen sollte. Hatten Sie nicht die Absicht, Dahlerus nach England zu senden, um die Britische Regierung zu veranlassen, ihre nächsten Schritte im Augenblick des Beginns des Angriffs zu beraten, um damit der Britischen Regierung größere Schwierigkeiten zu bereiten?

GÖRING: Nein, ich betone ja, ich sollte noch die Unterlage bekommen, wegen der Daten, daß, als ich damals Dahlerus schickte, und als zu diesem Zeitpunkt Sir Nevile eine Notiz Hitlers übergeben wurde, war der Angriff vom 26. abgesagt und verschoben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Darf ich Sie daran erinnern, was Sie am 29. August selbst sagten: »Es war am 25. August 5.30 Uhr, am Tage, als England seine offizielle Garantie an Polen gab. Der Führer rief mich telephonisch an, daß er die geplante Invasion abgeblasen hätte. Ich fragte ihn, ob das nur temporär oder endgültig wäre. Er sagte: ›Nein, ich muß erst sehen, ob wir die englische Intervention ausschalten können.‹ Ich fragte ihn: ›Wird das Ihrer Meinung nach innerhalb von 4 oder 5 Tagen entschieden sein?‹« Stimmt das?

GÖRING: Das habe ich so gesagt, aber ich habe nicht gesagt, daß das am 25. war, sondern als der Führer über die Garantie, die gegeben wurde, im klaren war. Ich betone noch einmal...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das habe ich Ihnen zitiert. Als die offizielle Garantie gegeben wurde, erfolgte die Unterzeichnung des Vertrags am 25. August, 5.30 Uhr nachmittags. Ich halte Ihnen Ihre eigenen Worte vor. Nachher rief Sie der Führer an und erklärte Ihnen, daß die Invasion abgeblasen sei. Wollen Sie Ihre eigenen Erklärungen widerrufen, daß dies geschah, nachdem die offizielle Garantie an Polen gegeben worden war?

GÖRING: Ich habe noch einmal betont, nachdem wir wußten, daß diese Garantie gegeben würde. Es ist Ihnen selbstverständlich auch klar, daß, wenn die Unterzeichnung am 25. um 5.30 Uhr nachmittags war, sie frühestens der Führer etwas später hätte haben können, dann erst die Führer hätte zusammenrufen müssen, daß also frühestens in der Nacht des 25. zum 26. ein Angriff hätte abgeblasen werden müssen. Jeder militärische Sachverständige muß feststellen, daß das eine absolute Unmöglichkeit ist, sondern gemeint in meiner Aussage war, als sich der Führer klar war, daß diese Garantie gegeben wurde. Ich betone außerdem noch einmal, daß ich dieses Protokoll nicht gesehen, auch nicht beeidigt habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich gebe zu, daß mir darüber nichts bekannt ist. Ich weiß nicht, ob Sie zu jener Zeit noch Hitlers Vertrauen genossen haben oder nicht. Aber es ist doch eine Tatsache, daß Signor Attolico Hitler am 25. erklärte, daß die italienische Armee und Luftwaffe für einen Feldzug noch nicht bereit seien? Wurde Ihnen das mitgeteilt?

GÖRING: Das wurde mir selbstverständlich gesagt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und aus diesem Grunde wurden die Befehle für den Angriff am 26. abgeblasen? Stimmt das?

GÖRING: Nein, das ist unter keinen Umständen richtig. Denn mit der Einspringung der italienischen Hilfe war es so, daß sie von vielen Seiten sowieso bezweifelt wurde, und schon in den ganzen Tagen der Spannung vorher war es sichtbar, durch ganz bestimmte Forderungen, die seitens der Italiener gestellt und die zu erfüllen unsererseits unmöglich war, daß Italien dieser Situation ausweichen würde. Es war die Überzeugung des Führers, daß das englische Garantieabkommen mit Polen deshalb abgeschlossen wurde, weil die Englische Regierung unterdessen von der Haltung Italiens, nicht als Bundesgenosse mitzumarschieren, Kenntnis bekommen hatte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will Ihnen nunmehr Ihre eigene Erklärung über die Ausführungen des Führers entgegenhalten: »Wir müssen nunmehr sehen, ob wir den britischen Eingriff eliminieren können.« Stimmt es nicht, daß Sie durch Herrn Dahlerus in jeder Weise versuchten, den englischen Eingriff auszuschalten?

GÖRING: Das habe ich doch zu keinem Augenblick bestritten. Es war doch meine ganze Absicht nur, den Krieg mit England zu vermeiden. Wenn dieser Krieg zu vermeiden gewesen wäre, auf der Basis eines Arrangements mit Polen, so wäre das angenommen worden. Wenn der Krieg mit England zu vermeiden gewesen wäre, trotz eines Krieges mit Polen, so war das auch meine Aufgabe. Das geht am klarsten daraus hervor, daß selbst nach Beginn des Polenkrieges am 1. September 1939 ich noch alle Anstrengungen machte, mit England zu keinem Krieg zu kommen und seine Ausweitung zu verhindern.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mit anderen Worten, Sie versuchten, vom 25. ab England zu bewegen, daß es dem Reiche helfen möge, die Rückgabe Danzigs und des polnischen Korridors zu erreichen? Ist das richtig?

GÖRING: Es ist selbstverständlich ganz klar ausgedrückt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, können Sie sich an Ihre Besprechung mit Herrn Dahlerus erinnern? Es handelt sich um jene Besprechung, während welcher Sie Teile einer Landkarte mit Farbstift markierten. Ich will Sie nur daran erinnern. Wenn ich bloß sage, am 29. August, 11.30 Uhr, würde Ihnen das nicht viel bedeuten. Ich möchte, daß Sie sich daran erinnern, um eine oder zwei Fragen darüber stellen zu können.

Erinnern Sie sich, daß Sie damals anläßlich der Unterredung sehr erregt waren, die stattfand, als Hitler dem Botschafter Henderson die deutsche Antwort überreichte und von dem Ultimatum die Rede war? Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: Selbstverständlich war ich erregt, weil das ja meine ganze Situation plötzlich sehr erheblich gestört hatte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Habe ich recht, wenn ich nunmehr behaupte, daß Herr Dahlerus auf Seite 72 seines Buches erklärt, daß Sie eine Rede, die ziemlich starke Äußerungen gegen die Polen enthielt, vom Stapel ließen? Erinnern Sie sich, daß Sie seinem Zitat gemäß ausriefen: »Wir kennen die Polen.« Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: Selbstverständlich. Sie müssen die Lage damals bedenken. Ich hatte ja auch die Nachricht von den Übergriffen gehört, und ich werde mich doch nicht hinstellen und dem neutralen Dahlerus sagen: »Hier steht Deutschland vollkommen schuldig, drüben stehen die vollkommen unschuldigen Polen«, sondern ich habe aus der Situation, das ist richtig, diese Äußerung getan.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sind Sie nicht stets ein Bewunderer Bismarcks gewesen?

GÖRING: Ich bewundere Bismarck absolut, habe aber nie behauptet, daß ich ein Bismarck bin.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, das habe ich nicht gemeint; ich dachte, Sie hätten seine Bemerkungen über die Polen in Erinnerung gehabt. Erinnern Sie sich an seine Äußerung: Haut doch die Polen, daß sie am Leben verzagen. Dachten Sie zu jener Zeit daran?

GÖRING: Nein, an solche Gedanken habe ich um so weniger gedacht, als ich jahrelang aufrichtig die Freundschaft mit Polen gepflegt habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sind über Ihre allgemeinen Absichten ziemlich offen gewesen, und ich will keine Zeit mehr darauf verwenden, sondern ein oder zwei untergeordnete Punkte besprechen.

Sie erinnern sich an die von mir vorgelesenen Stellen aus dem Dahlerus-Buch über das Flugzeug und die Sabotage. Er erwähnt, daß Sie unter Nennung des Angeklagten Ribbentrop erklärten, erinnern Sie sich an diese Stelle? Sie haben hierzu Ihre Erklärungen gegeben und ich möchte nur...

GÖRING: Ich habe die Erklärung völlig klar gegeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, Ihre Erklärung war, daß Herr Dahlerus Ihre Sorge, daß sein Flugzeug während des Fluges abgeschossen werden könnte, falsch ausgelegt hätte. Habe ich Ihre Erklärung ungefähr richtig wiedergegeben? Sie sagten, daß Herr Dahlerus das verwechselt habe. Es wäre Ihre Sorge gewesen, sagten Sie, daß das Flugzeug des Herrn Dahlerus nicht abgeschossen werden sollte. Ist das korrekt. So habe ich das verstanden.

GÖRING: Nein, ich habe das, glaube ich, ganz klar zum Ausdruck gebracht. Wenn Sie wollen, kann ich es wiederholen. Ich habe gesagt, Dahlerus hat selbst hier auf dem Zeugenstand die Worte gebraucht: »Ich muß mich korrigieren«, als er von Ribbentrop gesprochen hat. »Ich habe«, spricht Dahlerus, »die Kombination Ribbentrop gemacht, weil kurz vorher der Name in anderem Zusammenhang fiel.« Ich habe daraufhin erklärt, daß meine Sorge tatsächlich, daß etwas passieren könnte, gegeben war. Das habe ich ausführlich ausgeführt und brauche es nicht mehr zu tun. Ich betone noch einmal...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Frage, die ich an Sie gerichtet habe, Zeuge, ich glaube, wir stimmen darin überein, bezog sich auf Ihre Sorge wegen seines Flugzeuges, und ich möchte darauf hinweisen und es Ihnen gegenüber ganz klarmachen, daß diese Begebenheit sich nicht an dem Tage zutrug, als Dahlerus sich zu seinem dritten Besuch anschickte, sondern während er in England war und Sie während seines zweiten Besuches dort telephonisch anrief. Er hat Sie am Abend des 27. August angerufen und erklärt auf Seite 59 seines Buches:

»Vor Verlassen des Außenministeriums rief ich Göring an, um ihm von meiner Abreise nach Berlin im Flugzeug um 7 Uhr abends Mitteilung zu machen. Er erklärte, daß ihm dies ziemlich spät zu sein scheine, es würde dunkel werden und er befürchte, daß mein Flugzeug von den Engländern oder über deutschem Gebiet abgeschossen werden könnte. Er bat mich, am Telephon zu warten und kehrte nach einer Minute zurück mit einer genauen Beschreibung der Route, nach welcher das Flugzeug über Deutschland zu fliegen habe, um nicht Gefahr zu laufen, abgeschossen zu werden. Er versicherte mir auch, daß die Flakbatterien entlang dem Kurs des Flugzeuges unterrichtet werden würden.«

Ich möchte bemerken, daß Ihre Erklärung unrichtig ist, und daß sie diese mit jenem früheren Zwischenfall, von dem Dahlerus spricht, verwechselt haben. Herr Dahlerus hat vollkommen recht, wenn er über den zweiten Zwischenfall spricht, der sich zwei Tage später ereignete.

GÖRING: Das widerspricht einander durchaus nicht. Beim ersten Fluge handelt es sich darum, daß es schon bei Dunkelheit war, also eine ganz erhöhte Gefahr; und beim zweiten, betone ich nochmals, hatte bereits die Kriegsbereitschaft aller Länder den Grad erreicht, daß das Fliegen bedenklich war. Ich betone nochmals, daß sich Dahlerus auf die Frage meines Verteidigers korrigieren mußte, daß ich ihm nicht gesagt habe, daß Ribbentrop einen Anschlag vorbereitet hätte und betone zum letzten Male, daß Ribbentrop von meinen Verhandlungen mit Dahlerus nichts gewußt hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Behaupten Sie das wirklich? Können Sie sich daran erinnern, daß am 29. August – zuerst am 28. August 1939, abends 10.30 Uhr, Henderson und Hitler ihre Besprechung hatten? Das war vor Beginn dieser Schwierigkeiten. In dieser Besprechung zog Hitler direkte Verhandlungen mit Polen in Betracht. Er sagte: Wir müssen Feldmarschall Göring rufen, um die Frage mit ihm zu besprechen. Das steht in unserem Blaubuch und, soviel ich weiß, wurde dies niemals bestritten. Sie wurden zu dieser Besprechung gerufen, die zwischen Hitler, Ribbentrop und Sir Nevile Henderson stattfand.

GÖRING: Nein, ich muß unterbrechen. Der Führer sagte: Wir müssen ihn holen. Ich bin aber nicht geholt worden, das sagt auch das Blaubuch nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber auf Grund der Aufzeichnungen des Herrn Dahlerus sagte er:

»Während unserer Besprechung beschrieb Göring, wie er sofort nach der Abreise von Henderson zu Hitler berufen worden war, und wie Hitler, Göring und Ribbentrop die mit Henderson gehabte Konferenz besprachen und wie befriedigt alle drei mit dem Ergebnis waren. In diesem Zusammenhang wandte sich Hitler an Ribbentrop und sagte ironisch: Glauben Sie noch immer, daß Dahlerus ein britischer Agent ist? Ribbentrop antwortete etwas säuerlich, daß dies wahrscheinlich nicht der Fall sei.«

Wollen Sie behaupten, daß auch das nicht wahr ist?

GÖRING: Herr Dahlerus schildert diese Dinge, ohne dabei gewesen zu sein. Auch aus dieser Schilderung geht klar hervor, daß ich erst nach Hendersons Weggang gekommen bin. Diese Schilderung ist etwas farbig. Ribbentrop hat keine Ahnung gehabt, was ich mit Dahlerus verhandelte und der Führer hat ihn auch in dieser Sache nicht eingeweiht. Er wußte nur, daß ich an sich Dahlerus als Unterhändler benutzte und war selbstverständlich gegen ihn eingestellt aus dem Grunde, weil der Herr Außenminister nicht wollte, daß ein unmittelbarer anderer Weg daneben noch lief.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Um das handelte es sich gerade. Der Frage, die ich an Sie vor etwa sieben Minuten richtete, ob Ribbentrop gewußt habe, daß Sie Dahlerus verwendeten, stimmten Sie nicht zu. Jetzt aber stimmen Sie zu, daß er gewußt habe, daß Sie Dahlerus verwendeten. Lassen wir es dabei bleiben.

GÖRING: Nein, verzeihen Sie, ich sage auch jetzt noch, bitte wollen Sie meine Worte nicht entstellen, daß Ribbentrop nicht gewußt hat, was ich mit Dahlerus verhandelte und nicht einmal durch den Führer erfahren hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagten »Meine Worte entstellen«, ich sagte doch nicht, daß er wußte, weswegen Sie verhandelten. Ich erklärte Ihnen, daß er Kenntnis davon hatte, daß Sie Dahlerus verwendeten, und dem stimmten Sie zu. Ich habe es darauf beschränkt. Das ist richtig, nicht wahr?

GÖRING: Er wußte auch nicht, daß ich durch Dahlerus mit England in diesem Augenblick verhandelte. Auch von den Flügen wußte er nichts.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun gut, ich möchte Sie bitten, mir bei einer oder zwei anderen Sachen behilflich zu sein. Sie erinnern sich, daß die Deutsche Regierung im Januar 1937 und im Oktober 1937 die stärksten Zusicherungen an Belgien und Holland bezüglich deren Unverletzbarkeit und Neutralität abgab. Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: Ich erinnere mich im einzelnen nicht daran, sie sind aber hier vorgetragen worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie, daß am 25. August 1938 der Luftstab eine Aktennotiz einreichte unter der Annahme, daß Frankreich und England, nein, daß Frankreich den Krieg erklären würde, falls der Fall »Grün« eintreten sollte, und daß Großbritannien sich anschließen würde. Erinnern Sie sich daran? Es handelt sich um das Schriftstück 375-PS, US-84. Ich möchte, daß Sie sich das Schriftstück in großen Zügen vergegenwärtigen, weil ich Ihnen einen Satz daraus vorlesen will.

GÖRING: Darf ich bitten, mir zu sagen, ob die Unterschrift Wolter lautet?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde es Ihnen gleich sagen. – Jawohl, das ist richtig.

GÖRING: Dann erinnere ich mich an das Schriftstück genau. Es ist mir hier vorgelegt worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist richtig. Ich möchte Sie nur an den folgenden Satz erinnern:

»Da Belgien und die Niederlande in deutscher Hand einen außerordentlichen Vorteil in der Luftkriegsführung gegen Großbritannien als auch gegen Frankreich bedeuten, wird es für erforderlich gehalten, eine Stel lungnahme des Heeres herbeizuführen, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Zeit eine Besetzung dieses Raumes durchführbar ist.«

Erinnern Sie sich daran? Es handelt sich hier offensichtlich um Luftstrategie. Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: Das ist absolut richtig. Es handelt sich um die Arbeit eines Generalstabshauptmanns der 5. Abteilung des Generalstabs, der von sich aus selbstverständlich die besten Anregungen in seinem Exposé vorzuschlagen hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, später, am 28. April 1939, Sie werden sich erinnern, daß Hitler erklärte, er habe an eine Reihe von Staaten bindende Erklärungen abgegeben, die auch für Holland und Belgien Geltung hätten. Ich glaube, es handelt sich um eine Reichstagsrede. Er erwähnte eine Anzahl von kleineren Staaten unter Einschluß von Holland und Belgien.

GÖRING: Das ist ja hier wiederholt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, erinnern Sie sich, daß am 23. Mai, laut dem Schriftstück, das ich Ihnen vorlegen ließ, Hitler anläßlich einer Besprechung in der Reichskanzlei erklärte, die holländischen und belgischen Flugstützpunkte müßten von den deutschen Streitkräften besetzt werden, auf Neutralitätserklärungen könne nichts gegeben werden. Erinnern Sie sich, daß er das gesagt hat?

GÖRING: Das steht ja darin.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und am 22. August 1939 erklärte er in einer Ansprache an die Oberbefehlshaber, es handelt sich um das Dokument 798-PS, US-29:

»Es wäre nun noch die Möglichkeit der Verletzung der Neutralität von Holland, Belgien und der Schweiz. Ich habe keinen Zweifel, daß alle diese Staaten und auch Skandinavien ihre Neutralität mit allen Mitteln verteidigen werden. England und Frankreich werden die Neutralität dieser Länder nicht verletzen.«

Erinnern Sie sich daran?

GÖRING: Sie sehen ja selbst daraus, wie oft der Führer hier seine Ansichten änderte, so daß auch die vom Mai eine durchaus nicht festlegende war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie ist absolut folgerichtig, meiner Ansicht nach. Er sagt, daß sie besetzt werden müßten und daß auf ihre Neutralitätserklärungen nichts gegeben werden könne. Dies wird betont durch die Feststellung, daß England und Frankreich keine Neutralitätsverletzung begehen würden, so daß dies für Deutschland ein leichtes wäre.

GÖRING: Nein, er spricht dann davon, daß auch von unserer Seite daher keine Notwendigkeit besteht. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, daß die Situationen auch politisch sich immer anders ergeben und wir aber erst bei diesem Verhör und diesem Prozeß den welthistorischen Hintergrund der politischen Dinge betrachten müssen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war am 22. Sie haben beigestimmt, daß das gesagt wurde. Kurz danach, und zwar am 26., das heißt vier Tage später, gab Hitler eine erneute Versicherung ab. Können Sie sich daran erinnern? – Kurz vor dem Kriegsanfang.

GÖRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und am 6. Oktober 1939 gab er weitere Versicherungen ab. Am 7. Oktober, am Tage nachdem er die letzte Versicherung abgegeben hatte, erließ er einen Befehl, das ist 2329-PS, GB-105:

»Gleichzeitig hat Heeresgruppe B entsprechend besonderer Anweisung alle Vorbereitungen zu sofortigem Einrücken in holländisches und belgisches Gebiet zu treffen, falls die politische Lage es erfordert.«

Und am 9. Oktober liegt eine Weisung von Hitler vor, daß Vorbereitungen für den Angriff der Nordflanke der Westfront gegenüber Luxemburg, Belgien und Holland zu treffen seien und dieser Angriff so schnell wie möglich durchgeführt werden müsse. Geht hieraus nicht ganz klar hervor, daß Sie die ganze Zeit wußten, wie Hitler am 22. August erklärt hat, daß England und Frankreich die Neutralität der Niederlande nicht verletzen würden? Sie aber waren darauf eingestellt, die Neutralität dieser Länder zu verletzen, wenn immer es ihren strategischen und taktischen Interessen dienlich schien. Ist das nicht vollständig klar?

GÖRING: Nicht so vollständig, sondern wenn die politische Lage es erfordert. Und mittlerweile waren ja die Einflüsse Englands über die Neutralität Hollands und Belgiens erfolgt, bis zum Oktober.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagen, nicht ganz; weiter würden Sie in einer Übereinstimmung mit mir wahrscheinlich nicht gehen.

Nun möchte ich Sie kurz über Jugoslawien fragen. Wissen Sie noch, daß Sie uns in Ihrem direkten Verhör gesagt haben, daß Deutschland vor dem Kriege, das heißt bis zu Beginn des Krieges, in besten Beziehungen mit der jugoslawischen Bevölkerung stand, und daß Sie selbst dazu beigetragen haben? Ich fasse es ganz kurz. Ist das richtig?

GÖRING: Das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und das wurde, wenn Sie sich noch erinnern können, am 1. Juni 1939 bei einer Hitler-Rede anläßlich eines Bankette mit dem Prinzen Paul betont?

GÖRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Achtzig Tage danach, am 12. August 1939, sind der Angeklagte Ribbentrop, Hitler und Ciano zusammengekommen. Lassen Sie mich Ihrem Gedächtnis nachhelfen, was Hitler bei dieser Zusammenkunft zu Graf Ciano sagte.

GÖRING: Bitte um Entschuldigung, was war die Nummer dieses Dokuments?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es tut mir leid, es ist mein Fehler, TC-77, GB-48. Es ist eine Aktennotiz über eine Unterredung zwischen Hitler, Ribbentrop und Ciano am Obersalzberg am 12. August.

GÖRING: Ich wollte nur wissen, war es aus dem Tagebuch Cianos, das ist für mich wichtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: O nein, nicht aus dem Tagebuch, sondern eine Aktennotiz. Es ist ein offizieller Bericht:

»Ganz allgemein gesprochen sei es überhaupt das beste, wenn die falschen Neutralen einer nach dem anderen liquidiert würden. Dies ließe sich verhältnismäßig einfach durchführen, wenn jeweils der eine Partner der Achse dem anderen, der gerade einen der unsicheren Neutralen erledigte, den Rücken deckte und umgekehrt. Für Italien sei wohl Jugoslawien als ein derartiger unsi cherer Neutraler anzusehen.«

Das paßt doch nicht zu den Erklärungen, daß Deutschland die besten Absichten gegenüber Jugoslawien hatte, und der Erklärung, die der Führer dem Prinzen Paul abgegeben hat, nicht wahr?

GÖRING: Ich müßte das noch einmal genau durchlesen, in welchem Zusammenhang die Äußerung hier gefallen ist. So, wie sie hier vorgetragen ist, paßt sie nicht dazu.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Augenblick, ich will Sie nicht unnötig unterbrechen, aber dieses Dokument ist vor Gericht wenigstens zweimal verlesen worden. Wollen Sie dies bitte bei künftigen Fragen berücksichtigen? Sie geben doch zu, daß dies nicht mit freundlichen Absichten gegenüber Jugoslawien in Einklang zu bringen ist; es sei denn, daß ich es aus dem Zusammenhang gerissen hätte, was meines Erachtens nicht der Fall ist.

GÖRING: Ich sagte ja, das stimmt nicht damit überein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: 56 Tage später, am 6. Oktober, gab Hitler eine Erklärung an Jugoslawien ab, in der er sagt:

»Ich habe sofort nach vollzogenem Anschluß Jugoslawien mitgeteilt, daß die Grenze auch von diesem Staat von jetzt ab für Deutschland eine unabänderliche und daß wir nur in Frieden und Freundschaft mit ihm zu leben wünschen.«

Und dann, im März 1941, als der Dreimächtepakt abgeschlossen wurde, erklärte die Deutsche Regierung, daß sie entschlossen sei, die Souveränität und territoriale Unabhängigkeit Jugoslawiens zu allen Zeiten zu respektieren.

Dann kam der Simowitsch-Putsch in Jugoslawien, und ich glaube, Sie haben ganz offen in Ihrer Aussage erklärt, daß Hitler und Sie selbst sich niemals die Mühe gaben oder überhaupt daran dachten, festzustellen, ob die Simowitsch-Regierung die Neutralität Jugoslawiens aufrechterhalten würde. Ist das richtig? Nicht wahr?

GÖRING: So habe ich das nicht gesagt, sondern wir waren überzeugt, daß sie diese Erklärung nur zur Täuschung abgegeben hat, denn wir wußten ja, daß der Putsch einerseits von Moskau geleitet und andererseits, wie ich auch später erfahren habe, finanziell in außerordentlichem Umfange von England unterstützt worden war, und daraus hatten wir die feindliche Absicht erkannt. Aus der sofortigen Mobilisierung der jugoslawischen Armee ging alles klar hervor. Durch das, was Herr Simowitsch erklärte, wünschten wir uns nicht täuschen zu lassen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde auf die Mobilisierung später noch kurz zurückkommen. Am 27. März, das war zwei Tage nachdem der Pakt unterschrieben wurde, den ich gerade erwähnt habe, fand in Berlin eine Besprechung zwischen Hitler und dem deutschen Oberkommando statt, bei der Sie zugegen waren. Erinnern Sie sich, daß der Führer folgendes sagte:

»Der Führer ist entschlossen, ohne mögliche Loyalitätserklärungen der neuen Regierung abzuwarten, alle Vorbereitungen zu treffen, um Jugoslawien militärisch und als Staatsgebilde zu zerschlagen. Außenpolitisch werden keine Anfragen oder Ultimaten gestellt werden. Zusicherungen der jug. Regierung, denen für die Zukunft doch nicht zu trauen ist, werden zur Kenntnis genommen. Angriff wird beginnen, sobald die hierfür geeigneten Mittel und Truppen bereitstehen.

Politisch ist es besonders wichtig, daß der Schlag gegen Jugoslawien mit unerbittlicher Härte geführt wird und die militärische Zerschlagung in einem Blitzunternehmen durchgeführt wird.

Dieser Plan setzt voraus, daß wir alle Vorbereitungen zeitlich beschleunigt treffen und so starke Kräfte ansetzen, daß der jug. Zusammenbruch in kürzester Frist erfolgt.«

Es war keine besonders freundliche Absicht gegenüber Jugoslawien, diplomatische Verhandlungen nicht zu gestatten oder der Regierung keine Möglichkeit zu geben, zu einer Zusicherung oder zu einer Einigung mit Ihnen zu kommen und mit unerbittlicher Härte zuzuschlagen, nicht wahr?

GÖRING: Ich habe ja eben bedeutet, daß wir uns nach dem Simowitsch-Putsch über die Situation restlos klar waren und jedes Neutralitätsmanöver Jugoslawiens nur als ein Zeitmanöver angesehen haben. Nach dem Putsch war Jugoslawien endgültig in die feindliche Front übergegangen, und es galt nun auch unsererseits, ein Täuschungsmanöver zu machen, um schleunigst zum Aufmarsch zu gelangen, weil nur verhältnismäßig schwache Kräfte in diesem Augenblick bereitstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen, daß sie gesagt haben, General Simowitsch sei von Moskau instruiert gewesen. Ich will darüber nicht mit Ihnen diskutieren. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß das drei Monate war, bevor Sie sich mit Rußland im Krieg befanden. Sie sind sich dessen bewußt, nicht wahr?

GÖRING: Richtig. Gerade dieser Simowitsch-Putsch hat beim Führer die letzten Bedenken weggeräumt, daß Rußland sich feindlich gegen Deutschland eingestellt habe. Gerade der Simowitsch-Putsch war der erste Anlaß zu einem Entschluß, so bald wie möglich Gegenmaßnahmen gegen diese Gefahr zu ergreifen.

Zum zweiten...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Augenblick bitte. Wissen Sie, daß aus diesem Dokument deutlich hervorgeht, daß der Angriff auf die Sowjetunion wegen dieser Schwierigkeiten auf dem Balkan um sechs Wochen verschoben wurde? Das steht doch im Gegensatz zu dem, was Sie soeben gesagt haben, nicht wahr?

GÖRING: Nein, wenn Sie meine Ausführungen zu diesem Punkt noch einmal durchlesen, so habe ich gesagt, daß sehr viele Momente auf der russischen Seite den Führer bewogen haben, einen Aufmarsch zu befehlen, daß er sich aber die letzte Entscheidung, ob es da zum Eingreifen kommen sollte, vorbehielt, und daß nach dem Simowitsch-Putsch diese Entscheidung gefallen war. Daß selbstverständlich nun durch eine politische Entscheidung militärisch eine Verzögerung eingetreten ist durch den Kampf mit Jugoslawien, ergibt sich aus der rein strategischen Situation.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte jetzt noch eine andere Frage bezüglich Jugoslawiens stellen. Wissen Sie noch, daß Sie ausgesagt haben, daß der Angriff auf Belgrad auf den Umstand zurückzuführen war, daß das Kriegsministerium und eine Reihe anderer militärischer Organisationen dort lagen? Ich versuchte, es kurz zusammenzufassen, aber das war das Wesentliche Ihrer Aussage, nicht wahr?

GÖRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie noch, wie der Hitler-Befehl lautete, den ich gerade verlesen habe?

»Der Luftwaffe kommt als Hauptaufgabe zu, so frühzeitig wie möglich beginnend, die jug. Fliegerbodenorganisation zu zerschlagen.«

Und merken Sie sich das nächste Wort:

»... und die Hauptstadt Belgrad in rollenden Angriffen zu zerstören, daneben den Vormarsch des Heeres zu unterstützen.«

Ich sage Ihnen, daß aus diesem Befehl klar hervorgeht, daß der Angriff auf Belgrad nichts weiter war, als ein neuer Terrorangriff, um eine Bevölkerung auf die Knie zu zwingen, die ihm kaum Widerstand leisten konnte.

GÖRING: Nein, das ist nicht richtig. Die Bevölkerung von Belgrad hat sich verteidigt, und Belgrad ist viel mehr der Mittelpunkt von militärischen Einrichtungen, viel mehr, als es sonstige Hauptstädte anderer Länder waren. Darauf bitte ich, Ihr Augenmerk zu lenken.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich gehe nun zu einer anderen Angelegenheit über, und zwar zu einem oder zwei Punkten Ihrer Zeugenaussage. Ich denke an die Stelle, wo Sie vom Verteidiger der Organisationen befragt wurden. Erinnern Sie sich an Ihre an Herrn Babel gemachte Aussage über die Waffen-SS? Das war vor einigen Tagen.

GÖRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich bitte das Dokument an, das keine Nummer hat. Es enthält die Ideen des Führers über die Waffen-SS. Und sagen Sie mir, ob Sie damit einverstanden sind. Es ist D-665 und wird GB-280. Hier handelt es sich um ein Dokument vom Oberkommando des Heeres, Generalstab des Heeres.

»Äußerungen des Führers über die künftige Staatstruppen-Polizei.«

Im Begleitschreiben zu dem Dokument heißt es:

»Es sind Zweifel entstanden, ob bei der seinerzeitigen Übermittlung der Gedanken des Führers über die Waffen-SS die Absicht einer weitergehenden Bekanntgabe bestanden hat.«

Wenn Sie nun zu den Dokumenten übergehen wollen, vielleicht können Sie mir folgen während ich verlese. Ich glaube nicht, daß es vorher vorgelegt worden ist.

»Der Führer äußerte am 6. 8. 1940 gelegentlich des Befehls zur Gliederung der Leibstandarte Adolf Hitler die in folgendem zusammengefaßten Grundsätze zur Notwendigkeit der Waffen-SS.

Das Großdeutsche Reich in seiner endgültigen Gestalt wird mit seinen Grenzen nicht ausschließlich Volkskörper umspannen, die von vornherein dem Reich wohlwollend gegenüberstehen.

Über den Kern des Reiches hinaus ist es daher notwendig, die Staatstruppenpolizei zu unterhalten, die in jeder Situation befähigt ist, die Autorität des Reiches im Innern zu vertreten und durchzusetzen.

Diese Aufgabe kann nur eine Staatspolizei erfüllen, die in ihren Reihen Männer besten deutschen Blutes hat und sich ohne jeden Vorbehalt mit der das Großdeutsche Reich tragenden Weltanschauung identifiziert. Ein so zusammengesetzter Verband allein wird auch in kritischen Zeiten zersetzenden Einflüssen widerstehen. Ein solcher Verband wird im Stolz auf seine Sauberkeit niemals mit dem Proletariat und der die tragende Idee unterhöhlenden Unterwelt fraternisieren. In unserem zukünftigen Großdeutschen Reich wird aber auch eine Polizeitruppe nur dann den anderen Volksgenossen gegenüber die notwendige Autorität besitzen, wenn sie soldatisch ausgerichtet ist.

Unser Volk ist durch die ruhmvollen Ereignisse kriegerischer Art und die Erziehung durch die nationalsozialistische Partei derart soldatisch eingestellt, daß eine ›strumpfstrickende Polizei‹ (1848) oder eine ›verbeamtete Polizei‹ (1918) sich nicht mehr durchsetzen kann. Daher ist es notwendig, daß sich diese ›Staatspolizei‹ in geschlossenen Verbänden an der Front ebenso bewährt und ebenso Blutopfer bringt wie jeder Verband der Wehrmacht. In den Reihen des Heeres nach Bewährung im Felde in die Heimat zurückgekehrt, werden die Verbände der Waffen-SS die Autorität besitzen, ihre Aufgaben als ›Staatspolizei‹ durchzuführen.

Diese Verwendung der Waffen-SS im Innern liegt ebenso im Interesse der Wehrmacht selbst. Es darf niemals mehr in der Zukunft geduldet werden, daß die Deutsche Wehrmacht der allgemeinen Dienstpflicht bei kritischen Lagen im Innern gegen eigene Volksgenossen mit der Waffe angesetzt wird. Ein solcher Schritt ist der Anfang vom Ende. Ein Staat, der zu diesen Mitteln greifen muß, ist nicht mehr in der Lage, seine Wehrmacht gegen den äußeren Feind anzusetzen und gibt sich damit selbst auf. Unsere Geschichte hat dafür traurige Beispiele. Die Wehrmacht ist für alle Zukunft einzig und allein zum Einsatz gegen die äußeren Feinde des Reiches bestimmt.

Um sicherzustellen, daß die Qualität der Menschen in den Verbänden der Waffen-SS stets hochwertig bleibt, muß die Aufstellung der Verbände begrenzt bleiben.

Der Führer sieht diese Begrenzung darin, daß die Verbände der Waffen-SS im allgemeinen die Stärke von 5 bis 10 Prozent der Friedensstärke des Heeres nicht überschreitet.«

Stimmen Sie darin überein? Ist das eine richtige Beschreibung der Ziele der Waffen-SS?

GÖRING: Ich bin absolut überzeugt, daß er das gesagt hat, aber das steht in keinem Widerspruch zu meiner Aussage.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, wollen Sie, da wir gerade bei der SS sind, sich einen kurzen Bericht ansehen. Es ist das Dokument D-729, und wird GB-281. Es ist eine Aufzeichnung über die Unterhaltung zwischen Ihnen und dem Duce im Palazzo Venezia am 23. Oktober 1942. Damals hatten Sie noch die besten Beziehungen zu dem Führer und waren im Vollbesitz Ihrer Macht? Ist das richtig?

Ich werde es Ihnen vorlesen, es ist auf Seite 35, Absatz 1:

»Der Reichsmarschall schilderte dann, wie Deutschland bei Partisanenkämpfen vorgehe. In den betreffenden Gebieten wurden zunächst das gesamte Vieh und die Lebensmittel weggeführt, um den Partisanen auf diese Weise die Ernährungsgrundlage zu entziehen.«

GÖRING: Einen Augenblick bitte, wo ist das?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist auf Seite 35, Absatz 1. Ich werde Ihnen beim Suchen behilflich sein, falls Sie Schwierigkeiten haben, es zu finden. Ich glaube, es ist angezeichnet, und es fängt an »Der Reichsmarschall«. Können Sie es finden?

GÖRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich fange wieder an:

»Der Reichsmarschall schilderte dann, wie Deutschland bei Partisanenkämpfen vorgehe. In den betreffenden Gebieten würden zunächst das gesamte Vieh und die Lebensmittel weggeführt, um den Partisanen auf diese Weise die Ernährungsgrundlage zu entziehen. Die Männer und Frauen würden in Arbeitslager, die Kinder in Kinderlager gebracht und die Dörfer niedergebrannt. So habe man zum Beispiel in den weiten Waldgebieten von Bialoviza die Sicherung der Bahnen durchgeführt. Kämen Attentate vor, so würde in den Ortschaften die gesamte männliche Bevölkerung auf der einen Seite und die Frauen auf der anderen Seite aufgestellt. Den Frauen würde gesagt, daß alle Männer erschossen werden würden, wenn sie (die Frauen) nicht angäben, wer von den Männern nicht in den Ort gehöre. Um ihre Männer zu retten, bezeichneten dann die Frauen immer die Nichtortsansässigen. Deutschland habe die Erfahrung gemacht, daß Soldaten im allgemeinen schwer zur Ergreifung derartiger Maßnahmen zu bringen seien. Angehörige der Partei verrichteten diese Aufgabe viel härter und besser. Daher kämpften auch Armeen, die weltanschaulich gefestigt seien, wie die deutschen (oder auch die russischen) viel härter als andere. Auch die SS, die Garde der alten Parteikämpfer, die zum Führer persönliche Bindung haben und eine Auslese darstellen, bestätigen diesen Grundsatz.«

Ist das eine korrekte Beschreibung?

GÖRING: Ja, korrekt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist es auch eine korrekte Wiedergabe Ihrer Auffassungen über die Kriegsführung gegen Partisanen?

GÖRING: Ich habe diese übermittelt. Darf ich um die Nummer dieses Dokuments bitten?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, ich will Ihnen die Nummer sagen, es ist D-729, und wird GB-281.

Ich möchte nun um Ihre Hilfe hinsichtlich eines anderen Punktes bezüglich dieser Organisationen bitten. Sie erinnern sich wohl, daß Sie in Beantwortung einer Frage – ich glaube von Dr. Servatius – über das Korps der Politischen Leiter etwas zu sagen hatten. Erinnern Sie sich daran? Ich möchte nur, daß Sie das im Sinn behalten.

GÖRING: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bitte, schauen Sie sich das nächste Dokument, D-728, GB-282, das Ihnen übergeben werden wird, an. Hier handelt es sich um ein Dokument aus dem Büro des Gauleiters von Hessen-Nassau. Entschuldigung bitte. Vielmehr bezieht es sich auf einen Befehl der Partei-Kanzlei vom 10. Februar 1945 und betrifft:

»Vorgehen seitens der Partei zur Inschachhaltung der Volksgenossen bis zum Kriegsende.« Unterschrieben: »Sprenger, Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar.«

GÖRING: Das Datum ist 15. März 1945, nicht wahr?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich danke Ihnen. Ich wußte, daß es kurz nach dem 10. März war. Es steht nicht in meiner Abschrift. Aber wenn Sie es sagen, wird es richtig sein.

GÖRING: 1945.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.