HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Pause von 10 Minuten.]

DR. RUDOLF DIX: Meine Herren Richter! Ich war selbstverständlich nicht in der Lage, eine Abstimmung über den Antrag des Mr. Jackson im Kreise meiner Kollegen auf der Verteidigungsbank herbeizuführen. Schon aus dem Grunde nicht, weil ja nicht sämtliche Verteidiger anwesend sind. Ich habe mich aber davon überzeugt, daß die Mehrzahl der Verteidiger auch die Begründung dessen, was ich vortragen werde, billigen; und ich habe keinen Zweifel, daß sämtliche Verteidiger hinter meinem Antrag, den ich stellen werde, und der dahin gehen wird, den Antrag des Mr. Justice Jackson abzulehnen, stehen. Ich halte mich aber aus Loyalität und Korrektheit verpflichtet, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß selbstverständlich jeder der Herren das Recht hat, zu dieser Frage noch für sich selbst in seinem eigenen Komplex Stellung zu nehmen.

Nun zur Sache selbst: Der Antrag des Mr. Justice Jackson geht darauf hinaus, namentlich wenn er im Prinzip für das gesamte Urkundenmaterial, welches die Verteidiger vorzubringen haben, angenommen würde, daß ein Riesenkonvolut von Urkundeninhalt in dem Prozeßstoff eingeführt würde, ohne durch mündlichen Vortrag in öffentlicher Verhandlung auch zur Kenntnis der Öffentlichkeit und damit der leidenschaftlich und mit ganzem Herzen interessierten Weltöffentlichkeit zu kommen.

Ich verzichte darauf, mit juristischer Dialektik etwa aus den Verfahrensvorschriften, welche diesem Verfahren gegeben worden sind, Bestimmungen zu zitieren, die dazu verwandt werden könnten, gegen den Antrag Jacksons zu polemisieren. Ich stelle an die Spitze den Grundsatz, über dessen unbedingte und absolute Wichtigkeit zwischen dem Gerichtshof und uns und auch zwischen der Anklagebehörde und uns bestimmt keine Meinungsverschiedenheit bestehen wird: daß nämlich dieses ganze Verfahren stehen muß unter dem absoluten Postulat der Gerechtigkeit und der Fairness. Aus diesen Gründen haben ja auch die Verfasser der Charter dem Abschnitt IV der Charter eine ganz prononcierte Überschrift gegeben. Dort heißt es nämlich:

Vorschriften für ein gerechtes Verfahren.

Ich kann es aber nicht als gerecht und kann es auch nicht als fair anerkennen, wenn die Anklagebehörde monatelang das Recht hatte, ihr Urkundenmaterial, und zwar nicht nur einmal, sondern bisweilen wiederholt und mehrfach durch Verlesung hier durch den Lautsprecher zur Kenntnis der Öffentlichkeit und Weltöffentlichkeit, zu bringen, wobei zu bemerken ist, daß bei diesem Urkundenvortrag oft nur Teile von Urkunden vorgetragen worden sind, die nach Ansicht der Anklagebehörde für die Angeklagten belastend waren, während Teile weggelassen worden sind, die nach unserer Auffassung für die Angeklagten entlastend sind. Es muß also als ungerecht empfunden werden, daß ein Angeklagter nicht auch die Möglichkeit hat, durch seine Verteidigung zur Kenntnis der Weltöffentlichkeit das zu bringen, was nach seiner und seiner Verteidigungsauffassung zu seinen Gunsten spricht, wenn vorher die Anklage das Recht und die Möglichkeit gehabt hat, dies für das belastende Urkundenmaterial zu tun. Ich darf darauf hinweisen, ich sagte es schon wiederholt, daß bestimmte belastende Momente nicht nur bei Vortrag des Dokumentenbeweises der Weltöffentlichkeit vorgetragen worden sind, sondern unter dem Titel des Vorhalts an den als Zeugen vernommenen Angeklagten wiederholt worden sind, und auf diese Weise der zuhörenden Welt immer und immer wieder eingehämmert worden sind.

Ich bitte Sie, meine Herren Richter, flehentlich und dringendst im Interesse eines sicherlich von Ihnen und dem Schöpfer der Charter gewollten gerechten Verfahrens, diese Möglichkeit auch den Angeklagten zu geben.

Es ist nun des weiteren sogar vornehmlich und tragend zur Begründung dieses Antrages von Mr. Justice Jackson der Gesichtspunkt der Zeitverkürzung vorgetragen worden. Die Verteidigung verschließt sich in keiner Weise der Notwendigkeit, diesen Prozeß auf die notwendige Zeit zu beschränken. Aber ich darf hier verweisen auf eine Äußerung des Vorsitzenden des Belsen-Prozesses gegenüber in der Presse geübter Kritik wegen angeblich zu langer Dauer dieses Prozesses, die dem Sinne nach dahin ging, daß keine noch so lange Dauer zu beklagen sei, die letztendlich nur der wirklichen Enthüllung der Wahrheit diene. Ich bitte auch diesen Grundsatz vor die Ökonomie der Zeit dieses Prozesses zu stellen.

Und schließlich darf ich, ohne irgendwie mir anzumaßen, an den durchaus pflichtmäßig von der Anklagebehörde beschlossenen und durchgeführten Maßnahmen Kritik üben zu wollen, doch darauf hinweisen, daß die bisherige Dauer des Prozesses, soweit sie von irgend jemand als zu lang empfunden werden sollte, ich empfinde sie nicht als zu lang, jedenfalls nicht von der Verteidigung verursacht worden ist. Wir haben bisher, das glaube ich mit gutem Gewissen behaupten zu können, nichts getan und nichts gesagt und nichts veranlaßt, was uns den Vorwurf einer unnötigen Hinauszögerung des Prozeßablaufes eintragen könnte, mit Recht eintragen könnte.

Wenn nun des weiteren Euer Lordschaft darauf hingewiesen hat, daß der Grund weggefallen ist, der das Gericht seinerzeit veranlaßt hat, anzuordnen, daß diejenigen Stellen der Dokumente, welche Gegenstand des Prozeßstoffes werden sollen, mündlich vorgetragen werden, so darf ich darauf hinweisen, daß die überwiegende Mehrzahl der Urkunden, welche damals produziert und entsprechend auch teilweise mündlich vorgetragen wurden, auch damals schon in vierfacher Übersetzung vorlag.

Des weiteren möchte ich darauf hinweisen, daß dieser Urkundenbeweis, wenn er dem Gerichtshof verständlich sein soll und wenn er der Wahrheitfindung dienen soll, ja zweifellos in vielen Fällen des erläuternden Textes der Verteidiger bedarf. Die Möglichkeit dieser Erläuterung würde entfallen, wenn wir darauf angewiesen wären, dieses Dokumentenmaterial global dem Gerichtshof zu überliefern.

Soweit ich festgestellt habe, ohne hiermit irgend jemand präjudizieren zu wollen, haben meine Herren Kollegen durchaus nicht die Absicht, den Gesamtinhalt des Dokumentenbuches vorzutragen; sie haben vielmehr, so wie ich es verstanden habe, meistens nur die Absicht, Auszüge zum Vortrag zu bringen, die sie bezeichnen werden, und über deren Erheblichkeit sich man dann noch gegebenenfalls unterhalten müßte. Auch dieses Herausheben der als wirklich erheblich erachteten Teile ihrer Dokumente würde nicht möglich sein, wenn der Gerichtshof dem Antrag des Mr. Justice Jackson folgen würde. Ebenso würde es, was ich bereits gesagt habe, nicht möglich sein, bei schon von der Anklagebehörde verlesenen Urkunden auf diejenigen Teile, die nicht verlesen wurden, die aber für den Angeklagten entlastend sind, hinzuweisen.

Wenn nun gesagt worden ist – und Euer Lordschaft hat darauf hingewiesen –, daß ja die Verteidigung die Möglichkeit hätte, im Plädoyer die Urkundenstellen zu zitieren, so glaube ich mit den Herren Richtern darin einig zu sein, daß das Plädoyer doch womöglich eine eingeschlossene, möglichst prägnante Zusammenfassung einer Gesamtwürdigung des Prozeßstoffes sein soll. Sind wir nun darauf angewiesen, im Plädoyer auf Urkundenteile Bezug zu nehmen und sie im einzelnen zu zitieren, denen wir zwar eine Beweisdeutung beimessen, die wir aber entweder gar nicht oder im Plädoyer bei der Gesamtwürdigung nur erwähnen würden, so entsteht die Gefahr, daß die Geschlossenheit, sagen wir die Großzügigkeit des Plädoyers subalternisiert wird durch eine Detaillierung des Prozeßstoffes; und es entsteht die weitere Gefahr, daß die Zeitersparnis, die Justice Jackson durch seinen Antrag erreichen will, dann wieder verloren wird dadurch, daß die Schlußplädoyers entsprechend länger dauern, was nicht zu sein braucht, wenn sie ihrem Zweck, ihrer Aufgabe entsprechend, eine strenge Zusammenfassung, eine Gesamtwürdigung darstellen sollen.

Ja, ich halte es sogar für möglich, daß dann, wenn möglicherweise im Rahmen des Plädoyers eine Meinungsverschiedenheit über die Erheblichkeit eines einzelnen Urkundenbeweises auftaucht, eine erhebliche Verzögerung und Störung des Verfahrens hervorgerufen würde, während, wenn man hier den Urkundenbeweis in seinen wesentlichen Teilen in erläuterndem und verbindendem Text vortragen kann, man dann doch gleich Gelegenheit hat, vorzutragen, warum man das Vorzutragende für erheblich hält; der Gerichtshof erhält damit die Möglichkeit, schon jetzt über die Erheblichkeit eine Entscheidung zu treffen.

Nach meiner Auffassung lassen sich die Gesichtspunkte, die gegen den Antrag von Justice Jackson sprechen, daraus folgern. Ich fasse zusammen: Für mich steht an erster Stelle der Gesichtspunkt der Fairness, der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit. Die Verteidigung müßte es und würde es, wie ich durch meine Gespräche in der Pause für mich unzweifelhaft festgestellt habe, als eine schwere und untragbare Beschränkung der Verteidigung auffassen, wenn ihr die Möglichkeit genommen würde, entgegen der bisher von der Anklagebehörde gewünschten Praxis, auch ihrerseits zumindest den wesentlichen Teil dieses Urkundenmaterials dem Gerichtshof vortragen und erläutern zu können. Ich bin der Auffassung, daß es ein einfaches Postulat der Fairness für die Auseinandersetzung der Anklage und der Verteidigung ist, nunmehr auch der Verteidigung die gleiche Möglichkeit zu geben, wie sie bisher die Anklage – und dies soll keine Kritik sein, sondern die Feststellung einer Tatsache – in reichem und oft in kumulativem Maße für sich in Anspruch genommen hat.

Ich darf deshalb bitten, und ich glaube, ich habe bei dieser Bitte die gesamte Verteidigung hinter mir, den Antrag von Justice Jackson abzulehnen.

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Sie haben Ihre Ansprache damit begonnen, daß Sie sagten, Sie würden sich nicht auf das Statut beziehen. Auf welchen Artikel des Statuts stützen Sie Ihre Behauptung, daß alle Dokumente, die vorgelegt werden, jetzt verlesen werden müßten?

DR. DIX: Ich habe gesagt, daß ich mich nicht auf einzelne Bestimmungen der Verfahrensvorschriften berufen würde, um meinen Antrag zu begründen. Ich habe zur Begründung meines Antrags aus der Charter nur die Überschrift zu Abschnitt IV erwähnt, wo steht »Vorschriften für ein gerechtes Verfahren« und habe dann ausgeführt, und ich brauche es nicht zu wiederholen, daß ich ein Befolgen des Antrags des Justice Jackson als ein nicht gerechtes Verfahren ansehen würde. Obgleich ich auf einzelne Bestimmungen der Verfahrensvorschriften hinweisen und sie damit direkt oder indirekt in einer gewissen juristischen Konstruktion zur Begründung meines Antrags verwenden könnte, habe ich bewußt davon abgesehen, dies zu tun, weil die einzelnen Bestimmungen nach meiner Auffassung nicht durchschlagend sind. Durchschlagend ist nach meiner Auffassung das Prinzip der Gerechtigkeit und der Faimess und der übrigen taktischen Erwägungen, die ich mir erlaubt habe, dem Hohen Gerichtshof vorzulegen. Ich glaube, daß es ein Mißverständnis ist.

VORSITZENDER: Aber Sie werden sicherlich nicht übersehen haben, daß sich Artikel 24 ausdrücklich mit dem Verlauf des Verfahrens beschäftigt. Stützen Sie sich auf irgendeinen Teil des Artikels 24?

DR. DIX: Nein, ich habe mich bewußt auf keinen Teil des Artikels 24 gestützt, denn dieser Artikel gibt dem Gerichtshof große Freiheiten in den allgemeinen Verfahrensregeln, die mit der hier behandelten Frage nach meiner Auffassung nichts zu tun haben. Es ist eine reine Frage der Gerechtigkeit und Fairness, und wenn ich das noch hinzufügen kann, eines Grundsatzes der mündlichen Hauptverhandlung. Wir haben doch nun mal eine mündliche Hauptverhandlung, wir haben nun mal eine öffentliche Hauptverhandlung. Sie ist ja da. Ich weiß nicht, ob sie im Statut nicht als öffentlich vorgeschrieben ist, aber sie ist da. Da sie da ist, müssen wir nach diesen Grundsätzen verfahren, und deshalb ist es meines Erachtens ein Recht des Angeklagten, zu seinen Gunsten das auch vor der Weltöffentlichkeit vorzutragen, was zu seinen Gunsten spricht, nachdem von der Anklage vor der Weltöffentlichkeit das vorgetragen worden ist, was zu seinen Ungunsten spricht.

VORSITZENDER: Ich möchte eine weitere Frage an Sie richten. Schlagen Sie vor, daß es der Verteidigung erlaubt sein sollte, Dokumente mehr als einmal zu zitieren und zu verlesen?

DR. DIX: Das schlage ich in keiner Weise vor. Ich glaube, ich für meine Person würde Dokumente selbstverständlich nur teilweise vorlesen und sicherlich nicht zweimal. Ich habe nur ausgeführt, daß die Anklage das getan hat, zweimal vorgelesen hat; manchmal auch dreimal, wird mir zugerufen. Es ist nicht meine Aufgabe, an diesem Verhalten der Anklage Kritik zu üben, das ist Sache der Anklage. Ich habe keine Kritik zu üben, das ist Sache des Gerichtshofs und der Anklage. Ich habe nur die Tatsache festgestellt.

VORSITZENDER: Herr Jackson. Der Gerichtshof möchte eine weitere Frage an Herrn Dr. Dix stellen, bevor Sie zu Worte kommen und auch...

JUSTICE JACKSON: Ich möchte nur eine ganz kurze Tatsachenfeststellung machen.

VORSITZENDER: Ja, bitte.

JUSTICE JACKSON: Ich glaube, dies wird die Lage etwas aufklären, um den Vereinigten Staaten von Amerika gerecht zu werden.

Was die Fairness anbetrifft, so lenke ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die Tatsache, daß wir 250 Exemplare des gesamten Dokumentenbuches von Dr. Stahmer gedruckt und vervielfältigt haben; es liegt im Pressezimmer und soll der Presse ausgehändigt werden, sobald das Dokumentenbuch vom Gerichtshof entgegengenommen ist. Damit haben wir alles getan, was wir konnten, alles, was wir für uns selbst getan haben, um seine Dokumente an die Öffentlichkeit zu bringen.

Zweitens sind wir sogar so weit gegangen, auch das zu drucken, was der Gerichtshof abgelehnt hat, um eine etwaige Auseinandersetzung zu vermeiden.

Drittens ist es nach dem Statut nicht die Aufgabe des Gerichtshofs, Propagandamaterial zu verbreiten. Es handelt sich großenteils um 20 Jahre altes Material, das in jeder guten Bibliothek zu haben ist und von den Zeitungen nicht verwendet werden wird. Es bedeutet eine Verschwendung unseres Geldes. Wir haben versucht, alles zu tun, um diesen Leuten ein völlig faires Verfahren zu machen. Da ich jetzt festgestellt habe, daß wir Dokumente drucken, die der Gerichtshof schon abgelehnt hat, muß ich sagen, daß ich das einstellen werde. Ich glaube, wir sind getäuscht worden; dieses Dokumentenbuch wird es beweisen. Es enthält Dokumente auf Dokumente, die der Gerichtshof bereits für unerheblich erklärt hat; wir haben die Druckkosten nicht gescheut, um mehr als fair zu sein.

DR. DIX: Darf ich kurz antworten?

Was den Gesichtspunkt der Propaganda anbelangt, so bedauere ich, daß mein Vorschlag nicht befolgt wurde; danach würde nämlich die Weltöffentlichkeit nur erfuhren, was aus unseren Dokumentenbüchern vorher vom Gerichtshof als erheblich anerkannt und dann von uns vorgetragen würde. Wenn durch den Inhalt der Dokumentenbücher, was ich nicht weiß, Propagandawirkung erzielt worden sein sollte, was ganz gegen unsere Intentionen ist, dann beruht das nur darauf, daß diese Dokumentenbücher, beziehungsweise der Inhalt dieser Dokumentenbücher, nicht auf dem legalen und normalen Wege, sagen wir auf dem verfahrensmäßigen Wege, zur Kenntnis der Presse gekommen ist, nämlich aus der Verhandlung heraus, sondern daraus, daß diese Dokumentenbücher der Verteidigung ohne unser Wissen der Presse zur Verfügung gestellt werden und deshalb vielleicht auch Dinge zur Kenntnis der Presse und damit der Weltöffentlichkeit kommen, die nach Ansicht des Gerichtshofs unter Umständen unerheblich oder vielleicht tendenziös sein könnten. Ich bitte, mich nicht mißzuverstehen, ich sage nicht, daß sie tendenziös sind, sondern ich spreche in der These des Abstrakten. Gerade, wenn man das vermeiden will, was Justice Jackson vermeiden will, nämlich, daß politische Propaganda mit diesem Prozeß gemacht wird, muß man meinen Anregungen folgen; denn ich will rein sachlich nur das vorgetragen und damit zur Kenntnis der Weltöffentlichkeit gebracht wissen, was hier vom Gerichtshof für erheblich erachtet, zum Vortrag zugelassen wird.

Es ist sehr schwer, hier mit dem Hörer jedes Wort richtig zu verstehen. Aber sollte Justice Jackson gemeint haben, daß von unserer Seite hier eine Propagandawirkung erstrebt würde, so ist das nicht der Fall. Wenn er des weiteren sagt, daß aus dem Gesichtspunkt der Fairness die Prosecution alles getan hätte, um die Weltöffentlichkeit zu unterrichten, indem sie ihr die gesamten Dokumentenbücher zur Verfügung gestellt hätte, so habe ich daran keine Kritik zu üben. Es liegt mir vollkommen fern, das als unfair zu bezeichnen. Wir stehen hier aber vor Gericht in einem geregelten Verfahren. Wir treiben keine Pressepropaganda, sondern die Presse soll Kenntnis nehmen und der Welt berichten über diesen Prozeß aus diesem Verhandlungssaal heraus. Die Verteidigung ist nur dankbar, wenn der Gerichtshof sie in diesem Bestreben, so ein geordnetes Verfahren unter voller Unterrichtung der Presse durchzuführen, unterstützen wird.

Das ist nicht der springende Punkt. Ich habe niemandem vorgeworfen, daß er unfair gehandelt hat. Ich habe nur hervorgehoben, daß die Fairness es verlangt, daß die Verteidigung dasselbe tun darf, was die Anklagebehörde dauernd und wiederholt getan hat.

VORSITZENDER: Dr. Dix, wollen Sie mir folgendes sagen: Welchen Vorschlag können Sie machen, um dieses Verfahren abzukürzen? Sie müssen bei Ihrer Kritik, die sie gegen die Anklagebehörde im Hinblick auf ihre Dokumente erhoben haben, beachten, daß die Anklage fast ausschließlich auf Dokumenten beruht. Die Anklagevertretung hat, ich weiß nicht wieviele, aber jedenfalls sehr wenige Zeugen vorgeladen. Sie und die anderen Verteidiger aber wollen eine sehr große Anzahl von Zeugen vorladen. Ich möchte Sie daher fragen: Was schlagen Sie vor, um den Prozeß so abzukürzen, daß er nicht bis Ende Juli oder August andauern wird?

DR. DIX: Wenn ich jetzt etwas vorschlage, so kann ich das natürlich nur für meine Person und für meinen Verteidigungskomplex tun. Ich würde vorschlagen, Euer Lordschaft, daß wir zunächst einmal in den Urkundenbeweis hineingehen, wobei ich davon Kenntnis zu nehmen bitte, und ich glaube mich nicht darin zu irren, daß keiner der Herren beabsichtigt, sein gesamtes Dokumentenbuch hier vorzulegen. Wen ich gesprochen habe, auf jeden Fall die Mehrzahl, beabsichtigt es sicherlich nicht. Diejenigen, die ich gesprochen habe, wollen nur Auszüge vortragen; bei der Auswahl dieser Auszüge und bei der Diskussion über die Erheblichkeit des Vortrages dieser Auszüge kann ja ein Maßstab angewendet werden, der selbstverständlich die sachliche Notwendigkeit berücksichtigt, aber auch an die Zeitdauer denkt. Ich glaube nicht, daß der Urkundenbeweisvortrag so lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Mein Kollege Stahmer, der ja schließlich auch einen großen und bedeutungsvollen Verteidigungskomplex hat, glaubt in ungefähr zwei Stunden, vielleicht nicht einmal in zwei Stunden, fertig zu sein. Ich bin kein Prophet, aber ich glaube, der Gerichtshof sieht die Sache gefährlicher an, als sie ist. Versuchen Sie's erst mal mit uns. Wir haben den besten Willen, nichts zu verschleppen; das können Sie ohne weiteres unterstellen. Und wir lassen uns auch gerne belehren, wenn der Gerichtshof sagt, das und das halten wir nicht für wichtig, das und das halten wir für erwiesen, oder das und das unterstellen wir und so weiter. Auf diese Weise werden wir vorwärts kommen. Ich möchte fast vorschlagen, jetzt keine abstrakten Verfahrensregeln aufzustellen, sondern einmal praktisch jetzt mit uns zu arbeiten und unsere Versicherung entgegenzunehmen, daß wir bei der Abkürzung helfen wollen, und einmal zunächst davon ausgehen, daß wir das vortragen dürfen, was wir für wesentlich erachten. Sollte sich dann herausstellen, daß dafür zu viel Zeit in Anspruch genommen wird – ich glaube es, wie gesagt, nicht –, dann kann man immer noch einmal über die Sache reden, und der Gerichtshof ist ja frei, seine Beschlüsse zu fassen. Ich bitte es nur im gegenwärtigen Moment nicht zu tun, weil ich fürchte, daß der Gerichtshof die Zeitdauer des Urkundenbeweises, aus der Erfahrung mit dem Urkundenbeweis der Anklagebehörde heraus, überschätzt; wobei ich immer wieder wiederhole, das ist kein Vorwurf und keine Kritik. Ich weiß, daß die Anklage ja hier ihre Anklage hauptsächlich auf Dokumente gestützt hat und sie deshalb natürlich auch mehr Zeit in Anspruch nehmen mußte.

VORSITZENDER: Danke, Herr Dr. Dix.

Der Gerichtshof würde gerne hören... Natürlich kann er nicht alle Verteidiger dazu hören, aber er bittet um die Ansicht noch eines Vertreters der Verteidigung.

DR. KUBUSCHOK: Wenn ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs, etwas zurück, auf die rechtliche Betrachtung der Angelegenheit lenken darf:

Der Gerichtshof hat mit Recht die Frage aufgeworfen: Was sagt das Statut über dieses Beweisverfahren? Die Schwierigkeit liegt hierin, daß über ausdrückliche Regeln im Statut nichts gesagt wird. Wir haben über den Gang der Verhandlung den Paragraphen 24. Dieser Paragraph 24 betrifft die Verhandlung; die Verhandlung, die nach dem Sprachgebrauch jedes Strafprozesses nichts anderes sein kann als die mündliche Verhandlung und die mündliche Erörterung. Es fehlt ein Unterparagraph im Paragraph 24, der sich mit Erhebung des Urkundenbeweises ausdrücklich befaßt. Ich bitte aber, Ihre Aufmerksamkeit dem Unterabschnitt e) zuzuwenden. Es wird dort der Gegenbeweis für den Zeugenbeweis erörtert, der Gegenbeweis, der ja nicht nur auf der Stellung von Zeugen sondern auch auf der Produzierung von Urkunden beruht.

Es wird dort ausdrücklich gesagt, daß der Beweis erhoben wird. Es würde jedenfalls unter Zugrundelegung des deutschen Textes und des deutschen Sprachgebrauches keineswegs angängig sein, wenn dieses Beweisverfahren nun nicht in der Verhandlung vorgebracht und in der Verhandlung der Beweis erhoben, sondern die Behandlung dieses Beweises auf Grund des überreichten umfangreichen schriftlichen Materials in die getrennten Studierzimmer der Herren Richter verlegt würde.

Es ist gerade ein besonderes Prinzip des Kollegialgerichts, des Gerichts, das aus mehreren Richtern besteht, daß der Eindruck, der dem Gerichtshof vermittelt werden soll, einheitlich und unmittelbar ist. Das läßt sich nur erreichen, wenn in der mündlichen Verhandlug der Prozeßstoff vorgetragen und erörtert wird.

Ich bitte auch zu berücksichtigen, daß wir diesbezüglich auch schon in diesem Prozeß gewisse Erfahrungen gemacht haben. Wie dankbar ist sicherlich jeder, der irgendeinen Urkundenbeweis vorgelegt hat, dem Präsidenten des Gerichtshofs gewesen, wenn er teils beschränkend, teils ausdehnend in die Verhandlung beim Verlesen der Urkunden eingriff und durch diese Prozeßführung dem die Urkunde verlesenden Ankläger oder Verteidiger zu erkennen gab, wie die Ansicht des Gerichtshofs ist, worauf es ankommt. Wir haben dann erlebt, wie sich dieser Hinweis des Gerichtshofs auch für die weitere Zukunft sehr günstig ausgewirkt hat.

Bezüglich der rechtlichen Beurteilung gestatte ich mir auch auf Paragraph 21 hinzuweisen, der eine Sonderregelung enthält, eine Sonderregelung für diejenigen Tatsachen, die allgemein gültig sind, die nicht einer Erörterung bedürfen. Diese Sonderregelung, die im Paragraph 21 enthalten ist, bringt klar den Unterschied zu dem zutage, was diskussionsfähig und zu diskutieren notwendig ist. Alles, was diskussionsfähig und notwendig ist, muß in irgendeiner Weise dem Gerichtshof vorgetragen werden, damit für das Gericht die Möglichkeit besteht, hier auch einzuschreiten und seine erläuternden und führenden Bemerkungen zu machen. Das zum Juristischen.

Im übrigen glaube ich, Justice Jacksons Vorschlag doch etwas anders verstanden zu haben. Ich glaube, erst aus der weiteren Erörterung ist der Vorschlag Justice Jacksons etwas erweitert worden. Ich glaube, der Vorschlag Jacksons ging doch darauf hinaus, daß wir uns als Verteidiger eine Beschränkung auferlegen sollten, daß wir nicht wahllos das überreichte Urkundenmaterial vortragen sollen, sondern daß wir uns beschränken sollen, dasjenige herauszuziehen, was wirklich im Rahmen des jetzigen Prozeßstadiums erwähnenswert und erwähnensnotwendig ist.

Diese Beschränkung aufzuerlegen ist schon allein eine praktische Pflicht des Verteidigers. Nichts tötet die Verteidigung und die Anklage mehr, als eine Ausführung in Details, also eine Ausführung unerheblicher Tatsachen. Gerade bei einer straffen und strengen Leitung des Prozesses wird jeder Verteidiger sehr bald merken, ob er auf dem falschen Geleise ist, ob er überflüssiges Material vorbringt und durch das Vorbringen des überflüssigen Materials eine Wirkung erreicht, die er keinesfalls erzielen will.

Ich glaube infolgedessen, daß dasjenige, was Kollege Dix soeben ausgeführt hat, daß die Eigendisziplin des Verteidigers und das wohlverstandene Interesse an seiner Verteidigung und an seinem Mandanten, ihm von selbst schon die nötige Beschränkung im Vortrag auferlegen wird.