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[Dr. Seidl nähert sich dem Rednerpult.]

VORSITZENDER: Ich sagte bereits im Namen des Gerichtshofs, daß wir zwei Verteidiger hören wollten.

DR. SEIDL: Ich wollte nur einige ganz kurze Bemerkungen zu dem Thema, das meine beiden Herren Kollegen ja bereits ausgeführt haben, zufügen.

VORSITZENDER: Ja, aber dann könnte es sein, daß jeder der zwanzig oder mehr Verteidiger, die anwesend sind, etwas hinzufügen will.

DR. SEIDL: Ich glaube es nicht.

VORSITZENDER: Ich sagte zwei Verteidiger und habe auch nur zwei Verteidiger gemeint.

DR. SEIDL: Sehr gut.

VORSITZENDER: Herr Jackson, der Gerichtshof möchte gerne wissen, ob Sie in Beantwortung dessen, was ausgeführt wurde, etwas hinzuzufügen haben?

JUSTICE JACKSON: Ich glaube nicht. Ich dachte, ich könnte Zeit sparen. Ich beginne daran zu zweifeln.

VORSITZENDER: Herr Jackson! Ich glaube, der Gerichtshof möchte gerne genau wissen, wie weit Ihr Vorschlag ging. Haben Sie wirklich einen weitergehenden Vorschlag gemacht als den: die Verteidiger sollten es nicht für notwendig erachten, jedes Dokument in ihrem Dokumentenbuch im Verlaufe ihres Verteidigungsvorbringens zu verlesen; oder wollten Sie den Gerichtshof veranlassen, ihnen überhaupt zu verbieten, in diesem Verfahrensabschnitt irgendein Dokument aus ihrem Dokumentenbuch zu verlesen?

JUSTICE JACKSON: Meiner Ansicht nach sollte angeordnet werden, daß ihr Dokumentenbuch in diesem Abschnitt des Prozesses als Beweisstück ohne Verlesung eingereicht wird. Ich würde nichts dagegen haben, wenn sie Stellen, die sie für besonders wichtig erachten und auf die sie den Gerichtshof aufmerksam machen wollen, verlesen. Aber dieses Dokumentenbuch besteht aus Reden, die vor fünfzehn Jahren gehalten, in der Presse veröffentlicht wurden und in jeder vollständigen Bibliothek im Lande enthalten sind, zusammen mit vielem von dem, was hier ausgeschlossen wurde. Es scheint mir, daß dieses Material aufgenommen werden sollte, damit es zu ihrer Verfügung steht. Wenn sich darin Dinge befinden, gegen welche einzelne Länder Einspruch erheben wollen, so können sie Streichung beantragen, und zwar, wenn sie das wollen, sofort. Was die Vereinigten Staaten betrifft, so haben wir keine Einwendung zu erheben. Vom Gesichtspunkt der Erheblichkeit finde ich vieles darin höchst anfechtbar, doch würde es zu lange dauern, darüber zu streiten.

Auch kommen hier größere Fragen, wie Repressalien und ähnliche Dinge in Betracht, die auf breiterem Boden erledigt werden müssen, als nur gelegentlich der Frage der Zulässigkeit von Beweisstücken.

VORSITZENDER: Würden Sie namens der Hauptanklagevertreter etwas dagegen einzuwenden haben, oder es nicht für ratsam halten, den Vorschlag von Dr. Dix anzunehmen, daß wir abwarten, inwieweit die Verteidiger gewillt sind, die Zahl der jetzt von ihnen zu verlesenden Dokumente zu beschränken, und dann feststellen, wie lange dies dauert und ob weitere Anordnungen des Gerichtshofs notwendig sind, um den Prozeß zu beschleunigen?

JUSTICE JACKSON: Ich bin gern bereit, dies zu versuchen. Ich möchte jedoch anregen, daß man uns nun ein Dokumentenbuch übergibt, das eine Anzahl von Dokumenten enthält, über die der Gerichtshof bereits entschieden hat und worauf, wie ich mich erinnere, Sie, Herr Vorsitzender, Herrn Dr. Stahmer bei der Eröffnung seines Falles aufmerksam gemacht haben. Ich habe vielleicht nicht so viel Vertrauen, wie ich haben sollte.

VORSITZENDER: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Dokumente in das Dokumentenbuch Dr. Stahmers versehentlich hineingekommen sind, und zwar auf Grund der Tatsache, daß er als der erste Verteidiger mit Schwierigkeiten in der Vorbereitung zu kämpfen hatte, wie ich bereits erwähnt habe. Ich glaube, im Dokumentenbuch Dr. Stahmers – ich bin nicht ganz sicher – ist eine Rede von Paul Boncour enthalten, die vom Gerichtshof ausdrücklich abgelehnt wurde; das ist wohl ohne Zweifel die Art von Dokumenten, die Sie meinen. Ich glaube, ich habe auch im Falle eines anderen Verteidigers oder eines anderen Zeugen darauf aufmerksam gemacht, daß ihm ein Dokument vorgelegt wurde, das der Gerichtshof ausdrücklich abgelehnt hatte. Selbstverständlich ist es ganz falsch, daß irgendein Dokument in ein Dokumentenbuch kommt, das vom Gerichtshof ausdrücklich abgelehnt wurde. Aber wie gesagt, es ist höchst wahrscheinlich irrtümlich geschehen.

JUSTICE JACKSON: Ich bin gerne bereit und meine Kollegen bestimmt auch, einen Versuch zu machen und abzuwarten, wie er ausfällt.

Es ist, und das muß ich für uns alle sagen, die wir an verschiedene Rechtssysteme gewöhnt sind und nicht immer verstehen, was der andere im Sinne hat, schwer, diese verschiedenen Verfahren miteinander in Einklang zu bringen; ich bin gerne bereit, geduldig und entgegenkommend zu sein und abzuwarten, wie sich die Sache auswirkt.

VORSITZENDER: Danke.

Dr. Stahmer, Sie müssen verstehen, daß ich im Augenblick keine Entscheidung im Namen des Gerichtshofs darüber treffe, ob der Vorschlag von Dr. Dix angenommen wird oder nicht, weil der Gerichtshof die Angelegenheit weiterhin erwägen und dann erst die Entscheidung treffen wird.

DR. STAHMER: Darf ich noch eine persönliche Erklärung abgeben? Die Aufnahme der abgelehnten Urkunden in mein Dokumentenbuch beruht auf folgendem: Das Dokumentenbuch war bereits auf Wunsch der Übersetzungsabteilung übergeben, bevor der ablehnende Beschluß des Gerichtshofs erging; so ist das zu erklären. Ich wurde damals sehr gedrängt, das Buch doch hinzugeben, damit es dem Gerichtshof in der Übersetzung vorgelegt würde. So ist das gekommen.

VORSITZENDER: So etwa habe ich es mir vorgestellt, Dr. Stahmer.

Der Gerichtshof wird sich nunmehr bis 14.30 Uhr vertagen.