HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Das Gericht vertagt sich bis 14.30 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Bei der Prüfung der Fragen, die heute früh vorgebracht wurden, hat der Gerichtshof die Notwendigkeit eines billigen und gleichzeitig beschleunigten Verfahrens im Auge gehabt. Er hat entschieden, daß für den Augenblick das Verfahren unter den bisher mitgeteilten Regeln fortgesetzt werden wird, das heißt:

Erstens: Dokumente, die in vier Sprachen übersetzt wurden, können vorgelegt werden, ohne verlesen zu werden; aber bei ihrer Vorlage kann der Vertreter eine Zusammenfassung geben oder sonst die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf ihre Erheblichkeit lenken und jene kurzen Stellen verlesen, die besonders erheblich sind und wichtig erscheinen;

Zweitens: wenn ein Dokument vorgelegt wird, wird der Gerichtshof jeden Einspruch, der dagegen erhoben wird, anhören; in diesem Zusammenhang möchte ich auf die Vorschrift verweisen, die der Gerichtshof am 8. März 1946 erlassen hat und die folgenden Wortlaut hat:

»Um unnötige Übersetzungen zu vermeiden, sollen die Verteidiger der Anklagevertretung die genauen Stellen in allen Dokumenten, die sie zu verwenden beabsichtigen, angeben, so daß die Anklagevertretung die Möglichkeit hat, gegen unerhebliche Stellen Einspruch zu erheben. Im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen Anklagebehörde und Verteidigung über die Bedeutung einer bestimmten Stelle, wird der Gerichtshof entscheiden, welche Stellen genügend bedeutend sind, um übersetzt zu werden. Nur die zitierten Stellen brauchen übersetzt zu werden, es sei denn, daß die Anklagevertretung die Übersetzung des gesamten Dokuments beantragt.«

Der Gerichtshof hat dem Angeklagten Göring, der als erster der Angeklagten im Beweisverfahren vernommen wurde, und der sich als zweithöchster Führer Nazi-Deutschlands verantwortlich erklärt hat, gestattet, seine Aussage ohne jedwede Unterbrechung zu machen; und er hat die gesamte Geschichte des Nazi- Regimes vom Beginn bis zur Niederlage Deutschlands besprochen.

Der Gerichtshof hat nicht die Absicht, irgendeinem der anderen Angeklagten zu gestatten, denselben Gegenstand in seiner Aussage nochmals zu behandeln, es sei denn, daß es für seine eigene Verteidigung notwendig ist.

Die Verteidiger werden dahingehend belehrt, daß der Gerichtshof normalerweise Auszüge aus Büchern oder Artikeln, die die Meinung bestimmter Autoren bezüglich der Ethik, der Geschichte oder bestimmter Ereignisse widerspiegeln, nicht als zulässiges Beweismittel betrachten wird.

Der Gerichtshof wird nun bezüglich der morgigen Tagesordnung in öffentlicher Sitzung tagen, um über zusätzliche Anträge auf Zeugenvernehmung und Dokumentenvorlage zu verhandeln. Nach Schluß dieser öffentlichen Verhandlung wird der Gerichtshof in geschlossener Sitzung weitertagen.

Nun, Dr. Stahmer! Wollen Sie auf das Buch Nummer 1 verweisen. Welches ist Ihr Buch? Oder beziehen Sie sich auf Ihren Schriftsatz?

DR. STAHMER: Herr Präsident, ich beziehe mich auf den Schriftsatz Seite 5. Soweit ich unterrichtet bin, weisen die Übersetzungen dieselben Seitenzahlen auf wie der deutsche Originaltext: Seite 5, Ziffer II. Da ja dieses Buch in die drei Sprachen übersetzt worden ist, und auch das Dokumentenbuch, soweit ich unterrichtet bin, übersetzt ist, kann ich mich wohl ruhig darauf beschränken, nur kurz darauf Bezug zu nehmen und nur das vorzutragen, was ich für wesentlich halte.

Ich hatte am Beginn meines Vortrags aus diesem Buch darauf hingewiesen, daß Deutschland sich von dem Vertrag von Versailles und Locarno losgesagt hatte, daß diese Lossage an sich zu Recht erfolgt war. Nachdem nun diese Lossage erfolgt war, konnte Deutschland zur Wiederaufrüstung und auch zur Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht schreiten.

Es wurde überdies die Aufrüstung und die Wiedereinführung der Wehrpflicht durch Hitler erst angeordnet, nachdem er bereits wiederholt vorher ohne Erfolg den beteiligten Mächten Abrüstungsangebote unterbreitet hatte. Es kann demnach aus dieser Tatsache allein nicht die Folgerung gezogen werden, daß damals die Absicht bestand, deutsche Angriffskriege vorzubereiten oder zu planen. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß auch im Ausland vom Jahre 1936 ab in erheblichem Umfang aufgerüstet wurde, und ich habe mich zum Beweis für diese Tatsache auf Reden und Aufsätze bezogen, die in dem Buch Churchills »Schritt für Schritt« enthalten sind. Die einzelnen Zitate sind von mir angegeben worden. Ich beziehe mich im einzelnen auf folgendes; auf Seite 5 dieses Buches ist ausgeführt...

VORSITZENDER: Dr. Stahmer, Sie müssen diese Dinge als Beweis vorlegen.

DR. STAHMER: Ja, natürlich, ich habe das Buch hier; ich werde es Ihnen einreichen; habe auch die einzelnen Auszüge hier, die sich in dem Dokumentenbuch befinden. Es ist Dokumentenbuch 2, Seite 44, das erste Zitat im zweiten Dokumentenbuch, Seite 44.

VORSITZENDER: Werden Sie Ihre Beweisstücke irgendwie numerieren?

DR. STAHMER: Ja.

VORSITZENDER: Ich sehe, Sie haben es mit 40 numeriert, ist das richtig?

DR. STAHMER: Ja, es ist die Nummer in diesem Buche. Ich habe diese Bücher durchlaufend numeriert.

VORSITZENDER: Welche Nummer Sie auch immer benutzen wollen, sie muß bei Vorlage des Dokuments angegeben werden, damit sie ins Protokoll aufgenommen wird.

DR. STAHMER: Jawohl, Herr Präsident. Es heißt dort auf Seite 9, Dokumentenbuch 2 in Nummer 40:

»Am 18. Juni wurde das englisch-deutsche Flottenabkommen unterzeichnet, welches Deutschland von den Versailler Flotteneinschränkungen befreite. Das bedeutete im Effekt eine nachträgliche Gutheißung des Bruchs der Militärklauseln.«

Seite 35:

»Die Luftflotte ist in dem Prozeß einer annähernden Verdreifachung begriffen. Hier geht es um eine kolossale Erweiterung, die an unsere Fabrikationsmöglichkeiten die gewaltigsten Ansprüche stellt. Aber ganz abgesehen von diesen unmittelbaren Bedürfnissen besteht die bedeutend größere Aufgabe, die Heimindustrie Englands so zu organisieren, daß sie in den Stand gesetzt wird, die gesamten Ergebnisse ihrer riesigen und elastischen Kapazität in die Kanäle ihrer Kriegsproduktion zu leiten, sobald sich eine ernsthafte Notwendigkeit dazu ergeben sollte.«

Und aus dem Artikel vom 13. November 1936 zitiere ich von Seite 86. Es heißt dort wörtlich in dem Artikel »In den Gewässern des Mittelmeeres«:

»Aber es ist nicht mehr so. England hat begonnen, großzügig aufzurüsten. Sein Reichtum und sein Kredit, die Gediegenheit seiner Einrichtungen, seine gewaltigen Hilfsquellen und Verbindungen, alles trägt zu diesem Wiederaufleben bei. Die britische Flotte ist noch weitaus die mächtigste in Europa. Kolossale jährliche Ausgaben für sie werden für die Zukunft in Betracht gezogen.«

Es soll dann ferner der Beweis geführt werden, daß insbesondere der Angeklagte Göring von der Machtübernahme an zu den verschiedensten Zeiten gleichbleibend seinen ernsten Willen betont hat, den Frieden zu erhalten und einen Krieg zu vermeiden. Er hat auch wiederholt, klar ausgesprochen, daß die von Deutschland getroffenen Maßnahmen nicht Angriffszwecken dienen sollten. Zum Beweis hierfür beziehe ich mich auf mehrere Reden, die der Angeklagte Göring gehalten hat. Ich zitiere zunächst eine Rede vom 4. Dezember 1934, die von ihm in den Krupp-Werken zu Essen gehalten worden ist. Sie befindet sich in dem Buche »Hermann Görings Reden und Aufsätze«, Seite 174/176 und ist wiedergegeben im Dokumentenbuch 1, Seite 18. Ich will aus diesem Zitate nur folgendes vorlesen:

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß der Gerichtsstenograph schon weiß, welche Nummer dieses Beweisstück hat.

DR. STAHMER: Entschuldigung, bitte. Es ist Beweisstück Nummer 6.

VORSITZENDER: Das ist vom 4. Dezember 1944?

DR. STAHMER: 4. Dezember 1934.

VORSITZENDER: 1944?

DR. STAHMER: Nein, 1934. Das muß ein Druckfehler sein. Es heißt da, und es ist der letzte Satz des ersten Absatzes:

»Heute wollen wir diesen Frieden sichern, und das möge die Welt immer wieder wissen: Nur ein Deutschland der Ehre ist ein Garant des Weltfriedens. Nur ein deutsches Volk der Freiheit wird diesen Frieden halten und wird diesen Frieden zu wahren wissen.

Deshalb verlangen wir auch für uns das gleiche Recht, wie es die anderen besitzen.«

Und auf der nächsten Seite der letzte Absatz:

»Wir wollen keinen Krieg, aber wir wollen unsere Ehre. Über die diskutieren wir mit niemandem in der Welt, das steht fest, denn sie ist die Grundlage für den Aufbau der gesamten Nation. Nur wer ein scharfes Schwert an seiner Seite hat, der hat Ruhe, der hat den Frieden.«

Sir Nevile Henderson hat in seinem Buch: »Mißlingen einer Mission« an mehreren Stellen den Friedenswillen Görings hervorgehaben. Die Zitate sind wiedergegeben im Dokumentenbuch 1, Seite 63, und ich überreiche es als Beweisstück Nummer 23. Ich zitiere hier aus Seite 70 im Satze:

»Ich« – das heißt Henderson – »war bis zuletzt geneigt, an die Ernsthaftigkeit seines« – das heißt Görings – »persönlichen Wunsches nach Frieden und guten Beziehungen mit England zu glauben.«

Auf Seite 83 heißt es:

»Ich möchte hier meinem Glauben Ausdruck geben, daß der Feldmarschall, wenn es von ihm abgehangen hätte, nicht um den Preis des Krieges gespielt hätte, wie Hitler es 1939 tat. Wie später zur rechten Zeit erörtert wird, stand er im September 1938 entschieden auf der Seite des Friedens.«

Aus Seite 273 auf der nächsten Seite zitiere ich folgende Sätze:

»Ich sah den polnischen Botschafter um zwei Uhr nachts (am 31. August 1939), gab ihm einen objektiven und bemüht mäßigen Bericht über meine Unterhaltung mit Ribbentrop, erwähnte die Abtretung Danzigs und die Volksabstimmung im Korridor als die zwei Hauptpunkte der deutschen Vorschläge, stellte fest, daß sie, soweit ich überblicken könne, im ganzen nicht zu unvernünftig seien, und schlug ihm vor, seiner Regierung zu empfehlen, daß sie sofort ein Treffen zwischen den Feldmarschällen Rydz-Smygly und Göring vorschlagen solle.«

Aus Seite 274 werde ich folgenden Satz zitieren, den letzten Absatz:

»Gleichwohl schien der Feldmarschall ernst, als er nach einem Abruf ans Telephon zurückkehrte, um uns mitzuteilen, daß Herr Lipski zu seinem Besuch bei Ribbentrop unterwegs sei. Er schien erleichtert und zu hoffen, daß der Krieg trotz allem vermieden werden könne, vorausgesetzt, daß Kontakt überhaupt noch hergestellt würde.«

Im Februar 1937 hielt dann der Angeklagte Göring aus Anlaß des Internationalen Frontkämpfertreffens in Berlin eine Ansprache, die enthalten ist in »Hermann Göring, Werk und Mensch«, Seite 265, und aufgenommen ist im Dokumentenbuch 2, Seite 42, Beweisstück Nummer 39. Ich zitiere hier folgende Sätze:

»Es kann keinen besseren Friedensverteidiger geben als die alten Frontkämpfer. Ich bin überzeugt, daß sie vor allen anderen ein Recht haben, den Frieden zu fordern und ihn zu gestalten. Ich erkenne das Recht der Gestaltung des Lebens der Völker in erster Linie den Männern zu, die mit der Waffe in der Hand durch vier schwere Jahre in die Hölle des Weltkrieges gegangen sind, und ich weiß, daß die Frontkämpfer auch am ehesten darauf bedacht sein werden, ihren Völkern die Segnungen des Friedens zu erhalten.«

Ich lasse dann zwei Sätze aus, und es heißt dann weiter:

»Wir aber wissen, daß es ein furchtbares Ding ist um die letzte Auseinandersetzung zwischen den Völkern. Es ist mein heißer, von Herzen kommender Wunsch, daß dieser Kongreß mit dazu beitragen möge, die Grundlage eines wahrhaften Friedens der Ehre und der Gleichberechtigung für alle Teile zu finden. Sie, meine Kameraden, müssen die Wege dazu ebnen.«

Der gleiche Wille ist erkennbar aus den Antworten, die Lord Halifax auf die ihm gestellten Fragen erteilt hat. Ich verlese aus diesem Fragebogen die folgenden Stellen und überreiche das Original als Beweisstück Nummer 22. Es befindet sich im Dokumentenbuch 1, Seite 59. Die ersten beiden Fragen, glaube ich, kann ich auslassen. Es heißt in der 3. Frage:

»Hat Göring Ihnen bei dieser Besprechung gesagt:

Jede deutsche Regierung würde folgende Fragen:

a) den Anschluß Österreichs und des Sudetenlandes an Deutschland,

b) Rückkehr von Danzig zu Deutschland unter vernünftiger Lösung der Korridorfrage,

als integrierenden Bestandteil ihrer Politik ansehen? Antwort: Ja.

4. Frage: Haben Sie darauf geantwortet: Aber hoffentlich ohne Krieg?

Antwort: Ich sagte, daß Seiner Majestät Regierung wünsche, alle Deutschland und seine Nachbarn berührenden Fragen möchten durch friedliche Methoden gelöst werden. Ich habe sonst diese Fragen nicht diskutiert.

5. Frage: Hat Göring darauf erwidert: Das hänge sehr viel von England ab. England könne viel dazu beitragen, daß diese Frage friedlich gelöst würde. Auch Göring wünsche deshalb keinen Krieg, aber gelöst werden müßten diese Fragen unter allen Umständen?

Antwort: Ja.«

Die nächsten Fragen betreffen die Unterredung mit Dahlerus...

VORSITZENDER: Dr. Stahmer, ist das der wörtliche Inhalt dessen, was der Angeklagte Göring sagte? Hat er von sich selber in der dritten Person gesprochen: »Göring wünsche keinen Krieg«, meinend: »Ich wünsche keinen Krieg?«

DR. STAHMER: Auch er wünschte keinen Krieg. England könne viel dazu beitragen, daß diese Frage friedlich gelöst würde. Auch er wünsche deshalb keinen Krieg. Auch er, Göring, wünsche keinen Krieg, aber gelöst werden müßten diese Fragen unter allen Umständen.

Es ist ja die indirekte Rede; in der direkten Rede müßte es heißen: »Ich, Göring, wünsche keinen Krieg, aber die Fragen müssen unter allen Umständen gelöst werden.«

Die nächsten Fragen betreffen Dahlerus. Von Bedeutung ist meines Erachtens noch die 15. Frage, die Frage an Halifax:

»Hatten Sie den Eindruck, daß die Bemühungen Görings, den Krieg zu vermeiden, aufrichtig waren?«

Die Antwort von Halifax:

»Ich habe keinen Zweifel, daß Göring es vorgezogen haben würde, wenn er es gekonnt hätte.«

Ende Juni oder Anfang Juli 1938 hat der Angeklagte Göring in Karinhall eine Rede vor den Gauleitern gehalten, die eine ausgesprochene Friedensrede war. Ich beziehe mich auf eine Erklärung von Dr. Uiberreither, vom 27. Februar 1946, die im Original als Beweisstück Nummer 38 überreicht wird und im Dokumentenbuch 2, Seite 37, wiedergegeben ist.

VORSITZENDER: Dr. Stahmer, legen Sie diese Originale vor?

DR. STAHMER: Jawohl.

Es heißt in dieser Erklärung von Dr. Uiberreither vom 27. Februar 1946, Dokumentenbuch 2, Herr Präsident, Seite 38:

»Am 25. Mai 1938« – sagt Dr. Uiberreither –, »und zwar nach der am 10. April 1938 stattgehabten Abstimmung über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, wurde ich zum Gauleiter des Gaues Steiermark ernannt. Einige Wochen später – es kann Ende Juni oder Anfang Juli 1938 gewesen sein – berief der ehemalige Feldmarschall Hermann Göring sämtliche Gauleiter des Deutschen Reiches nach Karinhall. Dort hielt er an die Gauleiter eine längere Ansprache, in der er die damalige politische Lage schilderte und sich ferner über den Zweck und die Bedeutung des Vierjahresplanes eingehend aussprach.

Feldmarschall Göring wies zunächst darauf hin, daß das Ausland der politischen Entwicklung Deutschlands wenig Verständnis entgegenbringt, und daß aus diesem Grunde die Gefahr der Einkreisung Deutschlands gegeben sei. Deshalb sei die Führung der Außenpolitik Deutschlands schwierig. Es müsse daher angestrebt werden, Deutschland wirtschaftlich und militärisch zu stärken, damit die Gefahr, daß Deutschland von einer fremden Macht angegriffen werde, verringert werde. Gleichzeitig werde dadurch erreicht, daß Deutschland – wenn es wieder erstarkt sei – wieder in zunehmendem Maße einen maßgebenden Einfluß in der europäischen Politik ausüben könne.

Alsdann kam Feldmarschall Göring auf den Vierjahresplan zu sprechen, hierzu bemerkte er:

Deutschland sei im wesentlichen von den Rohstoffquellen der Erde abgeschnitten und müsse daher durch erhöhte Tätigkeit solche im eigenen Lande erschließen. Das geschehe aber nur, um Deutschland vom Ausland unabhängig zu machen und diene nicht etwa der Vorbereitung eines Angriffskrieges. Er betonte dann mit allem Nachdruck, die Außenpolitik Deutschlands müsse so gelenkt werden, daß es unter gar keinen Umständen zu einem Krieg komme. Der jetzigen Generation liege ein verlorener Weltkrieg noch in den Knochen; ein Kriegsbeginn würde einen Schock im deutschen Volk auslösen. Er sei überdies der Ansicht, daß ein neuer Krieg große Ausmaße annehmen werde und selbst ein Krieg gegen Frankreich allein hinsichtlich seines Ausganges fraglich sei.

Er faßte seine Ausführungen schließlich dahin zusammen, daß alle Kräfte eingesetzt werden müßten, um den Vierjahresplan zum Erfolg zu führen, und daß alle dadurch verursachten Belastungen des Volkes ertragen werden müßten und gerechtfertigt seien, weil durch das Gelingen der Krieg verhindert werden könne.

Ich bemerke, daß ich mich auf alle Einzelheiten dieses Vertrages so genau entsinne, weil ich zum ersten Male von einer führenden Persönlichkeit über die für Deutschland so bedeutsamen Verhältnisse unterrichtet wurde, und weil ich deshalb bis zum Kriegsbeginn nicht daran geglaubt habe, daß es zu einem Kriege kommen werde.«

In der Lösung der Österreich-Frage ist eine aggressive Handlung Deutschlands nicht zu erblicken. Sie erfolgte, um einem Wunsche des überwiegenden Teiles der österreichischen Bevölkerung nach dem Anschluß zu entsprechen. Wie der Angeklagte diese Frage beurteilte, ergibt sich aus dem Ferngespräch, das er mit dem damaligen Außenminister von Ribbentrop am 13. März 1938 führte. Die Niederschrift über dieses Gespräch wurde bereits als 2949-PS, US-76 vorgelegt. Ich zitiere aus diesem Gespräch einige bisher nicht verlesene Stellen. Das Gespräch selbst ist im Dokumentenbuch 1, Seite 55/56 enthalten. Ich will daraus nur folgende Stellen anführen:

»Nun will ich mal eins sagen; wenn man hier sagt« – es ist das Gespräch von Göring –, »wir hätten unter Druck das österreichische Volk, die Unabhängigkeit vergewaltigt, dann kann man höchstens sagen, eine einzige Sache ist vielleicht unter Druck gesetzt worden, aber nicht von uns, das war die ganz winzig kleine Regie rung. Das österreichische Volk, das ist jetzt erst frei. Ich würde einfach vorschlagen, den Halifax oder ein paar wirklich erste Leute, denen er vertraut, die soll er doch einfach rüberschicken, damit sie sich das Bild ansehen können. Sie sollen durch das Land reisen, dann sehen sie alles.«

Dann einige Sätze weiter:

»Welcher Staat in der ganzen Welt wird durch unsere Vereinigung geschädigt? Nehmen wir irgendeinem Staat etwas weg?«

Dann heißt es weiter, ich lasse zwei Sätze aus:

»Alle Menschen sind deutsch, alle Menschen sprechen deutsch. Also ist hier kein einziger Staat beteiligt.«

Der Angeklagte Göring – ich verweise auf Seite 11 des Buches, vorletzter Absatz – wollte aber nicht nur den äußeren Frieden erhalten, er trat auch für die Wahrung des Friedens im Innern ein. So erklärte er in einer Rede, die er am 9. April 1933 im Berliner Sportpalast hielt; sie ist in »Hermann Görings Reden und Aufsätze« abgedruckt, und wiedergegeben im Dokumentenbuch 1, Seite 35, und wird überreicht als Beweisstück Nummer 13. Ich zitiere daraus den ersten Satz:

»Auf der anderen Seite aber, Volksgenossen, wollen wir auch großzügig sein. Wir wollen nicht kleinlich Rache üben. Wir sind ja die Sieger. Also seien wir großzügig, erkennen wir, daß auch wir einstmals anders gedacht haben.«

Und dann etwas weiter unten:

»... je stärker und freier wir uns als solche fühlen, desto großzügiger, desto freier können wir auch über Vergangenes hinwegsehen und wirklich aufrichtig die Hand zur Versöhnung hinreichen.«

Ich zitiere weiter aus einer Rede des Angeklagten vom 26. März 1938, Dokumentenbuch 1, Seite 37; es ist ebenfalls ein Zitat aus »Hermann Görings Reden und Aufsätze«, das die Beweisstücknummer 14 hat. Ich zitiere daraus nur den einen Satz:

»Groß wart ihr im Leiden und Erdulden, groß im Standhalten, groß im Kämpfen. Nun zeigt, daß ihr jetzt auch groß in der Güte seid, und zwar gerade gegen all die vielen, die irregeleitet waren.«

Seine Einstellung zur Kirche hat der Angeklagte...

VORSITZENDER: Dr. Stahmer, können Sie nicht die Beweisstücknummer angeben?

DR. STAHMER: Jawohl, ich glaube, Nummer 13 war es. Ich will soeben nochmals nachsehen. Es war Nummer 14.

Seine Einstellung zur Kirche hat der Angeklagte Göring in mehreren Reden zum Ausdruck gebracht. So hat er am 26. Oktober 1935 dazu folgendes erklärt, das heißt, ich zitiere hier aus »Hermann Görings Reden und Aufsätze«, Dokumentenbuch 1, Seite 39, Beweisstücknummer 15, folgende Sätze:

»Es liegt an der Kirche allein, ob sie den Frieden haben will. Wir, die Bewegung und vor allem die Regierung und der Staat, haben die Kirche niemals angegriffen; wir haben der Kirche Schutz zugesichert und die Kirche weiß, daß sie diesen Schutz auch heute in vollem Umfange besitzt. Es ist also nicht an dem, daß man uns hier irgendeinen Vorwurf machen könnte.«

Und aus einer Rede vom 26. März 1938, die ebenfalls zitiert ist, aus »Hermann Görings Reden und Aufsätze«, Dokumentenbuch 1, Seite 41, Beweisstücknummer 16, zitiere ich den ersten und zweiten Satz:

»Wir wollen keine Kirche vernichten und keinen Glauben und keine Religion zerstören. Wir wollen nur, daß eine klare Scheidung vorgenommen wird. Die Kirche hat ihre bestimmten, sehr wichtigen und sehr notwendigen Aufgaben, und der Staat und die Bewegung haben andere ebenso wichtige und ebenso entscheidende Aufgaben.«

Es wird weiter Bezug genommen auf eine Eingabe eines Pfarrers, Werner Jentsch, die er an den Gerichtshof gerichtet hat, vom 30. Oktober 1945, Dokumentenbuch 1, Seite 44 bis 46, Beweisstücknummer 17. Ich will nur den Absatz 8 zitieren:

»Hermann Göring selbst hat auf eine Eingabe zwecks Einfügung einer hauptamtlichen luftwaffeneigenen Seelsorge mir durch seinen Chefadjutanten antworten lassen, er könne im Augenblick nichts tun, da Adolf Hitler sich in der Religionsfrage noch nicht endgültig entschieden habe. Er wünsche aber volle Glaubensfreiheit in der Luftwaffe, auch für die christlichen Konfes sionen, und jeder Angehörige der Luftwaffe könne sich den Heeresgeistlichen oder Zivilpfarrer wählen, welchen er wolle.«

Die eidesstattliche Versicherung des Gauleiters Uiberreither vom 27. Februar 1946 behandelt die Frage, die von mir bereits erwähnt wurde und die im Dokumentenbuch 1, Seite 31 enthalten ist. Sie befaßt sich in Ziffer 2 mit den Vorgängen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 und deren Kenntnis. Es heißt da folgendermaßen:

»Einige Wochen nach dem Vorgehen gegen die Juden in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 – etwa Ende November oder Anfang Dezember 1938 – berief der Feldmarschall Göring wiederum alle Gauleiter nach Berlin.

In scharfen Worten tadelte er bei dieser Zusammenkunft dieses Vorgehen und erklärte, daß es der Würde der Nation nicht entsprochen habe. Im übrigen habe es auch unser Ansehen im Auslande schwer geschädigt. Wenn man in der Ermordung des Legationsrats vom Rath einen Angriff des Judentums gegen das Reich erblicke, so habe das Deutsche Reich andere Möglichkeiten, solchem Angriff zu begegnen, als die niedrigen Instinkte aufzurufen. In einem geordneten Staat dürfe es unter keinen Umständen zu regellosen Aktionen der Straße kommen.«

Und im letzten Absatz unter Ziffer 2 lautet es:

»Er forderte zum Schluß die Gauleiter auf, ihren ganzen Einfluß dahin geltend zu machen, daß in Zukunft derar tige, Deutschland schädigende Vorfälle sich nicht wieder ereigneten.«

Seite 16, Ziffer 5, kann ich übergehen, weil soweit schon eine Erklärung abgegeben wurde. Daß Göring es mit seinen Pflichten als Oberster Gerichtsherr besonders ernst genommen hat, zeigt eine eidesstattliche Erklärung des Stabsrichters Dr. Lehmann vom 21. Februar 1946. Ich werde aus dieser Erklärung im ersten Dokumentenband, Seite 106, Beweisstücknummer 27 verlesen. Ich zitiere von Absatz II an:

»II. Ich habe von ihm folgendes Bild:

Der Reichsmarschall stand ursprünglich den Juristen sehr ablehnend gegenüber. Er war offenbar vom Führer beeinflußt. Das hat sich in dem Maße geändert, in dem er sich mit der Justiz der Luftwaffe beschäftigte. Der Reichsmarschall gehörte am Schluß des Krieges zu den hohen Befehlshabern, die sich gern von Juristen beraten ließen. Er hatte besonders für die Luftwaffenjustiz viel übrig und hielt große Stücke auf sie. Er gab ihr schwierige Fälle zur Untersuchung, in denen er den Berichten anderer Stellen nicht recht traute.«

Im nächsten Absatz:

»In den Sachen, in denen ich mit dem Reichsmarschall zu tun hatte, ließ er sich gründlich unterrichten. Er nahm sich für die Dinge ungewöhnlich viel Zeit. Die Besprechungen verliefen, auch wenn erhebliche Meinungsverschiedenheiten da waren, ruhig und sachlich.«

Dann aus Ziffer III:

»III. Der Reichsmarschall hat sich im Bereich der Luft waffenjustiz sehr viel Sachen zur eigenen Bestätigung des Urteils vorbehalten, darunter alle Todesurteile. Er war bei der Beurteilung des Einzelfalles – bei aller Härte, die der Führer von allen Gerichtsherren verlangte – doch sehr gern einmal zur Milde geneigt. Von schonungsloser Strenge war er bei Verrat und besonders bei Sittlichkeitsverbrechen. Aus den Niederschriften weiß ich, daß er öfters bei schweren Notzuchtfällen Urteile aufgehoben hat, weil er ein Todesurteil für notwendig hielt. Dabei macht er keinen Unterschied, ob es sich um eine Frau in Deutschland oder in den besetzten Gebieten handelte. Ich glaube mich aus den Niederschriften mindestens eines Falles zu entsinnen, wo er sogar die gewöhnliche Vollstreckungsart änderte und befahl, daß der Soldat in dem russischen Dorf, in dem er die Notzucht begangen hatte, zu erhängen sei.

IV. Als Vorsitzender in der Verhandlung war der Reichsmarschall sehr lebhaft aber wohlwollend, auch in den Gnadenvorschlägen an den Führer.

V. In seinen eigenen Entscheidungen hat der Reichsmarschall zweifellos oft gegen Gedankengänge und Forderungen des Führers bewußt verstoßen, besonders bei politischen Sachen, die er viel milder und bei Ausschreitungen gegen Landeseinwohner, die er viel härter beurteilte als der Führer.

VI. Mit dem Rechtsberater des Reichsmarschalls, einem sehr erfahrenen, ruhigen, gewissenhaften Juristen, habe ich häufig über den Reichsmarschall gesprochen, auch mit dem durch die gleichen Eigenschaften ausgezeichneten Oberreichskriegsanwalt, der oft bei ihm war. Wir waren über den Reichsmarschall einer Meinung.«

Es ist hier im Laufe des Prozesses wiederholt von der Anklagebehörde auf die sogenannte »Grüne Mappe« Bezug genommen worden, die vorgelegt worden ist unter 1743-PS. Diese ist nicht, wie die Anklagebehörde behauptet, eine Vorschrift zur Ausplünderung und Vernichtung der Bevölkerung. Sie hatte vielmehr zum Gegenstand die wirtschaftliche Mobilmachung und die Inganghaltung der Wirtschaft, Beschaffung und regelmäßige Verwendung der Vorräte, der Verkehrseinrichtungen der durch Kriegsmaßnahmen zu besetzenden Gebiete unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, daß in Rußland keine Privatwirtschaft vorhanden war, sondern nur eine straff von der Zentrale geregelte Staatswirtschaft. Dazu kommt, daß man beim russischen Verhalten mit weitgehenden Zerstörungen rechnen mußte. Sie enthält nirgends einen Befehl oder Hinweis, daß Bevölkerungsgruppen über die Notwendigkeiten hinaus, die durch den Krieg verursacht werden, in Anspruch zu nehmen sind.

Ich habe aus dieser »Grünen Mappe« eine ganze Reihe von Stellen zitiert, die diese von mir vorgetragenen Behauptungen beweisen sollen. Ich kann mich nicht im einzelnen darauf beziehen. Ich will nur auf eine hinweisen, die besonders charakteristisch ist, und zwar auf Seite 94 der »Grünen Mappe«, 2. Absatz:

»Zwischen der einheimischen Bevölkerung, das heißt in diesem Fall den Arbeitern und Angestellten, soll ein möglichst gutes Verhältnis hergestellt werden.«

Etwas weiter auf derselben Seite:

»Mit der Bevölkerung ist ein gutes Verhältnis anzustreben, im besonderen mit den Arbeitern in der Landwirtschaft.«

Ich komme jetzt zu dem nächsten Absatz: Die Deutsche Wehrmacht trat in den Krieg unter voller Wahrung der internationalen Vereinbarungen.

VORSITZENDER: Wo steht dieser Teil?

DR. STAHMER: Seite 23, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Welcher Band?

DR. STAHMER: Im Schriftsatz.

VORSITZENDER: Wir scheinen nur 22 Seiten in unserem Schriftsatz zu besitzen. Sind zwei Bände vorhanden?

DR. STAHMER: Ja, ich glaube im zweiten Schriftsatz. Es ist mit Rücksicht auf die Schnelligkeit der Übersetzung geteilt worden, damals. Darf ich fortsetzen?

Die Deutsche Wehrmacht trat in den Krieg ein, unter voller Wahrung der internationalen Vereinbarungen. Keinerlei Übergriffe größeren Umfanges seitens deutscher Soldaten wurden bekannt. Einzelverfehlungen wurden streng bestraft. Alsbald nach Beginn der Feindseligkeiten erfolgten indessen Meldungen und Berichte über Grausamkeiten, die gegen deutsche Soldaten begangen wurden. Diese Meldungen wurden sorgfältig untersucht. Das Ergebnis wurde niedergelegt durch das deutsche Auswärtige Amt in Weißbüchern, die nach Genf gesandt wurden. So kam unter anderem das Weißbuch zustande, das sich mit den von russischen Soldaten gegen Kriegsrecht und Menschlichkeit begangenen Verbrechen befaßt.

GENERAL RUDENKO: Meine Herren Richter! Der Verteidiger des Angeklagten Göring, Dr. Stahmer, beabsichtigt, dem Gerichtshof Auszüge des sogenannten von der Hitler-Regierung im Jahre 1941 veröffentlichten Weißbuches bezüglich der angeblich stattgefundenen Verletzungen gegenüber deutschen Kriegsgefangenen, zwecks Aufnahme ins Protokoll vorzulegen. Meiner Meinung nach können diese Auszüge weder vorgelegt, noch zur Aufnahme in das Protokoll verlesen werden, und zwar aus den folgenden Gründen:

Es können nur Tatsachen unter Beweis gestellt werden, die sich auf diese Verhandlungen beziehen. Der Gerichtshof befaßt sich mit den Angelegenheiten, die sich auf die von den deutschen Hauptkriegsverbrechern begangenen Verbrechen beziehen.

Das Weißbuch besteht aus einer Reihe erfundener Dokumente bezüglich Vergehen, die nicht vom faschistischen Deutschland, sondern von anderen Staaten begangen wurden. Daher können die im Weißbuch enthaltenen Angaben nicht als Beweismaterial in diesem Falle dienen. Diese Schlußfolgerung ist sehr wohl begründet, denn das Weißbuch ist eine Veröffentlichung zum Zwecke faschistischer Propaganda, die von Erfindungen und Fälschungen strotzt, um die von den Faschisten begangenen Verbrechen zu verbergen. Daher ersuche ich den Gerichtshof, die Vorlage und Verlesung von Auszügen aus dem sogenannten Weißbuch zur Aufnahme ins Protokoll zurückzuweisen.

VORSITZENDER: Mit welcher Begründung rechtfertigen Sie die Vorlage dieses Beweismaterials, Herr Dr. Stahmer?

DR. STAHMER: Die Frage, ob es möglich und zulässig sei, in diesem Verfahren zum Zwecke des Beweises auf dieses Weißbuch Bezug zu nehmen, ist ja schon wiederholt erörtert worden. Insbesondere ist es Diskussionsgegenstand gewesen, als es sich darum handelte, ob ich mich auf dieses Weißbuch zum Beweis beziehen könne. Es ist ja, soviel ich weiß, vorläufig als Beweismittel zugelassen. Und es ist schon damals in der Erörterung, die aus Anlaß dieses Beweisthemas durchgeführt wurde, darauf hingewiesen worden, daß insofern es auf die Beweisführung ankomme, es bei der Prüfung des Motives von Bedeutung ist.

Ich habe schon damals darauf hingewiesen, daß die Handlungen, die gegenüber den deutschen Kriegsgefangenen vorgekommen sind, von Bedeutung sind, um Verständnis zu haben für die Maßnahmen, die auf deutscher Seite getroffen worden sind. Man kann die innere Einstellung der Männer, die die Taten veranlaßten oder selbst ausführten, nicht würdigen, wenn man nicht den Hintergrund betrachtet, vor dem sich ihre Handlungen abspielten, und die Motive untersucht, die sie verursachten, diese Taten zu begehen.

Und aus der Wichtigkeit dieses Motives heraus, um die Kenntnis zu haben über die Anschuldigungen, die von den Deutschen erhoben worden sind, ist meines Erachtens die Bezugnahme auf diese Urkunde unbedingt nötig.

VORSITZENDER: Haben Sie beendet?

DR. STAHMER: Jawohl.

VORSITZENDER: Wir sind hier, um über die Hauptkriegsverbrecher zu Gericht zu sitzen; nicht aber über die Signatarmächte. Deshalb müssen Sie die Vorlage von Beweismaterial gegen die Signatarmächte in gesetzmäßiger Form begründen.

DR. STAHMER: Die Vorlage erfolgt aus folgenden Gründen, wenn ich wiederholen darf:

Es wird den Angeklagten hier vorgeworfen, daß unter ihrer Führung gegen fremde Wehrmachtsangehörige Verbrechen und Taten begangen worden sind, die sich mit der Genfer Konvention nicht in Einklang bringen lassen. Diesseits wird geltend gemacht, wenn es zu Härten und Ausschreitungen auf deutscher Seite gekommen ist, diese veranlaßt wurden dadurch, daß auch auf der anderen Seite in gleicher Weise verstoßen worden ist, und daß daher aus diesem Grunde die Taten anders und milder zu beurteilen sind, als wenn sich die Gegenseite korrekt verhalten hätte. Für die Beurteilung des Motivs sind diese Tatsachen jedenfalls von Bedeutung.

VORSITZENDER: Versuchen Sie, die Einführung dieses Beweismaterials auf Grund von Repressalien zu rechtfertigen?

DR. STAHMER: Nicht allein auf Grund der Repressalien, sondern auch vom Gesichtspunkt des Motivs der Tat heraus.

VORSITZENDER: Sie bitten uns um Zulassung eines Dokuments, eines deutschen Regierungsdokuments. Wir sind nach dem Statut angewiesen, Schriftstücke, Regierungsurkunden und Berichte der Vereinten Nationen entgegenzunehmen; aber es ist nirgends gesagt, daß uns anheimgestellt ist, von der Deutschen Regierung herausgegebene Dokumente zuzulassen. Wir können nicht feststellen, ob diese Schriftstücke beglaubigte Tatsachen enthalten oder nicht.

DR. STAHMER: In den Dokumentenbüchern sind enthalten gerichtliche Protokollaufnahmen von gerichtlichen Untersuchungen. Diese Untersuchungen müssen jedenfalls auch einen Beweiswert in gleicher Weise wie offizielle Dokumente haben. Es sind gerichtliche Protokolle, auf die im Weißbuch Bezug genommen wird.

GENERAL RUDENKO: Ich möchte den Gerichtshof auf eine Sache besonders aufmerksam machen. Der Verteidiger Dr. Stahmer versucht, diese Schriftstücke vorzulegen, um, wie er sagt, die Gründe für die deutschen Verbrechen erklären zu können. Ich möchte betonen, daß aus Dokumenten, welche seitens der Anklagebehörde hier vorgelegt und zugelassen wurden und dem Angeklagten Göring zur Einsicht übergeben wurden, hervorgeht, daß die auf Kriegsverbrechen bezüglichen Urkunden bereits vor Ausbruch des Krieges vorbereitet waren.

VORSITZENDER: Welches Datum haben diese Dokumente, um deren Zulassung Sie uns bitten?

DR. STAHMER: Ich habe die einzelnen hier.