[Zu Dr. Kubuschok gewandt:]
Vielleicht sprechen Sie darüber.
DR. EGON KUBUSCHOK, IN VERTRETUNG VON DR. GUSTAV STEINBAUER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SEYSS-INQUART: Der Angeklagte Seyß-Inquart bittet um die Bewilligung eines Fragebogens für den Zeugen Bohle. Die Vernehmung dieses Zeugen ist vom Gerichtshof mit der Begründung abgelehnt worden, daß das Beweisthema kumulativ sei. Der Angeklagte Seyß-Inquart bittet erneut, die Beweisfragen zu klären, und zwar lediglich auf dem Wege eines Fragebogens. Der Zeuge ist nicht entbehrlich, insbesondere da das Beweisthema nicht von anderen direkten Zeugen bestätigt werden kann. Die anderen Zeugen, die hierüber genannt worden sind, können nur bekunden, was ihnen von Bohle mitgeteilt worden ist. Über die wirklichen Vorgänge kann aus eigener Kenntnis nur Bohle Bekundungen machen.
VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Wenn andere bewilligte Zeugen nur vom Hörensagen über das Beweise bringen, was sie von Bohle gehört haben, warum haben Sie nicht Bohle verlangt an Stelle dieser anderen Zeugen?
DR. KUBUSCHOK: Ja, ich kenne nicht die Absichten meines Kollegen, der Seyß-Inquart verteidigt. Ich weiß nur, daß er hilfsweise indirekte Zeugen benannt hat, aber mir wird eben gesagt, daß Bohle als direkter Zeuge in Betracht käme. Auch muß man ja mit der Möglichkeit rechnen, daß die anderen Zeugen, für die die Sache nicht so wichtig ist, Erinnerungslücken haben.
VORSITZENDER: Wollten Sie etwas darüber sagen, Sir David?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Gerichtshof wird sich daran erinnern, daß ich den Gerichtshof unterrichtet habe, daß alle Fragen an Bohle die gleichen waren wie jene an den Zeugen von der Wense, außer zwei Fragen, die sich mit Requisitionen von Lastwagen beschäftigen, und über die wenig zu diskutieren sein könnte. Deshalb schien es der Anklagebehörde, daß hier ein klarer Beweis vorliegt, daß dieser Zeuge vollkommen kumulativ wäre. Die Befragung ist Wort für Wort dieselbe wie die des Zeugen von der Wense.
DR. KUBUSCHOK: Es war in den ursprünglichen Anträgen sicherlich nicht klar zum Ausdruck gekommen, daß den übrigen Zeugen nur dasjenige zur Kenntnis gekommen ist, was sie von Bohle selbst wissen. Tatsächlich handelt es sich bei dem Beweisthema um Anordnungen von Bohle selbst, über die er selbstverständlich selbst der beste Zeuge sein kann. Notfalls würden wir damit einverstanden sein, daß das Beweisthema bei den anderen Zeugen gestrichen wird.
VORSITZENDER: Wenn hier über die Sache keine Einigung erzielt wird, kann der Gerichtshof, ohne die Fragebogen von Bohle und den anderen Zeugen gesehen zu haben, kaum entscheiden. Würde es der Sache gerecht werden, wenn wir diesen Fragebogen unter der Bedingung zulassen, daß, sollte es sich später herausstellen, daß andere Fragebogen mit diesem kumulativ sind, diese dann unbeachtet bleiben?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Natürlich, soweit es mich anbetrifft.
VORSITZENDER: Sehr gut.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der nächste ist der Angeklagte Sauckel, und Dr. Servatius und Herr Roberts, einer meiner Mitarbeiter, haben diese Sache ausführlich besprochen. Dr. Servatius ist nicht hier, vielleicht kann Herr Roberts dem Gerichtshof mitteilen, wie weit sie gekommen sind.
MR. ROBERTS: Dr. Servatius hat eine Liste von ungefähr 90 Dokumenten vorgelegt, eine sehr beträchtliche Anzahl. Aber die meisten sind kurze Auszüge aus verschiedenen Verordnungen und Befehlen, die sich auf den Arbeitseinsatz beziehen, und es ist schwierig, einen Grund zu finden, gegen sie Einspruch zu erheben. Dr. Servatius hat auf meinen Vorschlag zugestimmt, von seiner Liste ungefähr zehn bis fünfzehn Dokumente als kumulativ herauszunehmen. Ungefähr vier Dokumente beziehen sich auf angebliche schlechte Behandlung von Arbeitern seitens der Feinde Deutschlands, gegen die ich Einspruch erhoben habe mit der Begründung, daß sie nicht erheblich sind. Und hinsichtlich dieser Dokumente wird eine Entscheidung des Gerichtshofs erforderlich sein, da es sich um eine grundsätzliche Frage handelt. Euer Lordschaft! Da Dr. Servatius, soweit ich weiß, heute nicht mehr hier sein konnte, könnten wir vielleicht die Frage mit dem Generalsekretär bei seiner Rückkehr Anfang nächster Woche besprechen, so daß dann die Sache in einer passenden und mehr oder weniger vereinbarten Form dem Gerichtshof vorgelegt werden kann.
VORSITZENDER: Ja. Dann haben Sie noch keine Vereinbarung über die Zeugen erreichen können, nicht wahr?
MR. ROBERTS: Euer Lordschaft! Ich dachte, die Lage mit den Zeugen sei die folgende: Sir David hat sie vor einigen Wochen vor dem Gerichtshof besprochen, und so hat es Dr. Servatius gemacht, und Sir David hat zugestanden, daß sechs Zeugen zugelassen werden und Affidavits von einer Anzahl anderer. Das wurde von Dr. Servatius in Betracht gezogen, und er hat dann seine endgültige und sehr reduzierte Liste vorgelegt, die elf Zeugen enthielt, und die ich einem Beamten des Gerichtshofs übergeben habe. Ich verstehe es so, daß sie dem Gerichtshof vorgelegt wurde.
VORSITZENDER: Haben Sie das Datum? Ist es der 4. März 1946?
MR. ROBERTS: Ich habe ein Dokument vor mir in deutsch...
VORSITZENDER: Ich verstehe.
MR. ROBERTS: Und die Stellungnahme der Anklagevertretung wurde von Sir David ausführlich dargelegt, als diese Dinge früher besprochen wurden, und es ist jetzt Sache des Gerichtshofs, glaube ich, eine Entscheidung über die zwei Anträge zu treffen, den einen hinsichtlich der sechs Zeugen und den anderen für elf. Was die Entscheidung sein sollte...
VORSITZENDER: Sir David, das bringt uns zum Ende der eingetragenen Anträge. Dann wurden einige Anträge später vorgebracht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Da ist ein Antrag von dem Angeklagten Frank, der einen Fragebogen an den Gesandten Messersmith verlangt. Er wurde in einer geschlossenen Sitzung vom Gerichtshof bewilligt. Er wurde nicht in den eingereichten Anträgen der Verteidiger verlangt, sondern in offener Sitzung gestellt. Ein grundsätzlicher Einspruch der Anklagevertretung dagegen liegt nicht vor.
Dann verlangte der Angeklagte von Ribbentrop das Buch »Amerika Im Kampf der Kontinente« von Sven Hedin...
VORSITZENDER: Andere Angeklagte haben Fragebogen an Herrn Messersmith gerichtet, nicht wahr?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.
VORSITZENDER: Sind die Antworten schon eingetroffen?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sind noch nicht eingegangen, wurde mir gesagt.
VORSITZENDER: Wie lange ist es her, seitdem sie abgesandt wurden?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde mich erkundigen, Euer Lordschaft – am 21. Februar.
VORSITZENDER: Sie haben diese Fragebogen gesehen, die jetzt vom Angeklagten Frank vorgeschlagen wurden?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bin nicht sicher.
VORSITZENDER: Fünf sind es im ganzen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Lage ist nämlich so, daß wir sie gestern erhielten, und daß sie noch zwischen meiner Delegation und der Amerikanischen Delegation besprochen werden. Ich habe sie bisher noch nicht bekommen.
VORSITZENDER: Ich glaube, wir müssen dies noch prüfen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das nächste ist ein Antrag des Angeklagten von Ribbentrop, der das Buch: »Amerika im Kampf der Kontinente« von Sven Hedin verlangt. Das muß dem allgemeinen Verfahren für Bücher unterworfen werden, und wenn da Stellen sind, die der Angeklagte verwenden möchte, dann können wir über ihre Erheblichkeit verhandeln, wenn er sie vorlegt, jedesmal wenn die Stelle auftaucht.
VORSITZENDER: Das wird auch geprüft werden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie Euer Lordschaft wünschen. Dann ist hier ein Antrag im Namen des Angeklagten Schacht für das Buch: »Warnungen und Prophezeiungen« von dem verstorbenen Lord Rothermere. Das gleiche Verfahren sollte wohl hier angewandt werden. Die gewünschten Stellen können herausgezogen und uns gezeigt werden, und dann können wir, wenn sie verwendet werden sollen, ihre Erheblichkeit prüfen.