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[zum Zeugen gewandt]

Sie haben eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, die ich Ihnen jetzt verlesen werde:

»Zur Sache:

I. Die Auslandsorganisation der NSDAP wurde auf Anregung einiger Auslandsdeutscher am 1. Mai 1931 in Hamburg gegründet.

Zum Leiter ernannte der damalige Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser den Reichstagsabgeordneten der NSDAP, Dr. Hans Nieland.

Ich selbst trat der Auslandsorganisation als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Dezember 1931 bei und wurde am 1. März 1932 in die Partei aufgenommen. Am 8. Mai 1933 legte Dr. Nieland die Leitung der Auslandsorganisation nieder, nachdem er inzwischen in die Hamburgische Regierung eingetreten war und sich auch als Inlandsdeutscher weniger für Fragen des Auslandsdeutschtums interessierte. Wohl auf Grund meiner Auslandserfahrungen und meiner Beziehungen zum Ausland – ich bin in England geboren und in Südafrika aufgewachsen – wurde ich mit der Leitung der Auslandsorganisation beauftragt.

II. Zweck der Auslandsorganisation war, die bei der Machtübernahme außerhalb der Reichsgrenzen vorhandenen etwa dreitausenddreihundert Parteimitglieder organisatorisch zu erfassen. Darüber hinaus sollte durch sie das Auslandsdeutschtum, das nur eine sehr verschwommene Kenntnis von den politischen Vorgängen in der Heimat haben konnte, über das Ideengut und das politische Programm des neuen Staates unterrichtet werden.

III. Nur Reichsdeutsche konnten Mitglieder der Partei werden. Die Aufnahme von Ausländern oder von ehemaligen Deutschen, die eine fremde Staatsangehörigkeit erworben hatten, war strengstens untersagt.

IV. Auf dem Auslandsausweis jedes reichsdeutschen Parteigenossen im Ausland befand sich als beherrschender Grundsatz der Stellung der Auslandsorganisation der Partei zum Ausland folgender Satz:

Befolge die Gesetze des Landes, dessen Gast Du bist. Die Innenpolitik des Gastlandes lasse dessen Bewohner machen; mische Dich nicht in diese, auch nicht gesprächsweise.‹

Dieser Grundsatz war richtunggebend für die Arbeit und die Einstellung der Auslandsorganisation dem Ausland gegenüber vom Tag ihrer Gründung an bis zum Ende. Ich selbst habe in vielen öffentlichen Reden darauf hingewiesen und dabei unter anderem auch den Satz geprägt: ›Der Nationalsozialist ehrt deshalb fremdes Volkstum, weil er sein eigenes liebt.‹

V. Meine Reden in der Porchester Hall in London am 2. Oktober 1937 und in Budapest Ende Januar 1938 geben ein erschöpfendes Bild der Stellung der Auslandsorganisation der NSDAP gegenüber dem Ausland.

Winston Churchill hat im Spätsommer 1937 die Tätigkeit der Auslandsorganisation mehrfach in Zeitungsartikeln angegriffen und sie in seinem bekannten Aufsatz ›Friendship with Germany‹ im Londoner ›Evening Standard‹ vom 17. September 1937 als eine Belastung der deutsch-englischen Beziehungen bezeichnet. Im gleichen Artikel erklärte er sich bereit, sich mit mir in der freundschaftlichsten Weise über diese Frage zu unterhalten. Die Deutsche Botschaft in London teilte dem Auswärtigen Amt damals daraufhin mit, daß eine Anfrage Churchills im Unterhaus über die Tätigkeit der Auslandsorganisation außerordentlich unerwünscht sei. Man befürwortet deshalb dringend eine Unterredung zwischen Churchill und mir. Diese fand am Tage meiner Ansprache an die Reichsdeutschen in London in der Stadtwohnung Churchills statt und dauerte über eine Stunde. Ich hatte ausgiebig Gelegenheit, Churchill in dieser ungemein liebenswürdig verlaufenen Aussprache über die Arbeit der Auslandsorganisation zu unterrichten und seine Bedenken zu zerstreuen. Am Schluß geleitete er mich zu meinem Wagen und ließ sich mit mir photographieren, um, wie er sagte, der Welt zu zeigen, daß wir als Freunde geschieden seien. Eine Anfrage im Unterhaus unterblieb. Mit keinem Wort hat Churchill seit diesem Tage die Tätigkeit der Auslandsorganisation wieder beanstandet. Meine Rede vom gleichen Tage, die kurz darauf von einem englischen Verlag in englischer Sprache als Broschüre herausgegeben wurde, fand eine durchaus günstige Aufnahme. Die Times brachte darüber einen längeren Auszug unter der Überschrift: ›Herr Bohle's Plea for an Understanding‹. Churchill schrieb mir nach der Unterredung einen Brief, in dem er seiner Befriedigung über das Ergebnis unserer Aussprache Ausdruck verlieh.

VI. In dem Prozeß gegen den Mörder des Landesgruppenleiters der Auslandsorganisation in der Schweiz, Wilhelm Gustloff, welcher im Jahre 1936 vor einem Schweizer Gericht in Chur stattfand, war die Legalität der Arbeit der Auslandsorganisation Gegenstand der Untersuchung durch das Gericht. Der Angeklagte David Frankfurter wurde zu 18 Jahren Zuchthaus verurteilt. Aus der Erinnerung weiß ich, daß die Schweizer Behör den, die keineswegs nazifreundlich waren, bescheinigen mußten, daß Gustloff und die Landesgruppe der Auslandsorganisation in ihrer Tätigkeit keinerlei Anlaß zu Beanstandungen gegeben hatten. Maßgebend war damals das Zeugnis des Bundesrats Baumann, der meines Wissens damals Innen- und Polizeiminister der Schweiz war.

VII. Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß auch nach Ausbruch des Krieges die Landesgruppen der Auslandsorganisationen in den neutralen Ländern bis Kriegsende weiter bestanden haben. Das gilt vor allem für die Schweiz, Schweden und Portugal.

Spätestens vom Jahre 1943 ab hätte das Reich gegen ein Verbot kaum etwas unternehmen können, wenn die Auslandsorganisation mit den Landesgesetzen dieser Staaten in Konflikt gekommen wäre, und ein Verbot sicher die unausbleibliche Folge gewesen wäre.

VIII. Von der unbestreitbaren Legalität der Auslandsorganisation abgesehen, habe ich als deren Leiter immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß die Auslandsdeutschen sicher die letzten seien, die sich zu einer Kriegshetze oder gar zu einer Verschwörung gegen den Frieden mißbrauchen lassen würden. Aus bitterer Erfahrung wußten sie, daß mit dem Ausbruch eines Krieges für sie zunächst Internierung, Verfolgung, Beschlagnahmung des Vermögens und Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz verbunden war.

IX. Als Kenner der Verhältnisse im Ausland wußte niemand besser als der Auslandsdeutsche, daß irgendeine Tätigkeit im Sinne einer Fünften Kolonne ebenso sinn los wie schädlich für die Reichsinteressen gewesen wäre.

Der Ausdruck ›Fünfte Kolonne‹ stammt übrigens meines Wissens aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Er ist jedenfalls eine ausländische Erfindung. Als Franco Madrid mit vier Sturmkolonnen angriff, wurde behauptet, daß eine Fünfte Kolonne, bestehend aus nationalen Elementen, sich innerhalb der belagerten Stadt unterirdisch und zersetzend betätigt habe.

X. Die Anwendung der Bezeichnung ›Fünfte Kolonne‹ auf die Auslandsorganisation der NSDAP entbehrt jeder Begründung. Wäre die Behauptung wahr, so würde das bedeuten, daß Mitglieder der Auslandsorganisation in Verbindung mit oppositionellen einheimischen Elementen in einem oder in mehreren Staaten beauftragt worden seien oder von sich aus versucht hätten, diesen Staat von innen heraus zu unterhöhlen. Jede derartige Behauptung wäre völlig aus der Luft gegriffen.

XI. Weder vom früheren Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, noch von mir als dem Leiter der Auslandsorganisation, hat diese Organisation oder haben Mitglieder dieser Organisation in irgendeiner Form Aufträge erhalten, die sie zu einer Tätigkeit im Sinne einer Fünften Kolonne hätten veranlassen können. Auch Hitler selbst hat mir nie Weisungen in diesem Sinne gegeben. Zusammenfassend kann ich sagen, daß die Auslandsorganisation zu keiner Zeit, solange ich ihr Leiter war, irgendeine Tätigkeit im Sinne einer Fünften Kolonne entwickelt hat. Niemals wurden vom Stellvertreter des Führers der Auslandsorganisation Befehle gegeben oder Weisungen erteilt, die sie zu einer solchen Tätigkeit hatten veranlassen können. Rudolf Heß war im Gegenteil peinlichst darauf bedacht, daß Angehörige der Auslandsorganisation sich unter keinen Umständen in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes mischten.

XII. Natürlich ist bekannt, daß ebenso wie die Angehörigen der damaligen Feindstaaten auch Deutsche im Ausland zu Spionagezwecken und im Nachrichtendienst eingesetzt wurden. Diese Tätigkeit hatte aber mit der Zugehörigkeit zu der Auslandsorganisation nicht das geringste zu tun. Um den Bestand der Gruppen der Auslandsorganisation, die völlig öffentlich und legal wirkten, nicht zu gefährden, habe ich immer wieder verlangt, daß Mitglieder der Auslandsorganisation für solche Zwecke nicht eingesetzt wurden, oder mir aber vorher Gelegenheit gegeben wurde, sie ihrer Funktionen innerhalb der Auslandsorganisation zu entheben.«

Das ist das Ende der Erklärung des Zeugen Bohle.

Ich habe zunächst keine Fragen an den Zeugen.

VORSITZENDER: Wünscht einer der anderen Verteidiger an den Zeugen Fragen zu stellen?

DR. FRITZ SAUTER, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN FUNK UND VON SCHIRACH: Ich hätte einige Fragen an diesen Zeugen.