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[Der Zeuge verneint.]

Um Zeit zu sparen, lassen Sie mich verlesen:

»Nach dem seit Kriegsausbruch vorbereiteten Einsatzplan wurde am 7. April der erste Einsatzzustand von der Landeskreisleitung angeordnet....«

Hört sich das nicht so an, als ob Plane für verschiedene Operationsphasen gemacht worden waren? Es klingt nicht so, als ob die Arbeit Ihrer Organisation nur darin bestanden hätte, Kenntnis über das norwegische Volk zu erlangen, nicht, wahr?

BOHLE: Das kann, weil es mir völlig neu ist, ausschließlich eine Verabredung in dem Lande selbst mit militärischen oder anderen Stellen gewesen sein. Ich habe davon bis zu diesem Augenblick keine Kenntnis gehabt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das entnehme ich dem, was Sie sagen. Aber waren Sie denn nicht der Leiter dieser Organisation?

BOHLE: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie sind hier vor diesem Internationalen Gerichtshof erschienen und haben vor ihm Zeugnis abgelegt. Wahrscheinlich haben Sie gesagt, daß Sie in der Lage wären, wahrheitsgemäßes und genaues Beweismaterial zu geben, nicht wahr?

BOHLE: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Verstehen Sie das?

BOHLE: Ja, das habe ich verstanden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Muß ich jetzt Ihrer Aussage entnehmen, daß Sie nicht wissen, was sich in Ihrer Organisation abspielte, und daß Sie daher nicht in der Lage sind, auszusagen, ob es sich hier um eine Angelegenheit der Fünften Kolonne handelte oder nicht?

BOHLE: Es ist ganz klar, daß in einer so großen Organisation der Leiter, der in Berlin seinen Dienstsitz hat, nicht alles genau wissen kann, was draußen, vor allem auch gegen seine Anordnungen, gemacht wird. Ich hatte nicht dieselbe Disziplingewalt über meine Parteimitglieder im Ausland wie etwa ein Gauleiter im Inland. Das brauche ich nicht weiter auszuführen, weil es klar auf der Hand liegt. Es ist auch klar, und das ist mir bekannt, daß verschiedene Deutsche draußen, an die wegen ihres Vaterlandsgefühls appelliert wurde, sich ohne Wissen der Auslandsorganisation und gegen deren ausdrücklichen Befehl, in einzelnen Fällen für derartige Zwecke gebrauchen ließen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Um Zeit zu sparen, wollen wir diesen besonderen Tätigkeitsbereich in Norwegen nicht weiter verfolgen für den Fall, daß es sich hier um eine Ausnahme handelt, von der Sie nichts wußten. Lassen Sie mich zu etwas anderem übergehen. Wollen Sie sich bitte Seite 65 desselben Buches ansehen? Ist das ein Artikel Ihres Landesgruppenleiters in Griechenland?

BOHLE: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ist es in Form eines in tagtäglichen Aufzeichnungen geführten Tagebuchs gehalten, das über die Tätigkeit der Auslandsorganisation in Griechenland berichtet, als deutsche Truppen in dieses Land einfielen?

BOHLE: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie sich Seite 65 ansehen?

»Sonntag, 27. April: Hakenkreuz auf der Akropolis.«

So lautet die Überschrift. Ich bitte um Verzeihung. Ich weiß nicht, ob es direkt unter dieser Überschrift zu finden ist. Der Landesgruppenleiter spricht folgendermaßen:

»Ich fahre gleich los und besuche rasch die anderen Quartiere, wo die deutsche Kolonie interniert war, die Philadelphia und das Institut. Den Insassen des Hauses in der Akademiestraße erlegte ich auf, heute noch auf die Heimkehr in ihre Häuser zu verzichten und sich zur Verfügung zu halten. Wir wollen doch den deutschen Truppen sofort als Sprach- und Landeskundige helfen. Nun ist dieser Augenblick gekommen. Der Einsatz muß sofort beginnen.«

Wissen Sie hierüber Bescheid?

BOHLE: Ja, davon weiß ich sogar alles. Das war wohl doch ganz klar, daß im Augenblick, wo deutsche Truppen eine fremde Stadt besetzten und die internierten Auslandsdeutschen befreiten, die ja gefangen waren, daß die sich zur Verfügung stellten, den deutschen Truppen, um ihnen in jeder Beziehung als Wegweiser, als Dolmetscher oder ähnliches zu helfen. Das ist doch wohl das Selbstverständlichste von der Welt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das haben sie auch wirklich getan und die Beihilfe, die Ihre Organisation anscheinend dann geleistet hat, bestand darin, sie zu organisieren und sie vorzubereiten, stimmt das nicht? Das hat Ihr Landesgruppenleiter anscheinend getan?

BOHLE: Diese Frage habe ich nicht verstanden. Bitte um Wiederholung.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Verstehen Sie, daß es Ihr Landesgruppenleiter war, der die Mitglieder Ihrer Organisation zusammenfaßte, sie so organisierte, daß sie den einmarschierenden Heeren am besten Beistand leisten konnten.

BOHLE: Das ist eine vollkommen falsche Art des Ausdrückens. Der Landesgruppenleiter in Griechenland, der seinen Posten seit 1934 innehatte, konnte überhaupt nicht wissen, ob eine Invasion Griechenlands kam oder nicht kam. Das hatte mit der Art seiner Organisation nicht das geringste zu tun. Im Augenblick, wo deutsche Truppen im Lande drin waren, war es ganz klar, daß sie ihre Landsleute begrüßten, sie bewirteten, ihnen halfen, wo sie nur konnten. Das war ja eine selbstverständliche vaterländische Pflicht.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich verstehe. Bitte schlagen Sie Seite 66 auf, die nächste Seite. Dort finden Sie den Abschnitt, der beginnt mit:

»Ich organisierte inzwischen den Einsatz aller Parteigenossen zum Hilfsdienst für die Wehrmacht.«

Haben Sie diese Stelle gefunden?

BOHLE: Ich verstehe es auch, wenn ich die Stelle nicht habe.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Es wäre besser, wenn Sie die Stelle finden würden.

BOHLE: Wo soll das sein?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Auf Seite 66. Es ist ein neuer Abschnitt.

BOHLE: Ja, ich habe es jetzt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES:

»Ich organisierte inzwischen den Einsatz aller Parteigenossen zum Hilfsdienst für die Wehrmacht.«

Es sieht jetzt so aus, als ob der Landesgruppenleiter sie organisierte, nicht wahr?

BOHLE: In dem Moment, ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES:

»Bald sieht man unsere Jungen und Mädel in ihren HJ-Uniformen stolz und strahlend neben den Feldgrauen auf Krafträdern und Kübelwagen fahren...«

Haben Sie selbst etwas über die Organisation und die Arbeit gewußt, die Ihr Landesgruppenleiter in Griechenland ausführte, um Ihren Armeen halbmilitärische Hilfe zu leisten? Oder war dies ein anderer Fall wie Norwegen, von dem Sie nichts wußten?

BOHLE: Der Landesgruppenleiter in Griechenland hat keine halbmilitärische Organisation geschaffen, sondern eine selbstverständliche Organisation in dem Moment zur Unterstützung der einrückenden deutschen Truppen auf einem völlig zivilen Sektor auf die Beine gestellt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut, ich möchte Sie eben noch über eine andere Sache befragen. Haben Sie ein Dokument vor sich, ein Telegramm von jemand namens Stohrer aus Madrid?

BOHLE: Stohrer, ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Hatte Stohrer etwas mit der Deutschen Botschaft in Madrid zu tun?

BOHLE: Stohrer war der Deutsche Botschafter selbst. Dr. von Stohrer.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das Datum dieses Telegramms ist der 23. Oktober 1939. Wollen wir uns einmal ansehen, wie es lautet:

»Landesgruppenleiter hat sehr geeignetes Haus an der Hand für Unterbringung Landesgruppe einschließlich DAF, Ortsgruppe, Hitler-Jugend und Deutsches Haus Madrid, überdies noch Raum verfügbar, falls Botschaft sich ausbreiten müßte und insbesondere sehr geeignetes abgeschlossenes Zimmer für evtl. Aufstellung zweiten Geheimfunkapparates, der wegen Wiedereröffnung Schule dort nicht mehr untergebracht werden kann.

Landesgruppenleiter bittet mich, Haus von Botschaft aus zu mieten, wodurch sehr erhebliche Steuerkosten usw. gespart werden. Angesichts der eben erwähnten in Aussicht genommenen teilweisen Verwertung für Botschaft trage keinerlei Bedenken. Falls nicht einverstanden, erbitte umgehende Drahtweisung.

Bitte auch Gauleiter Bohle vorlegen.«

Haben Sie diesem Gerichtshof die Wahrheit gesagt, als Sie vor ungefähr zwanzig Minuten aussagten, daß Sie nicht wußten, daß von Ihrer Organisation Funkgeräte verwendet wurden?

BOHLE: Jawohl, weil mir von diesen Apparaten und von deren Verwendung, ich muß annehmen, daß es sich um Apparate der Botschaft handelt, nichts bekannt ist.

DR. SEIDL: Aus der mir übergebenen Abschrift des Telegramms ergibt sich nicht, an wen dieses Telegramm gerichtet wurde. Aus dem letzten Satz des Telegramms muß man annehmen, daß das Telegramm jedenfalls nicht an den Zeugen gerichtet war. Meines Erachtens müßte man zunächst den Zeugen fragen, ob er von dieser Bitte Kenntnis erlangt hat und an wen dieses Telegramm gerichtet wurde.

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte fortsetzen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Vielleicht können Sie Dr. Seidl sagen, an wen der Botschafter in Madrid wahrscheinlich ein Telegramm über eine derartige Angelegenheit gesandt haben würde?

BOHLE: An das Auswärtige Amt in Berlin.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Und zu jener Zeit waren Sie Staatssekretär im Auswärtigen Amt in Berlin, nicht wahr?

BOHLE: Ganz recht, im Oktober 1939.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Unter der Unterschrift befindet sich der Verteilungsschlüssel an... Er erwähnt verschiedene Personen in den Abteilungen des Auswärtigen Amtes in Berlin. Ist das richtig?

BOHLE: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie nun behaupten, daß trotzdem alle diese Abteilungen, obwohl sie ersucht waren, Ihnen diese Angelegenheit zu unterbreiten, dies unterlassen hätten?

BOHLE: Nein, das behaupte ich nicht. Sie hätten das sicher getan.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Erinnern Sie sich selbst daran, das Telegramm vorher gesehen zu haben?

BOHLE: Ich kann mich daran nicht erinnern. Das wäre mir auch aufgefallen, denn zwei Geheimfunksender in Spanien ist eine Angelegenheit, von der ich bis heute nichts weiß. Es wäre auch absolut in Ordnung, wenn ich das zugeben würde. Ich kann es aber nicht, wenn ich es nicht weiß. Der Verteiler erwähnt unter Nummer »3« den Staatssekretär, mit dem ich aber nicht gemeint bin, sondern der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, der politische. Meine Bezeichnung hieß im Auswärtigen Amt: Chef AO.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich kann Ihnen das alles ersparen. Ich behaupte nicht, daß mit diesem Staatssekretär Sie selbst gemeint sind, andernfalls wäre nicht ersucht worden, Ihnen das Telegramm vorzulegen. Was ich von Ihnen wissen will, ist, was Sie oder Ihre Mitarbeiter in der Botschaft, oder Sie alle zusammen, mit zwei Geheimsendern in Spanien im Oktober 1939 wollten?

Wollen Sie immer noch behaupten, daß Ihre Organisation sich nicht mit der Rückgabe von Nachrichten von militärischer Bedeutung befaßte?

BOHLE: Wie ist das gemeint, »Rückgabe«?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie dem Gerichtshof sagen – und ich wünsche, daß Sie das klar und deutlich beantworten –, wollen Sie dem Gerichtshof sagen, daß Ihre Organisation in Spanien nicht für Spionagezwecke verwandt wurde?

BOHLE: Jawohl, das behaupte ich. Es ist ein Unterschied zu machen zwischen einzelnen Mitgliedern der Auslandsorganisation, die selbstverständlich ohne mein Wissen – ich habe oft genug dagegen protestiert – für derartige Zwecke draußen verwandt wurden. Ich hatte nichts dagegen, daß Deutsche im Ausland in einem Kriege, wie das bei allen anderen Staaten mehr als reichlich der Fall war, dafür verwandt wurden. Ich wollte aber nicht, daß es sich um Angehörige oder Funktionäre der Auslandsorganisation handelte. Es muß ein Unterschied...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich will Sie gar nicht unterbrechen. Ich will Sie nicht unterbrechen, setzen Sie fort, wenn Sie noch etwas zu sagen haben. Aber um Zeit zu sparen, bitte ich Sie, sich so kurz wie möglich zu fassen.

BOHLE: Ich habe den Eindruck, daß hier verwechselt wird die Auslandsorganisation als Organisation mit dem, was einzelne Auslandsdeutsche draußen als ihre vaterländische Pflicht im Kriege getan haben. Da scheint mir der springende Punkt zu liegen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich will darüber nicht streiten. Sie sehen selbst, daß Ihre Organisation amtliches Interesse zeigte, amtlich in ihren Büchern aufzunehmen, was sie tat. Ich will Ihnen nur noch etwas zeigen – ein Dokument.