HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Der Angeklagte Streicher wird an der Nachmittagssitzung nicht teilnehmen.

[Der Zeuge Bohle im Zeugenstand.]

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Zeuge! Wollen Sie sich bitte wieder das Dokument ansehen, mit dem wir uns vor der Pause beschäftigt haben.

Wollen Sie sich den Absatz ansehen, der beginnt: »Ebenso wie überall, ist es äußerst wichtig, wo der Feind ist, und was er macht.« Euer Lordschaft! Ich bin nicht ganz sicher, ob ich das nicht schon vorgelesen habe.

VORSITZENDER: O ja, Sie haben das schon gelesen und den nächsten Absatz sowie den oben auf Seite 3 des englischen Textes. Ich glaube wenigstens, Sie lasen den Paragraphen, der anfängt »Ein wichtiger Abschnitt«.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Vielleicht kann ich mit dem Absatz, der beginnt »Ein wichtiger Sektor«, anfangen. Haben Sie das?

BOHLE: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES:

»Ein wichtiger Sektor Ihrer und Ihrer Kameraden Arbeit müssen Wirtschaftsbetriebe, Handelsunternehmungen usw. sein. Nicht nur, daß Sie auf diesem Wege gut Ihre Propaganda fortpflanzen können. Sie können gerade in solchen Unternehmungen leicht Nachricht über sonderbare Besucher erhalten. Es ist bekannt, daß gerade die feindlichen Spionageorganisationen sich sowohl zu Erkundigungen wie zu Sabotageakten in den Wirtschaftskreisen bewegen. Besonders geeignet zu diesem Dienst sind Kameraden, die intime Beziehungen zu Speditionsgesellschaften haben. Selbstverständlich müssen Sie in der Auswahl Ihrer Mitarbeiter besonders peinlich genau und vorsichtig vorgehen. Hierher gehört auch ein Hinweis auf zwischenstaatliche Organisationen und Austauschvereine.«

Ich möchte Sie besonders bitten, auf die nächsten Zeilen zu achten:

»Es hat sich erwiesen, daß diese öfters sich harmloser Unternehmungen als Tarnung bedienten und in Wirklichkeit als Filialen des ausländischen Nachrichtendienstes anzusehen sind.«

Zeuge, beschreibt dies nicht ganz genau die Art und Weise, wie die Auslandsorganisation ihre Tätigkeit ausübt? Lesen Sie es nochmals:

»Es hat sich erwiesen, daß diese öfters sich harmloser Unternehmungen als Tarnung bedienten und in Wirklichkeit als Filialen des ausländischen Nachrichtendien stes anzusehen sind.«

Stimmt das nicht genau mit den Anweisungen überein, die Ihr Landesgruppenleiter in diesem Dokument an seine Mitglieder geschrieben hat?

BOHLE: Im Gegenteil, ich finde, daß das ein klarer Beweis dafür ist, daß diese Organisationen, die hier erwähnt werden, im Dienste der Fremdspionage und nicht etwa dem der deutschen standen. Ich lese genau das Gegenteil dessen heraus, was der britische Ankläger vorgelesen hat.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Haben nicht Sie oder hat nicht Ihr Landesgruppenleiter hier diese Leute angewiesen, Abwehrdienste zu leisten, das heißt eine Funktion auszuüben, die zum Nachrichtendienst gehört? Ist das nicht ungefähr das, worauf der Verfasser bis zu dieser Stelle hinzielt?

BOHLE: Der Brief, den ich nicht persönlich kenne, dreht sich offensichtlich darum, daß Auslandsdeutsche angewiesen werden, in allen Fällen Meldung zu machen, wo sie der Arbeit des »Intelligence Service« begegneten. Dagegen ist in einem Krieg meines Erachtens nicht das geringste einzuwenden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut, wir wollen nicht weiter darüber diskutieren. Soweit ich Sie verstehe, wissen Sie nichts über die Instruktionen, die in diesem Briefe enthalten sind. Das ist das erstemal, daß Sie ihn gesehen oder davon gehört haben? Ist das richtig?

BOHLE: Nein, dieser Brief ist mir neu, und ich weiß auch nicht, ob er ein Original ist. Ein Original liegt nicht vor.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Darf ich dann annehmen, daß Sie keine Kenntnis hatten von der Tätigkeit in den Ländern um Deutschland herum, wo Ihre Organisation arbeitete, von der Tätigkeit, die sie in Belgien ausübte, keine Kenntnis hatten von der Tätigkeit, die sie in Norwegen ausübte, keine Kenntnis von dem, was sie in Spanien machte, und nicht sehr viel von dem, was in Rumänien gemacht wurde. Ist das richtig?

BOHLE: Nein, das ist nicht richtig. Ich habe selbstverständlich Kenntnis von der Tätigkeit der Landesgruppen draußen gehabt, aber es ist mir nicht ganz klar, welche besondere Tätigkeit als Zweck der Auslandsorganisation der Herr britische Ankläger herausstellen will.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wenn Sie über ihre Tätigkeit unterrichtet waren..., Ihre Aussage gibt mir zu verstehen, daß dies nicht der Fall war in Bezug auf die Tätigkeit, über die Ihr eignes Auslandsorganisations-Jahrbuch einen Artikel herausbrachte. Diese beiden Artikel berichteten sowohl über die Tätigkeit in Norwegen als auch in Griechenland. Sie wußten von alledem nichts, stimmt das?

BOHLE: Die Tätigkeit in Norwegen kannte ich nicht. Das habe ich bereits ausgesagt. Die Tätigkeit in Griechenland kannte ich sehr wohl; außerdem bewegte sie sich auf einem völlig normalen Gebiet.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut; Lassen wir das. Ich möchte nur noch zwei Fragen über eine andere Sache stellen. Habe ich recht, wenn ich behaupte, daß die Informationen, ich will jetzt nicht mit Ihnen diskutieren, welcher Art die Informationen waren, daß die Informationen, die Ihre Organisation nach Hause sandte, dann an den Angeklagten Heß weitergeleitet wurden?

BOHLE: Teilweise ja, teilweise nicht. Das kam auf den Inhalt der Informationen an. Wenn sie eine außenpolitische Information war, bekam sie natürlich eine andere Stelle.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie waren in der Tat eine Sammelstelle für Informationen, nicht wahr? Darf ich Ihnen erklären, was ich meine: Sie haben Informationen, die Sie erhielten, an die SS weitergeleitet?

BOHLE: Teilweise ja; wenn nicht an die SS, dann wahrscheinlich...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: An das Auswärtige Amt?

BOHLE: Manchmal auch an das Auswärtige Amt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Und an die Abwehr, nicht wahr?

BOHLE: Abwehr sehr selten, aber das ist auch vorgekommen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie sagen sehr selten. Hatten Sie keinen Verbindungsoffizier von der Abwehr in Ihrer Organisation?

BOHLE: Nein, ich hatte nur einen Mitarbeiter, der ehrenamtliche Verbindung zur Abwehr in vorkommenden Fällen aufrecht erhielt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Vielleicht sprechen wir über denselben Herrn. Hatten Sie nicht einen Hauptmann Schmauß in Ihrem Hauptamt in Berlin?

BOHLE: Herr Schmauß ist nie im Leben Hauptmann gewesen, sondern er war Politischer Leiter und ehrenamtlicher SS-Führer. Im Heer war er – glaube ich – Feldwebel. Er stammte auch nicht von der Abwehr, sondern war Personalchef der Auslandsorganisation und rein ehrenamtlich für diese Verbindung tätig.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie sagen, er war nicht Verbindungsoffizier zwischen Ihrer Auslandsorganisation und der Abwehr?

BOHLE: Nein, er war überhaupt kein Offizier. Er gehörte der Wehrmacht nicht an.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte mit Ihnen nicht über seinen Rang streiten. War er, was auch immer er gewesen sein möge, als Verbindungsmann zwischen Ihnen und der Abwehr tatsächlich tätig?

BOHLE: Ja, das ist richtig.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sehr gut. Nun weiter: Hat Heß außer den Informationen, die er durch Ihren Nachrichtenapparat, das heißt durch die Auslandsorganisation erhielt, auch noch Informationen von jenen Organisationen bekommen, die sich mit den Volksdeutschen beschäftigten, das heißt mit nichtdeutschen Staatsbürgern, sogenannten Volksdeutschen im Ausland, die nicht Mitglieder Ihrer Organisation waren, weil Sie nur deutsche Staatsbürger in Ihre Organisation aufnahmen. Aber hat Heß über die Tätigkeit der Volksdeutschen, ich glaube, Sie nennen sie so, Informationen von anderen Quellen erhalten?

BOHLE: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich darüber mit Heß nicht gesprochen habe und die Volksdeutschen Angelegenheiten völlig außerhalb meines Bereiches lagen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Dr. Karl Haushofer war einige Zeit 1938/1939 Präsident des VDA, stimmt das?

BOHLE: Ich glaube ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das war eine Organisation, die sich mit der Tätigkeit der Volksdeutschen im Ausland beschäftigte. Ist das richtig?

BOHLE: Ich glaube ja. Ich kenne mich auf diesem Gebiet nicht aus.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wie Sie wissen, waren Heß und Karl Haushofer gute Freunde, stimmt das nicht?

BOHLE: Jawohl, das stimmt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Haushofer war Schüler von Heß an der Münchener Universität, wußten Sie das?

BOHLE: Umgekehrt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wissen Sie nicht, daß Heß Informationen von Haushofer über die Tätigkeit dieser anderen Organisationen erhielt?

BOHLE: Nein, davon ist mir nichts bekannt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut. Ich will Ihnen keine Falle stellen. Ist das Ihre Antwort? Haben Sie vor diesem Gerichtshof die Wahrheit gesprochen?

BOHLE: Ich wollte ferner sagen, daß der Stellvertreter des Führers peinlichst genau eine Trennung in der auslandsdeutschen, das heißt reichsdeutschen Arbeit im Ausland und der Volksdeutschen durchgeführt hat, und ebenso peinlichst genau darauf achtete, daß ich mit Volksdeutschen Fragen in keiner Weise befaßt wurde. Ich habe deshalb auch von diesen Vorgängen keine Kenntnis.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Heß als Stellvertreter des Führers war in der Tat mit allen Angelegenheiten betraut, die sich auf das Deutschtum im Ausland bezogen, nicht wahr?

BOHLE: Das war er wohl, weil er im Auslande geboren war. Nicht aber, soviel ich weiß, in seiner Eigenschaft als Stellvertreter des Führers. Ich glaube, das hatte damit nichts zu tun.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, daß er nur deswegen, weil er im Ausland geboren war, mit allen Fragen bezüglich des Deutschtums im Ausland betraut war?

BOHLE: Ich nehme das an, denn es hätte genau so gut irgendein anderer Reichsleiter der Partei diese Fragen bearbeiten können. Ich nehme aber an, daß Heß sie deswegen übernommen hat, weil er eben das Ausland kannte.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte ganz klar sein. Gleichgültig warum, er hat in der Tat diese Dinge geleitet. Ist das Ihre Aussage?

BOHLE: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte Sie nunmehr an eine Stelle in Ihrem Verhör erinnern, das in diesem Gebäude am 9. November 1945 stattfand. Erinnern Sie sich an das Verhör vom 9....?

BOHLE: [unterbrechend] September?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Am 9. November.

BOHLE: November, ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie wurden am Nachmittag dieses Tages durch einen Leutnant Martin verhört.

BOHLE: Durch Leutnant Martin, ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Lassen Sie mich einen kurzen Auszug aus dem Protokoll über dieses Verhör verlesen und Sie fragen, ob er stimmt. Sie wurden befragt über die Informationen, die durch die Auslandsorganisation nach Deutschland kamen:

»Frage: Mußte er sich in Bezug auf diese Dinge auf die Nachrichten verlassen, die er von Ihnen bekam?

Antwort: Nicht nur. Ich glaube, Heß hatte eine große Anzahl von Verbindungen in Hamburg, durch welche er Informationen erhielt, wovon er mir nichts mitteilte.

Frage: Welche Verbindungen hatte er in Hamburg?

Antwort: Es waren Schiffahrtsgesellschaften.

Frage: So etwas wie in Ihren Instruktionen an den Landesgruppenleiter in Rumänien?

Antwort: Ich glaube, er kannte eine Reihe von Leuten dort; ich habe es mir immer so erklärt, daß er sie kannte.

Frage: Ist das Helferich?

Antwort: Helferich auf der einen Seite, aber dann hatte er viele Leute, von denen er Informationen erhielt; ich glaube durch Professor Haushofer, seinen alten Lehrer, mit dem er sehr befreundet war. Aber er hat es immer so gehalten, daß wir nicht über das informiert wurden, was die Volksdeutschen anging. Er pflegte zu sagen: ›Das ist nicht Ihre Sache!‹«

Ist das richtig?

BOHLE: Ja, das ist richtig.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Und wie Sie es damals ausgesagt haben, ist das eine richtige Beschreibung der Stellung, die Heß bezüglich der Informationen von Agenten im Ausland innehatte. Ist das hier richtig dargestellt?

BOHLE: Soweit ich das übersehen kann, wird das Wohl richtig sein. Ich kann selbst nur beurteilen, inwieweit die Berichterstattung durch die Auslandsorganisation in Frage kam. Über die anderen kann ich nur Vermutungen anstellen, aber keine klare Auskunft geben, weil ich nicht eingeweiht war.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich habe keine weiteren Fragen. Vielleicht kann ich die Beweisstücke, auf die ich mich bezogen habe, in Ordnung bringen.

Das Jahrbuch der Auslandsorganisation, dem die Artikel über Norwegen und Griechenland entnommen waren, wird mit GB-284 bezeichnet. Die beiden Übersetzungen, die Sie haben, sind mit M-153 und M-156 bezeichnet, und beide zusammen werden jetzt Beweisstück GB-284.

Das geheime drahtlose Telegramm, das Dokument M-158 war, wird GB-285; und der Brief vom Landesgruppenleiter Konradi, der Dokument 3796-PS war, wird GB-286.

BOHLE: Darf ich noch etwas zu einem Punkt aus dem britischen Kreuzverhör sagen?

VORSITZENDER: Ja.

BOHLE: Kann ich anfangen?

VORSITZENDER: Sie können eine kurze Erklärung abgeben, Sie können aber hier keine Rede halten.

BOHLE: Nein, ich will keine Rede halten, sondern ich möchte nur zu dem heute morgen angeschnittenen Thema der Geheimsender folgendes sagen: Obwohl ich über die Technik derartiger Sender nicht unterrichtet bin, nehme ich an, daß ein Geheimsender nur Zweck hat im Ausland, wenn ein Empfangsgerät sich in Berlin befindet; und ich weiß ganz genau, daß in meinem Dienstgebäude in Berlin oder in einem sonstigen Gebäude der Auslandsorganisation sich niemals ein Empfangsgerät befunden hat, von dem ich irgendeine Kenntnis hatte, und ich kann auch annehmen, daß ein solches Empfangsgerät nicht bestand.

OBERST JOHN HARLAN AMEN, BEIGEORDNETER ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Erinnern Sie sich, daß Sie am 11. September 1945 durch Oberst Brundage vernommen worden sind?

BOHLE: Ja.

OBERST AMEN: Ich möchte Ihnen einige Fragen und Antworten aus Ihrer Vernehmung vorlesen und Sie fragen, ob Sie sich daran erinnern, diese Fragen gefragt worden zu sein und die Antworten gegeben zu haben.

Frage: Nun, als Sie anfingen, wer war Ihr unmittelbarer Vorgesetzter?

Antwort: Rudolf Heß bis 1941, bis er sich nach England begab.

Frage: Wer war sein Nachfolger?

Antwort: Martin Bormann. Martin Bormann wurde automatisch Nachfolger von Heß, aber er hat nicht wirklich die Stellung für Heß ausgefüllt, weil Heß vom Ausland war und in Ägypten geboren wurde, während Bormann niemals etwas von auswärtigen Angelegenheiten verstand, er beschäftigte sich nicht damit, aber natürlich war er mein Vorgesetzter.

Frage: Aber nominell war er Ihr Vorgesetzter?

Antwort: Er war technisch mein Vorgesetzter, aber er hat mir keine Befehle oder Anweisungen oder irgend etwas Ähnliches gegeben, da er nichts von diesen Dingen verstand.

Frage: So daß Sie für alles, was in Ihrem Amt getan wurde, verantwortlich waren?

Antwort: Absolut.

Frage: Und Sie sind willens, diese Verantwortlichkeit zu übernehmen?

Antwort: Natürlich.

Erinnern Sie sich, daß Sie diese Fragen gefragt wurden und diese Antworten gegeben haben?

BOHLE: Das ist absolut richtig.

OBERST AMEN: Und waren diese Antworten richtig, als Sie sie gaben?

Absolut richtig.

OBERST AMEN: Sind sie noch heute wahr?

BOHLE: Immer noch wahr.

OBERST AMEN: So daß Sie die Verantwortung übernehmen für alles, was Ihr Amt durchgeführt hat, stimmt das?

BOHLE: Jawohl, das ist richtig.

OBERST AMEN: Wer war von Strempel?

BOHLE: Von Strempel, ich glaube, war Gesandtschaftsrat im Auswärtigen Amt, aber ich kenne ihn nicht näher.

OBERST AMEN: War er nicht Erster Sekretär bei der Deutschen Botschaft in den Vereinigten Staaten von 1938 bis Pearl Harbor?

BOHLE: Ich kann es nicht genau sagen, weil ich ihn nur ganz flüchtig kenne und keinerlei Verbindung mit ihm hatte.

OBERST AMEN: Nun, er wurde über die Unterstützung des Deutsch-Amerikanischen Bundes durch die Auslandsorganisation vor dem Jahre 1938 vernommen, und ich möchte Ihnen nur eine oder zwei Fragen und Antworten vorlesen und Sie fragen, ob Sie mit dem übereinstimmen, was Sie über die Sache wissen. Verstehen Sie?

BOHLE: Jawohl.

OBERST AMEN:

»Frage: Wurde der Deutsch-Amerikanische Bund von der Auslandsorganisation unterstützt?

Antwort: Ich bin ganz sicher, daß er mit der auswärtigen Organisation der Partei in Verbindung stand. Zum Beispiel hat der Bund Anweisungen bekommen, wie die Organisation aufgezogen werden sollte, wie, wo und wann er Massenversammlungen abhalten sollte und wie er die Propaganda durchzuführen hatte. Persönlich ist mir nicht bekannt, ob er finanzielle Unterstützung erhalten hat.«

Stimmt das mit Ihrer Anschauung überein?

BOHLE: Nein, das ist eine absolut falsche Darstellung.

Die Auslandsorganisation hat erstens mal überhaupt nicht finanziell unterstützt, und hat keinerlei Verbindung mit dem Amerika-Deutschen Volksbund gehabt. Das habe ich in wiederholten Verhören hier in Nürnberg auch deutlich zum Ausdruck gebracht und darüber ein Affidavit abgegeben.

OBERST AMEN: Ja, das weiß ich. Ihr Zeugnis geht also dahin, daß, falls Strempel dies als Tatsache beschworen hat, er nicht die Wahrheit gesagt hat? Ist das richtig?

BOHLE: Ich bin der Meinung, daß Herr von Strempel, wenn er Legationssekretär oder sonstiger Sekretär war, überhaupt nichts davon wissen kann, und eine Auskunft gegeben hat, über die er sich selbst offenbar nicht im klaren ist. Dies stimmt jedenfalls nicht.

OBERST AMEN: Ist Ihnen die Tatsache bekannt, daß im Jahre 1938 eine Anordnung herausgegeben wurde, die den Angehörigen der Deutschen Botschaften und Konsulate verbot, weiter Beziehungen oder Verbindungen mit dem Bund zu pflegen?

BOHLE: Es war ein genereller Befehl für die Reichsdeutschen im Ausland, aus dem Bund, sofern sie überhaupt darin waren, auszutreten. Dieser Befehl lag aber meines Wissens Jahre vorher, etwa 1935 oder 1936, und stammte auf meine Bitte vom Stellvertreter des Führers.

DR. SEIDL: Ich widerspreche dieser Frage. Diese Frage hat mit dem Beweisthema, für welches der Zeuge Bohle genannt wurde, nichts zu tun. Es wurde auch keine Frage im Hauptverhör an ihn gerichtet, die in irgendeinem Zusammenhang mit dieser Frage, nämlich mit der Tätigkeit des Deutsch-Amerikanischen Bundes, stehen könnte. Ich glaube auch nicht, daß diese Fragestellung geeignet ist, die Glaubwürdigkeit des Zeugen auf die Probe zu stellen, da sie mit dem Fragenkomplex des Zeugen nicht das geringste zu tun hat.

OBERST AMEN: Es scheint nur, daß diese Frage in unmittelbarem Zusammenhang damit steht, ob diese Organisation sich im Ausland und in den Vereinigten Staaten mit Spionage beschäftigt hat oder nicht.

VORSITZENDER: Sicherlich. Nach Ansicht des Gerichtshofs sind diese Fragen vollkommen in Ordnung.

OBERST AMEN: Ist es nicht Tatsache, daß trotz dieses Befehls die Auswärtige Abteilung der NSDAP doch die Unterstützung des Bundes fortsetzte?

BOHLE: Nein, das ist mir nicht bekannt, ich halte es für ausgeschlossen.

OBERST AMEN: Nun möchte ich Ihnen noch ein oder zwei weitere Auszüge aus der Vernehmung von Strempel vorlesen und Sie fragen, ob diese Erklärung mit Ihrer Kenntnis der Tatsachen übereinstimmt.

»Frage: Hat die Auslandsabteilung der Partei die Unterstützung des Bundes fortgesetzt nachdem dieser von Ihnen erwähnte Befehl erlassen war?

Antwort: Ich bin sicher, daß Herr Dräger, Konsul in Neuyork-City und Vertreter der Auslandsabteilung der Partei, die Beziehungen zu den Amtsträgern des Bundes fortsetzte.«

Stimmt das mit Ihrer Erinnerung über die Tatsachen überein?

BOHLE: Nein, das entspricht meines Erachtens nicht den Tatsachen. Ob Herr Konsul Dr. Dräger die Beziehungen noch fortgesetzt hat gegen meinen Befehl, kann ich natürlich nicht beurteilen. Es lag der ganz strikte Befehl vor, sich vom Bund absolut zurückzuziehen, weil ich von Anbeginn die Tätigkeit des Bundes auf das schärfste beanstandet habe, und der Stellvertreter des Führers sich meiner Beanstandung ganz klar anschloß.

OBERST AMEN: Sie waren mit Dräger bekannt, nicht wahr?

BOHLE: Jawohl.

OBERST AMEN: Welches war seine Stellung in den Vereinigten Staaten, soweit es sich um Ihre Organisation handelte?

BOHLE: Er war Vertrauensmann der Auslandsorganisation für die einzelnen Parteigenossen, die wir in den Vereinigten Staaten hatten.

OBERST AMEN: Er war, was man einen Geheimagenten nennt, nicht wahr?

BOHLE: Nein, das war er natürlich nicht, sondern wir hatten...

OBERST AMEN: Und es ist nicht richtig, daß Sie ihn bei Ihrer Vernehmung »Geheimagenten« nannten?

BOHLE: Nein, ich habe ihn Vertrauensmann genannt, und zwar brachte die Übersetzung »confidence man«. Ich habe...

OBERST AMEN: Gut, ich will Ihre Berichtigung anerkennen. Er war ein Vertrauensmann Ihrer Organisation in den Vereinigten Staaten.

Stimmt das?

BOHLE: Ganz recht, ja, das ist richtig.

OBERST AMEN: Und außer ihm gab es noch andere Vertrauensmänner in den Vereinigten Staaten. Ist das richtig?

BOHLE: Ja, richtig.

OBERST AMEN: Wollen Sie dem Gerichtshof mitteilen, wie sie hießen, und wo sie sich befanden?

BOHLE: Einer war der Generalkonsul Wiedemann in San Francisco, dann Konsul Dr. Gißling in Los Angeles, dann Konsul von Spiegel, ich glaube in New Orleans, das weiß ich aber nicht, oder in Boston. Eines von beiden. Ich glaube das waren alle.

OBERST AMEN: Und jede dieser Personen machte von Zeit zu Zeit Berichte, die durch Dräger an Sie weitergeleitet wurden. Stimmt das nicht?

BOHLE: Nein, die haben keinerlei Berichte an mich gemacht. Ich kann mich nicht erinnern, von Wiedemann oder Spiegel oder Gißling jemals einen Bericht gesehen zu haben, es war auch nicht ihre Aufgabe.

OBERST AMEN: Dräger hat doch die Berichte an Sie gemacht, nicht wahr?

BOHLE: Dräger berichtete an die Auslandsorganisation in Berlin oder an mich persönlich. Meistens an meine Dienststelle.

OBERST AMEN: Und diese Berichte enthielten die verschiedenen Informationen, die von den anderen Vertrauensmännern gesammelt worden waren. Ist das richtig?

BOHLE: Das weiß ich nicht, weil ich diese Berichte nicht kenne und ich nicht sagen kann, ob etwas zu berichten war. Wir hatten keine Organisation der Partei in den Vereinigten Staaten, da sie Rudolf Heß im April 1933 auflöste.

OBERST AMEN: Das sagen Sie. Aber Sie hatten doch jemanden in Deutschland, dessen Pflicht es war, diese Berichte, die von Dräger an Sie gesandt, wurden, zu lesen und zu beurteilen. Stimmt das nicht?

BOHLE: Die Berichte, die kamen, waren rein technischer Natur, soweit ich unterrichtet bin, und ich glaube, ich bin richtig unterrichtet. Wir hatten in den Vereinigten Staaten sehr wenig Mitglieder der Partei, die kartei- und kassenmäßig erfaßt werden mußten, um ihnen ihre Rechte als Mitglieder in der Partei zu sichern. Eine politische Betätigung in den Vereinigten Staaten war verboten und hat auch nicht stattgefunden.

OBERST AMEN: Aber ich behaupte Ihnen gegenüber, daß trotz des Befehls die Tätigkeit Ihrer Organisation dort fortgesetzt wurde. Nun, ist es nicht Tatsache, daß in Ihrer Organisation in Deutschland jemand regelmäßig diese Berichte von den Vereinigten Staaten empfangen hat?

BOHLE: Es war mein Mitarbeiter, Herr Grothe, der für diese...

OBERST AMEN: Verzeihung.

BOHLE: Es war mein Mitarbeiter, Herr Grothe.

OBERST AMEN: Richtig. Warum haben Sie mir das nicht schon vorher mitgeteilt, als ich Sie fragte, wer die Berichte von den Vereinigten Staaten las, wenn sie eintrafen?

BOHLE: Ich darf um Wiederholung bitten, ich habe das nicht ganz verstanden.

OBERST AMEN: Nun, ich ziehe diese Frage zurück. An wen hat Grothe den wesentlichen Inhalt dieser Berichte, die er regelmäßig aus den Vereinigten Staaten erhielt, weitergeleitet?

BOHLE: Soviel ich weiß, hat er sie meistens für sich selbst behalten, weil sie gar nichts Interessantes enthielten, und er selbst auch nicht in der Lage war, irgend etwas damit anzufangen. Herr Grothe hatte eine Ehrenstellung bei uns infolge seines Alters, und hatte gerade deshalb diesen Zweig der Arbeit übernommen, weil sie von keinerlei Wichtigkeit für die Auslandsorganisation war.

OBERST AMEN: So daß Sie nicht in der Lage sind, zu wissen, was in diesen Berichten stand? Ist das richtig?

BOHLE: Das ist zum größten Teil richtig.

OBERST AMEN: So wissen Sie nicht, ob sie wichtig waren oder nicht und ob sie Nachrichten über Spionageangelegenheiten enthielten oder nicht? Ist das richtig?

BOHLE: Ich bin sicher, wenn sie derartige Informationen enthalten hätten, würde Herr Grothe sie mir vorgelegt haben.

OBERST AMEN: Gut, abgesehen davon, wissen Sie überhaupt nichts darüber? Ist das richtig?

BOHLE: Das ist richtig.

OBERST AMEN: Nun lassen Sie mich nur kurz ein oder zwei Auszüge aus der Vernehmung von Strempel verlesen:

»Frage: Diese Beziehungen scheinen den von Ihnen erwähnten Befehl verletzt zu haben. Hatten Sie diese Verletzungen an das Auswärtige Amt berichtet?

Antwort: Jawohl, mehrere Male. In Berichten, die ich für Thomson entwarf, als ich in der Botschaft war, haben wir die Aufmerksamkeit Berlins darauf gelenkt, daß diese Beziehungen zu dem Bund sehr schädlich waren, und haben erklärt, daß die fortgesetzte Unterstützung des Bundes durch die Auslandsabteilung der Partei die diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten schädigten.

Frage: Was für eine Aktion wurde in Berlin unternommen, um der Tätigkeit, über die Sie sich beklagten, ein Ende zu machen?

Antwort: Ich weiß von keiner Maßnahme.«

Stimmt das mit Ihrem Wissen von den Dingen überein?

BOHLE: Ich habe von dieser Berichterstattung des Herrn von Thomson nicht die geringste Ahnung. Das ist das erstemal, daß ich von Protesten der Botschaft in Washington über unerlaubte Beziehungen von Dr. Dräger zum Bund etwas erfahre.

OBERST AMEN: Sie wissen, wer Thomson war, nicht wahr?

BOHLE: Thomson war Geschäftsträger in Washington.

OBERST AMEN: Und Sie wissen, daß von Zeit zu Zeit verschiedene Funktionäre des Bundes herübergekommen sind und mit Vertretern Ihrer Organisation und des Führers Konferenzen abhielten, nicht wahr?

BOHLE: Ich habe gehört, daß sie beim Führer waren, sie waren aber nicht bei mir und haben bei mir keinerlei Unterredungen irgendwelcher Art gehabt.

OBERST AMEN: Ich sagte nicht mit Ihnen, ich sagte mit Vertretern Ihres Amtes, vielleicht mit Ihrem Freund, Herrn Grothe?

BOHLE: Das wäre möglich, das kann ich aber nicht genau sagen, denn er hat mir darüber nicht berichtet, und es können auch dort keinerlei offizielle Sachen irgendwelcher Art besprochen worden sein, weil Herr Grothe genau wußte, daß ich in Amerika den Deutschen Volksbund in seiner ganzen Arbeit ablehne.

OBERST AMEN: Aber auf jeden Fall übernehmen Sie die Verantwortung für alles, was in Ihrer Organisation getan wurde. Ist das richtig?

BOHLE: Das ist selbstverständlich.

VORSITZENDER: Wünscht einer der anderen Hauptanklagevertreter den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen?