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[Keine Antwort.]

Dann steht Ihnen, Dr. Seidl, der Zeuge zum nochmaligen Verhör zur Verfügung, wenn Sie wünschen.

DR. SEIDL: Herr Zeuge, Sie haben vorhin bereits eine Frage beantwortet, die ich an Sie stellen wollte, daß nämlich in Deutschland kein geheimer Sender war, der in der Lage gewesen wäre, in das Ausland irgendwelche geheime Nachrichten durchzugeben. Ich frage Sie nun, haben Sie selbst irgendeine Sendestation in Deutschland gehabt?

BOHLE: Ich selbst habe keinerlei Sendestation gehabt.

DR. SEIDL: Hat die Auslandsorganisation eine solche gehabt?

BOHLE: Das halte ich für völlig ausgeschlossen, denn sonst hätte ich es wissen müssen. Ich habe nie eine gesehen.

DR. SEIDL: Ist es richtig, daß Sie sich selbst zur Durchgabe von Funkdurchsagen an Auslandsdeutsche in Übersee nicht in offener Sprache des deutschen Rundfunks bedient haben?

BOHLE: Das ist richtig.

DR. SEIDL: Sie haben vorhin erklärt, daß der Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, Ihr unmittelbarer Vorgesetzter war?

BOHLE: Ja.

OBERST AMEN: Waren die Richtlinien, die der Stellvertreter des Führers in Ihrer Tätigkeit Ihnen gegeben hat, allgemeiner Art oder aber war es so, daß der Stellvertreter des Führers sich um Einzelheiten der Arbeit der Auslandsorganisation gekümmert hat?

BOHLE: Der Stellvertreter des Führers gab nur allgemeine Richtlinien und überließ mir vollkommen, weil Ich sein volles Vertrauen besaß, die Regelung der Einzelheiten. Seine allgemeinen Richtlinien gingen darauf hinaus, daß er es mir in allerschärfster Form wiederholt zur Pflicht machte, alles zu vermeiden, was irgendwie durch die Auslandsorganisation zu einer Belastung des Verhältnisses zu fremden Staaten führen könnte.

DR. SEIDL: Ich habe dann keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.

VORSITZENDER: Dann kann der Zeuge abtreten.

[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

DR. SEIDL: Meine Herren Richter! Bevor ich zum nächsten Zeugen übergehe, das ist der Zeuge Strölin, möchte ich dem Gerichtshof den Vorschlag unterbreiten beziehungsweise den Antrag stellen, es in Bezug auf die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Gaus ebenso zu handhaben, wie in Bezug auf die Vernehmung des Zeugen Bohle. Der Zeuge Gaus wurde bereits für einen anderen Angeklagten als Zeuge genehmigt. Der Verteidiger für den anderen Angeklagten hat aber auf seine Vernehmung verzichtet. Es ist also so, wie hier bei dem Fall Bohle, daß es meines Erachtens zweckmäßig wäre, den Zeugen Gaus jetzt schon zu vernehmen und an Hand seiner Vernehmung oder bei Gelegenheit seiner Vernehmung ihm die eidesstattliche Versicherung vorzulesen, genau so wie in anderen Fällen, wie zum Beispiel im Fall Blaha.

VORSITZENDER: Wurde das Affidavit schon übersetzt und den Hauptanklagevertretern in den verschiedenen Sprachen zugeleitet?

DR. SEIDL: Ich weiß nicht, ob die Übersetzung schon vollständig ist. Jedenfalls habe ich heute mittag das Affidavit der Übersetzungsabteilung zugeleitet, und zwar in sechs Abschriften.

VORSITZENDER: Gut, was können Sie mir dazu sagen, Sie David oder Oberst Pokrowsky?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich habe dieses Affidavit noch nicht gesehen, und was das letzte angeht, so wurde dieses in größter Eile in das Englische übersetzt, und nur die Liebenswürdigkeit meiner Sowjetkollegen, die damit einverstanden waren, daß die Sache ohne eine russische Übersetzung weitergehen konnte, und die Sache meiner Delegation überließen, machte es möglich, weiter zu verhandeln. Sonst hätten meine Sowjetkollegen den Gerichtshof ersucht, sie zurückzustellen. Es ist sehr schwierig, wenn diese eidesstattlichen Versicherungen in letzter Minute vorgelegt werden und wir keine Gelegenheit haben, diese vorher zu sehen.

VORSITZENDER: Vielleicht kann Oberst Pokrowsky mir sagen, ob er dieses Affidavit gesehen hat, oder ob es schon Übersetzt worden ist?

OBERST Y. V. POKROWSKY, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Meine Herren Richter! Ich teile den Standpunkt von Sir David Maxwell-Fyfe. Ich glaube, daß es vollständig unangebracht ist, dem Gerichtshof jetzt dieses Dokument vorzulegen.

Wenn ich Sir David Maxwell-Fyfe richtig verstanden habe, hat er dieses Affidavit nicht erhalten. Genau in derselben Lage befindet sich auch die Sowjet-Delegation. Außerdem möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Frage über diesen Zeugen schon besprochen und endgültig gelöst wurde, und es scheint mir, daß es keinen Grund gibt, diese Frage wieder aufzurollen.

VORSITZENDER: Dr. Seidl, der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das folgende Verfahren eingehalten werden muß:

Dieses Affidavit muß übersetzt und dem Gerichtshof zur Stellungnahme vorgelegt werden, denn dieser Zeuge wurde für den Angeklagten Ribbentrop zugelassen, und dann zog dieser meines Wissens den Antrag auf Ladung dieses Zeugen zurück. Sie haben niemals den Zeugen Gaus verlangt, und ich möchte Sie und die anderen Verteidiger darauf aufmerksam machen, daß es sehr unangenehm ist, wenn Dokumente dieser Art, nachdem alle Fragen über Zeugen und Dokumente eingehend vom Gerichtshof besprochen worden sind, im letzten Augenblick und ohne irgendwelche Übersetzung vorgelegt werden. Aber wir wollen das jetzt nicht weiter besprechen. Das Dokument muß übersetzt und dem Gerichtshof in drei Sprachen vorgelegt werden.

DR. SEIDL: Ich darf vielleicht nur eine kurze Bemerkung zu dem letzten Punkt machen. Ich bin bis jetzt immer davon ausgegangen, daß ein förmlicher Beweisantrag in Bezug auf einen Zeugen nicht notwendig war, der vom Gerichtshof schon für einen anderen Angeklagten genehmigt wurde. Das war unzweifelhaft bei dem Zeugen Gaus für den Angeklagten Ribbentrop der Fall. Ich hatte also keine Veranlassung, insoweit einen förmlichen Antrag zu stellen, um im Kreuzverhör den Zeugen zu befragen.

Ich hörte soeben von dem Herrn Verteidiger des Angeklagten von Ribbentrop, daß er, was sein Vertreter schon am letzten Samstag gesagt hat, von sich aus nunmehr auf den Zeugen Gaus verzichtet, und ich benenne nun meinerseits den Botschafter Dr. Gaus als Zeugen für den Tatbestand, wie er in der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt ist.

VORSITZENDER: Ich weiß nicht, was Sie meinen, wenn Sie sagen, Sie laden ihn vor. Sie können beantragen, ihn laden zu lassen, wenn Sie wollen. Sie können nicht jemanden vorladen lassen, den Sie nicht beantragt haben.

DR. SEIDL: Jawohl, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Sobald wir das Dokument sehen, werden wir über diese Frage entscheiden.

DR. SEIDL: Der nächste Zeuge, der von dem Gerichtshof für den Angeklagten Heß genehmigt wurde, ist der Zeuge Karl Strölin. Ich habe nun, um Zeit zu ersparen, auch für diesen Zeugen ein Affidavit vorbereitet und bitte nun den Gerichtshof, mir mitzuteilen, ob es mit diesem Zeugen ebenso gehandhabt werden soll, wie in Bezug auf den Zeugen Bohle, oder ob die Anklagevertretung damit einverstanden ist, daß lediglich das Affidavit verlesen wird.

VORSITZENDER: Hat die Anklage das Affidavit gesehen?

DR. SEIDL: Ich habe heute vormittag das Affidavit der Anklagevertretung übergeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe die englische Übersetzung des Affidavits erhalten, und es gibt ein oder zwei Fragen, die die Anklagebehörde an den Zeugen zu stellen wünscht. Darum bin ich der Ansicht, daß der zweckmäßigste Vorgang der wäre, wenn Dr. Seidl ebenso verfährt, wie bei dem letzten Zeugen, das heißt das Affidavit verliest, und dann können, wenn das Affidavit verlesen ist, die wenigen Fragen, die die Anklagevertretung zu stellen wünscht, dem Zeugen vorgelegt werden.

VORSITZENDER: Sehr wohl.

OBERST POKROWSKY: Ich möchte Ihnen, Herr Vorsitzender, mitteilen, daß in Bezug auf dieses Dokument die Verteidigung wiederum gegen Ihre Entscheidung verstoßen hat, und zwar hat die Sowjetvertretung dieses Affidavit erst vor kurzer Zeit erhalten, etwa vor ein oder zwei Stunden, und zwar nicht in russischer, sondern nur in englischer Sprache. Deswegen hatte ich die Möglichkeit, mich mit dem Dokument nur sehr oberflächlich bekannt zu machen, und ich möchte vorschlagen, die Vorlage dieses Dokuments auf den Augenblick zu verschieben, bis der vom Gerichtshof eingeführten Regel Folge geleistet wird, und zwar bis zu dem Augenblick, in dem wir die russische Übersetzung bekommen.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Wäre es nicht besser, fortzufahren, um dem Gerichtshof Zeit zu sparen? Sir David hat offenbar das Affidavit gesehen und es auf englisch gelesen, und wenn er sich damit zufriedengibt, wäre es dann nicht besser, jetzt fortzufahren, statt es zu verschieben? Sie müssen verstehen, Dr. Seidl hat tatsächlich die Zustimmung erhalten, den Zeugen aufzurufen, und es ist nur eine Zeitfrage, ob er es durch ein Affidavit macht; denn er könnte ihn ja auch aufrufen und ihn verhören.

OBERST POKROWSKY: Ich kann nur wiederholen, daß ich mich nur flüchtig mit diesem Dokument bekanntmachen konnte. Soweit ich verstehe, ist es für die Sowjet-Delegation ohne besonderes Interesse. Es interessiert mehr die Britische Delegation...

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Bitte verstehen Sie, daß der Zeuge Dr. Seidl zugestanden wurde, deswegen hat Dr. Seidl das Recht, ihn als Zeugen aufzurufen und an ihn Fragen zu richten, und der einzige Grund, es durch Affidavit zu machen, ist, die Sache klarer und schneller zu erledigen. Wenn wir deshalb entscheiden würden, daß das Affidavit nicht verwendet werden soll, würde Dr. Seidl an den Zeugen Fragen stellen, und ich befürchte, es würde länger dauern als das Verlesen des Affidavits, und Sie würden doch dagegen keinen Einspruch erheben.

OBERST POKROWSKY: Vielleicht würde der Gerichtshof es zweckmäßig finden, daß Herr Dr. Seidl an den Zeugen die Fragen stellt, auf die im Affidavit die Antwort gegeben wird. Ich glaube, daß dies uns mit dem kleinen Widerspruch versöhnen könnte, da es dort nur einige Fragen gibt, und die ersten drei, soviel ich verstehe, im wesentlichen historischen Charakters sind und mit der Organisation des Instituts in Stuttgart im Jahre 1917 zu tun haben.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Ich habe das Affidavit noch nicht gelesen. Ich bin leider nicht in der Lage, Ihrem Wunsche nachzukommen und diese Fragen vorzulegen, da ich sie nicht kenne.

OBERST POKROWSKY: Ich ziehe meine Beanstandung zurück.

VORSITZENDER: Also, rufen Sie jetzt Ihren Zeugen auf.