[Zum Zeugen gewandt:]
Hat Herr von Neurath sich nicht auch mit Ihnen und anderen Leuten bemüht, zumindest Erwägungen gepflogen, um dem Kriege und der Herrschaft Hitlers ein Ende zu machen? Das sind nun Tatsachen, die der Zeuge aus eigener Wissenschaft weiß.
STRÖLIN: Von Neurath hat sich mit mir nach meiner Rückkehr aus Prag verschiedentlich über diese Frage unterhalten. Er hat sich bemüht, insbesondere die Einberufung des Reichskabinetts zu erreichen, wie die anderen Minister auch. Es ist ihm aber nicht gelungen, da Hitler dieses Reichskabinett als einen Defaitistenklub ablehnte. Als Voraussetzung für eine Beendigung des Krieges versuchte von Neurath, einen Wechsel von Ministern und die ebenfalls allgemein geforderte Bestellung eines Reichskanzlers durchzusetzen. Auch das scheiterte. Nun setzte sich im Laufe des Jahres 1943 bei Neurath immer mehr die Überzeugung durch...
VORSITZENDER: Das ist genau dieselbe Sache wieder, nicht, was von Neurath gemacht hat, sondern, was von Neurath diesem Zeugen erzählt hat.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich bitte um Entschuldigung. Das ist nur die Vorgeschichte; sonst wäre das, was jetzt kommt, nicht recht verständlich.
VORSITZENDER: Ich dachte, Sie sagten, Sie hätten nur noch eine Frage?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ja, das kommt jetzt. Diese Frage zeigt die Bemühung, diese seine Absichten eventuell durchzusetzen.
STRÖLIN: Nachdem diese Versuche von Neuraths, auf reformatorischem Gebiet etwas zu erreichen, gescheitert sind, und zwar, da er sah, daß alles daran scheiterte, daß Hitler einen ablehnenden und intransigenten Standpunkt einnahm, kam von Neurath ungefähr anfangs 1944 zu der Überzeugung, daß die Rettung Deutschlands vor der völligen Zerstörung an der Person Hitlers nicht scheitern dürfe. Er überlegte nun die Frage, wie man mit Hitler zunächst einmal noch sprechen könnte und auf ihn einwirken könnte im Sinne einer Beendigung des Krieges. Er kam dabei auf die Person des Feldmarschalls Rommel, und ich wurde beauftragt, mit Feldmarschall Rommel darüber zu sprechen. Rommel war damals im In- und Auslande außerordentlich populär, und von Neurath stand auf dem Standpunkte, daß Rommel nach seiner ganzen Stellung auch dafür in Frage käme, notfalls Hitler zu ersetzen. Ich bin dann Anfang März 1944 ungefähr zu Feldmarschall Rommel gefahren und habe mit ihm diese Frage besprochen. Er hat die Lage ebenso kritisch beurteilt. Ich kannte Generalfeldmarschall Rommel schon vom ersten Weltkrieg her, so daß ich ganz offen mit ihm sprechen konnte. Er vertrat ebenfalls den Standpunkt, daß, wenn der Krieg militärisch nicht gewonnen werden könnte, unnötiges Blutvergießen und eine sinnlose Zerstörung...
VORSITZENDER: Dr. Lüdinghausen, wir wollen das wirklich nicht, diese Unterredung zwischen diesem Zeugen und Rommel. Wir wünschen das nicht. Wir wünschen, diese Unterredung zwischen diesem Zeugen und Rommel nicht zu hören.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich wünsche auch nicht, daß der Zeuge diese Sache bespricht.
VORSITZENDER: Warum haben Sie ihn dann jetzt nicht unterbrochen? Warum taten Sie das nicht?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich wollte es nicht von dem Angeklagten selbst hören, sondern von derjenigen Persönlichkeit, deren sich der Angeklagte bedient hat, um diese Schritte zu tun. Das ist meiner Ansicht nach doch noch mehr, als wenn der Angeklagte selber etwas sagt. Aus diesem Grunde habe ich den Zeugen darüber betragt. Aber es ist jetzt zu Ende.
VORSITZENDER: Wenn wir zu dem Angeklagten kommen, werden wir ihn dann nicht in dieser Sache hören?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Nein, das ist nicht beabsichtigt. Außerdem ist jetzt mit drei Worten die Sache zu Ende, soweit ich im Bilde bin. Bitte, Herr Zeuge.
STRÖLIN: Rommel hat dann auf Veranlassung von Neuraths einen Brief an Hitler geschrieben des Inhalts, daß er glaube, daß auf Grund der militärischen Lage eine Fortsetzung des Krieges nicht mehr möglich sei und er, Rommel, empfehle Hitler, politische Verhandlungen einzuleiten. Rommel sei infolgedessen, wie er mir erzählte, nach seinem Unglücksfall deswegen in Ungnade gefallen, und damit scheiterte auch der Versuch von Neuraths, mit Hilfe Rommels auf eine Beendigung des Krieges hinzuwirken.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und dann kam der 20. Juli und bald darauf war es zu Ende. Ich habe keine weiteren Fragen, Herr Präsident.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich vertagen.