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VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Verteidiger Fragen an diesen Zeugen zu stellen?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich bitte darum, dem Zeugen das Dokument 3258-PS, GB-262 zu übergeben. Euer Lordschaft, es ist dasselbe Dokument, aus dem dem Gerichtshof ein Auszug bereits überreicht wurde, während ich den letzten Zeugen ins Kreuzverhör genommen habe.

Zeuge! Ich möchte, daß Sie in Ihren Aussagen über das Deutsche Auslandsinstitut ganz klar sind. Wollen Sie sagen, daß zwischen diesem Institut und Heß oder der Auslandsorganisation keine Verbindung bestand?

STRÖLIN: Mit Rudolf Heß hatte das Deutsche Auslandsinstitut keine Verbindung. Mit der Auslandsorganisation bestand die Verbindung schon durch die Tatsache, daß die Auslandsorganisation Tagungen in Stuttgart abhielt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: So ist der Umstand, daß sowohl die Auslandsorganisation als auch das Deutsche Auslandsinstitut ihre Zusammenkünfte in Stuttgart hatten, die einzige Verbindung zwischen den beiden Organisationen; ist das richtig?

STRÖLIN: Die Auslandsorganisation hat meines Wissens das Deutsche Auslandsinstitut in sachlicher Hinsicht nicht in Anspruch genommen, weil sie über eigene Materialsammlungen verfügte. Die Auslandsorganisation ist, soviel ich weiß, im Jahre 1932 gegründet worden und hat sich...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nun, ich möchte Sie nicht unterbrechen, aber, wenn Sie meine Frage mit Ja oder Nein beantworten können, würden wir sehr viel Zeit sparen. Ich will meine Frage wiederholen, falls Sie sich darüber nicht ganz im klaren sind: Behaupten Sie, daß die Tatsache, daß beide Organisationen ihre Zusammenkünfte in Stuttgart abhielten, die einzige Verbindung zwischen den beiden Organisationen darstellte? Nun können Sie mit Ja oder Nein antworten.

STRÖLIN: Ich kann das nicht mit Ja oder Nein beantworten, sondern ich muß sagen, daß das verbindende Glied die Tatsache war, daß Stuttgart, die Stadt der Auslandsdeutschen, Repräsentant sozusagen der Deutschen im Auslande war aus seiner geschichtlichen Vergangenheit heraus.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Können Sie englisch lesen?

STRÖLIN: Etwas.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie sich Seite 461 in dem Buch ansehen, das Sie vor sich haben? Unten auf Seite 461 finden Sie den Abdruck eines Artikels, der im »Stuttgarter Neuen Tagblatt« vom 21. September 1933 erschien.

Der Gerichtshof wird den Auszug auf Seite 4 der englischen Übersetzung finden. Dieser Artikel beschreibt die Jahresversammlung Ihres Instituts nach seiner Reorganisation im Jahre 1933, nachdem die NSDAP zur Macht gekommen war. Ich möchte Ihnen nur vier kurze Auszüge aus diesem Artikel 2 vorlesen und Sie um Ihre Erläuterung bitten.

»Der Vorsitzende des Deutschen Auslandsinstituts, Oberbürgermeister Dr. Strölin, eröffnete die Feier.«

Das waren doch Sie, nicht wahr?

STRÖLIN: Jawohl.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES:

»Er begrüßte unter den Anwesenden besonders den Ministerpräsidenten und den Kultusminister von Württemberg, Mergenthaler, als Vertreter der übergeordneten Behörden, General Haushofer von München, als Vertreter von Rudolf Heß, der vom Führer mit der obersten Leitung in allen Fragen beauftragt worden ist, die die Deutschen im Ausland betreffen.«

Haben Sie das gesagt?

STRÖLIN: Daran kann ich mich nicht erinnern. Haushofer war für mich der Vertreter des VDA, ich kann mir nicht mehr vorstellen, daß er als Vertreter von Rudolf Heß bei dieser Gelegenheit war. Es ist aber wohl dann so.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Glauben Sie, daß der Gerichtshof sicher geht, wenn er annimmt, daß das »Stuttgarter Neue Tagblatt« am Tage nach der Feier Ihre Eröffnungsrede genau berichtet hat?

Sie brauchen sich den Rest augenblicklich nicht anzusehen. Es ist doch nicht wahrscheinlich, daß dieser Artikel unwahr oder unrichtig ist?

STRÖLIN: Nein, der Artikel wird schon richtig sein, aber ich war mir nicht darüber klar, jetzt in der Erinnerung, daß Haushofer damals ein Vertreter von Rudolf Heß gewesen sein soll, denn Rudolf Heß hat mit dem Deutschen Auslandsinstitut selbst nichts zu tun gehabt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Also, Sie sagen hier, und zwar in einer Rede, daß Haushofer der Vertreter von Rudolf Heß ist, und daß Heß vom Führer mit der obersten Leitung aller Angelegenheiten im Hinblick auf die Deutschen im Ausland beauftragt worden ist. Es ist Ihnen doch klar, was Sie da sagen?

STRÖLIN: Ja, das mag damals so gesagt worden sein, praktisch ist es aber nie dazu gekommen, daß ich von Rudolf Heß irgendeine Weisung bekommen habe.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Von Ihrem Institut kann doch mit Recht behauptet werden, daß es sich mit Angelegenheiten der Deutschen im Ausland zu befassen hatte, nicht wahr?

STRÖLIN: Ich habe die Frage nicht verstanden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Hat sich Ihr Institut, das Deutsche Auslandsinstitut, nicht mit Fragen befaßt, die sich auf Deutsche im Ausland bezogen?

STRÖLIN: Jawohl.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut. Dann werde ich dies nicht weiter erörtern. Wollen Sie bitte die Seite heruntergehen und die nächste überspringen...

STRÖLIN: Darf ich zu diesem Punkt noch eine Erklärung abgeben? Es war das erstemal, daß ich für das Deutsche Auslandsinstitut eine Rede gehalten habe, und diese Rede ist selbstverständlich in Übereinstimmung mit den Persönlichkeiten, die dort zu begrüßen waren, zusammengestellt worden. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, daß Haushofer damals in einer solchen Funktion aufgetreten ist, und kann nur nochmals die Erklärung abgeben, daß mir als dem nur ehrenamtlichen Präsidenten des Instituts nichts davon bekannt ist, daß von Rudolf Heß irgendwelche Weisungen an das Deutsche Auslandsinstitut gegeben worden sind.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Vielleicht wußten Sie darüber nichts. Aber Sie waren doch damals der neue Obmann des Deutschen Auslandsinstituts. Stimmt das?

STRÖLIN: Nein, ich war nicht der Obmann des Instituts, sondern der Obmann des Instituts war ein besonderer Leiter. Ich war lediglich in meiner Eigenschaft als Oberbürgermeister, in einem meiner vielen Nebenämter, gleichzeitig der Präsident des Instituts. Es ist ganz unmöglich, daß ich mich daran erinnern kann, wen und wie ich einzelne Persönlichkeiten damals begrüßt habe.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Bitte beschränken Sie sich darauf, die Frage, die ich an Sie stelle, zu beantworten: Waren Sie oder waren Sie nicht am 20. September 1933 der Obmann des Deutschen Auslandsinstituts?

STRÖLIN: Ja, ich bin damals dazu bestimmt worden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie wurden damals dazu bestimmt, weil Sie ein guter Nazi waren, und weil die NSDAP zur Macht gekommen war und dieses Institut reorganisierte.

STRÖLIN: Ich bin zu diesem Posten bestimmt worden, weil ich Oberbürgermeister von Stuttgart war, und weil die Stadt Stuttgart ja nachher auch den Namen »Stadt der Auslandsdeutschen« bekommen hatte, weil sie immer besonders enge Verbindung mit den Deutschen im Auslande hatte, aus ihrer Geschichte und Tradition heraus.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Jawohl, gut; gehen wir weiter. Wollen Sie den folgenden kurzen Absatz überspringen und sich den nächsten Absatz anschauen, der anfängt:

»Der stellvertretende Gauleiter Schmidt, als Vertreter von Dr. Goebbels, erklärte...«

STRÖLIN: Auf welcher Seite ist das?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Auf derselben Seite.

STRÖLIN: Seite 461?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Verzeihen Sie, es ist auf Seite 462, und zwar im dritten Absatz, in der Mitte der Seite.

STRÖLIN: Jawohl, ich habe es.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES:

»Gauleiter Schmidt als Vertreter von Dr. Goebbels erklärte: ›Die örtliche Gauleitung ist bereit, mit den, neuen Beamten des Deutschen Auslandsinstituts durch dick und dünn zu gehen‹.«

Heß, wie Sie wissen, war mit der Parteiführung beauftragt, nicht wahr, der Gauleiter? Wir wollen weiter gehen:

»Nationalsozialismus verlangt die Blutgemeinschaft aller Deutschen als ihr historisches Recht.«

Wollen Sie sich jetzt – wir wollen dies jetzt verlassen – wollen Sie sich Seite 463 ansahen?

STRÖLIN: Darf ich dazu etwas sagen?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Bitte sehr.

STRÖLIN: Dieser stellvertretende Gauleiter Schmidt war eben hier in seiner Aufgabe als Vertreter des Gauleiters, aber nicht als der Vertreter von Rudolf Heß.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nein. Aber das, worauf es mir jetzt ankommt, ist, daß der Gauleiter, der Heß unterstellt war, mit Ihrem Institut durch dick und dünn gehen wollte. Haben Sie das entsprechend gewürdigt?

STRÖLIN: Das hat sich von selbst erklärt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie sich jetzt Seite 463 ansehen, zweiter Absatz:

»In seiner Rede erklärte der neue Direktor des Deutschen Auslandsinstituts, Dr. Csaki:

Wir haben mit tiefem Schmerz die innere Uneinigkeit des deutschen Volkes verfolgt. Nun, nachdem all dies überwunden ist, seit alle Volksdeutschen Organisationen in einer Linie stehen, sind wir alle mit einem Gefühl des Stolzes auf unser deutsches Mutterland erfüllt, von einem Gefühl des Glückes, daß Deutschland geeint ist.

Das Gefühl der Zugehörigkeit zum deutschen Volk gibt uns ein glückliches Bewußtsein. Im Verlauf der Jahrhunderte ist diese oder jene Stellung verloren worden. Wir müssen verhüten, daß wir noch weiteres verlieren. Es verleiht uns ein Gefühl des Stolzes und des Selbstbewußtseins, daß wir die Brücken zu dem deutschen Lebensraum darstellen!«

War das wirklich der Zweck des Deutschen Auslandsinstituts?

STRÖLIN: Der Dr. Csaki hat hier gesagt, es sei – die Deutschen im Auslande seien Brücken für den deutschen Lebensraum. Dieser deutsche Lebensraum bestand also beispielsweise auch bei den Deutschen in Ungarn und Rumänien, und insofern ist es richtig, wenn er sagt, die Deutschen seien Brücken zu diesem Lebensraum, nämlich zu dem Raume, in dem Deutsche leben. Das war auch immer der Standpunkt des Deutschen Auslandsinstituts, Brücken zu dem Lebensraum, in dem diese leben.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut. Haben Sie jemals ein Buch von Dr. Emil Ehrich gesehen oder gelesen, betitelt: »Die Auslandsorganisation der NSDAP«? Sie brauchen es sich nicht anzusehen. Haben Sie jemals dieses Buch oder ein Buch ähnlichen Titels gelesen?

STRÖLIN: Ich kann mir das nicht denken.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wissen Sie, daß Dr. Emil Ehrich der persönliche Berater von Bohle war?

STRÖLIN: Ich glaube, er war einmal Adjutant von Bohle.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie sich Seite 305 des Buches ansehen, das Sie vor sich haben, Herr Vorsitzender, diese Stelle ist auf Seite 5 der englischen Übersetzung; es ist eine Reproduktion von Dr. Emil Ehrichs Buch. Wollen Sie sich den zweiten Absatz auf Seite 305 ansehen, ungefähr in der Mitte dieses Absatzes, der mit den Worten beginnt:

»Am 27. August 1936 hat der Führer Stuttgart als die ›Stadt der Auslandsdeutschen‹ bezeichnet und der Gauleiter der Auslandsorganisation der NSDAP hat den Schutz dieser schönen Stadt übernommen, innerhalb deren Stadtwälle auch das Deutsche Auslandsinstitut untergebracht ist, das in herzlicher Zusammenarbeit mit der Auslandsorganisation arbeitet.«

Habe ich dann mit der Behauptung recht, daß während der ganzen Zeitspanne, und zwar von 1933 an, das Deutsche Auslandsinstitut in herzlichster Zusammenarbeit mit der Auslandsorganisation stand?

STRÖLIN: Das ist insofern nicht richtig, als eine praktische, wissenschaftliche oder sachliche Arbeit zwischen dem Deutschen Auslandsinstitut und den Auslandsorganisationen nicht bestand, sondern die herzliche Zusammenarbeit bestand darin, daß, wie ich schon vorhin sagte, die Auslandsdeutschen ihre Sitzungen in Stuttgart abgehalten haben. Das war die herzliche Zusammenarbeit zwischen den beiden; eine sachliche Arbeit hat nicht stattgefunden, war gar nicht notwendig.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie sich bitte Seite 127 dieses Buches ansehen? Bitte sagen Sie mir, ob dieser Bericht genau ist. Sehen Sie sich den letzten Absatz an: »Alle Personen, die in der Zukunft...« Verzeihung, es ist ein vertraulicher Bericht über eine besondere Ausbildungsarbeit, die das DAI für die Auslandsorganisationen unternahm. Es stimmt doch, daß Sie den Auslandsorganisationen bei der Ausbildung von Landesgruppenleitern und anderen Führern im Ausland mitgeholfen haben?

STRÖLIN: Darf ich fragen, wer diesen Artikel oder Bericht unterschrieben hat?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nein, ich kann Ihnen nicht sagen, wer diesen Bericht unterschrieben hat. Ich habe Sie etwas zu fragen: Hat das Deutsche Auslandsinstitut bei der Ausbildung von Führern der Auslandsorganisation im Ausland mitgeholfen?

STRÖLIN: Ich bin darüber nicht unterrichtet.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Also, gehen Sie auf Seite 128, zweiter Absatz über, den ich Ihnen ganz kurz vorlesen werde:

»Das Auslandsinstitut spielt eine Rolle in der Entscheidung über den Schulplan der Schulungslager, ebenso wie als Zwischenstelle zu den Parteibehörden, die das Lager leiten, und den Deutschen im Ausland, die an ihnen teilnehmen.«

Behaupten Sie immer noch, daß dieser Bericht...

STRÖLIN: Es fragt sich, von wann dieser Bericht ist.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich sagte Ihnen, es ist ein Bericht...

STRÖLIN: Ich habe von diesem Bericht keine Kenntnis gehabt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Jawohl, ich möchte nur nach eine oder zwei sehr kurze Fragen bezüglich der Aussagen stellen, die Sie über den Angeklagten von Neurath gemacht haben. Sie haben uns erzählt, daß er ein Mann des Friedens war, von ausgezeichnetem, liebenswürdigem Charakter. Wissen Sie, daß er am 5. November 1937 an einer Zusammenkunft teilnahm, bei der Hitler zu den Führern seiner Wehrmacht sprach? Haben Sie jemals von dieser Zusammenkunft vom 5. November 1937 gehört?

STRÖLIN: Nein, ich habe davon nichts gehört, jedenfalls nicht, bevor ich in die Gefangenschaft gekommen bin.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nun, vielleicht kann ich Ihnen kurz mitteilen, was sich da ereignete. Hitler sagte bei dieser Zusammenkunft unter anderem, daß der einzige Ausweg aus den deutschen Schwierigkeiten darin bestünde, größeren Lebensraum zu beschaffen, und er sagte, daß dieses Problem nur mit Gewalt gelöst werden könnte. Nachdem er dieses gesagt hatte, fuhr er dann fort, daß er sich entschieden habe, Österreich und die Tschechoslowakei anzugreifen. Haben Sie niemals von dieser Zusammenkunft gehört?

STRÖLIN: Nein, ich habe von dieser Zusammenkunft nichts gehört, habe erst nachher daraus geschlossen...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Aber...

STRÖLIN: Darf ich den Satz zu Ende sprechen?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte nur wissen...

STRÖLIN: Ich habe eben erzählt, daß von Neurath mir angedeutet hat, daß er mit Hitler ernste Meinungsverschiedenheiten gehabt hätte. Das war gegen Ende 1937. Es ist mir erst nachher klar geworden, daß er damit wohl die Besprechung und die Auffassung Hitlers gemeint hat, die dieser am 5. November geäußert hat. Daß eine solche Besprechung stattgefunden hat, habe ich aber erst gelegentlich meiner Gefangenschaft gehört beziehungsweise aus der Zeitung.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich werde zu all dem im Augenblick zurückkommen. Ich möchte Ihnen nur ein Bild davon machen, was sich in dieser Versammlung zugetragen hat, und ich zitiere vier Zeilen aus dem Protokoll dieser Zusammenkunft:

»An sich glaubte der Führer, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit England, voraussichtlich aber auch Frankreich die Tschechei bereits im stillen abgeschrieben und auch damit abgefunden hätten, daß diese Frage eines Tages durch Deutschland bereinigt werde.«

Hitler hat dann gesagt, daß die Einverleibung der Tschechoslowakei und Österreichs die Erlangung von Nahrungsmitteln für fünf bis sechs Millionen Menschen bedeute, und er stelle sich eine Zwangseinwanderung von zwei Millionen Leuten aus der Tschechoslowakei vor.

Nun, das hatte sich auf dieser Konferenz ereignet. Wissen Sie, daß ungefähr vier Monate später, am 12. März 1938, von Neurath Herrn Masaryk Zusicherungen gegeben hat und ihm unter anderem zugesichert hat, und zwar im Namen von Herrn Hitler, daß sich Deutschland noch immer an das deutsch-tschechoslowakische Schiedsvertragsabkommen vom Jahre 1925 gebunden betrachte? Wissen Sie, daß er das gesagt hat?

STRÖLIN: Das ist mir nicht erinnerlich.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Können Sie verstehen, nachdem ich Ihnen den Tatbestand erzählt habe, können Sie jetzt verstehen, daß irgend jemand, der an dieser Konferenz teilgenommen und gehört hat, was Hitler am 5. November gesagt hat, der Tschechoslowakei eine Versicherung dieser Art abgeben konnte? Können Sie verstehen, daß ein ehrlicher Mann so etwas tun kann?

STRÖLIN: Ich kann die Situation, die damals war, nicht übersehen. Ich weiß nicht, von wem Herr von Neurath unter Umständen einen Befehl bekommen hat.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich frage Sie nicht nach Ihrem damaligen Urteil. Ich frage Sie jetzt, was Sie von einem Mann halten, der so etwas machen kann. Ich möchte, daß Sie das dem Gerichtshof sagen.

STRÖLIN: Ich kann darauf keine Antwort geben, weil ich die Situation im ganzen nicht übersehe.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Vorsitzender! Ich muß der Zulassung dieser Art suggestiver Fragen unter allen Umständen widersprechen. Es geht absolut nicht an, daß dem Zeugen eine solche Frage vorgelegt wird, ohne daß er ganz genau ins Bild gesetzt wird, wie es denn zu dieser Erklärung überhaupt gekommen ist. Tatsache ist und richtig ist es, daß Hitler in der Versammlung vom 5. November 1937, daß Hitler zum erstenmal Pläne entwickelte, die mit der bisherigen Friedenspolitik des Herrn von Neurath nicht mehr im Einklang standen, und Herr von Neurath hat das zum Anlaß genommen, um – ich glaube im Dezember oder Anfang Januar – mit Hitler eingehend darüber zu sprechen und ihm das Unmögliche dieser von ihm anscheinend beabsichtigten Politik darzutun und ihn davon abzuhalten. Als er dann aus Hitlers Antwort entnehmen mußte, daß Hitler trotzdem bei dieser in Zukunft aggressiv zu orientierenden Politik bleiben wolle, hat er seinen Abschied eingereicht. Am 4. Februar 1938 erhielt Herr von Neurath seinen Abschied. Er schied aus, aus der aktiven Politik.

Als dann am 11. oder 12. März der Einmarsch nach Österreich erfolgte, von dem Herr von Neurath bis zu diesem Tage keine Ahnung hatte, hat ihn Hitler angerufen und...

VORSITZENDER: Dr. Lüdinghausen! Wollen Sie, bitte, abwarten. Die Frage wurde bezüglich des 5. März 1938 gestellt, ob ein Mann, der der Konferenz vom 5. November 1937 beigewohnt hatte, die Zusicherung vom 5. März hätte geben können.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Jawohl, das kann ich auch erklären, wenn Sie mir das Wort erlauben. Diese Frage von seiten des Gesandten Mastny bezog sich darauf, ob in dem Moment gleichzeitig oder im Anschluß an den Einmarsch in Österreich irgendwelche militärische Aktionen gegen die Tschechei beabsichtigt worden seien, und diese Frage glaubte Herr von Neurath durchaus mit Recht und als anständiger Mensch, nach seinem Wissen mit Nein beantworten zu können. Es muß doch die Situation berücksichtigt werden, unter welcher diese Erklärung abgegeben worden ist. Zuerst hat Hitler in der Besprechung vom 5. November 1937 von Jahren später gesprochen. Als er dann am 12. März in Österreich einrückte, zu einer Zeit, als es vom 5. März noch gar nicht...

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Wir wünschen alle diese Argumente nicht. Die Frage war, was der Zeuge von einem Menschen hält, der so gehandelt hat. Das war die einzige Frage, die gestellt wurde, und diese Frage...

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Verzeihen Sie, Herr Präsident, diese Frage kann niemand beantworten, wenn er nicht weiß, in welchem Zusammenhang die Frage gestellt ist. Herr Mastny hat die Frage gestellt, ob dieser Einmarsch in Österreich irgendwelche aggressiven Handlungen gegen die Tschechei auslösen würde, und diese Frage hat von Neurath beantwortet; nicht mehr und nicht weniger. Er hat keinerlei Antwort geben wollen für Jahre später. Dem Gesandten kam es darauf an, darüber orientiert zu sein, ob in Verbindung und im Zusammenhang mit dem Einmarsch der deutschen Truppen irgendwelche militärischen Handlungen gegenüber der Tschechei beabsichtigt seien. Nach Informationen, die mein Mandant hatte, konnte er mit gutem Gewissen diese Frage im gegebenen Zusammenhang verneinen. Und nur dann ist diese Frage zulässig, wenn der Zeuge orientiert wird über das, was ich eben gesagt habe. Es handelt sich nicht darum, daß er ein für allemal erklärte: niemals wird Deutschland in die Tschechoslowakei einmarschieren, sondern lediglich um die Beantwortung der Frage des tschechischen Gesandten Mastny: Besteht die Gefahr, daß in Verbindung mit diesem Einmarsch in Österreich auch gegen die Tschechoslowakei militärische Maßnahmen, ergriffen werden. Und diese Frage konnte er so beantworten. Deswegen ist die Fragestellung, die eben von der Englischen Anklagevertretung gestellt worden ist, meines Erachtens nicht zulässig.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß diese Frage vollkommen zulässig ist.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wir wollen die Sache nicht weiter verfolgen. Ich will Ihnen nur eine weitere Frage stellen, um selbst ganz klar zu sehen: Sie sagten in Ihrer Aussage, wie ich es mir notierte, daß der Angeklagte von Neurath in gutem Rute stand, von würdevollem und ehrenhaftem Charakter sei. Nachdem Sie gehört haben, was ich Ihnen sagte, sind Sie noch immer bereit, dem Gerichtshof zu erklären, daß er einen guten Ruf hatte und einen würdigen und ehrenhaften Charakter besaß? Sind Sie noch jetzt dieser Meinung? Ich möchte nur den Wert Ihrer Aussage bemessen. Sind Sie noch derselben Meinung nach dem, was Sie jetzt hier gehört haben?

STRÖLIN: Es ist nach wie vor meine Meinung, daß Herr von Neurath ein vornehmer und anständiger Charakter ist. Ich kann nicht beurteilen, unter welchen Umständen er damals gehandelt hat und welche Gesichtspunkte dafür maßgebend waren.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie sagen, daß er sich für den Frieden einsetzte und alles getan hat, um einen Krieg zu vermeiden? Nennen Sie eine Täuschung dieser Art »alles tun, um einen Krieg zu vermeiden«? Ist das Ihre Auffassung von einer friedlichen Politik, daß man eine Zusicherung gibt, vier Monate nachdem man ganz genau weiß, daß Deutschland die Absicht hat, in Ihr Land einzufallen? Nennen Sie das: alles tun, um den Krieg zu vermeiden?

STRÖLIN: Ich darf noch einmal erklären, daß ich die Frage in ihrem Zusammenhang in ihren wesentlichen Punkten nicht genügend übersehe, um hierüber ein Urteil zu haben. Aber die Dinge sind sicherlich nicht so einfach, wie sie eben hier vorgetragen worden sind.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Lassen Sie mich nun zu einer anderen Seite dieser Sache übergehen. Es wurde uns lang und breit erzählt, daß er Hitlers Politik mißbilligte, und daß er demissionierte. Wissen Sie, daß er nach seinem Rücktritt zum Reichsprotektor von Böhmen und Mähren ernannt wurde, und zwar im März 1939? Wissen Sie das?

STRÖLIN: Jawohl.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das war, nachdem die restliche Tschechoslowakei überrannt und besetzt worden war.

STRÖLIN: Ich habe ja vorhin schon erklärt, daß von Neurath mir gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, daß er diesen Posten nur sehr ungern annehme. Er habe zweimal abgelehnt, den Posten anzunehmen. Er habe danach geglaubt, ein Opfer bringen zu müssen, um seine Person hier einzusetzen, und nach dem, was mir Staatspräsident Hacha nachträglich gesagt hat, war der Einsatz seiner Person durchaus zweckmäßig, denn von Neurath hat während seiner Tätigkeit, das hat mir Staatspräsident Hacha gesagt, zweifellos ausgleichend und versöhnlich dort wirken können, und er ist ja, wie ich vorhin schon sagte, auch deswegen abberufen worden, weil er dort zu milde gewesen ist.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie haben es bereits gesagt, und wir haben es bereits gehört, und wir behalten es im Gedächtnis, es ist daher nicht nötig, daß Sie es nochmals sagen. Versuchen Sie bitte, meine Fragen kurz zu beantworten. Lassen Sie mich folgende Frage stellen: Haben Sie jemals daran gedacht, daß der Grund für diese Ernennung darin gelegen haben mag, daß er für seine Hilfe in der kurz vorher erfolgten Besetzung Österreichs und der Tschechoslowakei belohnt werden sollte?

STRÖLIN: Nein, daran habe ich nie gedacht. Ich habe aber, wenn ich das noch erwähnen darf, im Buch von Henderson eine ganz andere Version gelesen, nämlich, daß man von Neurath auf diesen Posten gesetzt hat, um ihn in seinem internationalen Ansehen zu schädigen. Ich wollte diese Version nur bringen, um zum Ausdruck zu bringen, daß ganz andere Möglichkeiten hier mitgespielt haben.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Erinnern Sie sich, daß Sie um als einen disziplinierten, humanen und gewissenhaften Mann beschrieben haben?

STRÖLIN: Jawohl.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie sich dieses Plakat ansehen?