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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Ich möchte zur Kenntnis bringen, daß der Angeklagte Streicher während der Nachmittagssitzung abwesend sein wird.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat beschlossen, daß Beweis über die Ungerechtigkeit des Versailler Vertrages oder ob er unter Zwang abgeschlossen wurde, nicht zulässig ist. Aus diesem Grunde wird der 3. Band der für den Angeklagten Heß eingereichten Dokumente zurückgewiesen.

DR. SEIDL: Herr Präsident, meine Herren Richter! Nachdem der Band 3 des Dokumentenbuches für den Angeklagten Heß nicht als Dokumentenbeweis zugelassen wurde, bin ich, soweit die Vorlage von Dokumenten in Frage kommt, damit am Ende meiner Beweisführung angelangt. Es handelt sich lediglich noch um das bereits von mir vorgelegte Affidavit des Botschafters Gaus, und ich bitte, über die Zulässigkeit dieses Beweismittels nicht zu entscheiden bevor ich Gelegenheit hatte, über die Erheblichkeit dieses Beweismittels und des Geheimvertrages Argumente vorzubringen. Ich möchte aber klarstellen, daß mit diesem Affidavit lediglich die Tatsache und der Inhalt dieses Geheimvertrages bewiesen werden soll, daß aber – und deshalb werde ich nur Auszüge daraus verlesen – damit nicht die übrigen Zusammenhänge und die Vorgeschichte des Vertrages bewiesen werden sollen.

VORSITZENDER: Dr. Seidl! Der Gerichtshof weiß, daß dieses Affidavit des Zeugen Gaus gegenwärtig übersetzt und den verschiedenen Anklagevertretern vorgelegt werden wird. Die Anklagevertreter werden uns dann ihren Standpunkt bekanntgeben. Wir werden dann sehen, ob es zugelassen werden kann oder nicht. Die Anklagevertreter werden uns auch sagen können, ob sie den Botschafter zum Zwecke seiner Vernehmung im Kreuzverhör hier haben wollen.

DR. SEIDL: Jawohl.

VORSITZENDER: Aus diesem Grunde müssen wir dies aufschieben, bis wir die Übersetzung erhalten.

DR. SEIDL: Ich hatte zunächst noch die Absicht, den Angeklagten selbst als Zeugen zu vernehmen. Im Hinblick auf seine grundsätzliche Einstellung zu der Frage der Zuständigkeit dieses Gerichts hat er mich jedoch gebeten, davon absehen zu wollen. Ich verzichte daher auf die Vernehmung des Angeklagten als Zeugen und habe zunächst jetzt keine weiteren Beweismittel mehr vorzubringen.

VORSITZENDER: Danke sehr. Der Gerichtshof wird sich nun mit dem Fall des Angeklagten von Ribbentrop befassen.

DR. HORN: Euer Lordschaft, meine Herren Richter! Mein Mandant, Joachim von Ribbentrop, hat mich beauftragt, für ihn bei Beginn des Beweisantrittes folgende Erklärung abzugeben:

»Als Reichsaußenminister hatte ich die außenpolitischen Richtlinien und Weisungen Adolf Hitlers durchzuführen. Für die hierbei von mir vorgenommenen außenpolitischen Handlungen trage ich die volle Verantwortung.«

VORSITZENDER: Dr. Horn! Ich dachte, daß ein Verteidiger doch wüßte, daß nach den von uns niedergelegten Verfahrensvorschriften in diesem Stadium des Prozesses keine Reden zu halten sind; vielmehr soll Beweismaterial vorgetragen, die Dokumente kurz angeführt und als Beweismittel vorgelegt werden. Haben Sie das nicht verstanden?

DR. HORN: Es ist mir nicht bekannt, Herr Präsident, daß man nicht eine Erklärung seines Mandanten abgeben darf.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat bei verschiedenen Anlässen, glaube ich, mündlich und bestimmt auch einmal schriftlich festgelegt, daß jetzt keine Reden zu halten sind, sondern daß Reden zu dem Zeitpunkt gehalten werden können, der in dem Statut festgelegt ist. Im Augenblick steht es Ihnen frei, alle Beweise anzutreten, Dokumente als Beweismaterial vorzulegen und erläuternde Bemerkungen zu den Dokumenten zu machen, soweit dies notwendig sein sollte.

DR. HORN: Der frühere Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop wird laut allgemeiner Anklageschrift im Schriftsatz der Britischen Delegation und der mündlich vorgetragenen Spezialanklagen verantwortlich gemacht für sämtliche im Paragraph 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichts angeführten Verbrechen.

Sir David Maxwell-Fyfe hat in der Sitzung des Internationalen Militärgerichtshofs vom 8. Januar 1946 als meinem Mandanten zur Last gelegte Tatbestände bezeichnet:

Erstens: Die Benutzung der von ihm eingenommenen Stellungen sowie seiner persönlichen Einflüsse und engen Verbindung mit Hitler zur Förderung der Machtübernahme durch die NSDAP und die Vorbereitung von Kriegen.

Zweitens: Die Teilnahme an der politischen Planung und Vorbereitung der nationalsozialistischen Verschwörung über den Angriffskrieg...

VORSITZENDER: Dr. Horn, halten Sie wieder eine Rede oder was machen Sie jetzt?

DR. HORN: Nein, Herr Präsident, ich zeige nur kurz auf in einer Seite, wie ich mein Beweisangebot zu gliedern gedenke und ich bitte, mich auf die Einteilung einlassen zu dürfen.

VORSITZENDER: Gut.

DR. HORN: Zweitens brachte Sir David Maxwell- Fyfe vor die Teilnahme an der politischen Planung und Vorbereitung der nationalsozialistischen Verschwörer für den Angriffskrieg und die Kriege gegen internationale Pakte. Er trägt danach die Verantwortung für die Ausführung der von den politischen Verschwörern geplanten Außenpolitik.

Drittens: Teilnahme an und Genehmigung von Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, besonders von Verbrechen gegen Personen und Eigentum in den besetzten Gebieten.

Der Angeklagte von Ribbentrop hat sich sämtlicher ihm zur Last gelegten Verbrechen für nicht schuldig erklärt. Zur Entkräftung der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen trete ich nunmehr meine Beweisführung an.

Der Herr Anklagevertreter hat zu Beginn seiner Ausführungen aus dem Beweisstück US-5, Dokument 2829-PS, hervorgehoben, daß der Angeklagte von Ribbentrop SS-Obergruppenführer sei. Der Herr Anklagevertreter hat behauptet, daß dieser Rang kein Ehrenrang gewesen sei. Demgegenüber behauptet der Angeklagte, daß der von Hitler verliehene Rang eines SS-Gruppen- und später Obergruppenführers ihm nur ehrenhalber verliehen wurde, weil Hitler wünschte, daß die Mitglieder der Regierung bei offiziellen Gelegenheiten in Uniform erscheinen sollten und der Rang eines SS-Gruppenführers der dienstlichen Stellung des Angeklagten entsprechend erschien. Der Angeklagte hat weder in der SS Dienst getan noch eine SS-Einheit geführt. Er hat auch keine dieser hohen militärischen Stellung entsprechende militärische Vorbereitung und Vorbildung erfahren.

Hierfür trete ich Beweis an durch den Angeklagten selbst als Zeugen.

Die Anklage hat behauptet, daß von Ribbentrop nach der Machtübernahme für kurze Zeit Berater der Partei in Angelegenheiten der Außenpolitik gewesen sei. Diese Behauptung wird durch Dokument 2829-PS widerlegt, das sich in dem dem Gerichtshof vorliegenden Urkundenbuch befindet. Ich verlese hieraus Ziffer 3, wo es heißt: »Foreign Policy Collaborator to the Führer 1933-1938«. Es ist dieses das erste Dokument in dem Dokumentenbuch Ribbentrop. Danach war von Ribbentrop in den Jahren 1933 bis 1938 lediglich Hitlers Berater in außenpolitischen Fragen. Der Herr Anklagevertreter behauptete unter Bezugnahme auf Dokument D-472, Beweisstück GB-130 – es ist das zweite Dokument im Dokumentenbuch Ribbentrop, es handelt sich dabei um einen Auszug aus dem Archiv für publizistische Arbeit –, daß der Angeklagte schon vor 1932 für die NSDAP gearbeitet habe, nachdem er 1930 in den Dienst der Partei getreten sei. Die Anklage beruft sich auf Absatz 2, Zeile 6-9 dieses Dokuments, worin es heißt:

»An seine Auslandsverbindungen anknüpfend, stellte er neue Beziehungen zu England und Frankreich her, die er, seit 1930 im Dienste der NSDAP, auf politische Kreise auszudehnen verstand.«

Die Feststellung ist unrichtig. Der Angeklagte war bis 1932 kein Mitglied einer politischen Partei in Deutschland, insbesondere nicht der NSDAP. Er stand hinsichtlich seiner politischen Anschauungen der Deutschen Volkspartei – das ist die Partei Stresemanns – nahe.

Im Jahre 1932 lernte der Angeklagte Hitler persönlich kennen. Seine Ansichten über inner- und außenpolitische Fragen brachten ihn angesichts...

VORSITZENDER: Dr. Horn, ich will Sie nicht unnötig unterbrechen; aber ich verstehe nicht, was Sie vorhaben. Meiner Ansicht nach tragen Sie einen Teil des Beweises vor, den voraussichtlich der Angeklagte von Ribbentrop führen will; und wenn dem so ist, wird er, wenn er ihn führt, nach Ihrer Aussage kumulativ sein. Außerdem scheinen Sie Dokumente anzuführen, die von der Anklagebehörde vorgelegt wurden und diese selbst zu beantworten.

Das ist nicht, was der Gerichtshof in diesem Stadium der Verhandlung wünscht. Er versteht durchaus, daß Sie im geeigneten Zeitpunkt die Ihnen gutdünkenden Erörterungen zu den vorgebrachten Beweisen in Sachen des Angeklagten Ribbentrop machen werden. Aber wie ich schon gesagt habe – ich dachte, ich hätte es recht deutlich getan –, wünscht der Gerichtshof jetzt alles Beweismaterial in Sachen Ribbentrop zu hören und die Dokumente, auf die Sie sich stützen, mit kurzen erläuternden Erklärungen über ihre Bedeutung als Beweis vorgelegt zu bekommen. Wenn Sie es aber für notwendig halten, sich auf eine von der Anklagebehörde nicht verlesene Stelle eines von ihr vorgelegten Dokuments zu berufen, weil diese Stelle den verlesenen Teil der Urkunde erläutert, dann bleibt es Ihnen überlassen, diesen Teil der Urkunde unter gleichzeitiger Verlesung der Stelle zwecks Aufnahme in das Protokoll als Beweis anzubieten und hierzu nach Wunsch eine kurze erläuternde Bemerkung zu machen. Im Moment weiß ich aber eigentlich nicht, was Sie tun, außer, daß Sie eine Rede halten.

DR. HORN: Herr Präsident! Ich habe die Gegentatsache vorgebracht, die ich gegen die Behauptungen der Anklagebehörde vorzubringen habe, weil sie nach meiner Information und nach meinen Unterlagen nicht den Tatsachen entsprechen. Was die Festlegung bezüglich Punkt 1 von dem, was Herr Präsident eben sagte, betrifft, so darf ich folgendes feststellen: Der Gesundheitszustand des Angeklagten von Ribbentrop ist im Augenblick ein sehr schlechter. Ich wurde heute morgen von dem Arzt unterrichtet, daß Ribbentrop an sogenannten vasomotorischen Störungen der Sprechtätigkeit leidet. Ich wollte nun meinem Mandanten einen Teil seines Beweisvortrages im Zeugenstand abnehmen, indem ich ihn hier vortrage und dem Gerichtshof so die Einstellung zur Kenntnis bringe. Ich weiß nicht, ob der Angeklagte von Ribbentrop in Anbetracht seines augenblicklichen Gesundheitszustandes, also seiner mangelnden Sprechfähigkeit, in der Lage wäre, diese Ausführungen kürzer zu machen, als wenn ich sie selbst vorbringe. Der Angeklagte braucht in seinem Zeugenstand diese Angaben nur noch unter Eid zu bestätigen.

VORSITZENDER: Wenn der Angeklagte von Ribbentrop zu krank ist, um seine Aussagen zu machen, so wird er es bei späterer Gelegenheit tun müssen. Falls Sie außer dem Angeklagten von Ribbentrop andere Zeugen vorladen können, dann können diese heute aussagen; was den Urkundenbeweis betrifft, so ist es für Sie ganz einfach, diese Dokumente als Beweis in der Weise vorzulegen, wie es Dr. Stahmer und Dr. Seidl getan haben und wie es der Gerichtshof immer wieder erklärt hat.

DR. HORN: Ich habe mir vorgenommen, zunächst einmal die Dokumente zu unterbreiten und erst später meine Zeugen zu vernehmen. Bezüglich von Ribbentrop habe ich festgestellt, daß sein Zustand immer schlechter geworden ist. Ich weiß also nicht, ob ich am Ende der Beweisaufnahme in der Lage bin, den Angeklagten von Ribbentrop zu vernehmen; ich muß mich aber darauf einstellen, daß ich es nicht kann, und im übrigen handelt es sich nur um ganz wenige, ganz allgemeine Punkte zur Richtigstellung.

VORSITZENDER: Herr Dr. Horn! Sie können auf keinen Fall selber Zeugnis ablegen, und wenn Sie von Ribbentrop nicht vernehmen können, müssen Sie, wenn das möglich ist, Zeugen laden, die darüber aussagen könnten, worüber Ribbentrop Zeugnis abgelegt haben würde. Falls es unglücklicherweise nicht möglich sein sollte, dann würde seine Sache darunter leiden; der Gerichtshof wird jedoch jede mögliche Gelegenheit ergreifen, daß er in irgendeinem Stadium des Verfahrens vorgeladen wird. Wenn er, wie Sie sagen, wirklich so krank ist, daß er nicht aussagen kann, dann könnte seine Zeugeneinvernahme bis zur Beendigung des Vortrages der Angeklagten aufgeschoben werden, vorausgesetzt, daß ein entsprechendes ärztliches Attest vorgelegt wird.

DR. HORN: Wenn der Gerichtshof den Angeklagten dann später hören will, werde ich die Sache zurückstellen mit der Bitte, daß, wenn ich ihn nicht hören kann, beziehungsweise nicht voll hören kann – denn ich betone immer wieder, es handelt sich um eine Störung der Sprechtätigkeit –, dann kann er wenigstens das als Zeuge bestätigen.

VORSITZENDER: Sie können jeden der anderen Zeugen vorladen. Der Gerichtshof hat nicht bestimmt, daß der Angeklagte zuerst vernommen werden muß. Sie haben, glaube ich, insgesamt acht Zeugen beantragt außer dem Angeklagten, und Sie können irgendeinen von diesen vorladen oder Ihre Dokumente unterbreiten. Aber, was immer Sie tun, wollen Sie in der Weise tun, die vom Gerichtshof angeordnet wird.

DR. HORN: Dann komme ich jetzt zur Rheinlandbesetzung. Am 27. II. 1936 wurde zwischen der Französischen Republik und der Sowjetunion ein Beistandspakt ratifiziert, dessen Inhalt eindeutig gegen den Locarno-Vertrag und den Völkerbundspakt verstieß und ausschließlich gegen Deutschland gerichtet war. Um die gleiche Zeit...

VORSITZENDER: Herr Dr. Horn! Sie haben eben gesagt, daß hier etwas gegen das Völkerrecht verstieß. Das hat aber keinen Bezug auf irgendein Dokument, das Sie als Beweis vorlegen, noch ist es eine Ausführung zur Vorlage mündlichen Beweismaterials. Falls Sie Dokumente vorzulegen haben, legen Sie sie bitte vor und machen Sie die etwa notwendigen Erläuterungen.

DR. HORN: Dann wollte ich zunächst auf das Dokument Nr. 1 in dem Dokumentenbuch Ribbentrop verweisen. Es handelt sich um ein Memorandum der Deutschen Reichsregierung an die Signatarmächte des Locarno-Paktes vom 7. März 1936.

VORSITZENDER: Auf welcher Seite steht das?

DR. HORN: Das ist im Dokumentenbuch Seite 6. Ich darf erklärend hinzufügen, daß dieses Memorandum eingereicht wurde an die Signatarmächte, weil zwischen der Französischen Regierung und der Republik der Sowjetunion ein Beistandspakt ratifiziert wurde, und um die gleiche Zeit erhielt das Deutsche Auswärtige Amt Kenntnis von einem Plane, den der französische Generalstab ausgearbeitet hatte und der dahin ging, daß die französische Armee an der Mainlinie entlang vorgehen sollte, um auf diese Weise Nord- und Süddeutschland voneinander zu trennen und vor allem über die Tschechoslowakei der russischen Armee die Hand zu reichen.

VORSITZENDER: Herr Dr. Horn, wegen der Protokollformalitäten müssen Sie jedes Dokument einzeln als Beweis unterbreiten und numerieren. Sie haben noch keines dieser Dokumente als Beweis angeboten, noch sie numeriert, soviel ich weiß.

DR. HORN: Ich habe diesem Dokument die Nummer Ribbentrop-Beweis-Nr. 1 gegeben. Die Nummer befindet sich auf der oberen rechten Ecke des Dokuments.

VORSITZENDER: Gut.

DR. HORN: Und ich bitte darum, überhaupt bei sämtlichen – und vielleicht darf ich aus Zeitersparnisgründen das sagen –, ich bitte, sämtliche als Ribbentrop-Beweis-Nummern zitierten Dokumente zum Beweis entgegennehmen zu wollen.

VORSITZENDER: Gut. Und zwar in der Reihenfolge, in der Sie sie zitieren?

DR. HORN: Jawohl, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Sie werden also auf diese Weise numeriert werden. Sehr gut.

DR. HORN: Diese eben angeführten Einzelheiten, neben dem Grunde, wieso es zu diesem Memorandum kam, und zum Beweis für die eben zitierte Tatsache über die Verabredung des französischen Generalstabs benenne ich den Zeugen von Neurath, den ich darüber befragen werde, wenn er in den Zeugenstand gerufen wird, über diesen einen Punkt. Zur Begründung des deutschen Standpunktes, der in dem Memorandum enthalten ist, und der darin besteht, daß man den Locarno-Vertrag und den Völkerbundsvertrag als verletzt ansah, beziehe ich mich auf Seite 3 des Dokuments und darf daraus folgendes verlesen; es ist dies Seite 8 des Dokumentenbuches.

VORSITZENDER: Herr Dr. Horn! Ist das Dokument Ribbentrop 1 eines der Dokumente hinsichtlich dessen Sie einen Beweisantrag stellten, der bewilligt wurde?

DR. HORN: Jawohl, Herr Präsident! Es handelt sich darin um Auszüge aus den »Dokumenten der deutschen Politik«, Band 4. Ich betone, daß mir diese Dokumentensammlung zugestanden worden ist, gleichzeitig auch zwei Beweisbücher.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte gern das Originaldokument sehen.

DR. HORN: Herr Präsident! Wir sind nicht in der Lage, Originaldokumente vorzulegen, da das Auswärtige Amt von den Siegerstaaten beschlagnahmt worden ist und mit ihm ein großer Teil der Dokumente. Ich müßte dann hier den Antrag an die betreffende Signatarmacht stellen, diese Originalurkunde herbeizuschaffen, denn wir haben einfach nicht die Möglichkeit; wir können nur auf Dokumentensammlungen verweisen.

VORSITZENDER: Woher kommt diese Abschrift?

DR. HORN: Diese Abschrift, Herr Präsident, kommt aus den »Dokumenten der deutschen Politik«, Band 4, wie es auch in dem Dokumentenbuch, das Herr Präsident vor sich haben, vermerkt ist; und zwar befindet sich das Dokument auf Seite 123 dieser Dokumentensammlung.

Ich möchte daher, Herr Präsident – darf ich das zur Erklärung noch hinzufügen: ich müßte dann, wenn der Gerichtshof Wert darauf legt, die Originale, in Anführungsstrichen, zu sehen –, müßte ich die eben im Dokumentenraum befindliche Sammlung herunterholen lassen. Sie ist in deutscher Sprache, und ich glaube nicht, daß sie dem Gerichtshof zur Zeit irgendwie nützen könnte. Darf ich noch erwähnen,...

VORSITZENDER: Sehen Sie, Herr Dr. Horn, der Gerichtshof muß aus Gründen der Formalität und Sicherheit in seinen Akten jedes Dokument haben, das einen Teil des Protokolls bildet, ob es ein Original oder eine Abschrift ist. Was für ein Dokument es auch sein mag, das als Beweis angeboten wird, es sollte dem Gerichtshof eingehändigt werden und bei ihm verbleiben. Das Beweisstück muß angeboten, vorgelegt und dem Generalsekretär oder seinem Vertreter eingehändigt werden. Dann hat der Gerichtshof eine vollständige Zusammenstellung aller Dokumente, die als Beweismittel vorgelegt worden sind.

Wir können aber nicht Dokumente wie dieses annehmen, weil es lediglich eine Abschrift des Originals ist, das als Beweismittel hätte eingereicht werden sollen. Wenn es in der Informationszentrale ist, dann ist es ganz einfach, es hier vorzulegen.

DR. HORN: Herr Präsident! Der Gerichtshof hat in einem Beschluß verkündet, daß wir berechtigt sind, Urkunden abzuschreiben und die Richtigkeit zu bestätigen, um diese Urkunden dann dem Gerichtshof als Beweisstücke vorzulegen. Wir haben also jede Urkunde mit der uns vorliegenden Originalurkunde beziehungsweise dem Abdruck des Dokuments verglichen und am Ende des Dokuments die Richtigkeit der Abschrift bestätigt. Diese mit meiner persönlichen Unterschrift versehene Urkunde befindet sich, ich glaube in fünffacher Ausfertigung, in den Händen des Gerichtshofs.

VORSITZENDER: Dr. Horn... Ja, Herr Dodd?

MR. DODD: Vielleicht könnten wir etwas helfen. Wir erklären uns bereit, dieses Zitat aus dem erwähnten Buch als Beweis anzunehmen, und ich glaube, wir haben selbst Dokumente in gleicher Weise eingereicht und damals den Gerichtshof in ähnlicher Weise um Nachsicht gebeten.

Darf ich vielleicht anregen, der Gerichtshof wolle das in Rede stehende Dokument auf der gleichen Grundlage zulassen. Ich habe nur mit Sir David darüber gesprochen, aber ich bin ganz sicher, daß meine französischen und russischen Kollegen auch damit einverstanden sein werden.

VORSITZENDER: Meines Erachtens, Herr Dodd, handelt es sich natürlich mehr oder weniger nur um eine Formalität, daß das einzige Dokument, das als Beweismittel angeboten oder vorgelegt wird, eine Abschrift ist, die Dr. Horns Unterschrift nicht trägt; demzufolge liegt kein Beweis vor, daß es sich wirklich um eine getreue Abschrift handelt. Wenn jedoch Dr. Horns Unterschrift darunter stünde, würden wir bereit sein, es als eine echte Abschrift anzunehmen. Was uns vorliegt, ist nur die Vervielfältigung irgendeines Dokuments, das uns nicht vorgelegt worden ist.

MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Ich hatte keine Gelegenheit, es sorgfältig zu prüfen. Übrigens bekamen wir diese Dokumente erst ziemlich spät gestern abend. Wir haben nicht die übliche Zeit gehabt, es zu prüfen; aber auf jeden Fall habe ich vorgeschlagen, es zuzulassen; und falls Dr. Horn, wie Herr Präsident ihm anheimgegeben hat, es beglaubigen und später das Originalexemplar vorlegen würde, wäre das in Ordnung.

VORSITZENDER: Das wäre in Ordnung, gewiß.

Dr. Horn! Sie verstehen, was ich meine. Falls Sie uns später das Originaldokument vorlegen werden, das Sie selbst unterschrieben haben, um zu bestätigen, daß es eine genaue Abschrift ist, so wird das genügen.

DR. HORN: Herr Präsident! Es befindet sich ja in dem gesamten Urkundenbuch keine Urkunde, die ich nicht unterschrieben und in fünffacher Ausfertigung zum Übersetzen gegeben hatte. Ich kann natürlich nicht die ganzen Übersetzungen auch noch unterschreiben. Dieses Dokument, das sich im Dokumentenbuch, das vor dem Herrn Präsidenten liegt, befindet, trägt meine Unterschrift auf dem deutschen Text.

VORSITZENDER: Sie meinen, Sie haben Ihre Dokumente in deutscher Sprache zur Übersetzung eingereicht und mit Ihrer Unterschrift unten zum Ausdruck gebracht, daß es sich um eine getreue Abschrift handelt, und Sie wissen jetzt nicht, wo sich diese Dokumente befinden, weil sie in das Übersetzungsbüro abgegangen sind. Stimmt das?

DR. HORN: Nur zum Teil, Herr Präsident. Ich weiß, ich habe diese Dokumente der hierfür zuständigen Stelle in deutsch und mit meiner Unterschrift abgegeben. Dann hat diese Stelle sie behalten und zur Übersetzung gegeben. Von dem Moment ab, wo ich sie abgegeben habe, habe ich natürlich keinerlei Kontrolle mehr darüber, was geschehen ist.

Ich darf auch nochmals darauf hinweisen, daß die Urkundenbücher, die wir verwendet haben, auch nur einmal vorhanden sind und sämtlichen Anwälten zugänglich sein müssen, jetzt auch noch für weitere Arbeit. Deshalb kann ich natürlich auch das Original, welches nicht mein Eigentum ist, nicht dem Gerichtshof vorlegen, Das kann nur im Einverständnis mit dem Leiter der Dokumentenabteilung, dem Leutnant Schrader, geschehen.

VORSITZENDER: Dr. Horn! Wenn in Zukunft Sie und die anderen Verteidiger es möglich machen könnten, Ihre Dokumentenbücher so rechtzeitig vorzubereiten, dann könnten Sie es so einrichten, daß das Dokumentenbuch, sobald Sie es als Beweismittel anbieten, dem Gerichtsbeamten überreicht werden kann.

DR. HORN: Ich glaube nicht, Herr Präsident, daß diese Möglichkeit überhaupt besteht; denn diese »Dokumente der deutschen Politik« – um bei diesem Beispiel zu bleiben – sind nur einmal vorhanden zur Verfügung aller Verteidiger; ich kann nunmehr jetzt diese Bücher nicht wegnehmen, wenn sie weiter darin arbeiten wollen, um sie hier dem Gerichtshof als Beweismittel vorzulegen; die würde ich nicht bekommen. Ich bekomme nur diese Bücher zum Arbeiten, zum Auszugmachen, und dann muß ich sie zurückgeben.

VORSITZENDER: Das schon; aber Sie legen als Beweis nur einen bestimmten Auszug aus dem Buche vor, und alles, was der Gerichtshof verlangt, ist, daß entweder Sie oder eine andere Vertrauensperson diesen Auszug aus dem Buch als eine genaue Abschrift bescheinigen; das Dokument mit einer solchen Unterschrift könnte dann vorgelegt werden. Es mag vielleicht schwierig sein, es in diesem Augenblick vorzulegen, da Sie es einem Beamten oder jemandem in der Übersetzungsabteilung gegeben haben, und es deshalb nicht vorlegen können. Aber in Zukunft könnte es so eingerichtet werden, daß es vorgelegt werden kann. Ich meine nicht dieses eine Dokument im besonderen, sondern daß in Zukunft auch die anderen Verteidiger ihre Dokumente, beglaubigt von ihnen selbst oder einer anderen Urkundsperson, vorlegen können.

DR. HORN: Das ist auch bereits geschehen, Herr Präsident. Fünf Urkundenbücher gleicher Art habe ich dem Gerichtshof, mit meiner Unterschrift versehen, eingereicht.

VORSITZENDER: Ja. Die Vorschrift des Gerichtshofs lautet nun, daß die Dokumente diesem Gerichtshof zum Zeitpunkt ihrer Benutzung vorzulegen und zur selben Zeit zur Übersetzung einzureichen sind. Das ist die Vorschrift.

Wir sollten jetzt aber vielleicht fortfahren, da wir damit zu viel Zeit verlieren.

DR. HORN: Wie ich eben gehört habe, werden die deutschen, von mir unterzeichneten Dokumente eben vom Generalsekretariat heraufgeholt, so daß ich sie dem Gerichtshof in unterzeichneter Form noch vorlegen kann, in deutsch.

VORSITZENDER: Gut.

DR. HORN: Ich darf nun fortfahren und die vorhin geäußerte Ansicht über die Rechtsfolgen des zwischen Rußland und Frankreich 1936 geschlossenen Vertrags darlegen und verweise dann auf Seite 3, das ist Seite 8 des Dokumentenbuches. Ich zitiere:

»Es kommt deshalb allein darauf an, ob sich Frankreich bei der Übernahme dieser Vertragsverpflichtungen in jenen Grenzen gehalten hat, die ihm im Verhältnis zu Deutschland durch den Rheinpakt auferlegt worden sind.

Das aber muß die Deutsche Regierung verneinen.

Der Rheinpakt sollte das Ziel verwirklichen, den Frieden im Westen Europas dadurch zu sichern, daß Deutschland einerseits und Frankreich und Belgien andererseits in ihrem Verhältnis zueinander für alle Zukunft auf die Anwendung militärischer Gewalt verzichten. Wenn bei dem Abschluß des Paktes bestimmte Ausnahmen von diesem Kriegsverzicht über das Recht der Selbstverteidigung hinaus zugelassen wurden, so lag, wie allgemein bekannt, der politische Grund hierfür allein darin, daß Frankreich schon vorher gegenüber Polen und der Tschechoslowakei bestimmte Bündnispflichten übernommen hatte, die es der Idee der absoluten Friedenssicherung im Westen nicht opfern wollte. Deutschland hat sich aus seinem guten Gewissen heraus damals mit diesen Einschränkungen des Kriegsverzichts abgefunden. Es hat die von dem Vertreter Frankreichs auf den Tisch von Locarno gelegten Verträge mit Polen und der Tschechoslowakei nicht beanstandet, allein unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß diese Verträge sich an die Konstruktion des Rheinpaktes anpaßten und keinerlei Bestimmungen über die Handhabung des Artikels 16 der Völkerbundssatzung enthielten, wie sie in den neuen französisch-sowjetischen Abmachungen vorgesehen sind. Dem entsprach auch der damals der Deutschen Regierung bekanntgewordene Inhalt dieser Sonderabmachungen. Die im Rheinpakt zugelassenen Ausnahmen sind allerdings nicht ausdrücklich auf Polen und die Tschechoslowakei abgestellt, sondern abstrakt formuliert worden. Es war aber der Sinn aller hierauf bezüglichen Verhandlungen, nur einen Ausgleich zwischen dem deutsch-französischen Kriegsverzicht und dem Wunsche Frankreichs nach Aufrechterhaltung seiner schon bestehenden Bündnisverpflichtungen zu finden. Wenn sich daher Frankreich die abstrakte Formulierung der im Rheinpakt zugelassenen Kriegsmöglichkeiten jetzt zunutze macht, um ein neues Bündnis mit einem militärisch hochgerüsteten Staat gegen Deutschland abzuschließen, wenn es so die Tragweite des von ihm mit Deutschland vereinbarten Kriegsverzichts weiterhin und in so entscheidender Weise einschränkt, und wenn es dabei, wie oben dargelegt, nicht einmal die festgesetzten formellen rechtlichen Grenzen innehält, so hat es damit eine völlig neue Lage geschaffen und das politische System des Rheinpaktes sowohl dem Sinne nach als auch tatsächlich zerstört.«

Ich lasse den nächsten Absatz aus und zitiere auf Seite 9 des Urkundenbuches weiter wie folgt:

»Die Deutsche Regierung hat bei den Verhandlungen der letzten Jahre stets betont, alle sich aus dem Rheinpakt ergebenden Verpflichtungen so lange zu halten und erfüllen zu wollen, als die anderen Vertragspartner auch ihrerseits bereit sind, zu diesem Pakte zu stehen. Diese selbstverständliche Voraussetzung kann jetzt als von seiten Frankreichs nicht mehr erfüllt angesehen werden. Frankreich hat die ihm von Deutschland immer wieder gemachten freundschaftlichen Angebote und friedlichen Versicherungen unter Verletzung des Rheinpaktes mit einem ausschließlich gegen Deutschland gerichteten militärischen Bündnis mit der Sowjetunion beantwortet. Damit hat der Rheinpakt von Locarno aber seinen inneren Sinn verloren und praktisch aufgehört zu existieren. Deutschland sieht sich daher auch seinerseits nicht mehr als an diesen erloschenen Pakt gebunden an.«

Auf Grund des französisch-russischen Paktes und der Absichten des französischen Generalstabs ließ Hitler den Angeklagten von Ribbentrop zu sich kommen, um ihn über die vermutliche Einstellung Englands zu einer eventuellen deutschen Wiederbesetzung...

VORSITZENDER: Lesen Sie denn nicht aus dem Dokument, Dr. Horn? Sie fingen an, uns etwas über Hitler zu erzählen.

DR. HORN: Jawohl, ich habe hier bei »als an diesen erloschenen Pakt gebunden« unterbrochen, um die Rolle Ribbentrops kurz einzuschalten. Auf Grund dieses Paktes und der Absichten des französischen Generalstabs ließ Hitler damals den Angeklagten von Ribbentrop...

VORSITZENDER: Aber das werden wir von Ribbentrop selbst hören, nicht wahr?

DR. HORN: Herr Präsident! Es ist uns gestattet worden, ein paar verbindende Worte zu den Urkunden zu sagen. Ich kann nun...

VORSITZENDER: Bitte, Oberst Pokrowsky.

OBERST POKROWSKY: Soviel ich verstehe, hat der Gerichtshof dem Verteidiger Ribbentrops, Dr. Horn, bereits auseinandergesetzt, daß die Verteidigung jetzt ein Dokument vorlegt. Obwohl Dr. Horn es nicht für nötig hält, uns anzugeben, wo er von seinem Dokument abweicht und wo er dieses zitiert, hatte ich die Möglichkeit, festzustellen, daß in dem Dokument, das jetzt unter der Nummer Ribbentrop 1 vorgelegt wird, jegliche Bezugnahme auf die Pläne des französischen Generalstabs fehlt. Unter den Dokumenten, die sich in dem vom Verteidiger Ribbentrops vorgelegten Buche befinden, konnte ich ebenfalls keine Kopien der Pläne des französischen Generalstabs finden. Unter diesen Umständen ist es mir unklar, woher Dr. Horn von den Plänen des französischen Generalstabs Kenntnis hat, und unter welcher Begründung er beim Vorlegen der Beweise in der Sache Ribbentrops, sich auf hier fehlende Dokumente bezieht.

DR. HORN: Herr Präsident...

VORSITZENDER: Dr. Horn! Was Sie dem Gerichtshof offenbar jetzt vorgetragen haben, war keine erläuternde Bemerkung zur Urkunde, sondern Sie erzählten uns, was Hitler tat, und was der Angeklagte Ribbentrop daraufhin tat. Sie können nicht etwas vorbringen, was nicht im Beweisstück enthalten ist. Sie können nur erläuternde Bemerkungen machen, um die Urkunde selbst verständlich zu machen.

DR. HORN: Herr Präsident! Der Angeklagte von Ribbentrop ist wegen der Führung der gesamten Außenpolitik angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hat die Außenpolitik so dargelegt, wie sie es sieht, und uns ist gestattet worden, zwar keine Reden zu halten, aber doch mit verbindendem Text nun unseren gegenteiligen Standpunkt, wie ihn die Verteidigung sieht, darzulegen. Dazu muß ich mich auf gewisse Tatsachen, Dokumente und Aussagen stützen. Ich kann nie ein geschlossenes Bild geben, wenn ich nur ein Dokument einfach hinlegen darf, ohne einen großen Rahmen dazu zu geben, einen gewissen Ablauf der gesamten Politik.

VORSITZENDER: Dr. Horn! Der Gerichtshof erwartet ja nicht von Ihnen, daß Sie jetzt in diesem Stadium ein gesamtes Bild entwerfen. Alles, was Sie in diesem Augenblick zu tun haben, ist, die Beweismittel vorzulegen. Sie können das Allgemeinbild entwerfen, wenn Sie Ihr Schlußplädoyer halten. Dieses Dokument ist verständlich und wohlbekannt, es ist durchaus verständlich, auch ohne daß uns gesagt wird, was Hitler oder was der Angeklagte Ribbentrop getan haben.

DR. HORN: Ich habe doch vorhin zu diesen Sachen, die der Herr russische Anklagevertreter beanstandete, den Angeklagten von Neurath als Zeugen benannt. Ich kann ihn ja erst vernehmen zu diesem Punkt, wenn der Angeklagte von Neurath in den Zeugenstand tritt. Ich kann mich aber doch jetzt schon auf diese Tatsachen, die Gegenbeweise sind, beziehen.

VORSITZENDER: Ja, aber das wird seine Aufgabe sein. Wenn Sie uns sagen wollen, was der Angeklagte von Neurath Ihrer Meinung nach in Beantwortung Ihrer Fragen aussagen wird, dann würde das bereits eine Eröffnungsrede sein. Die ist im Statut nicht vorgesehen. Wir müssen daher warten, bis Sie von Neurath vorladen, oder bis Sie ihn befragen.

DR. HORN: Ich verlese dann aus diesem eben zitierten Dokument Ribbentrop-Beweisstück Nummer 1 auf Seite 10 des Dokumentenbuches weiter:

»Die Deutsche Regierung ist nunmehr gezwungen, der durch dieses Bündnis neugeschaffenen Lage zu begegnen, einer Lage, die dadurch verschärft wird, daß der französisch-sowjetische Vertrag seine Ergänzung in einem genau parallel gestalteten Bündnisvertrag zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion gefunden hat. Im Interesse des primitiven Rechts eines Volkes auf Sicherung seiner Grenzen und zur Wahrung seiner Verteidigungsmöglichkeiten hat daher die Deutsche Reichsregierung mit dem heutigen Tage die volle und uneingeschränkte Souveränität des Reiches in der demilitarisierten Zone des Rheinlandes wiederhergestellt.«

Ich bitte den Gerichtshof, das gesamte Dokument als Beweisstück entgegenzunehmen. Durch diesen Schritt der Deutschen Regierung waren gewisse Artikel des Versailler Vertrags, die sich auf die Demilitarisierung der Rheinlandzone bezogen, obsolet geworden. Da heute morgen durch Beschluß des Gerichtshofs eine Stellungnahme zu dem Versailler Vertrag nicht gestattet ist, lasse ich die entsprechenden Unterlagen aus dem Dokumentenbuch des Angeklagten von Ribbentrop aus und gehe nun zu dem Dokument Ribbentrop-Beweisstück Nummer 8 über, das sich auf Seite 21 des Dokumentenbuches befindet.

Darf ich noch eine Zwischenfrage stellen, Herr Präsident?

VORSITZENDER: Gewiß.

DR. HORN: Ist es gestattet, die offiziellen Dokumente über den Versailler Vertrag zu bringen, die vor Abschluß des Vertrags ausgetauscht wurden zwischen den Regierungen? Es handelt sich um reine Regierungsdokumente und nicht um irgendwelche Polemiken über den Vertrag selbst. Dürfen diese Dokumente nach der heutigen Entscheidung des Gerichtshofs vorgelegt werden?

VORSITZENDER: Welche sind das, die auf Seite 21?

DR. HORN: Es handelt sich hier um das Ribbentrop- Beweisstück Nummer 3.

VORSITZENDER: Wo befindet sich das?

DR. HORN: Es befindet sich auf Seite 14 des Dokumentenbuches.

VORSITZENDER: Dr. Horn! Der Gerichtshof möchte gern wissen, für welche Frage des Prozesses dieses Dokument beweiserheblich ist.

DR. HORN: Ich wollte damit die Ansicht, die deutsche Ansicht, über den Versailler Vertrag begründen. Es handelt sich bei dem Ribbentrop-Beweisstück Nummer 2 um die Note Deutschlands an die Vereinigten Staaten, die das Angebot zu einem Waffenstillstand und Friedensschluß enthält. Und ich wollte weiter in der nächsten Note noch einmal darlegen, durch die nächste Note, daß es sich bei diesem Angebot um ein Angebot auf der Grundlage der Wilsonschen Vierzehn Punkte handelt. Ich wollte weiter durch das Ribbentrop-Beweisstück Nummer 4 den Beweis erbringen, daß der Friede und der Waffenstillstand auf der Grundlage der Vierzehn Punkte mit zwei Ausnahmen abgeschlossen werden sollte. Ich wollte weiter durch das Ribbentrop-Beweisstück...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich habe bisher versucht, nicht zu unterbrechen, aber der Gerichtshof hat über diesen Punkt schon vor 14 Tagen eine Verfügung getroffen, als der Angeklagte Göring, glaube ich, den Antrag stellte, über den gleichen Punkt Dokumente vorlegen zu dürfen, und heute früh hat der Gerichtshof meiner Meinung nach in der gleichen Sache eine Entscheidung gefällt. Der Punkt ist vollkommen klar. Der einzige Punkt, um den es sich hier handeln kann, ist der, ob der Versailler Vertrag den Vierzehn Punkten entsprach und, falls nicht, ob er dann ein ungerechter Vertrag wäre, der direkt unter die vor einer Stunde getroffene Gerichtsentscheidung fallen würde.

DR. HORN: Darf ich noch ein Wort hinzufügen?

Soweit ich und andere Mitkollegen den Beschluß des Gerichtshofs heute verstanden haben, ist es nur untersagt, vor diesem Gerichtshof Ausführungen über die Ungerechtigkeit des Vertrags und über die Tatsache zu machen, daß er unter Zwang abgeschlossen sein soll. Anders haben wir den Beschluß nicht verstanden.

VORSITZENDER: Aus diesem Grunde habe ich Sie ja gefragt, für welchen Punkt dies beweiserheblich war. Sie sagten, es wäre erheblich, um die deutsche Ansicht über den Vertrag zu zeigen. Nun, dies sind ja Dokumente aus der Zeit vor dem Vertrag, und sie scheinen nur für die Frage wichtig zu sein, ob der Vertrag gerecht oder ungerecht war.

DR. HORN: Ich persönlich wollte durch diese Dokumente weder darlegen, ob es ein gerechter oder ungerechter Friede war, sondern nur, daß es ein Vertrag war, der mit rechtlichen Mängeln behaftet ist, da der Hauptvertrag nicht den Abmachungen des Vorvertrags entsprach.

VORSITZENDER: Wenn der Hauptvertrag nicht den Abmachungen des Vorvertrags entsprach, dann müßte auf Grund Ihres Argumentes der Hauptvertrag ein ungerechter Vertrag sein. Das ist gerade der Punkt, über den der Gerichtshof entschieden hat.

DR. HORN: Aus diesem Grunde, Herr Präsident, habe ich eben auch diese Dokumente übergangen und habe erklärt, daß ich auf sie dann, auf Grund dieses Beschlusses, nicht Bezug nehmen darf. Ich gehe daher über zu dem Dokument Nummer 8.

VORSITZENDER: Da Sie noch viele Dokumente behandeln werden, wollen wir jetzt für zehn Minuten unterbrechen.