[Das Gericht vertagt sich bis
27. März 1946, 10.00 Uhr.]
Zweiundneunzigster Tag.
Mittwoch, 27. März 1946.
Vormittagssitzung.
[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Fangen Sie an, Dr. Horn!
DR. HORN: Herr Zeuge, Sie kennen den Grafen Ciano; wann und wo haben Sie ihn kennengelernt?
VON STEENGRACHT: Den Grafen Ciano kenne ich, aber nicht politisch, sondern nur persönlich. Kennengelernt – ich kann mich nicht genau daran erinnern, wann ich ihn kennengelernt habe – wahrscheinlich anläßlich irgendeines Staatsbesuchs. Ich arbeitete damals in der Protokollabteilung des Auswärtigen Amtes.
DR. HORN: Welche Erfahrungen haben Sie mit Graf Ciano gemacht?
VON STEENGRACHT: Da ich politisch nicht mit ihm gearbeitet habe, habe ich auch keinerlei politische Erfahrungen gemacht.
DR. HORN: Ein anderes Gebiet. Ist es richtig, daß Herr von Ribbentrop Anweisung gegeben hatte, unter allen Umständen den französischen Franken gegen eine Inflation zu stützen?
VON STEENGRACHT: Diese Art von Maßnahmen können sich nur auf eine Zeit beziehen, in der ich noch nicht Staatssekretär war. Ich weiß aber, daß die grundsätzliche Linie gegenüber Frankreich und allen besetzten Gebieten die war, daß unter allen Umständen die Währungen möglichst zu erhalten seien, oder besser gesagt, mit allen Kräften zu halten seien. Aus diesem Grunde haben wir auch häufig Gold nach Griechenland geschickt, um dort den Versuch zu unternehmen, die Währung einigermaßen zu halten.
DR. HORN: Was für eine Wirkung wurde in Griechenland durch diese Goldverschickungsmaßnahmen erzielt?
VON STEENGRACHT: Dadurch, daß wir Gold nach Griechenland brachten, drückten wir den Kurs der ausländischen Währungen. Dadurch bekamen die griechischen Händler, die zum großen Teil die Lebensmittel gehamstert hatten, Angst und warfen nunmehr die Lebensmittel auf den Markt, und sie wurden auf diese Weise dem griechischen Volke wieder zugeführt.
DR. HORN: Ist es richtig, daß von Ribbentrop strengste Weisungen gegeben hatte, keine Beschlagnahmungen in den besetzten Gebieten vorzunehmen, sondern nur mit den dortigen Regierungen direkt zu verhandeln?
VON STEENGRACHT: Das ist, wenn Sie die Frage so stellen, grundsätzlich richtig, wobei ich aber nochmals bemerke, wie ich es gestern schon getan habe, daß wir ja in den besetzten Gebieten grundsätzlich keinerlei Funktionen hatten, also auch gar nicht irgendwelche Kräfte zum Beschlagnahmen, oder daß solche Kräfte ja anderen Institutionen unterstanden; aber richtig ist vor allem, daß wir jeweils nur mit den fremden Regierungen verhandelten und von Ribbentrop schärfstens verboten hatte, daß irgendwelche direkten Maßnahmen, die von anderen Stellen gegenüber einem besetzten Land durchgeführt wurden, von uns unterstützt werden.
DR. HORN: Ich habe vorläufig keine weiteren Fragen an den Zeugen.
DR. EGON KUBUSCHOK, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON PAPEN, VERTEIDIGER FÜR DIE REICHSREGIERUNG: Kennen Sie, Herr Zeuge, Herrn von Papen gut aus der Zeit Ihrer Tätigkeit im Auswärtigen Amt, insbesondere während der Zeit Ihrer Tätigkeit als Staatssekretär im Auswärtigen Amt?
VON STEENGRACHT: Herrn von Papen kenne ich bereits einige Jahre vor 1933, allerdings privat. Ich habe ihn dann längere Zeit aus den Augen verloren und bin dann wieder mehr mit ihm zusammengekommen als ich Staatssekretär des Auswärtigen Amtes wurde. Ich habe dann fortlaufend mit ihm dienstlich und auch über das Dienstliche hinausgehend mit ihm verkehrt.
DR. KUBUSCHOK: Haben Sie, insbesondere in der letzten Zeit Ihrer Tätigkeit als Staatssekretär, laufend die Berichte erhalten, die Herr von Papen als Botschafter in Ankara nach Berlin sandte?
VON STEENGRACHT: Sofern Herr von Papen diese Berichte nicht unmittelbar an von Ribbentrop leitete, was möglich gewesen sein kann – das weiß ich nicht –, so habe ich sie auf dem amtlichen Dienstwege wöchentlich erhalten.
DR. KUBUSCHOK: Ist Ihnen erinnerlich, daß Herr von Papen den Posten als Botschafter in Ankara im April 1939, nach zweimaliger vorheriger Ablehnung, an dem Tage übernommen hat als Italien Albanien besetzte, wodurch eine akute Kriegsgefahr im Südosten entstand?
VON STEENGRACHT: Ich war damals nicht Staatssekretär, war auch in keiner politischen Stellung, so daß mir die Zusammenhänge aus der Zeit nicht so bekannt sind. Ich habe heute den Eindruck, daß er damals den Posten übernahm, nachdem die Italiener Albanien besetzt hatten. Und er selbst hat mir später gesagt, daß damals die Gefahr bestanden hätte, daß die Italiener weiter vorgedrungen wären auf dem Balkan und dadurch ein Konflikt eventuell mit der Türkei entstanden wäre, und dadurch der Weltfriede gefährdet worden wäre. Aus diesem Grunde hätte er sich damals entschlossen, den Posten zu übernehmen. An welchem Tag das nun genau war, kann ich nicht sagen.
DR. KUBUSCHOK: Was können Sie im allgemeinen über Friedensbemühungen des Herrn von Papen sagen?
VON STEENGRACHT: Ja, ich habe den Eindruck, daß Herr von Papen stets sich bemüht hat, mit allen Mitteln den Frieden aufrechtzuerhalten. Er hat es sicherlich für Deutschland und die Welt als ein großes Unglück gehalten, wenn ein Krieg ausbrechen würde.
DR. KUBUSCHOK: Waren die Bemühungen, die Herr von Papen während des Krieges für den Frieden unternahm, darauf gerichtet, ungeachtet der militärischen Erfolge auf irgendwelche Annektionen zu verzichten und die politische Souveränität der besiegten Staaten im vollen Umfange wiederherzustellen, kurz, im Wege eines vernünftigen Verzichts einen tragbaren Status für alle Staaten Europas wiederherzustellen?
VON STEENGRACHT: In der großen Linie war es ganz klar, daß Papen immer dafür eingetreten ist, daß wieder Friede eintritt unter Verhältnissen, die die volle Souveränität aller Länder wiederhergestellt hätten, und daß keinerlei Eingriffe oder Schädigungen materieller oder sonstiger Art dem übrigen Ausland zugefügt worden wären.
DR. KUBUSCHOK: Vertrat von Papen diesen Standpunkt auch zur Zeit der größten deutschen militärischen Erfolge?
VON STEENGRACHT: Ich glaube, daß sich sein grundsätzlicher Standpunkt in dieser Hinsicht niemals geändert hat.
DR. KUBUSCHOK: Hat Hitler diese dauernden persönlichen Friedensbemühungen dem Herrn von Papen sehr verübelt, und galt er in diesem Zusammenhang als der unbequeme Außenseiter?
VON STEENGRACHT: Ich habe nicht Gelegenheit gehabt, mit Hitler darüber zu sprechen; ich weiß nur, daß er ganz allgemein von Hitler und anderen Persönlichkeiten kritisiert wurde als ein Mann, der immer eine schwache Linie verfolge.
DR. KUBUSCHOK: Hat Herr von Papen freimütig bekannt, daß ein Friedensschluß so lange unmöglich sei, als Hitler und die Partei in Deutschland existiere und der erforderliche Kredit für Verhandlungen im Auslande nicht gegeben sei?
VON STEENGRACHT: Ja, ich habe mit Herrn von Papen – ich glaube, es muß gewesen sein ungefähr im April 1943 oder im Mai 1943 – über das gesamte Thema gesprochen, ausführlich gesprochen, da ich damals gerade Staatssekretär geworden war. Er hat damals die von Ihnen eben aufgezeichnete Linie mir gegenüber ganz klar zum Ausdruck gebracht. Er war sich klar darüber, daß mit Hitler und seinen angewandten Methoden das Ausland keinen Frieden schließen würde.
DR. KUBUSCHOK: Noch eine letzte Frage, Herr Zeuge: Die Anklage wirft dem Angeklagten von Papen vor, er sei ein skrupelloser Opportunist. Sie, Herr Zeuge, kennen den Angeklagten aus der Berichterstattung und dem gesamten dienstlichen Verkehr des Angeklagten mit seiner vorgesetzten Dienststelle seit einer Anzahl von Jahren. Haben Sie auf Grund dieser Kenntnis den Eindruck gewonnen, daß diese Charakterisierung von Papens richtig ist, oder können Sie sagen, daß Papen aus dieser Berichterstattung und aus dienstlichem Verkehr her Ihnen als ein Mann erscheint, der durchaus die Wahrheit sagt, auch dann, wenn sie recht unbequemen Vorgesetzten unangenehm ist, und wenn das Sprechen dieser Wahrheit sogar mit einer persönlichen Gefahr verbunden ist?
VON STEENGRACHT: Das kann ich durchaus sagen, daß es so ist. Ich finde, der beste Beweis dafür ist der, daß Herr von Papen ja schließlich als Vizekanzler völlig ausgeschaltet wurde vom Amte und ausgeschieden ist aus der Regierung, dann Privatmann war und nur, wenn die allergrößte Not wieder da war, Herr von Papen herangezogen wurde, und Herr von Papen sich auch meines Erachtens nur deshalb zur Verfügung gestellt hat, weil er sich sagte: »Ich habe noch einen gewissen Kredit, ich habe eine... ich bin ein guter Katholik, und ich vertrete demgemäß eine Richtung, die sich gegen alle Unmenschlichkeit und so weiter wendet, und vielleicht kann ich durch meine Person irgendwelchen Einfluß in diesem Sinne ausüben.« Ich habe selbst niemals einer Sitzung oder einer Besprechung beigewohnt, die zwischen Hitler und Papen stattgefunden hat. Ich habe aber insbesondere von unserem Verbindungsmann bei Hitler häufig gehört, daß Herr von Papen mit seiner leichten Art sehr viele Sachen Hitler gesagt hat, die sonst einer Hitler nicht hätte sagen können, und ich glaube, daß er durch seine Art auch vieles verhindert hat, wenigstens für einen gewissen Zeitraum.
DR. KUBUSCHOK: Ich danke.
DR. OTTO NELTE, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KEITEL: Herr Zeuge! Sie haben ausgesagt, daß Hitler aus Anlaß des furchtbaren Bombenangriffs auf Dresden einen Befehl herauszugeben beabsichtigte, wonach Tausende von Kriegsgefangenen zur Vergeltung getötet werden sollten.
VON STEENGRACHT: Jawohl.
DR. NELTE: Habe ich Ihre gestrige Bekundung richtig in Erinnerung, daß alles, was Sie über diese Angelegenheit gesagt haben, Mitteilungen sind oder auf Mitteilungen beruhen, die von Herrn von Ribbentrop stammen?
VON STEENGRACHT: Nein.
DR. NELTE: Was wissen Sie aus eigener Kenntnis?
VON STEENGRACHT: Ich weiß aus eigener Kenntnis lediglich, daß unser Verbindungsmann zu Hitler mich angerufen hat und mir gesagt hat, daß Goebbels den Vorschlag an Hitler gemacht habe, zehntausend oder mehr englische und amerikanische Kriegsgefangene zu erschießen als Repressalie, und daß Hitler darauf eingehen wollte oder eingegangen sei, und das habe ich sofort Ribbentrop berichtet, und der ist dann gleich hingegangen und hat mir in einer halben Stunde erklärt, daß dieser Befehl zurückgenommen sei. Von dem Feldmarschall Keitel ist mir im Zusammenhang damit überhaupt nichts bekannt.
DR. NELTE: Also Sie wissen auch nicht, von wem aus dieser Befehl ergangen ist?
VON STEENGRACHT: Nein.
DR. NELTE: Die Anregung dazu meine ich?
VON STEENGRACHT: Die Anregung zu dem Befehl offenbar von Goebbels nach der mir zugegangenen Information.
DR. NELTE: Durch Herrn von Ribbentrop, ja?
VON STEENGRACHT: Wen?
DR. NELTE: Durch Herrn von Ribbentrop.
VON STEENGRACHT: Nein, von Ribbentrop hat damit nichts zu tun.
DR. NELTE: Also von Herrn Hewel?
VON STEENGRACHT: Herr Hewel hat mir das gesagt. Er hat mich angerufen und hat mir das gesagt.
DR. NELTE: Und Sie wissen nichts über eine Beteiligung des Militärs?
VON STEENGRACHT: Ich weiß gar nichts über eine Beteiligung des Militärs.
DR. NELTE: Danke sehr.
DR. HANS LATERNSER, VERTEIDIGER FÜR GENERALSTAB UND OBERKOMMANDO: Herr Zeuge, ich habe nur eine Frage: Haben Sie als Staatssekretär – oder das Auswärtige Amt – militärische Dienststellen, zum Beispiel das Oberkommando des Heeres, Oberkommando der Marine, über die in Betracht kommenden Fragen deutscher Politik laufend unterrichtet?
VON STEENGRACHT: Nein, sie wurden nicht unterrichtet.
DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.
VORSITZENDER: Wünscht der britische Anklagevertreter den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen?
OBERST H. J. PHILLIMORE, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Herr Zeuge! Sie haben uns gestern erklärt, daß der Angeklagte Ribbentrop gegen die Verfolgung der Kirchen, gegen die Verfolgung der Juden eingestellt gewesen sei und auch nicht gewußt habe, was in den Konzentrationslagern vor sich ging. Sie haben uns gesagt, daß er kein typischer Nazi sei. Welches sind die Eigenschaften eines typischen Nazis?
VON STEENGRACHT: Unter einem typischen Nationalsozialisten verstehe ich einen Mann, der fanatisch die sämtlichen Doktrinen des Nationalsozialismus anerkennt und vertritt. Herr von Ribbentrop, habe ich gesagt, folgte Hitler persönlich, hat aber von dem gesamten sonstigen Ideengut eigentlich außerordentlich wenig gewußt und sich auch niemals darum bekümmert. Er hat nie in Versammlungen gesprochen und hat niemals größere Treffen mitgemacht, kannte also auch eigentlich vom Volke und der Stimmung des Volkes außerordentlich wenig.
OBERST PHILLIMORE: Verstehen Sie unter einem »typischen Nationalsozialisten« jemanden, der die Kirche verfolgt?
VON STEENGRACHT: Ich habe diese Frage nicht verstanden.
OBERST PHILLIMORE: Ich werde sie wiederholen: Würden Sie sagen, daß ein typischer Nationalsozialist ein Mann ist, der sich mit der Kirchenverfolgung befaßte?
VON STEENGRACHT: Jedenfalls ein Mann, der, wenn Adolf Hitler das für richtig hielt, keine eigene Meinung zu der Angelegenheit äußerte.
OBERST PHILLIMORE: Und ein Mann, der an der Verfolgung und Austilgung von Juden seinen vollen Anteil nehmen würde?
VON STEENGRACHT: Das möchte ich auch nicht sagen, sondern das beschränkte sich auf einen gewissen Kreis von Menschen. Ein großer Teil von Fanatikern wußte von den Grausamkeiten nichts und hat diese Art der Grausamkeiten abgelehnt, und hätte sie abgelehnt, wenn sie davon richtiggehend orientiert worden wären.
OBERST PHILLIMORE: Ich verstehe Sie dahin, daß Sie sagen, daß Sie davon selbst nichts wußten. Stimmt das?
VON STEENGRACHT: Daß ich nichts wußte?
OBERST PHILLIMORE: Ja.
VON STEENGRACHT: Ich habe in meiner Stellung als Staatssekretär und dadurch, daß ich ausländische Zeitungen gelesen habe und vor allem auch mit Leuten der Opposition zusammengekommen bin, von vielen Sachen der Konzentrationslager Kenntnis gehabt. Ich bin in allen diesen Fällen, soweit es in meiner Kraft stand, dagegen eingeschritten. Aber über diese Sachen, die ich jetzt hier gehört habe, habe ich nichts gewußt.
OBERST PHILLIMORE: Ich will Sie jetzt etwas anderes fragen. Sie haben ausgesagt, daß Ribbentrop für die besetzten Gebiete keine Verantwortung trug. Ihre Worte waren, daß das Auswärtige Amt die Verantwortung in dem Augenblick verlor, da das deutsche Bajonett die Grenze überschritt. Stimmt das?
VON STEENGRACHT: Ich habe gesagt, daß in dem Augenblick, in dem das deutsche Bajonett die Grenze überschritt, das Auswärtige Amt das alleinige Recht, mit ausländischen Regierungen zu verhandeln, überall verlor; daß darüber hinaus in den meisten Ländern das Auswärtige Amt nicht einmal das Recht hatte, einen diplomatischen Beobachter nunmehr ohne irgendwelche Kompetenzen zu halten, dieses insbesondere in Norwegen und in den Ostgebieten.
OBERST PHILLIMORE: Sie haben gesagt, daß das Außenministerium nicht mehr das Recht hatte, einen Beobachter dort zu haben, und daß direkte Beziehungen zu den besetzten Gebieten abgebrochen wurden. Stimmt das?
VON STEENGRACHT: Nein, ich habe gesagt, daß das Auswärtige Amt in allen besetzten Ländern nicht mehr das alleinige Recht hatte, mit der Regierung zu verhandeln, Weil ja dann in diesen Ländern entweder eine Zivil Verwaltung war oder eine Militärregierung mit Hilfskommandanturen, mit einem Militär-Verwaltungschef, und diese Stellen nunmehr von sich aus an die Regierungen und an die einzelnen Exekutivorgane des jemalig besetzten Landes herantraten. Somit kann man nicht mehr sagen, das Auswärtige Amt hat das alleinige Recht, mit den Regierungen zu verhandeln. In Ländern aber, wie im Norden und im Osten, hatten wir überhaupt keine Leute von uns mehr. Und Hitler hatte den Befehl herausgegeben, daß wir auch aus den übrigen Ländern, wie Holland, Belgien und so weiter unsere Beobachter zurückziehen. Wir haben dieses aber nicht getan.
OBERST PHILLIMORE: Sie sagen, daß Sie in Frankreich einen Botschafter hatten, der unmittelbar Ribbentrop Bericht erstattete, nicht wahr?
VON STEENGRACHT: Ja.
OBERST PHILLIMORE: Und seine Aufgaben bestanden darin, die Geheime Feldpolizei und die Geheime Staatspolizei zu beraten dadurch, daß sie politisch wichtige Dokumente beschlagnahmten und die Sicherstellung und Beschlagnahme von öffentlichem Eigentum herbeiführten; weiter auch die Beschlagnahme von privatem und vor allem jüdischem Kunsteigentum auf Grund von Anweisungen, die zu diesem Zweck besonders herausgegeben wurden. Stimmt das nicht?
VON STEENGRACHT: Ich habe gestern bereits betont, daß ich erst seit dem Jahre 1943 überhaupt mit politischen Angelegenheiten zu tun hatte. Wenn ich Ihre Frage, Herr Vertreter der Anklage, richtig verstanden habe, stehen Sie auf dem Standpunkt, daß die Geheime Staatspolizei und die deutschen Exekutivorgane in Frankreich uns unterstanden haben. Das ist unrichtig.
OBERST PHILLIMORE: Sie antworten nicht auf meine Frage. Ich habe Sie gefragt, ob der Minister Abetz nicht diese Aufgaben hatte?
VON STEENGRACHT: Er hatte nicht die Aufgabe, französisches Eigentum zu beschlagnahmen oder irgendwelche Judenaktionen durchzuführen. Zu meiner Zeit und durch meine Hand sind keine derartigen Befehle gegangen und er konnte...
OBERST PHILLIMORE: Wollen Sie sich bitte Dokument 3614-PS ansehen?