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[Dem Zeugen wird ein Dokument überreicht.]

Euer Lordschaft! Dieses Dokument wurde als französisches Beweisstück RF-1061 am 4. Februar eingeführt. Es ist ein von Ribbentrop unterzeichnetes Schreiben vom 3. August 1940 an den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, OKW. Es steht darin:

»Der Führer hat den bisherigen Gesandten Abetz zum Botschafter ernannt und auf meinen Vortrag folgendes verfügt:

I. Der Botschafter Abetz hat in Frankreich folgende Aufgaben:....«

Und dann werden verschiedene Aufgaben beschrieben. Ziffer 6 lautet, und das ist die, die ich dem Zeugen als Frage vorgelegt habe:

»6. Beratung der Geheimen Feldpolizei und Geheimen Staatspolizei bei der Beschlagnahme politisch wichtiger Dokumente.

7. Sicherstellung und Erfassung des öffentlichen Kunstbesitzes, ferner des privaten und vor allem jüdischen Kunstbesitzes auf Grund besonderer hierzu erteilter Weisungen.«

Und der letzte Absatz:

»II. Der Führer hat hierbei ausdrücklich angeordnet, daß ausschließlich Botschafter Abetz für die Behandlung aller politischen Fragen im besetzten und unbesetzten Frankreich verantwortlich ist. Soweit durch seine Aufgabe militärische Interessen berührt werden sollten, wird Botschafter Abetz nur im Einvernehmen mit dem Militärbefehlshaber in Frankreich handeln.

III. Botschafter Abetz wird dem Militärbefehlshaber in Frankreich als sein Beauftragter zugeteilt. Sein Sitz bleibt wie bisher Paris. Die Weisungen zur Durchführung seiner Aufgaben erhält er von mir und ist mir ausschließlich hierfür verantwortlich. gez. Ribbentrop.«

Ich will jetzt ein oder zwei Fragen über die Juden an Sie richten. Sie haben uns gesagt, daß Sie und der Angeklagte von Ribbentrop...

VORSITZENDER: Oberst Phillimore! Der Gerichtshof möchte gern wissen, warum dieser Zeuge dem Gerichtshof sagte, der Botschafter Abetz hätte nicht die Aufgabe gehabt Eigentum zu beschlagnahmen.

[Zum Zeugen gewandt:]

Warum haben Sie das gesagt?

VON STEENGRACHT: Der Botschafter Abetz hatte keinerlei Exekutive, und es bestand das ausdrückliche Verbot, sich in innerfranzösische Angelegenheiten zu mischen. Er konnte also sich ausschließlich an die Französische Regierung wenden, und wenn die Französische Regierung mit ihrer Exekutive etwas durchführt, dann ist das eine Handlung der Französischen Regierung, aber niemals eine Beschlagnahmehandlung von Abetz.

OBERST PHILLIMORE: Das ist keine Antwort auf die Frage. Die Frage ist, warum sagten Sie »nein«, als Ihnen die Frage vorgelegt wurde, ob Abetz die Aufgabe hatte, die Geheime Feldpolizei und die Geheime Staatspolizei bei der Beschlagnahme politischer wichtiger Dokumente zu beraten?

VON STEENGRACHT: Ich habe gesagt, daß durch meine Hand kein Befehl ergangen ist, weil ich erst Staatssekretär geworden bin im Mai 1943. Dieser Befehl ist vom 3. August 1940. Aber es handelt sich hier ausschließlich um eine Dienstanweisung an den Botschafter Abetz.

OBERST PHILLIMORE: Zu der Zeit waren Sie Ribbentrops persönlicher Adjutant, nicht wahr?

VON STEENGRACHT: Ich war Adjutant, aber nicht politischer Sekretär. Ich war ausschließlich...

OBERST PHILLIMORE: Sie waren Adjutant?

VON STEENGRACHT: Ich war Adjutant, das heißt, ich habe mit den technischen Sachen zu tun gehabt. Ich habe niemals zu der Zeit ihm einen politischen Bericht vorgelegt. Aber ich möchte hierzu bemerken, wenn ich darf, hier handelt es sich um eine Anweisung an den Botschafter Abetz, und diese Anweisung ist ja durch die tatsächlichen Verhältnisse völlig überholt gewesen, denn die Beratung der Geheimen Feldpolizei...

OBERST PHILLIMORE: Woher wissen Sie das, wenn Sie nur persönlicher Adjutant waren und nicht in politischen Fragen tätig waren?

VON STEENGRACHT: Der Botschafter Abetz ist Botschafter gewesen bis Mai 1945. Ich habe also von 1943 bis 1945 mit ihm dauernd in Korrespondenz gestanden, und in dieser Zeit hat der Botschafter Abetz dauernd gekämpft gegen die Maßnahmen, die von der Geheimen Staatspolizei doch durchgeführt wurden. Der Kampf war ein erbitterter, er wurde bei allen möglichen Angelegenheiten persönlich bedroht. Also von einer Beratung kann man sprechen, aber ob die Leute ihm gehorcht haben – er hatte keinerlei Machtmittel – das ist eine ganz andere Frage.

OBERST PHILLIMORE: Geht es darauf hinaus, daß sich Ihre Antwort über besetzte Gebiete nur auf die Zeit nach 1943 bezieht?

VON STEENGRACHT: Aus eigener Erfahrung kann ich nur nach 1943 sprechen.

OBERST PHILLIMORE: Jetzt will ich mich der Judenfrage zuwenden. Sie haben ausgesagt, daß Sie und Ribbentrop durch Anwendung einer Verzögerungspolitik die Tagung des antijüdischen Kongresses im Jahre 1944 verhinderten. Stimmt das?

VON STEENGRACHT: Jawohl.

OBERST PHILLIMORE: Und daß Sie gegen die Politik der Judenverfolgung gewesen seien?

VON STEENGRACHT: Jawohl.

OBERST PHILLIMORE: Das gleiche gilt für den Angeklagten Ribbentrop?

VON STEENGRACHT: Ja.

OBERST PHILLIMORE: Sehen Sie sich jetzt Dokument 3319-PS an.