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[Dem Zeugen wird die Urkunde überreicht.]

OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Dies ist ein neues Dokument; es wird als Beweisstück GB-287 eingereicht.

[Zum Zeugen gewandt:]

Sie haben vor sich eine Photokopie. Wollen Sie sich Seite 4 im deutschen Text ansehen, das ist die erste Seite des englischen Textes. Es ist ein Schreiben vom 28. April über das Thema: »Antijüdische Auslandsaktion«. Es ist am Ende der Seite 4 angestrichen.

VON STEENGRACHT: Ich habe es nicht gefunden.

OBERST PHILLIMORE: Sehen Sie sich bitte Seite 4 an. Es ist mit einem schwarzen Viereck umrahmt, unten auf der Seite. Sie sehen ein Schreiben vom 28. April 1944: »Betrifft: Antijüdische Aktion im Ausland«, und es ist an fast alle deutschen Gesandtschaften und Missionen im Ausland gerichtet.

VON STEENGRACHT: Ja.

OBERST PHILLIMORE: Schlagen Sie Seite 10 auf. Sie sehen, daß es angeblich von Ihnen unterzeichnet ist. Ist das richtig?

VON STEENGRACHT: Ja.

OBERST PHILLIMORE: Können Sie sich an das Schreiben erinnern? Ich werde Ihnen den ersten Absatz vorlesen, um Ihre Erinnerung aufzufrischen:

»Der Herr Reichsaußenminister...«

VON STEENGRACHT: Ja.

OBERST PHILLIMORE:

»... hat die Bildung der Inf. Stelle XIV (Antijüdische Auslandsaktion) unter Leitung des Gesandten I. K. Schleier angeordnet, deren Aufgabe es ist, durch Zusammenfassung aller an der antijüdischen Auslandsinformation interessierten und beteiligten Sachbearbeiter der Abteilungen und Arbeitseinheiten des Auswärtigen Amtes, in enger Zusammenarbeit mit allen in der antijüdischen Arbeit tätigen Dienststellen außerhalb des Auswärtigen Amtes und mit den deutschen Missionen in Europa, die antijüdische Auslandsinformation zu vertiefen und zu verstärken.«

Und dann zählen Sie die Mitarbeiter auf, und die Zahl der Abteilungen des Auswärtigen Amtes, und dann einen ständigen Vertreter des Reichssicherheitshauptamtes. Das ist Himmlers Dienststelle, nicht wahr?

VON STEENGRACHT: Ja.

OBERST PHILLIMORE: Und einen Vertreter des Amtes Reichsleiter Rosenberg. Die Abteilung, die direkt über »Inland II« steht, das ist doch das Auswärtige Amt, das mit der SS Verbindung hatte.

Stimmt das?

VON STEENGRACHT: Ja.

OBERST PHILLIMORE: Und zu der Zeit war der Chef ein Mann namens Wagner und sein Mitarbeiter war von Thadden?

VON STEENGRACHT: Ja.

OBERST PHILLIMORE: Behaupten Sie noch immer, daß Sie gegen die Politik der Judenverfolgung gewesen sind?

VON STEENGRACHT: Ja, das behaupte ich nach wie vor, und zwar behaupte ich auch, wie ich bereits bei meinen früheren Vernehmungen angegeben habe, daß selbst die Abhaltung eines antijüdischen Kongresses sich in den Auswirkungen nicht gegen die Juden gewandt hatte, denn was in Deutschland vorging, ging alles unter dem Siegel der Verschwiegenheit vor sich und niemand wurde irgendwie informiert. Die Juden verschwanden. Wenn man aber einen internationalen Kongreß abgehalten hätte, wäre man gezwungen gewesen, in erster Linie doch die Frage darauf zu lenken, wo sind denn eigentlich diese Juden, was geschieht denn eigentlich mit diesen Juden?

OBERST PHILLIMORE: Geht es darum, daß Sie einen antijüdischen Kongreß hinausschieben wollten, weil das der Welt bekanntgeworden wäre, aber Sie waren vollkommen bereit, eine Organisation im Auswärtigen Amt einzurichten?

VON STEENGRACHT: Also meine Herren, wir müssen hier zwei völlig verschiedene Komplexe voneinander trennen. Der eine Komplex ist der: Es gab in Deutschland Stellen, die die Judenaktionen durchführten und betrieben. Diese Organisationen griffen auch in das Ausland über und schafften von dort ohne Wissen des Auswärtigen Amtes und ohne sein Zutun die Leute aus dem Ausland weg. Es konnte demgemäß eine Besserung und eine einigermaßen in normale Kanäle geleitete Politik nur dann stattfinden, wenn eine deutsche Stelle wirklich die Verantwortung für die Sache dann übernommen hätte. Denn wir erfuhren nicht von der Geschichte, wir hörten immer die Beschwerden, die wir von den ausländischen Missionschefs bekamen, über Vorgänge, die stattfinden. Wir hatten aber keinerlei Kontrollmöglichkeiten. Wenn ich mich an die innerdeutschen Stellen wandte...

OBERST PHILLIMORE: Wurde diese Stelle errichtet, um die antijüdische Politik zu kontrollieren?

VON STEENGRACHT: Wir sprechen hier heute scheinbar von zwei verschiedenen Dingen. Der antijüdische Kongreß war angeordnet. Daß die Dienststelle Rosenberg einen antijüdischen Kongreß abhält...

VORSITZENDER: Sie haben die Frage nicht beantwortet. Die Frage war: War diese Organisation, die in dem Brief genannt wurde, geschaffen, um die Organisation der antijüdischen Tätigkeit im Ausland zu kontrollieren? So lautete die Frage. Können Sie das nicht mit Ja oder Nein beantworten?

VON STEENGRACHT: Eine generelle Kontrolle konnte das Auswärtige Amt deshalb nicht haben, weil alle antijüdischen Fragen grundsätzlich bei der Dienststelle Rosenberg behandelt wurden.

OBERST PHILLIMORE: Was war also der Zweck dieser Organisation des Auswärtigen Amtes?

VON STEENGRACHT: Wir mußten auf Anordnung von Hitler alle deutschen Stellen zusammenfassen und ein Archiv bilden, um dort das gesamte Material zu erfassen, und wir legten Wert darauf...

OBERST PHILLIMORE: Und das wurde von Ribbentrop angeordnet, nicht wahr?

VON STEENGRACHT: Jawohl.

OBERST PHILLIMORE: Wie aus Ihrem Schreiben hervorgeht?

VON STEENGRACHT: Jawohl, und wir legten Wert darauf, daß wir dadurch einen Überblick bekamen, was eigentlich mit den Juden und so weiter geschieht, und deshalb haben wir von allen Stellen uns Leute herangezogen.

OBERST PHILLIMORE: Ich werde Ihnen in einer Minute genau zeigen, was sich wirklich ereignete, und zwar aus Ihren eigenen Akten. Aber ich will Ihnen nur das sagen:

Der Zweck der Verhinderung der Tagung des antijüdischen Kongresses war einfach der, daß Sie nicht wollten, daß die Welt etwas erfahren sollte. Sie hatten nicht den geringsten Einwand gegen die Schaffung einer antijüdischen Organisation in Deutschland.

Betrachten Sie bitte Seite 32 des deutschen Textes. Euer Lordschaft! Das ist auf Seite 23 im englischen Text. Sie finden hier ein Schreiben von Rosenbergs, Dienststelle an das Auswärtige Amt, unterschrieben von Bräutigam, Seite 32 des deutschen Textes. Es ist unten auf der Seite 32 angestrichen.

Bräutigam war Ihr Verbindungsmann bei Rosenberg, stimmt das, Herr Zeuge? War Bräutigam Ihr Verbindungsmann in Rosenbergs Amt?

VON STEENGRACHT: Nein, Bräutigam war, ich glaube im Jahre 1941 im Auswärtigen Amt.

OBERST PHILLIMORE: Und 1942.

VON STEENGRACHT: Jawohl, aber er war im Jahre 1941, weil er früher im Auswärtigen Amt die Ostangelegenheiten bearbeitet hat, abgegeben worden und war nunmehr im Amte Rosenbergs.

OBERST PHILLIMORE: Sehr gut. Sie werden sehen, daß es sich auf eine Konferenz mit Obersturmbannführer Eichmann bezieht, das ist der Chef der Judenabteilung der Gestapo, sowie einen Dr. Wetzel. Und er schickte Ihnen die Abschrift eines Abkommens, das in Tighina/Rumänien am 30. August 1941 getroffen wurde, mit der Bitte um Bestätigung.

VON STEENGRACHT: Herr Vertreter der Anklage! Da dürfte ein Irrtum vorliegen. Dieses Schreiben ist vom 11. März 1942. Ich bin Staatssekretär geworden im Mai 1943. Ich kenne daher diese Sache nicht. Ich möchte nur bemerken...

OBERST PHILLIMORE: Hören Sie mir zu und warten Sie, bis Sie gefragt werden. Wir werden schneller vorwärts kommen, wenn Sie sich dieses Schreiben anhören:

»Ich verweise besonders auf Ziffer 7 der Vereinbarungen... In meinem Schreiben vom 5. März 1942 habe ich hierzu bereits Stellung genommen.«

Also es enthielt ein Übereinkommen zwischen dem deutschen und dem rumänischen Generalstab. Wenn Sie sich den Absatz 7 auf Seite 38 des deutschen Textes und Seite 27 des englischen Textes ansehen, so finden Sie das Übereinkommen, das getroffen wurde.

»Abschub von Juden aus Transnistrien.

Abschub der Juden über den Bug ist zur Zeit nicht möglich. Sie müssen daher in Konzentrationslagern zusammengefaßt und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschluß der Operationen ein Abschub nach Osten möglich ist.«

Und auf der nächsten Seite des deutschen Textes ist ein Vermerk, noch immer auf Seite 27 des englischen Textes:

»Wie Generaldirektor Lecca heute mitteilte, werden 110000 Juden aus der Bukowina und Bessarabien evakuiert, und zwar in zwei Wälder in der Gegend des Bug. Soweit er erfahren konnte, sei diese Aktion auf einen Befehl des Marschalls Antonescu zurückzuführen. Sinn der Aktion sei die Liquidierung dieser Juden.«

Zweifeln Sie daran, daß dieses Übereinkommen, das dem Schreiben an das Auswärtige Amt beigeschlossen war, den Angeklagten Ribbentrop erreicht hat?

VON STEENGRACHT: Ja. Also ich sehe dieses Dokument und diese Abmachung heute zum ersten Male. Mir ist nichts von dieser ganzen Geschichte und...

OBERST PHILLIMORE: Ja; wollen Sie die Frage beantworten:

Zweifeln Sie daran, daß dieses Schreiben und dieses Übereinkommen, das ihm beigeschlossen war, dem Angeklagten Ribbentrop gezeigt wurde?

VON STEENGRACHT: Es gab damals einen Unterstaatssekretär Luther im Auswärtigen Amt, der außerordentlich selbständig Sachen erledigte; und ich habe gegen ihn einen erbitterten Kampf geführt, trotzdem ich dazu nicht berufen war, seinerzeit, weil er nationalsozialistische Methoden einführen wollte. Ob er die Sache Ribbentrop vorgelegt hat oder nicht, kann ich nicht entscheiden.

OBERST PHILLIMORE: Schön. Jetzt kommen wir zu dem Zeitpunkt, an dem Sie schon Staatssekretär waren.

Sehen Sie sich bitte Seite 31 des deutschen Textes an, Seite 20 des englischen.

VORSITZENDER: Was bedeuten die Worte, die dem gerade von Ihnen verlesenen Satze folgen, auf Seite 27: »Bukarest, den 17. Oktober 1941 (Unterschrift unleserlich)« und dann »Zur Rücksprache mit Vizeministerpräsidenten Antonescu. Vertraulich. Bukarest, den 16. Oktober 1943.«

OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Die Maschinenschrift ist schlecht.

»Bukarest, den 17. Oktober 1941« und dann folgt das nächste Schreiben. Der vorhergehende Teil ist ein Aktenvermerk.

VORSITZENDER: Gut!

OBERST PHILLIMORE: Es handelt sich um einen Vermerk für die Akten der Deutschen Gesandtschaft in Bukarest.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort.

OBERST PHILLIMORE: Ich habe den Gerichtshof nicht mit den darauffolgenden Briefen behelligt. Sie beschäftigen sich mit der Entfernung von Juden aus reichsdeutschen Firmen zu einem früheren Zeitpunkt.