HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Zum Zeugen gewandt:]

Sehen Sie bitte Seite 31 des deutschen Textes, Seite 20 des englischen, an. Dort finden Sie ein Dokument, gerichtet an...

VORSITZENDER: Als Sie begannen, das Dokument zu verlesen, haben Sie das Datum nicht vollständig angegeben. Es scheint, das Datum ist 1944, nicht wahr?

OBERST PHILLIMORE: Nein, ich glaube, es ist 1942, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Es sollte der 28. April 1942 sein. Ist das Datum am Anfang des Dokuments?

OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Der Brief, den ich verlesen habe, ist vom März 1942 und trägt einen Stempel des Auswärtigen Amtes: »Erhalten, den 26. März 1942.«

VORSITZENDER: Ich spreche von dem ganzen Dokument, Seite 1 des Dokuments.

OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Es ist ein Aktenstück, eine dieser ziemlich unbequemen Urkunden, ein Aktenstück, das hinten mit dem frühesten Datum beginnt und bis 1944 weitergeführt ist.

VORSITZENDER: Ja, dann ist der Teil, den Sie zuerst lasen...

OBERST PHILLIMORE: Das war 1944.

VORSITZENDER: Sehr wohl! Zu welcher Seite kommen Sie jetzt?

OBERST PHILLIMORE: Ich wollte jetzt zu Seite 20 übergehen, Euer Lordschaft!

[Zum Zeugen gewandt:]

Das ist eine Mitteilung von von Thadden an die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest. Sie sagten, daß von Thadden Mitarbeiter in der Abteilung »Inland II« war. Die Mitteilung ist vom 12. Oktober 1943 datiert und trägt den Empfangsstempel vom 18. Oktober. Er fügt ein Schreiben bei, das an alle deutschen Polizeistellen im Ausland gerichtet und von Müller im Reichssicherheitshauptamt unterschrieben ist. Sie werden sehen, daß es an den Kommandeur der Sicherheitspolizei in Prag, den Haag, Paris, Brüssel, Metz, Straßburg, Luxemburg, Krakau, Kiew, Smolensk und so weiter gerichtet ist.

Oktober 1943, also nachdem Sie Staatssekretär geworden waren, nicht wahr?

VON STEENGRACHT: Jawohl!

OBERST PHILLIMORE: Sie wurden im April ernannt?

VON STEENGRACHT: Ja!

OBERST PHILLIMORE: Jetzt zu dem Inhalt des Schreibens. Es betrifft die Behandlung von Juden ausländischer Staatsangehörigkeit im deutschen Machtbereich.

»Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt können nunmehr sämtliche nach Abschluß der sogenannten Heimschaffungsaktion im deutschen Machtbereich verbliebenen Juden mit der Staatsangehörigkeit der nachstehend aufgeführten Länder

1. Italien,

2. Schweiz,

3. Spanien,

4. Portugal,

5. Dänemark,

6. Schweden,

7. Finnland,

8. Ungarn,

9. Rumänien,

10. Türkei,

in die Abschiebungsmaßnahmen einbezogen werden.

Da aus außenpolitischen Gründen die Abschiebung dieser Juden nach dem Osten zur Zeit noch nicht erfolgen kann, ist für die vorläufige Unterbringung der männlichen Juden über 14 Jahre das KL. Buchenwald und für die Unterbringung von Jüdinnen sowie von Kindern das KL. Ravensbrück vorgesehen.

Die erforderlichen Maßnahmen sind bezüglich

a) der Juden italienischer Staatsangehörigkeit sofort,

b) der Juden türkischer Staatsangehörigkeit am 20. 10. 43,

c) der Juden mit der Staatsangehörigkeit der übrigen oben angeführten Länder am 10. 10. 1943 durchzuführen.

Für die Überstellung an das KL. ist ein besonderer Schutzhaftantrag nicht erforderlich, es ist jedoch der KL.-Kommandantur mitzuteilen, daß die Überstellung an das KL. im Rahmen der Abschiebungsmaßnahmen erfolgt.«

Und dann sind Anordnungen über Gepäck. Wenn Sie sich Seite 31-e ansehen, das ist unten auf Seite 22 im englischen Text, werden Sie bemerken, daß das von Müller und außerdem von einem Angestellten in Himmlers Dienststelle unterschrieben worden ist. Und dann auf der nächsten Seite des englischen Textes, immer noch 31-e im deutschen, schickte es Himmlers Büro am 2. Oktober an das Auswärtige Amt an Herrn von Thadden.

Haben Sie dieses Dokument nicht gesehen, als es im Auswärtigen Amt einlief?

VON STEENGRACHT: Nein! Ich sehe dieses Dokument heute zum ersten Male.

OBERST PHILLIMORE: Sie waren doch Staatssekretär?

VON STEENGRACHT: Jawohl! Es handelt sich hier ganz offenbar um eine Maßnahme, die von einer anderen Stelle angeordnet worden ist. Innerhalb des Deutschen Reiches hatte wiederum das Auswärtige Amt keinerlei Exekutive und keinerlei Möglichkeiten, und demgemäß sind die Sachen nicht...

OBERST PHILLIMORE: Sie hatten keinerlei Exekutive, aber es ist Ihnen zur Information übersandt worden.

VON STEENGRACHT: Das ist uns zugegangen, die Geschichte, lediglich zur Kenntnisnahme, und mir ist es nicht vorgelegt worden, die Geschichte.

OBERST PHILLIMORE: Sie hatten doch eine Abteilung, die die Verbindung mit der SS aufrecht erhielt, ein Herr von Thadden. War er kein zuständiger Beamter?

VON STEENGRACHT: Den genauen Inhalt dieser Geschichte kenne ich auch jetzt noch nicht, weil ich ihn noch nicht in Ruhe durchgelesen habe. Ich kann mir nur folgendes denken bei der ganzen Angelegenheit:

Es ist lange die Frage erörtert worden, ob wir die Juden, die in Deutschland sind, in ihre Heimatländer zurückgeben können; darum handelt es sich doch hier?

OBERST PHILLIMORE: Wir sind nicht an Ihren Betrachtungen interessiert. Entweder Sie wissen es oder Sie wissen es nicht. Ich fragte Sie, ob von Thadden ein zuständiger Beamter war.

VON STEENGRACHT: Dieses Dokument habe ich nicht gesehen.

OBERST PHILLIMORE: Sie beantworten nicht meine Frage. War von Thadden ein zuständiger Beamter?

VON STEENGRACHT: Von Thadden war ein Mann des Auswärtigen Amtes, der seinen Beruf kannte.

OBERST PHILLIMORE: Ja, er kannte seinen Beruf. Und meinen Sie nicht, daß er Ihnen, als Staatssekretär, dieses Dokument hätte zeigen müssen?

VON STEENGRACHT: Das hätte er sicher tun müssen, wenn nicht über diese Angelegenheit an anderer Stelle verhandelt worden ist, und ich bin überhaupt bei den Judenaktionen völlig ausgeschaltet worden. Auch Weisungen, die ins Ausland gingen, sind nie über mich gelaufen in Judenaktionen. Ich habe gestern, bei Beginn meiner Aussage, darauf hingewiesen, daß viele Sachen unmittelbar an höchster Stelle verhandelt wurden, und auch das Auswärtige Amt nachträglich nicht verständigt wurde, und Befehle in dieser Angelegenheit...

OBERST PHILLIMORE: Ist dies ein Dokument, über das Sie unterrichtet waren?

VON STEENGRACHT: Müller hat es dem Auswärtigen Amt zugesandt.

OBERST PHILLIMORE: Und Sie haben es an Ihre Gesandtschaft nach Bukarest gesandt?

VON STEENGRACHT: Er hätte mir das sicherlich vorlegen müssen. Ich habe es aber nicht gesehen.

OBERST PHILLIMORE: Und wenn Sie sich dieses Schreiben noch einmal ansehen, dann können Sie sehen, wie Müllers Instruktionen anfangen. Er beginnt: »Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt...«

VON STEENGRACHT: Wo steht das, ich finde es leider nicht.

OBERST PHILLIMORE: Zu Anfang des Schreibens: »Betrifft: Die Behandlung von ausländischen Juden im deutschen Machtbereich« – und dann fängt er an: »Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt.« Heißt das nun, im Einvernehmen mit Herrn von Thadden?

VON STEENGRACHT: Ich nehme an, daß diese Art Geschichten durch den zuständigen Sachbearbeiter gegangen sind, und weil es sich hier doch um eine grundsätzliche Angelegenheit handelt, unmittelbar dem Herrn von Ribbentrop vorgelegt worden sind. Ich bitte, Herrn von Ribbentrop zu befragen, ob er die Sache kennt oder nicht. Ich habe die Sache nicht gesehen.

OBERST PHILLIMORE: Das ist eine Angelegenheit von solcher Bedeutung, daß sie mit dem Auswärtigen Amt nicht hatte vereinbart werden können, ohne daß Ribbentrop gefragt wurde. Stimmt das?

VON STEENGRACHT: Ich stehe auf dem Standpunkt, daß ich diese Sache, wenn sie mir vorgelegt worden wäre, niemals selbst abgeschlossen hätte. Ich stehe auf dem Standpunkt, das war eine Angelegenheit, die von Ribbentrop vorgelegt werden mußte.

OBERST PHILLIMORE: Gut! Und, natürlich, von Ribbentrop war einer der rücksichtslosesten Judenverfolger von allen, nicht wahr?

VON STEENGRACHT: Das ist nicht richtig.

OBERST PHILLIMORE: Ich will Ihnen einen kurzen Abschnitt über eine Besprechung zwischen dem Führer, Ribbentrop und dem ungarischen Regenten Horthy verlesen.

Es handelt sich um Dokument D-736, das von Sir David Maxwell-Fyfe dem Angeklagten Göring als GB-283 vorgelegt wurde. Es war eine Sitzung in Schloß Kießheim am Morgen des 17. April 1943, und Sie sehen, daß das Protokoll von Schmidt unterzeichnet ist.

VON STEENGRACHT: Jawohl!

OBERST PHILLIMORE: Es wurde die Judenfrage aufgeworfen:

»Der Führer erwiderte, daß daran die Juden schuld seien, die auch im Weltkrieg das Hamstern und Schie ben als eines ihrer Haupttätigkeitsgebiete betrachtet hätten, genau so wie jetzt in England Verurteilungen wegen Rationierungsvergehen und dergleichen hauptsächlich Juden beträfen. – Auf die Gegenfrage Horthys, was er denn mit den Juden machen solle, nachdem er ihnen so ziemlich alle Lebensmöglichkeiten entzogen habe – erschlagen könne er sie doch nicht –, erklärte der RAM, daß die Juden entweder vernichtet oder in Konzentrationslager gebracht werden müßten. Eine andere Möglichkeit gäbe es nicht.«

Der Führer spricht dann weiter und bezeichnet sie als Tuberkulosebazillen.

Nun, wollen Sie angesichts dieses Dokuments immer noch behaupten, daß der Angeklagte von Ribbentrop gegen die Politik der Judenverfolgung und Ausrottung gewesen ist?

VON STEENGRACHT: Ich habe gestern bereits gesagt, daß Herr von Ribbentrop, wenn er bei Hitler war...

OBERST PHILLIMORE: Es ist gleichgültig, was Sie gestern gesagt haben. Ich frage Sie jetzt, heute. Sie haben jetzt dieses Dokument gesehen. Behaupten Sie noch immer, daß Ribbentrop gegen die Politik der Judenverfolgung und gegen die Ausrottung gewesen ist?

VON STEENGRACHT: Ich möchte auch hier unterscheiden zwischen dem eigentlichen Instinkt des Herrn von Ribbentrop und dem, was er geäußert hat, wenn er unter dem Einfluß Hitlers war. Ich habe gestern bereits gesagt, daß er völlig unter seiner Hypnose gestanden hat und dann sein Werkzeug war.

OBERST PHILLIMORE: Ja, er wurde sein Werkzeug, und von da an war er bereit, alles zu tun, was Hitler wollte, und war genau so ein fanatischer Nazi wie die anderen. Stimmt das nicht?

VON STEENGRACHT: Er hat die Befehle Hitlers blindlings befolgt.

OBERST PHILLIMORE: Jawohl, und bis zu dem Grade, daß er jeder Greueltat nachsah, nicht wahr?

VON STEENGRACHT: Da er keine Exekutive hatte, hat er diese Grausamkeiten persönlich nie begangen.

VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Anklagevertreter den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen?

OBERST AMEN: Sie haben gestern ausgesagt, daß Sie Ribbentrop nicht für einen typischen Nazi hielten. Stimmt das?

VON STEENGRACHT: Ja!

OBERST AMEN: Halten Sie Göring für einen typischen Nazi?

VON STEENGRACHT: Göring hat in allen Versammlungen gesprochen und hat für die Machtergreifung gekämpft und hat demgemäß ein ganz anderes Fundament in der Partei gehabt als Ribbentrop.

OBERST AMEN: Ich glaube, Sie können meine Frage mit Ja oder Nein beantworten. Wir wollen, soweit es geht, Zeit sparen.

VON STEENGRACHT: Jawohl!

OBERST AMEN: Halten Sie Göring für einen typischen Nazi auf Grund desselben Maßstabes, den Sie bei Ribbentrop anlegten? Ja oder nein?

VON STEENGRACHT: Diese Frage kann man so nicht beantworten mit Ja oder Nein. Ich bemühe mich überall...

OBERST AMEN: In Bezug auf Ribbentrop haben Sie doch auf diese Weise geantwortet, nicht wahr?

VON STEENGRACHT: Göring war eine Person eigener Art. Den kann ich nicht in den Rahmen der allgemeinen Nazis bringen, wie man das so schlechthin bezeichnet.

OBERST AMEN: Mit anderen Worten, Sie wissen nicht, ob Sie ihn für einen typischen Nazi halten oder nicht. Wollen Sie das dem Gerichtshof zu verstehen geben?

VON STEENGRACHT: Unter typischem Nazi versteht man den »Durchschnitts«-Nazi. Göring ist eine Person ganz eigener Art und in seiner Lebensgewohnheit kann man ihn auch nicht vergleichen mit den übrigen Nationalsozialisten.

OBERST AMEN: Gut! Sind Sie mit allen diesen Herren, die hier vor Ihnen auf der Anklagebank sitzen, bekannt?

VON STEENGRACHT: Jawohl!

OBERST AMEN: Wollen Sie mir nun bitte sagen, welcher von diesen Herren Ihrer Ansicht nach ein typischer Nazi ist, und zwar auf Grund des Maßstabes, den Sie gestern bei Ribbentrop angelegt haben?

VORSITZENDER: Oberst Amen, ich will Ihr Kreuzverhör nicht unterbrechen, aber ich möchte sagen, daß zuviel Gelächter und Lärm im Gerichtssaal ist. Ich kann das nicht dulden. Fahren Sie mit Ihrem Kreuzverhör fort, Herr Oberst.

OBERST AMEN: Verstehen Sie meine letzte Frage?

Bitte, nennen Sie diejenigen der Angeklagten auf der Anklagebank, die Sie für typische Nazis halten, und zwar nach dem gleichen Maßstab, den Sie gestern bei Ribbentrop angelegt haben.

DR. HORN: Herr Präsident! Ich bin der Überzeugung, daß hier von dem Zeugen ein Urteil gefällt wird, das meines Erachtens zum Schluß der Verhandlung vom Gerichtshof gefällt werden sollte. Das ist ein Werturteil, das der Zeuge nicht beantworten kann.

OBERST AMEN: Dieser Einwand ist genau von dem gleichen Verteidiger gestern mit Bezug auf Ribbentrop vorgebracht worden.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hält es für eine vollkommen passende Frage. Der Zeuge selbst hat den Ausdruck »typischer Nazi« gebraucht.

OBERST AMEN: Bitte, geben Sie uns nur die Namen und, wenn möglich, keine lange Erklärung.

VON STEENGRACHT: Ich habe gestern gesagt, daß ich unter »typischen Nazis« Leute verstehe, die mit dem Dogma und der Doktrin vertraut sind. Ich möchte heute hinzusetzen, daß ich unter »typischen Nazis« ferner die Leute verstehe, die in der Kampfzeit das nationalsozialistische Gedankengut vertreten haben und die Propagandisten des Nationalsozialismus waren. Bekannt ist das Buch von Rosenberg, bekannt ist Herr Frank als Vorsitzender der Akademie für Deutsches Recht, das sind eigentlich – Heß natürlich auch – und das sind Leute, die ich ganz besonders herausstellen will, weil sie durch ihre Schriften und so weiter und durch ihre Reden bekannt geworden sind; von Herrn von Ribbentrop wird niemand eine Wahlrede je gehört haben.

OBERST AMEN: Aber Sie beantworten nicht meine Frage. Soll ich annehmen, daß Ihrer Ansicht nach Rosenberg, Frank und Heß die einzigen sind, die Sie nach Ihren Maßstäben als typische Nazis bezeichnen?

VON STEENGRACHT: Ja, soll ich jetzt die Reihe der Angeklagten durchgehen und bei jedem ein Urteil abgeben?

OBERST AMEN: Ja, absolut! Geben Sie mir die Namen. Nein, ich will nicht Ihre Meinung. Ich will wissen, wen Sie nach Ihren Maßstäben für einen typischen Nazi halten?

VON STEENGRACHT: Ja, den Maßstab habe ich vorhin bereits gesagt. Er dokumentiert sich darin, ob die Leute rückhaltlos das Gedankengut des Nationalsozialismus in Worten und in Versammlungen vertreten haben, und da habe ich die Prominenten genannt

OBERST AMEN: Und Sie halten all die anderen nicht für typische Nazis, stimmt das?

VON STEENGRACHT: Das habe ich nicht damit gesagt. Ich müßte dann die einzelnen durchgehen.

OBERST AMEN: Ich habe Sie doch schon dreimal darum gebeten, wollen Sie sie mir bitte einzeln nennen?

VON STEENGRACHT: Ich sehe da noch Herrn Sauckel. Herr Sauckel ist Gauleiter gewesen und war in der nationalsozialistischen Bewegung führend tätig; dann sehe ich den Reichsjugendführer, der die Hitler- Jugend erzogen hat.

OBERST AMEN: Wer noch, geben Sie mir nur die Namen, keine Kommentare, bitte.

VON STEENGRACHT: Ja, ich glaube, damit hätte ich die typischen Parteivertreter herausgestellt.

OBERST AMEN: Wie ist es mit Streicher?

VON STEENGRACHT: Den sehe ich hier nicht, sonst würde ich das bejaht haben.

OBERST AMEN: Mit anderen Worten, Sie halten auch ihn, »nach Ihren eigenen Maßstäben«, für einen typischen Nazi?

VON STEENGRACHT: Ja, aber seine Auswüchse bitte ich nicht allen Nationalsozialisten zuzuerkennen.

OBERST AMEN: Verstehe ich recht, daß Sie während Ihrer Zusammenarbeit mit Ribbentrop nichts von den Mordtaten, Quälereien, Aushungerungen und Tötungen in den Konzentrationslagern wußten?

VON STEENGRACHT: Ich wußte dadurch, daß sich ausländische Diplomaten an mich wandten, und dadurch, daß ich von Oppositionellen in Deutschland über die Konzentrationslager unterrichtet wurde, und aus der feindlichen Propaganda über das Bestehen und einen Teil der Methoden. Aber ich betone, nur einen Teil der Methoden. Über den gesamten Umfang und das Ausmaß habe ich erst in der Gefangenschaft hier Kenntnis erhalten.

OBERST AMEN: Wußten Sie, daß Geistliche in Konzentrationslagern gequält und getötet wurden und verhungern mußten, während Sie mit Ribbentrop zusammenarbeiteten?

VON STEENGRACHT: Nein! Über die einzelnen Sachen, die dort passierten, habe ich nichts Genaues gehört und, wenn es bei Priestern geschehen wäre oder geschehen ist, so wäre für mich nur das authentisch gewesen, was der Nuntius oder der Vatikan an mich herangebracht hat, das ist aber nicht geschehen. Ich habe aber, trotzdem der Vatikan, wie ich gestern bemerkte, nicht zuständig war, in den meisten Fällen, mich aller Fälle angenommen, die auf humanitärer Sache beruhten, also alle humanitären Fälle habe ich behandelt und mich immer bemüht, sie erfolgreich zu behandeln. Ich bin in siebenundachtzig Fällen, in denen mein Tätigwerden mit dem Tode bedroht war, tätig geworden. Ich habe in Hunderten von Fällen eingegriffen und habe dadurch das Leben von Tausenden und Abertausenden gerettet oder doch verbessert.

OBERST AMEN: Wenn Sie sich in Ihren Antworten nicht unmittelbar auf meine Fragen beschränken, dann ist es sehr schwer, durchzukommen und Zeit zu sparen. Also wollen Sie sich bitte bemühen, meine Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten, und Erklärungen so kurz wie möglich zu halten. Verstehen Sie?

VON STEENGRACHT: Ich verstehe vollkommen. Soweit ich das kann, werde ich das selbstverständlich tun.

OBERST AMEN: Wußten Sie, daß Nonnen in den Konzentrationslagern gequält, dem Hungertod ausgesetzt und getötet wurden, während Sie mit Ribbentrop zusammenarbeiteten?

VON STEENGRACHT: Nein!

OBERST AMEN: Sie wußten weder was mit den Geistlichen noch mit den Nonnen oder anderen Insassen der Konzentrationslager geschah, stimmt das?

VON STEENGRACHT: Ich habe ja gesagt, daß ich in Hunderten von Fällen, in denen der Nuntius zu mir kam, auch wenn es sich um Juden handelte, für die der Nuntius nicht zuständig war, und in Fällen, in denen der Nuntius tätig wurde für die polnischen Geistlichen, also auch ein Gebiet, für das er nicht zuständig war, trotzdem ich die strengste Weisung hatte, solche Fälle nicht entgegenzunehmen, die Fälle entgegengenommen habe, trotzdem der »Nacht- und Nebel- Erlaß« bestand, immer Auskunft gegeben habe, wenn ich irgendwelche Auskunft erhalten konnte. Andere Einzelheiten außer denen, die ich amtlich bekommen hatte, hatte ich nicht gehabt.

OBERST AMEN: Und wer hat Ihnen die Weisung gegeben, gegen diese Beschwerden nichts zu unternehmen?

VON STEENGRACHT: Diese Befehle gingen unmittelbar von Hitler aus und waren mir über Ribbentrop zugegangen.

OBERST AMEN: Woher wissen Sie das?

VON STEENGRACHT: Ich habe gestern bereits gesagt, daß die zwei Noten, die vor meiner Zeit durch den Staatssekretär von Weizsäcker über Ribbentrop an Hitler gingen, von denen zurückgewiesen wurden mit dem Bemerken, es handle sich um plumpe Lügen, und im übrigen sei der Nuntius nicht zuständig; diese Noten sollten zurückgegeben werden, und in künftigen Fällen dürften derartige Dokumente nicht entgegengenommen werden. Außerdem durfte ein Gespräch nicht erörtert werden, und das galt nicht nur für den Nuntius, das galt überhaupt für alle Unzuständigkeiten, insbesondere auch, wenn ausländische Diplomaten intervenierten in Angelegenheiten, wo sie nicht zuständig waren.

OBERST AMEN: Sie wollen also dem Gerichtshof zu verstehen geben, daß Sie versuchten, Abhilfe gegen diese Beschwerden zu schaffen, während Ribbentrop nichts unternahm; stimmt das?

VON STEENGRACHT: Ich habe mich bemüht, die Fälle alle in eigener Zuständigkeit zu erledigen, die ich weisungsgemäß überhaupt nicht annehmen durfte. Wenn ein Fall da und dort doch von grundsätzlicher Bedeutung war oder dadurch das Leben von mehreren Menschen hätte gerettet werden können, habe ich mich immer an Ribbentrop gewandt. Ribbentrop hat in den meisten Fällen diese Sachen dann Hitler gegeben, nachdem wir eine neue Zuständigkeit konstruiert hatten, damit er nicht mit dem Einwand kommen konnte, daß der Nuntius nicht zuständig sei; und, nachdem das geschehen war, hat Hitler die Sachen entweder alle radikal abgelehnt oder er hat doch gesagt, die Sache müsse erst von der Polizei überprüft werden. Es entstand dann das groteske Bild, daß über eine humanitäre Angelegenheit oder eine Angelegenheit, die außenpolitisch unter allen Umständen gemacht werden mußte, nicht mehr der Außenminister entschied, sondern schließlich der Kriminalinspektor Meier oder Schulze, der lediglich zu erklären brauchte: »Im Interesse der Staatssicherheit unerwünscht«.

OBERST AMEN: Hat Ribbentrop die Befehle auf diese Beschwerden, nichts zu unternehmen, die, wie Sie sagen, vom Führer kamen, befolgt oder hat er sie nicht befolgt. Ja oder nein?

VON STEENGRACHT: Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil ich nicht weiß, wieviel Befehle er von Hitler bekommen hat und ob er in jedem Einzelfall den Befehl befolgt hat.

OBERST AMEN: Sie haben ausgesagt, daß Sie Befehle bekamen, nichts über diese Beschwerden des Vatikans zu unternehmen; stimmt das?

VON STEENGRACHT: Jawohl, und die habe ich nicht befolgt.

OBERST AMEN: Nun, ich frage Sie jetzt, ob Ribbentrop diese Befehle befolgte oder nicht?

VON STEENGRACHT: Das war ja die höhere Instanz. Also, welche Befehle Hitler privat Ribbentrop gab, kann ich ja nicht mehr entscheiden, weil ich das nicht weiß.

OBERST AMEN: Von wem haben Sie Ihre Befehle bekommen?

VON STEENGRACHT: Von Ribbentrop.

OBERST AMEN: Ribbentrop hat während der Vernehmung ausgesagt, daß er nicht wußte, was in diesen Konzentrationslagern vor sich ging, bis der Führer wünschte, daß Luther ins Konzentrationslager gesteckt werde. Wissen Sie, wer Luther war?

VON STEENGRACHT: Jawohl.

OBERST AMEN: Wer war er, bitte?

VON STEENGRACHT: Luther war ein Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes, dem die Abteilung »Deutschland« unterstand.

OBERST AMEN: Und wann wurde er in ein Konzentrationslager gebracht?

VON STEENGRACHT: Das muß etwa im Februar 1943 gewesen sein.

OBERST AMEN: War es nicht tatsächlich so, daß Ribbentrop einen ganzen Schreibtisch voller Beschwerden vom Vatikan über die Morde und Greueltaten und das Verhungernlassen von Priestern und Nonnen hatte, die er niemals beantwortete, deren Empfang er nicht einmal bestätigte?

VON STEENGRACHT: Herr Anklagevertreter! Was vor dem Mai 1943 war, weiß ich nicht. Ich habe, solange ich Staatssekretär war, niemals eine Note nicht angenommen oder nicht beantwortet, ich habe vielmehr alle Noten angenommen und mich bemüht, wie ich vorhin gesagt habe, den Leuten zu helfen. Über die Verhältnisse vor meiner Dienstzeit kann ich keine Auskunft geben, weil ich es nicht weiß.

OBERST AMEN: Ich spreche nicht über diese Zeit, ich rede über die Zeitspanne unmittelbar vor und nach Ihrer Ernennung im Jahre 1943. Ich möchte Ihnen nunmehr aus einem...

VON STEENGRACHT: Es tut mir leid; ich würde Ihre Frage gerne beantworten, wenn ich darüber etwas wüßte. Zu meiner Zeit... Ich kann darüber nichts sagen, weil ich es nicht weiß.

OBERST AMEN: Gut, ich werde Ihnen aus Ribbentrops Verhör vorlesen und Sie fragen, ob das, was er sagt, Ihrer Erinnerung nach den Tatsachen entspricht.

VON STEENGRACHT: Ich möchte nur bemerken, bis Mai 1943 war ich politisch nicht tätig, so daß ich aus eigener Kenntnis dazu nichts sagen kann.

OBERST AMEN: Gut, während ich Ihnen die Aussagen vorlese, werden Sie finden, daß sich das Verhör auf Mitteilungen bezieht, die in seinem Schreibtisch unbeantwortet und auf unbegrenzte Zeit liegen blieben. Hatten Sie Zugang zu Ribbentrops Schreibtisch? Wußten Sie, was darin war?

VON STEENGRACHT: Nein!

OBERST AMEN:

»Frage: Haben Sie vom Vatikan eine Mitteilung vom 2. März 1943 erhalten, worin Sie auf eine lange Liste aufmerksam gemacht wurden, auf der Verfolgungen von Bischöfen und Priestern, Verhaftungen, Erschießungen und andere Behinderungen in der Ausübung der Religionsfreiheit aufgezählt waren?

Antwort: Ich kann mich daran nicht erinnern, aber ich weiß, daß wir vom Vatikan Proteste erhielten, das heißt, wir hatten eine ganze Schublade voll von Protesten aus dem Vatikan.«

Stimmt das mit Ihrer Erinnerung überein?

VON STEENGRACHT: Ja, das war, ich muß leider wieder sagen, vor meiner Zeit, also ich kann das nicht wissen, ob Ribbentrop eine ganze Schublade voll von Sachen hatte.

OBERST AMEN: Wenn sie in seiner Schublade vom März bis zum Mai liegen blieben, dann würden Sie davon gewußt haben? Stimmt das nicht?

VON STEENGRACHT: Ich? Nein, ich bin nicht der Diener des Herrn von Ribbentrop gewesen, der seine Sessel oder seine Schubladen kontrolliert hat.

OBERST AMEN: Dann geht Ihre Aussage also dahin, daß Sie nichts über die Proteste vom Vatikan wußten, außer denen, die Sie schon erwähnt haben?

VON STEENGRACHT: Ich weiß über Proteste außer denen, die ich erwähnt habe, nichts. Ich betone nochmals, zu meiner Zeit habe ich alle angenommen und alle beantwortet.

OBERST AMEN: Ich will Ihnen weiter aus diesem Verhör vorlesen:

»Frage: Halben Sie diese Proteste des Papstes beantwortet?

Antwort: Ich glaube, es waren sehr viele, auf die wir nicht geantwortet haben, eine ganze Anzahl.«

Stimmt das mit Ihrer Erinnerung überein?

VON STEENGRACHT: Sicher stimmt das, denn das entsprach ja der Weisung, die ursprünglich gegeben war.

OBERST AMEN: Wessen Weisung?

VON STEENGRACHT: Hitlers Weisung.

OBERST AMEN: Weisung an wen?

VON STEENGRACHT: Sicher an Ribbentrop.

OBERST AMEN: Und das waren die Befehle, die Sie, wie Sie sagen, heimlich verletzten, stimmt das?

VON STEENGRACHT: Die ich nicht befolgt habe, denn sonst hätte ich die Noten des Vatikans in all diesen Fällen, wo es sich nicht um seine Zuständigkeit drehte, selbst nicht annehmen dürfen, ebenso hätte ich nicht annehmen dürfen die Beschwerden des Schwedischen Gesandten über Mißhandlungen in Norwegen zum Beispiel, die ich aber auch angenommen habe.

OBERST AMEN: Ich fahre mit der Verlesung aus dem Verhör fort:

»Frage: Wollen Sie behaupten, daß Sie nicht einen Protest vom Vatikan gelesen haben, der auf Ihren Schreibtisch kam?

Antwort: Das ist wirklich wahr. Es ist so: der Führer nahm gegenüber diesen Vatikan-Angelegenheiten einen derartigen Standpunkt ein, daß von da an die Proteste mir nicht mehr übergeben wurden.«

Stimmt das, soweit Sie sich erinnern?

VON STEENGRACHT: Daß Ribbentrop die Proteste nicht mehr bekam? Ja, das ist richtig, das stimmt ja überein mit dem, was ich sagte, daß ich in allen diesen Fällen, wo wir sie grundsätzlich nicht annehmen konnten, versucht habe, sie in eigener Zuständigkeit zu erledigen, weil das gegen den Befehl war.

OBERST AMEN: Und beim Lesen dieser Beschwerden des Vatikans, die nicht beantwortet wurden, haben sowohl Sie als auch Ribbentrop genau Kenntnis davon erhalten, was in den Konzentrationslagern vor sich ging. Stimmt das?

VON STEENGRACHT: In diesen Noten stand niemals etwas darüber darin – die ich gesehen habe – stand niemals etwas über die Behandlung darin, sondern es handelte sich lediglich darum, daß Beschwerden erhoben wurden, weshalb überhaupt das Todesurteil gefällt worden ist, oder weshalb überhaupt der Geistliche eingesperrt wurde, oder ähnliche Fälle, oder die Schließung von Kirchen und ähnlichen Geschichten.

OBERST AMEN: Ich will die Zeit des Gerichtshofs nicht damit verschwenden, um Ihnen die Dokumente zu verlesen, die schon als Beweismittel vorliegen. Ich verweise auf 3261-PS, 3262-PS, 3264-PS, 3267-PS, 3268-PS, 3269-PS. In diesen Dokumenten – Verzeihung, 3269-PS liegt nicht als Beweismittel vor. Aber in diesen Dokumenten, Herr Zeuge, werden alle Einzelheiten der zahlreichen Einzel- und Kollektivfälle aufgeführt über gerade das, was in den Konzentrationslagern vor sich ging. Sie sagen, Sie waren mit keiner dieser Sachen vertraut?

VON STEENGRACHT: Herr Anklagevertreter! Das habe ich, glaube ich, nicht so ausgedrückt. Ich habe mich dahingehend ausgelassen, daß ich sagte, alles, was mir von den ausländischen Diplomaten mitgeteilt wurde, weiß ich selbstverständlich über die Fälle; also, wenn das zu meiner Zeit gekommen ist mit Einzelangaben, so kenne ich das natürlich auch. Das habe ich nie bestritten.

VORSITZENDER: Was Sie sagten, Herr Zeuge, war – wenigstens so habe ich es niedergeschrieben und verstanden, was Sie sagten – war, daß niemals etwas über die Behandlung in den Konzentrationslagern in den Noten erwähnt wurde.

VON STEENGRACHT: Ich habe bei der Frage vorher aber erwähnt, bei der generellen Frage, ob ich über die Zustände in Konzentrationslagern und die Mißhandlungen orientiert war, gesagt, daß all das, was mir von ausländischen Diplomaten, von Leuten der Opposition mitgeteilt worden ist, und was ich aus den fremden Zeitungen kannte, bekannt war; also, wenn die Dokumente Einzelheiten enthalten zu meiner Zeit, so weiß ich das auch. Aber darf ich fragen, von wann diese Dokumente sind?

OBERST AMEN: Es gibt viele Dokumente mit vielen Daten, die wir hierherbringen könnten. Aber wir wollen die Zeit des Gerichtshofs nicht zu sehr dafür in Anspruch nehmen. Was ich gern wissen möchte, ist, ob Sie und Ribbentrop nicht alles über die Morde, Quälereien, Aushungerungen und Tötungen wußtet die in den Konzentrationslagern verübt wurden, und die Gegenstand ständiger und andauernder Proteste vom Vatikan waren, von denen Ribbentrop ausgesagt hat, daß sie weder gelesen noch bestätigt wurden. Haben Sie das verstanden, Herr Zeuge?

VON STEENGRACHT: Das habe ich verstanden. Ich wußte von den Mißhandlungen in den Konzentrationslagern in dem Umfange und der bestialischen Art, wie ich sie hier gehört habe, bisher Überhaupt nichts. Ich muß mich energisch dagegen verwahren, daß ich damals durch den Vatikan solche Sachen erfahren hätte. Auch bin ich überzeugt, daß Herr von Ribbentrop von den Einzelheiten, die man jetzt hier gehört hat, und wie sie auch im Film vorgeführt worden sind, keine Ahnung hatte.

OBERST AMEN: Ist es nicht Tatsache, Herr Zeuge, daß Sie alles, bis zu den letzten Einzelheiten hätten wissen können, was in den Konzentrationslagern vorging, wenn Sie irgendeinen dieser Proteste des Vatikans verfolgt hätten, von denen Ribbentrop aussagte, daß sie ignoriert wurden? Ja oder nein?

VON STEENGRACHT: Nein, das stimmt nicht. Ich habe gestern bereits gesagt, daß sich ein Schlüssel dafür vielleicht findet in der Rede, die Himmler gehalten hat am 3. Oktober 1943, indem er gesagt hat, daß die Judenaktionen und KZ-Angelegenheiten genau so geheimzuhalten seien, wie die Aktion des 30. Juni 1934. Und da wird Ihnen die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes bestätigen, daß sie bis vor ganz kurzem überhaupt nichts von den Ereignissen erfahren konnte. Und, wenn ich mich an den Gruppenführer Müller oder andere Personen wandte, da habe ich immer die Auskunft bekommen, daß in den Konzentrationslagern alles in hervorragender Weise funktionierte und von Mißhandlungen nicht die Rede sein könne. Ich habe dann darauf bestanden, daß die Ausländer, insbesondere das Rote Kreuz, ein Konzentrationslager besichtigen, und zwar wurde das Dänische Rote Kreuz in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Nachdem diese Besichtigung stattgefunden hatte, das war ein Judenlager, ist der Dänische Gesandte zu mir gekommen und hat mir erklärt, daß wider Erwarten dort alles günstig sei. Ich habe ihm mein Erstaunen darüber ausgedrückt, und er hat mir gesagt: »Jawohl, unsere Leute sind dagewesen, dort ist ein Theater gewesen, eigene Polizei, eigene Sanitätshäuser, eigenes Geld, die Sache ist gut.« Ich hatte also wohl keinen Grund, daran zu zweifeln, daß es so ist. Ich selbst konnte aber von irgendeiner deutschen Stelle kein Bild darüber bekommen, denn sie hätten sich sicherlich gefürchtet, einem Manne des Auswärtigen Amtes etwas darüber mitzuteilen. Ich möchte aber nochmals betonen, daß wir von den Grausamkeiten und den Sachen wirklich keine Ahnung hatten.

OBERST AMEN: Warum in aller Welt sollten sie Angst haben, das Auswärtige Amt über diese Greueltaten zu unterrichten? Hat das Auswärtige Amt jemals etwas getan, sie abzuschrecken?

VON STEENGRACHT: Wir haben in allen Angelegenheiten, die gegen das Völkerrecht verstießen, uns bemüht, die Sache auf dem einen oder anderen Wege dem Roten Kreuz zur Kenntnis zu bringen. Wir haben dieses insbesondere in allen Kriegsgefangenenfällen getan, und wenn irgend etwas uns nicht in Ordnung schien, haben wir von uns aus den Schweizer Delegierten aufmerksam gemacht, »wende Dich einmal an die Stelle und sieh zu, was los ist«, und auch in diesem Falle, wenn ich mich an den Schweizer gewandt hätte und ihm unter der Hand gesagt hätte, der und der Fall ist in dem KZ vorgekommen, dann hätte die Schweiz und das Rote Kreuz sich wahrscheinlich eingemischt, und dann hätte es doch immerhin unangenehme Maßnahmen geben können.

VORSITZENDER: Oberst Amen! Ich glaube, wir sollten zehn Minuten Pause eintreten lassen.

OBERST AMEN: Ich habe nur noch ein paar Fragen.