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[Zum Zeugen gewandt:]

Wie Sie sehen, handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen Himmler und Ribbentrop, die Organisation des Nachrichtendienstes. Sind Sie mit dieser Vereinbarung vertraut?

VON STEENGRACHT: Jawohl!

GENERALMAJOR ZORYA: Scheinbar war der Kontakt zwischen Himmler und Ribbentrop viel enger, als Sie hier zu beschreiben versuchen?

VON STEENGRACHT: Ich glaube nicht, Herr Vertreter der Anklage, daß ich Ihnen einen anderen Eindruck geben wollte als er tatsächlich bestand. Dies bezieht sich hier auf den Befehl Hitlers vom 12. Februar 1944. Auf Grund dieses Befehls hatte Himmler für sich in Anspruch genommen die gesamte Tätigkeit im Auslande, ohne Beteiligung des Auswärtigen Amtes, und er hat im Ausland, nachdem er der Nachfolger von Canaris geworden war, mit diesem Befehl eine überragende Stellung bekommen. Und, wenn das Auswärtige Amt nicht versucht hätte, in der einen oder anderen Weise in einen Kontakt mit dieser Organisation zu kommen, dann hätte das Auswärtige Amt auch im Ausland überhaupt keinen Einfluß mehr gehabt. Um dieses Dokument haben wir außerordentlich kämpfen müssen, denn auf Grund dieses Dokuments war Himmler erstmalig verpflichtet, die Nachrichten, die er nach Deutschland brachte, auch uns zugänglich zu machen, sonst brachte er die Meldungen herein, ohne uns zu verständigen. Das war der Grund, weshalb wir dieses Arbeitsübereinkommen schlossen. Es ist aber, soviel ich mich erinnere, praktisch gar nicht mehr in Kraft getreten, weil der Befehl von Hitler am 12. Februar 1944 erging und wir uns bis Februar 1945 noch nicht geeinigt hatten. Dann ist es allmählich zustandegekommen. So ungefähr muß das Datum liegen. Also, es hat immerhin eine recht lange Zeit gedauert.

GENERALMAJOR ZORYA: Sie sagen, daß dieses Übereinkommen überhaupt nicht in Kraft getreten ist?

VON STEENGRACHT: Das sage ich nicht. Ein Übereinkommen tritt dann in Kraft, in dem Augenblick, wo es unterzeichnet wird. Aber es ist nicht mehr praktisch geworden oder kaum mehr praktisch geworden.

GENERALMAJOR ZORYA: Ich glaube, wir werden uns mit Ihrer Antwort zufriedengeben müssen und können nunmehr auf andere Fragen übergehen: Kamen Sie jemals mit Kaltenbrunner in Berührung?

VON STEENGRACHT: Ob ich mit Kaltenbrunner in Berührung gekommen bin. Ja!

GENERALMAJOR ZORYA: In welchen Fragen?

VON STEENGRACHT: Ich habe mich gerade bei den Fragen, die der Nuntius zum Beispiel an mich gerichtet hat, von Leuten auch, die auf Grund des »Nacht- und-Nebel-Erlasses« aus dem Auslande deportiert waren, und in denen wir keine Auskunft geben durften, häufig privat an Kaltenbrunner gewandt und habe Kaltenbrunner darauf hingewiesen, daß dieser Erlaß unmenschlich sei. Kaltenbrunner hat mir dann häufig aus Gefälligkeit Auskunft gegeben, und ich habe, entgegen den bestehenden Befehlen, diese Auskunft dem Auslande weitergegeben, weil ich das humanitär für richtig hielt. Das waren die Hauptberührungspunkte, die ich mit Kaltenbrunner hatte.

GENERALMAJOR ZORYA: Hatten Sie insbesondere ein Gespräch mit ihm über dänische Polizisten, die von der Gestapo ohne jede Anschuldigung in Konzentrationslager eingesperrt wurden? Ich bitte Sie, mir mit Ja oder Nein zu antworten.

VON STEENGRACHT: Ja!

GENERALMAJOR ZORYA: In einem Verhör sagten Sie aus, es war in einem Verhör von seiten der Amerikanischen Anklagevertretung, daß, obwohl diese dänischen Polizisten schließlich nach Dänemark zurückgebracht wurden, sie sehr schlecht behandelt worden sind.

VON STEENGRACHT: Ja!

GENERALMAJOR ZORYA: Worin bestand diese schlechte Behandlung?

VON STEENGRACHT: Ich erfuhr damals, ich glaube, durch den Dänischen Gesandten, daß 1600 dänische Polizisten...

GENERALMAJOR ZORYA: Ich bitte Sie, sich kurz zu fassen. Worin bestand die schlechte Behandlung, der die dänischen Polizisten in einem Konzentrationslager ausgesetzt waren, in das sie ohne konkrete Beschuldigung eingesperrt wurden?

VON STEENGRACHT: Ja, man hatte diese Polizisten aus Dänemark abtransportiert. Wie ich davon erfuhr, bin ich am selben Tage zu Kaltenbrunner hingegangen und habe ihn gebeten, diese Leute unter allen Umständen als Zivilinternierte oder als Kriegsgefangene zu behandeln.

GENERALMAJOR ZORYA: Ich bitte um Entschuldigung, aber meine Frage haben Sie noch nicht beantwortet. Worin bestand die schlechte Behandlung dieser dänischen Polizisten?

VON STEENGRACHT: Ich nehme aber an, daß Sie wissen wollen, ob Kaltenbrunner persönlich nicht dafür verantwortlich ist, und dazu mußte ich Ihnen das andere sagen. Ich bin...

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte die Frage beantworten? Sie wurde wiederholt. Die Frage lautet: Worin bestand die schlechte Behandlung? Entweder Sie wissen es oder nicht. Wenn Sie es wissen, dann können Sie es sagen.

VON STEENGRACHT: Es sind von den Häftlingen, soviel ich mich erinnere, ungefähr zehn Prozent gestorben.

GENERALMAJOR ZORYA: Das ist alles, was Sie über diese Frage berichten können?

VON STEENGRACHT: Über Einzelheiten der schlechten Behandlung ist mir dänischerseits mitgeteilt worden, daß die Leute ihre Uniform nicht behalten durften und KZ-Kleidung bekamen, daß diese KZ-Kleidung zu dünn war und die Leute häufig an Lungenentzündung umkamen, auch daß die Ernährung nicht hinreichend war. Mehr habe ich damals nicht erfahren. Auch hätten sie wohl Schläge bekommen.

GENERALMAJOR ZORYA: Sagen Sie bitte, kamen Sie irgendwann mit der Tätigkeit Sauckels in Berührung?

VON STEENGRACHT: Mit der Tätigkeit Sauckels nur insofern, als wir uns dagegen wandten, daß aus dem Auslande soviele Leute zwangsweise nach Deutschland gebracht wurden.

GENERALMAJOR ZORYA: Erinnern Sie sich nicht an eine Besprechung, an der Sauckel teilnahm, und bei welcher auch Sie anwesend waren? Sie haben über diese Konferenz im Laufe eines Verhörs, das vor diesem Prozeß stattfand, ausgesagt.

VON STEENGRACHT: Ja!

GENERALMAJOR ZORYA: Erinnern Sie sich, daß Sie bei diesem Verhör folgendes ausgesagt haben: »Die Maßnahmen jedoch, die man in Rußland und in anderen Ländern bei der Aushebung der Menschen anwandte, spotten jeder Beschreibung.«

VON STEENGRACHT: Ich habe das in der Sitzung... Ich habe die Frage nicht verstanden.

GENERALMAJOR ZORYA: Sie haben beim Verhör am 28. September 1945 ausgesagt; ich zitiere wörtlich: »Die Maßnahmen jedoch, die sie bei der Aushebung der Menschen in Rußland und ähnlichen Ländern angewandt haben, spotten jeder Beschreibung.«

VON STEENGRACHT: Ich stehe zu dieser Aussage.

GENERALMAJOR ZORYA: Sie bestätigen dies also. Wollen Sie bitte kurz angeben, was das für Maßnahmen waren, die vom Angeklagten Sauckel in Rußland und anderen Ländern angewandt wurden und die jeder Beschreibung spotteten?

VON STEENGRACHT: Ich kenne nur einen Fall, der mir damals berichtet wurde. Es handelte sich darum, daß in einem gewissen Gebiet die Leute zu einer Theatervorstellung eingeladen waren, und das Theater umschlossen wurde und die Leute, die da drin waren, zu Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert wurden. Um diese Maßnahmen handelte es sich, die ich gehört habe.

GENERALMAJOR ZORYA: Ich habe keine weitere Frage mehr.

OBERST POKROWSKY: Hoher Gerichtshof, ich bitte um Erlaubnis, noch eine Frage stellen zu dürfen, oder besser gesagt, eine Frage noch näher beleuchten zu dürfen.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof hat bereits angegeben, daß das Kreuzverhör so kurz wie möglich gehalten werden soll. Er kann nicht zulassen, daß mehr als ein Anklagevertreter für jedes der vier Länder hier spricht. Ich bedauere, daß wir kein weiteres Kreuzverhör durch Sie annehmen können.

OBERST POKROWSKY: Aber es handelt sich um keine neue Frage. Der Zeuge hat eine Frage, die ihm viermal gestellt wurde, nicht beantwortet.

VORSITZENDER: Es handelt sich jedoch um einen neuen Anklagevertreter.

OBERST POKROWSKY: Nein! Der russische Anklagevertreter hat dem Zeugen die Frage vorgelegt, wer von den Angeklagten die Außenpolitik Deutschlands beeinflußte. Der Zeuge antwortete, die Wehrmacht. Ich möchte...

VORSITZENDER: Ich bedauere, Oberst Pokrowsky, aber ich habe Ihnen die Entscheidung des Gerichtshofs bekanntgegeben. Wir können nicht mehr als einen Anklagevertreter hören. Ich hoffe, daß, wie ich bereits gesagt habe, die Anklagevertreter ihr Verhör so kurz wie möglich halten.

M. EDGAR FAURE, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Der Zeuge ist bereits ziemlich lange ins Kreuzverhör genommen worden. Ich will ihm daher nur eine kurze Frage vorlegen.

Herr Zeuge! Ich möchte, daß Sie mir genau angeben, ob Ihre Erklärungen dahingehend zu verstehen sind, daß die Deutsche Botschaft in Paris unter der Befehlsgewalt des Angeklagten Ribbentrop stand und nur von ihm abhängig war. Ist das richtig?

VON STEENGRACHT: Ich habe die Frage auf deutsch nicht verstanden.

M. FAURE: Geht aus Ihrer Erklärung hervor, daß die Deutsche Botschaft in Paris der Befehlsgewalt Ribbentrops unterstand und nur von ihm abhängig war?

VON STEENGRACHT: Ja!

M. FAURE: Daraus geht also hervor, daß jede wichtige Maßnahme, die von dem Botschafter ausgeführt wurde, dem Angeklagten Ribbentrop bekannt sein mußte?

VON STEENGRACHT: Ja!

M. FAURE: Ich wollte nur diesen Punkt im Hinblick auf das Verhör des Zeugen klarstellen. Ich habe keine weitere Frage zu stellen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich nun bis auf 14.00 Uhr vertagen.