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[Das Gericht vertagt sich bis

28. März 1946, 10.00 Uhr.]

Dreiundneunzigster Tag.

Donnerstag, 28. März 1946.

Vormittagssitzung.

DR. HORN: Der Bitte des Gerichtshofs entsprechend lege ich nunmehr die noch nicht genannten Urkunden gruppenweise wie folgt vor:

Erstens die Gruppe über die Polenfrage. In meinem Urkundenbuch – Ribbentrop-Beweisstück Nr. 200 –, das ich dem Gerichtshof zur amtlichen Kenntnis unterbreite, nimmt Ministerpräsident Chamberlain in einem Briefe an Hitler vom 22. August 1939 Stellung au dem zwischen Deutschland und Polen befindlichen Konfliktstoff. In diesem Zusammenhang betont er als eine der Hauptkonfliktquellen die Minderheitenfrage. Zum Beweis dafür, daß diese Minderheitenfrage schon bei Entstehen des Polnischen Staates eine entsprechende Rolle spielte, verweise ich auf das von mir vorgelegte Dokument, Ribbentrop-Beweisstück Nr. 72, das ich dem Gerichtshof zur amtlichen Kenntnis vorlege. Es handelt sich dabei um Bemerkungen der Deutschen Friedensdelegation zu den Friedensbedingungen.

In einem weiteren Dokument, es handelt sich um Ribbentrop-Beweisstück 74, das ich dem Gerichtshof zur amtlichen Kenntnis unterbreite, unterstreicht der Vorsitzende des Obersten Rates der Alliierten und Assoziierten Hauptmächte, Clémenceau, noch einmal diesen Gesichtspunkt gegenüber dem polnischen Ministerpräsidenten Paderewski. Ich darf zum Beweis dieser Tatsachen...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich möchte die Haltung der Anklagevertretung erklären.

Wir haben diese Dokumente noch nicht erhalten und können daher nur eine versuchsweise Auswahl derjenigen Dokumente treffen, gegen die wir Einspruch erheben. Soweit wir wissen, wurde gegen dieses ganze Dokumentenbuch Einspruch erhoben. Ich möchte nur klarstellen, daß wir auf der Grundlage, die Euer Lordschaft gestern bekanntgab, das Verfahren Dr. Horns ohne Protest zulassen, nämlich daß er sie en bloc vorlegt unter Vorbehalt unseres Rechtes auf formellen Einspruch, sobald wir die Dokumente haben.

Es ist daher nur richtig, daß wir uns unsere Stellungnahme vorbehalten, denn ich habe veranlaßt, und alle meine Kollegen stimmen mit mir darin überein, daß bereits auf Grund unserer gegenwärtigen Kenntnis gegen eine Anzahl dieser Dokumente Einspruch erhoben werden muß.

DR. HORN: Darf ich Euer Lordschaft einen Augenblick um Gehör bitten?

VORSITZENDER: Wünschen Sie etwas zu sagen? Wollen Sie etwas hinzufügen zu dem, was Sir David sagte?

DR. HORN: Ich bitte, in Anbetracht der eben vorgebrachten Einwände der Staatsanwaltschaft, nunmehr eine grundsätzliche Entscheidung darüber zu fällen, inwieweit die Verteidigung die Nachteile, die aus technischen Unzulänglichkeiten entstanden sind, und die nicht zu Lasten der Verteidigung fallen, nun endlich einmal dahingehend entschieden werden, daß bei dem beschränkten Beweisvortrag, der uns gestattet ist, nicht auch dieser Beweisvortrag noch herabgesetzt und praktisch unmöglich gemacht wird dadurch, daß man sich noch nicht einmal grundsätzlich über diese Urkunden mit der Staatsanwaltschaft und dann auch mit dem Gericht auseinandersetzen kann.

Ich bitte daher diesen Vortrag der Urkunden in der gekürzten Form, wie gestern vom Gericht gewünscht wurde, dann so weit und so lange zu verschieben, bis die Dokumentenhefte zur Stelle sind.

VORSITZENDER: Die Schwierigkeit scheint sich nur aus der Tatsache zu ergeben, daß Ihre Dokumentenbücher noch nicht fertig sind; das hat diese Schwierigkeit verursacht. Wären die Dokumentenbücher bereitgewesen und der Anklagevertretung überreicht worden, so wäre die Anklagevertretung in der Lage, ihre Einwendungen vorzubringen. Das ist der Grund, warum Sir David in dieser vorläufigen Form Einspruch erhebt. Aber, wenn Sie Zeugen aufrufen wollen, warum rufen Sie sie nicht auf während Ihre Bücher fertiggestellt werden? Das erscheint dem Gerichtshof das vernünftigste Vorgehen.

Rufen Sie Ihre Zeugen auf, und dann können die Dokumente später vorgelegt werden, wenn wir sie einsehen können. Das ist das einzig vernünftige Verfahren, und ich verstehe nicht, warum Sie es nicht anwenden.

DR. HORN: Mir wurde neulich von einem Offizier der Übersetzungsabteilung mitgeteilt, daß er nicht in der Lage ist, mit seinen Kräften in seinen Übersetzungen nachzukommen. Daraus sind die Schwierigkeiten entstanden, und diese liegen außerhalb meiner Möglichkeiten, denn ich habe die Dokumente rechtzeitig zur Übersetzung eingereicht.

VORSITZENDER: Das war gar nicht die Frage, von der ich gesprochen habe. – Vielleicht ist die Übersetzung nicht genau durchgekommen.

Ich sagte, wenn Sie Zeugen haben, die Sie aufrufen wollen, warum rufen Sie sie nicht jetzt auf?

DR. HORN: Ich wollte die Zeugen im Laufe der Urkundenvorlage, und zwar entsprechend den Komplexen, über welche der Zeuge Aussagen machen könnte, aufrufen.

VORSITZENDER: Zweifellos, aber da Ihre Dokumente nicht hier sind, um dem Gericht vorgelegt zu werden, müssen Sie doch fortfahren, und der einzige Weg mit Ihrem Vortrag vorwärts zu kommen, ist, Ihre Zeugen aufzurufen.

DR. HORN: Dann bitte ich, mir fünf Minuten Gelegenheit zu geben zu einer kurzen Rücksprache mit einer Zeugin, und dann werde ich diese Zeugin rufen.

VORSITZENDER: Gewiß. Warten Sie einen Augenblick.

Bitte, Mr. Dodd?

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich möchte keinem Verteidiger fünf Minuten mißgönnen, aber diese Zeugin ist schon lange Zeit hier. Sie stand gestern den ganzen Tag draußen. Ich denke, Dr. Horn sprach schon vorher mit ihr. Er hat genügend Gelegenheit gehabt, sich mit ihr zu besprechen. Er wußte, daß er sie aufrufen würde, er hat den Gerichtshof um Erlaubnis ersucht, sie aufzurufen. Ich glaube, wir haben es hier fast mit einem »Ein-Mann-Flibustier« zu tun.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof beschließt, daß die Zeugin sofort aufgerufen werden muß.

DR. HORN: Dann bitte ich, Fräulein Blank als Zeugin zu rufen.