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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte die Verteidigung darauf aufmerksam machen, daß keine Erwähnung dieses angeblichen Abkommens in dem Antrag für die Aussage der Zeugin, die sich jetzt hier im Zeugenstand befindet, enthalten war. Da die Sache aber zur Sprache gekommen ist, entscheidet der Gerichtshof, daß die Zeugin über diese Angelegenheit befragt werden darf.

DR. HORN: Sie sprachen jetzt von diesem geheimen Abkommen. Wie haben Sie vom Abschluß dieses Vertrags Kenntnis?

VORSITZENDER: Mir wird mitgeteilt, daß das, was ich sagte, in die russische Sprache nicht richtig übersetzt worden ist. Jedenfalls weiß ich nicht, ob es richtig in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Was ich sagte, war jedenfalls, daß die Zeugin darüber befragt werden kann, nicht, daß die Zeugin nicht befragt werden kann. Ist Ihnen das klar?

DR. HORN: Ich danke Euer Lordschaft, ich habe die Frage auch so durchbekommen.

[Zur Zeugin gewandt:]

Ich darf Sie im Anschluß an Ihre Aussage über dieses Geheimabkommen fragen, wie Sie vom Abschluß dieses Vertrags Kenntnis bekommen haben?

BLANK: Infolge von Krankheit konnte ich von Ribbentrop auf seinen beiden Rußlandreisen nicht begleiten. Ich war auch bei den Vorarbeiten für die Verträge abwesend. Von der Existenz dieses geheimen Abkommens habe ich Kenntnis erhalten durch einen besonderen extra versiegelten Umschlag, der weisungsgemäß besonders sekretiert aufbewahrt wurde und die Überschrift etwa trug:

Deutsch-russisches Geheim- oder zusätzliches Abkommen.

DR. HORN: Sie waren für die Sekretierung dieser Geheimsachen mitverantwortlich. Ist das richtig?

BLANK: Jawohl.

DR. HORN: Ich will nun zu einem anderen Gebiet übergehen und Sie fragen: War von Ribbentrop bestrebt, das Bündnis mit Rußland unter allen Umständen zu halten?

BLANK: Als Unterzeichner der deutsch-russischen Verträge war Ribbentrop selbstverständlich an der Aufrechterhaltung der Verträge interessiert. Darüber hinaus war er von der großen Gefahr erfüllt, die ein deutsch-russischer Krieg für Deutschland bedeuten würde. In diesem Sinne unterrichtete und warnte er den Führer. Soweit ich mich erinnern kann, ließ er eigens zu diesem Zweck Botschaftsrat Hilger aus Moskau und Gesandten Schnurre zur Berichterstattung nach Berchtesgaden kommen. Zum gleichen Zweck wurde im Frühjahr 1941 der Botschafter Graf von der Schulenburg noch einmal zur Berichterstattung befohlen, um die Warnungen des Herrn von Ribbentrop an den Führer zu untermauern und zu erhärten.

DR. HORN: Ist Ihnen bekannt, ob von Ribbentrop von Hitlers Absichten eines Anschlusses Österreichs an das Reich vorher unterrichtet worden ist?

BLANK: Zur Zeit des deutschen Einmarsches in Österreich war der im Februar zum Außenminister ernannte Botschafter von Ribbentrop zu seinem Abschiedsbesuch in London. Dort hörte er überraschend vom Anschluß Österreichs. Ihm selber hatte eine andere Lösung der österreichischen Frage vorgeschwebt, und zwar auf Grund einer Wirtschaftsunion.

DR. HORN: Ist Ihnen darüber etwas bekanntgeworden, ob sich von Ribbentrop wiederholt bemüht hat, den Krieg auf diplomatischem Wege zu beenden?

BLANK: Ja, einer dieser Schritte war die Entsendung des Gesandten Professor Berber in die Schweiz im Winter 1943/44. Später wurden diese Schritte intensiviert, und zwar durch die Entsendung des Herrn von Schmieden nach Bern und Dr. Hesse nach Stockholm. Da keine offizielle Autorisierung des Führers zur Einleitung von Verhandlungen vorlag, konnte es sich lediglich darum handeln, hier die Bedingungen festzustellen, unter denen Deutschland eventuell mit den Alliierten in ein Gespräch kommen könnte. Ähnliche Aufträge erhielten der deutsche Geschäftsträger in Madrid, Gesandter von Bibra, Generalkonsul Möllhausen in Lissabon und der Botschafter beim Vatikan, von Weizsäcker. Ein früheres Mitglied der Dienststelle Ribbentrop, das in Madrid lebte, bekam den Auftrag, einen ähnlichen Versuch bei der Englischen Regierung zu machen.

Am 20. April diktierte nur von Ribbentrop noch einmal eine ausführliche Führernotiz, in der er nunmehr um die offizielle Genehmigung zur Einleitung von Verhandlungen bat. Die Entscheidung dieser Bitte habe ich infolge Verlassens von Berlin nicht mehr miterlebt.

DR. HORN: Ist Ihnen dienstlich bekanntgeworden, wie Hitlers grundsätzliche Auffassung zu dieser Frage war?

BLANK: Ich weiß aus Erzählungen von Männern aus seiner Umgebung, daß der Führer sich davon nichts versprach, beziehungsweise daß er für die Einleitung von Verhandlungen erst in dem Augenblick gewesen wäre, wenn wieder militärische Erfolge vorgelegen hätten. Wenn aber militärische Erfolge vorlagen, war er auch gegen die diplomatische Initiative. In Bezug auf die Mission von Dr. Hesse soll er sich nach dem Scheitern gemäß einer Indiskretion geäußert haben, daß er sich davon sowieso nichts versprochen hätte.

DR. HORN: Noch eine Frage: Ist es richtig, daß von Ribbentrop erst ganz kurze Zeit vor dem Einmarsch in Norwegen und Dänemark über diese bevorstehende Handlung Kenntnis erhalten hat?

BLANK: Ja, es waren ganz wenige Tage.

DR. HORN: Ist Ihnen darüber etwas bekanntgeworden, daß von Ribbentrop den Standpunkt vertreten hat, daß England für Polen marschieren würde?

BLANK: Ja. Entsprechend seiner Auffassung, daß England an der alten Gleichgewichtspolitik festhalten würde, war er auch der Ansicht, daß England an der Garantie für Polen festhalten würde.

DR. HORN: Ich habe keine weiteren Fragen an die Zeugin mehr.

VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Verteidiger einige Fragen an die Zeugin zu stellen? Oder die Anklagevertretung?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Anklagevertretung hat diese Angelegenheit sorgfältig geprüft und hofft, daß der Gerichtshof es nicht zu ihren Ungunsten auslegen wird, wenn sie alles hinnimmt, was diese Zeugin gesagt hat. Sie hält es jedoch für besser, den Angeklagten selbst über all diese Dinge zu befragen und wird daher die Zeugin nicht ins Kreuzverhör nehmen.

VORSITZENDER: Die Zeugin kann sich zurückziehen.