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[Zum Zeugen gewandt:]

Ist es richtig, Herr Zeuge, daß am 28. August 1939 Herr von Ribbentrop bei einer erneuten Aussprache mit Sir Nevile Henderson noch einmal einwarf, daß eine Einigung zwischen Deutschland und England unter Regelung der polnischen Frage doch Chamberlains heißester Wunsch gewesen sei, wie sich der englische Premierminister gegenüber Ribbentrop ausgedrückt hatte und daß von Ribbentrop dies dann nochmals gegenüber Henderson zum Ausdruck gebracht hat. Ist das richtig?

DR. SCHMIDT: Ja, das trifft zu.

DR. HORN: Ich darf dem Gericht die entsprechende Note als Beweisdokument überreichen?

VORSITZENDER: Sie reichen eine Kopie als Beweismittel ein, nicht wahr?

DR. HORN: Ich bitte das Gericht, die Urkunde zur amtlichen Kenntnis zu nehmen.

VORSITZENDER: Welche Nummer?

DR. HORN: Die eine Nummer ist bereits von der Staatsanwaltschaft überreicht worden. Es trägt die Nummer TC-72 und noch eine andere Nummer, und die zweite Nummer ist auch schon überreicht worden von der Staatsanwaltschaft. Ich habe sie nochmals dem Gericht vorgelegt, weil ich mich jetzt darauf bezogen habe. (Dokument TC-72 (75).

[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge, noch eine letzte Frage. Sie haben in Ihrer reichen Dolmetschertätigkeit ausführlich Gelegenheit gehabt, Hitler im Verkehr mit Ausländern zu beobachten. Welchen Eindruck übte Hitler nach Ihren Beobachtungen auf ausländische Staatsmänner aus?

DR. SCHMIDT: Es ist natürlich nicht ganz leicht, auf diese Frage zu antworten, da man ja nicht den Menschen in die Herzen oder in die Gehirne sehen kann, aber man kann als Beobachter natürlich gewisse Rückschlüsse ziehen aus der Haltung...

VORSITZENDER: Herr Dr. Horn! Der Gerichtshof glaubt kaum, daß dieser Punkt erheblich ist – der Eindruck, den Hitlers Verhalten auf ausländische Staatsmänner machte. Das beeinflußt uns in keiner Weise.

DR. HORN: Ich ziehe meine Frage dann zurück. Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.

VORSITZENDER: Wünscht irgendein anderer Verteidiger Fragen an diesen Zeugen zu richten?

DR. OTTO STAHMER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN GÖRING: Herr Zeuge! Waren Sie anwesend bei einem Gespräch, das etwa ein Jahr vor Ausbruch des Krieges zwischen dem Lord Londonderry und Feldmarschall Göring in Karinhall stattfand?

DR. SCHMIDT: Jawohl, bei diesem Gespräch war ich anwesend.

DR. STAHMER: Schildern Sie dem Gericht kurz den Inhalt dieses Gespräches.

DR. SCHMIDT: Ich kann mich nach so langer Zeit natürlich auf Einzelheiten nicht mehr besinnen, sondern erinnere mich nur noch daran, daß das Gespräch die deutsch-englische Annäherung beziehungsweise die Ausschaltung von deutsch-englischen Konfliktstoffen zum Gegenstand hatte, und daneben natürlich eine ganze Reihe von technischen Fragen der Luftfahrt und der Luftwaffe behandelt wurden. Mir ist besonders eine Äußerung von Göring im Verlauf dieses Gespräches immer in Erinnerung gewesen, als er nämlich zum Abschluß einer gewissen Argumentation, die dartun sollte, wie wünschenswert es sei, daß Deutschland und England miteinander gut stünden und Konflikte vermieden, folgendes sagte: »Wenn unsere beiden Länder in einen Krieg miteinander geraten sollten, dann wird es natürlich einen Sieger und einen Besiegten geben, aber der Sieger in diesem schweren Konflikt, der wird im Augenblick des Sieges gerade noch die Kraft haben, dem Besiegten den letzten Stoß zu versetzen und wird dann selber schwer getroffen neben ihm zu Boden sinken, und aus diesem Grunde sollten unsere beiden Länder schon ohne Krieg und ohne Konflikt miteinander auskommen.«

DR. STAHMER: Nahmen Sie teil an den Verhandlungen in München im Herbst 1938?

DR. SCHMIDT: Jawohl, an den Verhandlungen habe ich teilgenommen.

DR. STAHMER: War auch der damalige Feldmarschall Göring zugegen?

DR. SCHMIDT: Er war während des ersten Teiles nicht zugegen, aber im späteren Verlauf, als der Kreis der Anwesenden sich vergrößerte, verhandelte er ebenfalls mit.

DR. STAHMER: In welcher Weise hat er sich an der Verhandlung beteiligt?

DR. SCHMIDT: Er hat sich nur in Einzelfragen von weniger großer Bedeutung eingeschaltet. Er hat sich aber in einer Weise eingeschaltet, die erkennen ließ, daß er , die sich aus gewissen technischen Punkten für den Fortlauf der Verhandlungen ergeben konnten, nach Möglichkeit durch seine Intervention aus dem Wege räumen wollte. Daß ihm – mit anderen Worten – daran gelegen war, die Einigung von München nicht an diesen technischen Verfahrenspunkten, die im zweiten Teil der Verhandlung eine Rolle spielten, scheitern zu lassen.

DR. STAHMER: Waren Sie zugegen bei einer Unterredung, die im Herbst 1937 zwischen Lord Halifax und dem damaligen Feldmarschall Göring stattfand, und zwar im Anschluß an eine Besprechung, die Lord Halifax mit Hitler auf dem Berghof hatte?

DR. SCHMIDT: Jawohl, da war ich zugegen.

DR. STAHMER: Welchen Verlauf nahm diese Besprechung? Ganz kurz, bitte schon.

DR. SCHMIDT: Ich muß vorhersagen, daß auf dem Obersalzberg die Unterhaltung mit Lord Halifax sehr schlecht verlaufen war. Die beiden Gesprächspartner hatten sich in keiner Weise irgendwie näherkommen können, und bei Göring verbesserte sich die Atmosphäre. Es wurden dieselben Punkte behandelt wie auf dem Obersalzberg, die Themen, die damals aktuell waren, das heißt der Anschluß, die Sudetenfrage, und schließlich noch die Korridor- und Danzigprobleme. Hitler hatte auf dem Obersalzberg ziemlich kompromißlos die Dinge behandelt und mehr oder weniger verlangt, daß eine Lösung, so wie er sich diese vorstelle, auch von England angenommen würde, während Göring bei seinen Besprechungen immer Wert darauf legte oder immer betonte, daß ihm eine friedliche Lösung, das heißt eine Lösung auf dem Verhandlungswege vorschwebe, und daß man alles tun sollte, und daß er auch glaube, wenn die Verhandlungen richtig in die Hand genommen würden, sich für alle drei Fragen eine solche Lösung finden lassen würde.

DR. STAHMER: Ich habe keine weiteren Fragen.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge! Sie waren bei sehr vielen politischen Besprechungen Hitlers zugegen. Haben Sie bei diesen Gelegenheiten festgestellt, daß hohe militärische Führer in der Richtung ihn zu beeinflussen suchten, das deutsche Gebiet auf friedliche oder kriegerische Weise zu erweitern?

DR. SCHMIDT: Nein, derartige Bemühungen von militärischer Seite habe ich nicht festgestellt, da bei politischen Verhandlungen die militärischen Vertreter am Anfang, wenn es sich um die Großprobleme handelte, meistens überhaupt nicht zugegen waren und erst zu den Besprechungen zugezogen wurden, wenn irgendwelche rein militärischen Probleme behandelt wurden, und dann nahmen sie natürlich nur zu rein militärischen Fragen Stellung, äußerten sich aber nicht über irgendwelche politischen Dinge.

DR. LATERNSER: Dann habe ich noch eine Frage.

Haben Sie bei Gelegenheit solcher Besprechungen festgestellt, daß hohe militärische Führer bestrebt waren, politischen Einfluß auf die Reichsregierung auszuüben?

DR. SCHMIDT: Nein, das habe ich nicht festgestellt und das hätte man ja auch gar nicht feststellen können, weil sie ja meistens nicht dabei waren.

DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Zeuge! Ich möchte, daß Sie dem Gerichtshof zuerst ganz kurz die allgemeine Grundlage Ihrer Ansichten schildern. Erinnern Sie sich, am 28. November in Oberursel eine eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben? Können Sie sich daran erinnern?

DR. SCHMIDT: An das Datum kann ich mich nicht genau erinnern, aber, daß ich eine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, daran kann ich mich erinnern.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich das Schriftstück bitte ansehen.