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[Dem Zeugen wird die Urkunde überreicht.]

Absatz 1 zählt Ihre Erfahrungen auf: die Anzahl der Konferenzen und so weiter.

Euer Lordschaft, ich hätte erwähnen sollen, daß dieses Dokument Nummer 3308-PS ist und als GB-288 eingereicht wird.

[Zum Zeugen gewandt:]

Dann im Absatz 2 geben Sie die Grundlage Ihrer Erfahrungen an. Wollen Sie bitte mitlesen?

»Meinen Erfolg und die Stellung, die ich im Auswärtigen Amt eingenommen habe, verdanke ich der Tatsache, daß ich es mir zur Aufgabe machte, mich immer mit den zur Besprechung stehenden Themen vollkommen vertraut zu machen. Ich habe mich immer bemüht, die Mentalität Hitlers, wie auch die anderer führender Persönlichkeiten genauestens kennenzulernen. Während des ganzen Hitler-Regimes habe ich mich immer bemüht, mich stets über die Vorgänge im Auswärtigen Amt und in den ähnlichen Organisationen auf dem laufenden zu halten. Meine Position war derart, daß ich die Leute in Schlüsselstellungen und die Schlüsselpersönlichkeiten in ihren Büros sprechen konnte.«

Schauen Sie sich bitte den dritten Absatz an, der auf dieser Grundlage Ihre Ansicht über die Ziele der Auswärtigen Politik wiedergibt.

»Die allgemeinen Ziele der Nazi-Führung waren von Beginn an offenbar, nämlich, die Beherrschung des europäischen Kontinents zu erreichen, erstens durch die Einverleibung aller deutschsprachigen Gruppen in das Reich und zweitens durch Gebietsausdehnung unter dem Motto: ›Lebensraum‹. Für die Durchführung dieser grundlegenden Ziele schien die Improvisation charakteristisch zu sein. Jeder neue Schritt wurde allem Anschein nach je nach der Entwicklung der Lage durchgeführt, aber alle waren sie im Einklang mit dem obenerwähnten Endziel.«

Stimmt das, Herr Schmidt? Gibt das Ihre Ansicht wieder?

DR. SCHMIDT: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bevor ich mich mit Einzelheiten befasse, bitte ich Sie, Ihre Eindrücke etwas weiter auszuführen. Sie haben gesagt, daß Sie seit Herrn Stresemanns Zeit unter oder bei jedem Außenminister tätig waren. Haben Sie einen bedeutenden Unterschied zwischen dem Lebensstil der nationalsozialistischen Minister und dem ihrer Vorgänger feststellen können?

DR. SCHMIDT: Im Lebensstil war ein gewisser Unterschied vorhanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sprechen wir einmal über den Angeklagten Ribbentrop. Hatte der Angeklagte Ribbentrop, ehe er sich mit Politik befaßte, ein Haus in Berlin-Dahlem, ich glaube Lenze-Allee 19. Gehörte das ihm?

DR. SCHMIDT: Jawohl, das trifft zu.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hatte er dann, als er Außenminister war, 6 Häuser? Gestatten Sie, daß ich Ihrem Gedächtnis nachhelfe und sie einzeln aufzähle. Sie können mir dann sagen, ob ich recht habe. Ein Haus in Sonnenburg, irgendwo in der Nähe von Berlin, mit einem Grundbesitz von 750 Hektar und einem privaten Golfplatz. Das war eins, nicht wahr?

DR. SCHMIDT: Daß in Sonnenburg ein Haus war, wie groß das Grundstück war und was dabei war, weiß ich natürlich im einzelnen nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann ein Haus in Tanneck bei Düren, in der Nähe von Aachen, wo er Pferde züchtete.

DR. SCHMIDT: Von diesem Haus habe ich nichts gewußt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann eines in der Nähe von Kitzbühel, von wo aus er auf die Gemsjagd ging?

DR. SCHMIDT: Das ist mir auch nicht im einzelnen bekannt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nicht im einzelnen, aber seine Existenz war doch bekannt?

DR. SCHMIDT: Ich halte die Existenz dieses Hauses nicht für unwahrscheinlich. Ich habe nie etwas Näheres darüber gehört.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann noch selbstverständlich Schloß Fuschl; das ist in Österreich, nicht wahr?

DR. SCHMIDT: In der Nähe von Salzburg, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: In der Nähe von Salzburg, richtig. Das wurde als repräsentative Residenz übernommen. Ich werde Sie später noch über Einzelheiten befragen.

Dann hatte er ein Jagdgut in der Slowakei, »Pustepole« genannt, nicht wahr?

DR. SCHMIDT: Der Name ist mir geläufig. Ich weiß auch, daß hier Herr von Ribbentrop manchmal zur Jagd hingefahren ist, aber über die Besitzverhältnisse weiß ich nichts.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, und dann bewohnte er auch noch ein Jagdschloß in der Nähe von Podersan, das dem Grafen Czernin, bei Podersan, Böhmen, im Sudetenland gehört hatte?

DR. SCHMIDT: Es war, der Name ist mir nicht bekannt, also eine Jagdpachtung lag wohl vor, wo Empfänge, zum Beispiel mit dem Grafen Ciano stattfanden. Aber der Name war meines Erachtens ein anderer.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das ist es – wo Graf Ciano ihn besuchte. Das war das Schloß, von dem ich sprach. Ich glaube, es stimmt, es hat früher dem Grafen Czernin gehört.

Sagen Sie mir, hatten Reichsminister eigentlich ein festes Gehalt?

DR. SCHMIDT: Ich habe die Frage nicht verstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will mich klar ausdrücken. War ein Gehalt – das heißt feste, jährliche Bezüge – für einen Reichsminister ausgesetzt?

DR. SCHMIDT: Ja, das trifft zu.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wieviel war das?

DR. SCHMIDT: Das kann ich nicht sagen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wurde das geheimgehalten?

DR. SCHMIDT: Nein, es ist nicht deswegen, daß ich darüber keine Auskunft geben kann. Es lag mir fern, mich dafür zu interessieren, was der Reichsaußenminister für ein Gehalt bekam.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen es also nicht?

DR. SCHMIDT: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es genügt mir, wenn Sie sagen, Sie wissen es nicht. Vielleicht können Sie diese Frage beantworten: Hat irgendein früherer Reichsaußenminister sich sechs Häuser und Landgüter verschiedener Größe von seinem Gehalt leisten können? Irgendeiner, mit dem Sie zusammengearbeitet haben?

DR. SCHMIDT: Ob er es hat tun können, darüber kann ich nichts sagen, aber er hat es nicht getan.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er hat es nicht getan. Dann wollen wir das mal im Augenblick auf sich beruhen lassen.

Erinnern Sie sich jetzt einmal an den Mai 1939, ungefähr vier Monate vor Kriegsausbruch, als die polnische Frage gerade aktuell wurde. Ich meine, als die Sache recht ernst wurde. Erinnern Sie sich an – ich glaube im deutschen Auswärtigen Amt nannte man es eine »Sprachregelung« –, die ungefähr zu der Zeit von Ribbentrop erlassen und von Baron Weizsäcker ausgegeben wurde?

DR. SCHMIDT: Nein, das ist mir nicht bekannt oder jedenfalls nicht mehr erinnerlich, möchte ich sagen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde Ihnen helfen, vielleicht frischt das Ihr Gedächtnis auf:

»Das polnische Problem wird von Hitler in 48 Stunden gelöst werden. Die Westmächte werden nicht imstande sein, Polen zu helfen. Das Britische Weltreich ist in den nächsten 10 Jahren erledigt. Frankreich wird sich zu Tode verbluten, wenn es sich einmischt.«

Erinnern Sie sich an eine »Sprachregelung« in diesem Sinne, die von dem Außenminister erlassen wurde?

DR. SCHMIDT: An eine »conduite de langage« dieser Art kann ich mich nicht erinnern. Es scheint mir eher einer »conduite de langage« für Propagandazwecke zu ähneln.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Können Sie sich nicht daran erinnern, daß von Ribbentrop Weisungen erteilte, daß kein Beamter des Auswärtigen Amtes andersgeartete Ansichten äußern durfte?

DR. SCHMIDT: Das ist richtig, daß man sich an die Sprachregelungen halten sollte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie noch, was er zu Baron Weizsäcker sagte, nämlich, was jedem geschehen würde, der andere Ansichten äußerte?

DR. SCHMIDT: Nein, daran erinnere ich mich nicht, aber ich kann mir denken, daß den Betreffenden eine schwere Strafe angedroht wurde. Aber an die eigentliche Sache erinnere ich mich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie nicht mehr, daß er sagte, er würde sie selbst erschießen?

DR. SCHMIDT: Daß eine derartige Äußerung gelegentlich im Zorn von ihm gefallen ist, halte ich für durchaus möglich, daß sie aber ernst gemeint war, glaube ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Vielleicht erinnern Sie sich aber daran, ich deute Ihnen das nur an, wie unangenehm und schwierig es für Baron Weizsäcker war, sich zu entscheiden, wie er das auf der amtlichen Konferenz im Auswärtigen Amt vorbringen sollte. Erinnern Sie sich nicht daran?

DR. SCHMIDT: Da war ich zu den Morgenkonferenzen noch nicht zugelassen, ich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend, so daß ich also darüber nichts sagen kann. Aber ich kann mir vorstellen, daß der Staatssekretär einige Mühe gehabt hat, diese Äußerung in die richtige Amtssprache zu übersetzen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich möchte mich kurz mit den Fragen befassen, die Ihnen über den August 1939 vorgelegt worden sind. Ich möchte nur die Tatsachen klarstellen.

Erinnern Sie sich noch, daß Sie bei Hitler waren, zur Zeit als er die Reaktion der Westmächte auf den Sowjet-Pakt erwartete?

DR. SCHMIDT: Nein, ich war ja in Moskau mit der Delegation und war nicht bei Hitler.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sind also mit dem Angeklagten Ribbentrop am 24. zurückgekommen.

DR. SCHMIDT: Ja, ich blieb aber in Berlin und ging nicht nach Berchtesgaden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ach so. Also erinnern Sie sich, daß Hitler am 25. Sir Nevile Henderson um 1.30 Uhr empfing und ihm eine sogenannte »Verbalnote« überreichte? Erinnern Sie sich daran?

DR. SCHMIDT: Ich glaube, daß ich bei dieser Sitzung nicht dabei war, weil ich während dieser Zeit gerade in Moskau war. Es müßte sich dieses Datum feststellen lassen. Ich war bei einer Besprechung zwischen Hitler und dem Britischen Botschafter, die in der Zeit unserer Moskauer Reise auf dem Obersalzberg stattfand, nicht dabei. Ich nehme an, daß das die Sitzung gewesen ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dies war an dem Tag, nach dem der Angeklagte von Moskau zurückkehrte?

DR. SCHMIDT: Nein, ich blieb in Berlin, ich war nicht da oben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich wollte Sie nur an diesen Tag erinnern; wenn Sie aber nicht anwesend waren, werde ich das fallen lassen. Waren Sie aber dabei, als Signor Attolico, der Italienische Botschafter, eine Mitteilung von Mussolini überbrachte?

DR. SCHMIDT: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren da?

DR. SCHMIDT: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist der Tag, den ich meine. Erinnern Sie sich, daß an jenem Nachmittag eine Mitteilung von Signor Attolico einlief, die italienische Armee und Luftwaffe seien nicht in der Lage, Krieg zu führen?

DR. SCHMIDT: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie mir dabei helfen, denn die Frage des Zeitpunktes ist recht wichtig. War das nicht ungefähr um 3.00 Uhr nachmittags?

DR. SCHMIDT: Das könnte sein, aber bei den vielen Besprechungen, die damals stattfanden, geht es natürlich mit den Uhrzeiten und den Tagen etwas durcheinander.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich noch, daß die Nachricht, der englisch-polnische Pakt würde an dem Abend unterzeichnet werden, ungefähr um 4.00 Uhr einlief?

DR. SCHMIDT: Daran erinnere ich mich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und wissen Sie noch, daß ungefähr um 4.00 Uhr Monsieur Coulondre, der Französische Botschafter, eine Unterredung mit Hitler hatte?

DR. SCHMIDT: Ja, daran erinnere ich mich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wußten Sie, daß an dem Tage die Befehle für einen Angriff auf Polen am nächsten Morgen widerrufen wurden?

DR. SCHMIDT: Daß militärische Befehle zurückgenommen wurden, ist mir erinnerlich. Um welche einzelnen Befehle es sich aber dabei gehandelt hat, das habe ich natürlich nicht erfahren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich würde Sie darüber auch gar nicht fragen, Herr Schmidt. Aber Sie wußten, daß Befehle zurückgezogen wurden. Vielleicht können Sie mir hierbei helfen. Erfolgte nicht die Rücknahme der Befehle um 6.15 Uhr – um 18.15 Uhr – nach der Unterredung mit dem Französischen Botschafter Monsieur Coulondre? Wurden sie nicht zu dieser Zeit widerrufen?

DR. SCHMIDT: Daran kann ich mich nicht erinnern, ob es diese Zeit war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und könnten Sie dem Gerichtshof auch bei der Aufklärung dieser Frage behilflich sein: Wurden diese Befehle nicht ungefähr um 2.00 Uhr – um 14.00 Uhr – erlassen, nach der Unterredung mit Sir Nevile Henderson? Wissen Sie das?

DR. SCHMIDT: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verstehe. Sie können uns in dieser Sache nicht helfen.

Also, ich will jetzt weiter keine Zeit verlieren mit der Unterredung, die zwischen Sir Nevile Henderson und dem Angeklagten Ribbentrop in der Nacht vom 30. zum 31. August stattfand. Ich möchte Sie nur folgendes tragen: Sie haben uns gesagt, daß der Angeklagte Ribbentrop sehr aufgeregt war. Hat er, als er diese Bedingungen vorlas, manchmal dabei seine Stimme erhoben, geschrien?

DR. SCHMIDT: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Woran konnte man dann seine Nervosität erkennen?

DR. SCHMIDT: Die trat bei einigen Zwischenfällen, die vorher in der Unterredung stattgefunden haben, ein, von denen ich vorher gesprochen habe – da hat sich seine Nervosität gezeigt, aber nicht bei dem Verlesen des Dokuments.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Aber Sie erinnern sich noch und waren damals sehr überrascht, daß er sich weigerte, dieses entscheidende Dokument dem Britischen Botschafter auszuhändigen.

DR. SCHMIDT: Ja, gewiß.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, vielleicht können Sie uns über ein paar weitere Vorfälle aufklären? Ein Zeuge, den wir gestern verhörten, behauptete, daß der Angeklagte Ribbentrop sehr wenig über Konzentrationslager wußte. Ich möchte klarstellen, daß dies behauptet wurde. Ich glaube, Sie können uns über einige Insassen von Konzentrationslagern, von denen er etwas wußte, Auskunft geben. Entsinnen Sie sich noch eines Mannes namens Martin Luther? Ich meine nicht den religiösen Herrn, sondern einen Zeitgenossen.

DR. SCHMIDT: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Entsinnen Sie sich, daß der Angeklagte Ribbentrop ihn in seinem Büro, der Dienststelle Ribbentrop, anstellte, im Jahre 1936?

DR. SCHMIDT: Über das Jahr bin ich mir nicht klar, aber daß er hereingekommen ist durch die Dienststelle, das weiß ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Ich glaube, daß die älteren Mitglieder des Deutschen Auswärtigen Amtes nicht sehr begeistert davon waren.

DR. SCHMIDT: Nein, ganz bestimmt nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es gab da einige Unannehmlichkeiten über eine Kleinigkeit von 4.000 Reichsmark, mit denen Herr Luther einmal etwas zu tun gehabt hatte?

DR. SCHMIDT: Jawohl! Das haben wir nachher erfahren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er wurde in das Auswärtige Amt aufgenommen und wurde schnell zum Vortragenden Rat und Unterstaatssekretär befördert, nicht wahr?

DR. SCHMIDT: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie noch, daß er dann im Jahre 1943 mit dem Angeklagten Ribbentrop einen Streit hatte?

DR. SCHMIDT: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dann wandte er sich an Himmler, ich glaube durch Leutnant Büttner, und deutete an, Ribbentrops Geisteszustand sei derart, daß er nicht mehr Außenminister bleiben sollte, und er schlug vor, daß Werner Best, ich glaube, der war es, an seiner Stelle eingesetzt werden sollte. Erinnern Sie sich daran?

DR. SCHMIDT: Ja, ich erinnere mich; aber daß er Werner Best als Nachfolger vorgeschlagen hat, das weiß ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jedenfalls schlug er vor, daß Ribbentrop gehen sollte. Ich glaube, er hat sich ganz deutlich ausgedrückt; ich glaube, er deutete an, daß er geistig der Sache nicht mehr gewachsen sei.

DR. SCHMIDT: Ich habe den Bericht nicht gesehen. Ich habe nur gerüchtweise darüber gehört.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und das Ergebnis war natürlich, daß nach einer Unterredung mit Ribbentrop Ribbentrop Luther in ein Konzentrationslager schicken ließ, nicht wahr?

DR. SCHMIDT: Ob das auf eine Initiative von Ribbentrop geschah oder von anderer Seite her, weiß ich nicht, aber es hieß bei uns im Amt, Luther ist im Konzentrationslager gelandet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, aber die Dinge hatten sich so abgespielt: Luther hatte diese Meinungsverschiedenheit mit Ribbentrop, und kurz darauf tauchte er in einem Konzentrationslager auf. Und er kam nicht nur in ein Konzentrationslager; stimmt es nicht auch, daß selbst die SS bat, man solle ihn aus dem Konzentrationslager entlassen, und Ribbentrop wollte das nicht zulassen?

DR. SCHMIDT: Das kann ich nicht sagen, denn die ganze Angelegenheit wurde natürlich im Amt und von Herrn von Ribbentrop ziemlich vertraulich behandelt, und die Mitglieder des alten Auswärtigen Amtes, zu denen ich ja auch gehörte, besaßen nicht so weit sein Vertrauen, daß sie nun in all diese Einzelheiten eingeweiht wurden. Also über die ganze Affäre Luther habe ich nur gerüchtweise durch besondere Kanäle, eigentlich unerlaubterweise, etwas gehört, so daß ich also da keine authentischen Auskünfte geben kann, sondern nur das sagen kann, was mir so unter der Hand bekannt wurde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bin überzeugt, daß Sie dem Gerichtshof gegenüber ganz offen sein wollen. Und worauf ich Sie besonders aufmerksam machen möchte ist, daß jedermann im Auswärtigen Amt wußte, daß Luther in einem Konzentrationslager gelandet war und selbstverständlich auch der Angeklagte Ribbentrop wußte, daß er in einem Konzentrationslager war. Das stimmt doch?

DR. SCHMIDT: Bestimmt, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Also, lassen Sie uns mal über einen anderen Vorfall sprechen, der hiermit zusammenhängt, wenn ich mir über seine außergewöhnliche Unschuld bezüglich der Konzentrationslager eine Bemerkung erlauben darf.

Erinnern Sie sich an zwei unglückselige Menschen, Herrn und Frau von Rämitz, denen das Schloß Fuschl einst gehörte? Ich glaube Rämitz oder Ränitz ist der Name, erinnern Sie sich?

DR. SCHMIDT: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, dieses Schloß Fuschl – würden Sie mir sagen, wie das ausgesprochen wird?

DR. SCHMIDT: Also ich bin über diese Dinge so wenig...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, ich will wissen, wie das ausgesprochen wird.

DR. SCHMIDT: Fuschl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danke.

Das Schloß Fuschl gehörte den eben von mir erwähnten Leuten. Frau von Rämitz war eine Schwester von August Thyssen, nicht wahr?

DR. SCHMIDT: Darüber kann ich nichts sagen, denn alle diese Fragen sind ja Fragen, die den Privathaushalt Herrn von Ribbentrops betreffen, und damit hatte ich nichts zu tun. Meine Beziehungen zu ihm waren rein amtlicher Art, und zwar amtlicher Art, beschränkt auf Routineangelegenheiten und die wichtigen politischen Dolmetscherangelegenheiten im Auswärtigen Amt. Von den anderen Dingen habe ich nur gehört, aber so, daß ich darüber irgendwelche authentische Auskünfte geben kann, natürlich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nur die eine Frage an Sie richten. Nachdem das Schloß Eigentum des Außenministers wurde, oder jedenfalls ihm zur Verfügung gestellt worden war, hat nicht Herr von Rämitz mehrere Jahre in einem Konzentrationslager zugebracht, wo er zuletzt gestorben ist? Das wußten Sie, nicht wahr?

DR. SCHMIDT: Ich wußte es gerüchtweise; das wurde mir erzählt, daß es so verlaufen wäre.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und hat er nicht auch andere Sachen aus den Konzentrationslagern gehört, die schlimmer waren als diese hier?

DR. SCHMIDT: Das glaube ich nicht, daß irgendwelche authentische Angaben dort über die Zustände gemacht wurden, denn das wurde natürlich, auch besonders dem Auswärtigen Amt gegenüber, als tabu behandelt von den Leuten, die für die Konzentrationslager zuständig waren, weil wir ja sowieso als nicht ganz zuverlässig und zugehörig betrachtet wurden. Da wurden natürlich solche Dinge mit besonderem Fleiß gerade vor uns verdeckt und verborgen, so daß also irgendwelche näheren konkreten Dinge bei uns niemals bekannt geworden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie wußten doch sogar im Auswärtigen Amt, daß eine große Anzahl von Konzentrationslagern vorhanden war, in denen eine ungeheure Menge Menschen eingesperrt war.

DR. SCHMIDT: Das wußten wir, aber unsere Quelle war hauptsächlich die ausländische Presse, die wir ja lasen, und der ausländische Rundfunk, der uns jeden Morgen umgeschrieben auf den Tisch gelegt wurde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie es also durch die Auslandspresse und den ausländischen Rundfunk erfahren haben, so hat – wer auch immer auf dieser Anklagebank nichts über Konzentrationslager gewußt hat – jedenfalls der Angeklagte Ribbentrop, als Außenminister, darum gewußt. Stimmt das nicht?

DR. SCHMIDT: Ich möchte es so sagen: Er hatte selbstverständlich dieses ausländische Nachrichtenmaterial vorliegen. Wie er das Nachrichtenmaterial bewertete, ob er es für richtig, für ganz falsch, für übertrieben hielt, das kann ich natürlich nicht sagen. Die Meldungen als solche hat er natürlich auch bekommen, aber eben als ausländische, und im Kriege als Meldung von feindlichen Ländern.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Doktor, ich werde jetzt nicht weiter darauf eingehen. Wollen Sie mir nur dies sagen: Sie haben uns schon über die Unterredung berichtet, die zwischen Hitler, dem Angeklagten Ribbentrop und Horthy am 17. April 1943 stattfand und bei der die Judenfrage erörtert wurde. Ich will nur für die Gerichtsakten feststellen, daß sich Ihr Bericht auf die Tatsache stützt, daß Sie selbst bei jener Unterredung Protokoll führten und das Protokoll unterschrieben.

DR. SCHMIDT: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nun auf eine andere Frage übergehen: Sind Sie in der Zeit von 1943 bis 1945 noch gelegentlich in Hitlers Hauptquartier gefahren, um als Dolmetscher tätig zu sein, an Sitzungen teilzunehmen oder dergleichen?

DR. SCHMIDT: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zum Beispiel, ich weiß nicht, ob Sie sich noch erinnern können, aber ich bin sicher, daß Sie es versuchen werden, am 27. Februar 1944, erinnern Sie sich an einen Besuch von Marschall Antonescu?

DR. SCHMIDT: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Waren Sie dabei?

DR. SCHMIDT: Ich erinnere mich, ich war bei allen Besuchen Antonescus immer dabei, weil die Unterhaltung anders gar nicht stattfinden konnte. Aber das Datum weiß ich im Augenblick nicht genau.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es war der 27. Februar. Ich möchte einen Vorfall erwähnen, der Ihnen vielleicht ins Gedächtnis zurückruft, daß Antonescu da war. Erinnern Sie sich, daß bei dieser Gelegenheit der Angeklagte Dönitz anwesend war?

DR. SCHMIDT: Es ist möglich, aber eine genaue Erinnerung habe ich nicht. Bei den militärischen Besprechungen kann es schon gewesen sein, daß er dabei war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Das Beweisstück ist GB-207, es steht Band V, Seite 286. Das Dokument war ursprünglich D-648.