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[Zum Zeugen gewandt:]

Was veranlaßte Hitler, Sie zum Abrüstungsbevollmächtigten zu ernennen?

VON RIBBENTROP: Ich wurde, glaube ich, im Jahre... im März oder April zum Abrüstungskommissar ernannt. Der Grund hierfür lag in folgendem:

Hitler vertrat den Standpunkt der Rüstungsgleichheit. Er vertrat den Standpunkt, daß dies nur möglich sei durch Verhandlungen mit Frankreich und England. Dies war auch mein Standpunkt. Ich bin damals in meinem Bestreben, die deutsch-englischen Beziehungen besonders zu verbessern und zu fördern, weil dies der Lieblingswunsch des Führers war, in London gewesen, und habe dort die Verbindung auch mit maßgebenden Männern der englischen Politik aufnehmen können. Vor allem war es die Verbindung mit Lord Baldwin. Ich sprach mit Lord Baldwin und mit dem damaligen Premierminister Macdonald über den deutschen Wunsch der Gleichberechtigung und fand hierbei das offene Ohr dieser Minister. Auf Grund einer langen Unterredung, die ich mit dem damaligen Lordkanzler, dem jetzigen Lord Baldwin, haben konnte, hielt derselbe, ich glaube am 1. Dezember 1933, eine Rede im Unterhaus, in der er darauf hinwies, daß irgendwie man Deutschland entgegenkommen müsse. Die Rüstungsgleichheit sei versprochen worden, und daher müsse man hierzu irgendwie kommen.

Es gebe hierzu drei Möglichkeiten: Die eine wäre, daß sich Deutschland auf den Stand der anderen aufrüste, das wolle man nicht. Die zweite Möglichkeit, daß die anderen auf den Stand von Deutschland abrüsten, das wäre undurchführbar, daher müßte man sich auf der Mitte treffen und Deutschland eine beschränkte Aufrüstung genehmigen, und die anderen Länder müßten ihrerseits abrüsten. Adolf Hitler war damals sehr froh über diesen Standpunkt, da er dieses als eine praktische Möglichkeit ansah, die deutsche Gleichberechtigung durchzusetzen. Leider ist es dann im weiteren Verlaufe nicht möglich gewesen, diese damaligen Baldwinschen Äußerungen und vernünftigen guten Gedanken irgendwie in die Praxis umzusetzen. Adolf Hitler hat daher dann sich gesagt, daß anscheinend in dem System, in dem nun mal die Welt sich befand, auf dem Verhandlungswege diese Rüstungsgleichheit Deutschlands, eine Gleichberechtigung, nicht durchgesetzt werden könnte.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, der Dolmetscher kann Sie nicht gut hören. Könnten Sie das Mikrophon etwas näherrücken, und würden Sie Ihre letzten Sätze noch einmal wiederholen?

VON RIBBENTROP: Adolf Hitler sah, daß leider in dem damals herrschenden internationalen System auf dem Verhandlungswege die guten Gedanken von Lord Baldwin nicht durchzuführen waren.

DR. HORN: Welche praktische Durchführung von Rüstungsbegrenzungen haben Sie dann erzielt in London?

VON RIBBENTROP: Es ist bekannt, daß Adolf Hitler, Deutschland, ja dann den Völkerbund und die Abrüstungskonferenz verließ, weil es nicht möglich war, auf dem Verhandlungswege die deutschen Wünsche durchzusetzen.

Hitler sah daher keine andere Möglichkeit, als aus der eigenen Kraft des deutschen Volkes heraus dieses Ziel zu verwirklichen. Er wußte und war sich natürlich bewußt, daß dies ein Risiko in sich barg, aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre blieb ihm kein anderer Weg übrig, so daß Deutschland damals von sich aus aufrüstete.

DR. HORN: [unterbricht]...

VON RIBBENTROP: Ich möchte gern meine Antwort auf Ihre Frage beendigen. Als praktisches Ergebnis war dann folgendes zu verbuchen: Es kam im Laufe des Jahres 1934 zu einem engeren Kontakt zwischen der Deutschen Regierung und der Britischen Regierung. Es erfolgten Besuche englischer Staatsmänner in Berlin von Sir John Simon und Mr. Eden, und während dieser Besuche kam der Vorschlag auf, ob man nicht auf dem Flottengebiete wenigstens zu einem Vertrage oder zu einer Verständigung kommen könnte.

Adolf Hitler war sehr von diesem Gedanken eingenommen, und im weiteren Verlaufe ist dann zwischen der Britischen und Deutschen Regierung vereinbart worden, daß ich nach London geschickt werden sollte, um mit der Britischen Regierung zu versuchen, einen Flottenvertrag zustandezubringen. Ich brauche auf Einzelheiten dieses Vertrags, der ja dann zustande kam, nicht einzugehen. Hitler hatte von sich aus von Anfang an gesagt, daß, um mit England zu einer endgültigen Verständigung zu kommen, müßte man die absolute Suprematie Großbritanniens zur See ein für allemal anerkennen. Von ihm stammte dann die Flottenrelation von 100 zu 35, die eine ganz andere Relation war, als die, die damals vor dem Jahre 1914 zwischen Deutschland und England verhandelt wurde.

Nach verhältnismäßig kurzen Verhandlungen ist dann auch in London dieser Flottenvertrag zustandegekommen. Er war sehr wichtig für die weiteren deutsch-englischen Beziehungen, und er stellte damals das erste praktische Ergebnis einer wirklichen Rüstungsbegrenzung dar.

DR. HORN: Hat damals Frankreich dieser Aufrüstung zugestimmt, und was war Ihre persönliche Mitwirkung bei diesem Schritt?

VON RIBBENTROP: Ich darf vorausschicken, daß Adolf Hitler und auch ich über diesen Vertrag außerordentlich glücklich waren. Ich weiß, derselbe ist dann einmal von einer Seite als – um den englischen Ausdruck zu gebrauchen – »Eye wash« bezeichnet worden. Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung hier aussagen, daß ich Adolf Hitler noch niemals so glücklich gesehen habe als in dem Augenblick, als ich ihm persönlich in Hamburg den Abschluß dieses Vertrages melden konnte.

DR. HORN: Wie stellte sich Frankreich zu diesem Vertrag?

VON RIBBENTROP: Mit Frankreich war es natürlich insofern etwas schwierig. Das merkte ich schon bei den Verhandlungen, weil hiermit von den Rüstungsbegrenzungen des Versailler Vertrages abgegangen worden war.

Ich habe dann selbst den Herren des Foreign Office vorgeschlagen – ich darf die Namen nennen, es war Sir Robert Craigie vor allem und der damalige englische Admiral Little –, daß ich nach Frankreich fahren würde, um auch meinerseits meine Beziehungen zu französischen Staatsmännern auszunützen und ihnen die Nützlichkeit dieses Vertrages für eine spätere deutsch-englisch-französische Einigung darzulegen.

Ich bitte hier auf eines hinweisen zu dürfen. In diesem Gerichtssaal ist vor einiger Zeit ein Film gezeigt worden, in dem eine Ansprache, die ich hielt vor der damaligen Wochenschau nach Abschluß des Flottenvertrags, in dem diese Ansprache als ein Beweis doppelzüngiger deutscher Diplomatie hingestellt worden ist. Ich habe diese Ansprache in London seinerzeit ausdrücklich gehalten, um zu dokumentieren und vor aller Welt zu erklären, daß es sich hier nicht um irgendwie einseitige deutsch-englische Dinge handle, sondern daß es der Wunsch Hitlers sei, und daß auch der Sinn dieses Flottenvertrages sei, eine allgemeine Rüstungsbegrenzung herbeizuführen, und daß dieser Flottenvertrag geeignet sei, auch die deutsch-französischen Beziehungen letzten Endes zu fördern. Dieser Wunsch war aufrichtig und real. Ich bin dann nach Frankreich gefahren und habe mit den französischen Staatsmännern gesprochen, und ich glaube, vielleicht etwas mit dazu beigetragen zu haben damals, daß dieser erste Schritt der Rüstungsbegrenzung doch auch von vielen Franzosen als eine vernünftige Maßnahme angesehen wurde, wenn man die Dinge von einer größeren Perspektive und von dem Gesichtspunkt betrachtete, daß man auf die Dauer dem deutschen Volke die Gleichberechtigung doch nicht vorenthalten könne.

DR. HORN: Sie sind dann zum Botschafter in London ernannt worden. Wie kam es zu dieser Ernennung?

VON RIBBENTROP: Das kam so. Ich habe in der folgenden Zeit nach dem Flottenabkommen, das von weitesten Kreisen damals in England ungeheuer begrüßt wurde, große Anstrengungen gemacht, um Lord Baldwin mit dem Führer zusammenzubringen, und ich darf hier erwähnen, daß auch diese Zusammenkunft bereits in ihren Anfängen arrangiert war durch den Freund Mr. Baldwins, einen Mr. Jones. Der Führer hatte sich bereit erklärt, nach Chequers zu fliegen, um Lord Baldwin zu treffen. Leider sagte Lord Baldwin im letzten Augenblick ab. Auf was diese Absage damals zurückzuführen war, weiß ich nicht; aber es ist kein Zweifel, daß bestimmte Kräfte in England damals diese deutsch-englische Verständigung wohl nicht wünschten. Ich habe dann, als im Jahre 1936 der Deutsche Botschafter von Hösch starb, mir gesagt, daß man doch nochmal von deutscher Seite eine äußerste und letzte Anstrengung machen sollte, um vielleicht doch noch mit England zu einer guten Verständigung zu kommen. Ich darf erwähnen, daß ich damals bereits zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Hitler ernannt worden war und ihn persönlich gebeten habe, dies rückgängig zu machen und mich zum Botschafter nach London zu schicken. Entscheidend für diesen Entschluß Hitlers war vielleicht folgendes: Hitler hatte eine ganz bestimmte Vorstellung von der Gleichgewichtstheorie Englands, und meine Vorstellung war vielleicht eine etwas abweichende. Meine Überzeugung war, daß England zu seiner alten Gleichgewichtstheorie nach wie vor stehen würde, während Adolf Hitler der Auffassung war, daß diese Gleichgewichtstheorie überaltert sei, und daß England nunmehr ein sehr viel stärkeres Deutschland in Europa im Hinblick auf die veränderte Lage Europas überhaupt und auch auf die starke Machtentfaltung Rußlands hinnehmen sollte, beziehungsweise es begrüßen sollte. Um hierüber dem Führer endgültig Klarheit zu verschaffen und ihm klar zu sagen, wie diese Dinge in England wirklich aussahen... dies war jedenfalls einer der Gründe mit, warum der Führer muh nach England schickte. Ein weiterer Grund war der, daß wir damals hofften, durch die Verbindung mit den immer noch doch sehr weiten deutschfreundlichen Kreisen in England, Kreisen, die für eine deutsch-englische Freundschaft waren, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern freundschaftlich zu gestalten und vielleicht sogar zu einem Dauerabkommen zu kommen.

Das Ziel Hitlers letzten Endes war immer und ist immer gewesen das deutsch-englische Bündnis.

DR. HORN: Was beeinträchtigte Ihre Botschaftertätigkeit in London?

VON RIBBENTROP: Ich darf vorausschicken, daß ich in den dreißiger Jahren, und zwar 1935 bis 1936 vor allem, wiederholt in England war und dort im Auftrage des Führers Sondierungen über ein deutsch- englisches Bündnis vornahm. Die Basis dieses Bündnisses ist bekannt. Sie bestand darin, daß das Flottenverhältnis 100 zu 35 ein dauerndes sein sollte.

Zweitens, daß die Integrität der sogenannten Low Countries, Belgien und Holland, und auch ferner Frankreichs, zwischen den beiden Ländern auf immer garantiert werden sollte und – dies war ein Gedanke des Führers –, daß Deutschland bereit sein sollte, da es das Britische Imperium bejahte,... daß Deutschland bereit sein sollte, sich für die Aufrechterhaltung und Erhaltung des Britischen Imperiums mit eigener Kraft, wenn nötig, einzusetzen und daß dafür England Deutschlands Stellung als starke Macht in Europa anerkennen möge.

Es ist bereits gesagt worden, und ich darf es wiederholen, daß diese Bemühungen in den dreißiger Jahren leider zu keinem Resultat führten.

Es war eine der tiefsten Enttäuschungen des Führers – und ich muß das hier erwähnen, weil dieses sehr wichtig ist für die weitere Entwicklung –, daß dieses Bündnis, auf das er so große Hoffnungen gesetzt hat, und das er als Fundament seiner ganzen Außenpolitik überhaupt betrachtete, in diesen Jahren nicht zustandegekommen ist. Inwieweit und welche Kräfte am Werke waren, daß es nicht zustandekam, das vermag ich nicht zu sagen. Ich weiß es nicht. Jedenfalls kam es nicht weiter. Ich bin dann in London als Botschafter noch verschiedentlich auf diese Frage zurückgekommen, habe sie mit den deutschfreundlich eingestellten Kreisen erörtert. Und ich muß sagen, daß es auch viele Engländer gab, die diesem Gedanken durchaus positiv gegenüberstanden.

DR. HORN: Sind Sie auch auf ablehnende Haltung gestoßen?

VON RIBBENTROP: Es gab in England natürlich eine starke Richtung, die diesem Bündnis oder diesem Gedanken einer engen Verbindung mit Deutschland aus grundsätzlichen Erwägungen und vielleicht überhaupt aus traditionellen Erwägungen der britischen Politik einer definitiven Bindung dieser Art nicht geneigt waren. Ich bitte, mir zu erlauben, hier kurz zu erwähnen, obwohl das auf das Jahr 1936 zurückgreift, daß ich während der Olympischen Spiele im Jahre 1936 versucht habe, den sehr einflußreichen britischen Politiker, den heutigen Lord Vansittart, für diesen Gedanken zu gewinnen. Ich habe damals eine sehr lange, stundenlange Aussprache mit ihm in Berlin gehabt. Auch Adolf Hitler hat ihn empfangen und ebenfalls mit ihm in dem Sinne gesprochen. Lord Vansittart, trotz den persönlichen guten Beziehungen, die uns verbanden, zeigte sich damals reserviert. Im Jahre 1937, als ich in London war, habe ich gesehen, daß allmählich sich hier ganz klar zwei Richtungen in England herausschälten. Die eine Richtung, die sehr geneigt war, mit Deutschland in engere Beziehungen zu kommen, und eine zweite Richtung, die eine solche enge Bindung nicht wünschte. Es gab, ich glaube, ich brauche den Namen nicht zu nennen – jedenfalls waren es – und sie sind bekannt –, die Männer, die eine solche engere Bindung mit Deutschland nicht wollten. Es ist der spätere Premierminister Mr. Winston Churchill und andere. Ich habe dann in London alle Anstrengungen gemacht, um diesen Gedanken weiter zu fördern. Es traten aber weitere Ereignisse ein, die meine Tätigkeit dort sehr schwierig machten. Vor allem war es die spanische Politik. Es ist bekannt, daß damals der Bürgerkrieg in Spanien herrschte, und daß in London der sogenannte Nichteinmischungsausschuß tagte. Ich hatte daher als Botschafter am Hofe von St. James eine schwierige Aufgabe. Ich wollte einerseits mit allen Mitteln die deutsch-englische Freundschaft, das deutsch-englische Bündnis herbeiführen; auf der anderen Seite hatte ich die Instruktionen meiner Regierung im Nichteinmischungsausschuß Spaniens beziehungsweise im spanischen Nichteinmischungsausschuß – oder über Spanien – durchzuführen. Diese Instruktionen lagen aber oft gerade entgegengesetzt gewissen Bestrebungen der englischen Politik. Es kam daher dazu, daß diese Art Völkerbund, den der Nichteinmischungsausschuß damals darstellte, bei dem ich das bevollmächtigte deutsche Mitglied war, eine große Hypothek auf das Grundziel und Hauptziel bedeutete, mit dem mich Adolf Hitler nach London geschickt hatte. Aber ich muß hier, wenn ich diese Zeit offen erläutern soll und erläutern darf, was, ich glaube, im Interesse der Sache liegt, erklären, daß es nicht nur die Spanienpolitik war, sondern daß ganz zweifellos in diesen Jahren 1937 bis Anfang 1938 in England die Richtung immer stärker sich bemerkbar machte- und das ist ja heute historische Tatsache –, die ein Paktieren mit Deutschland nicht wünschte. Warum? Die Antwort ist sehr einfach und sehr klar. Diese Kreise sahen in dem nationalsozialistischen erstarkten Deutschland einen Faktor, der die traditionelle englische Gleichgewichtstheorie und Gleichgewichtspolitik auf dem Kontinent zu stören geeignet sein könnte. Ich bin der Überzeugung, daß Adolf Hitler keineswegs die Absicht hatte, jemals in dieser Zeit etwas gegen England von sich aus zu unternehmen, sondern daß er mich noch nach London mit dem heißesten Wunsche geschickt hatte, wirklich zu einer Verständigung mit England zu kommen. Ich habe aus London dem Führer berichtet über die Situation – und ich bitte auch hier vor diesem Gericht einen Punkt klarstellen zu dürfen: es ist so oft... ein Punkt, der meine eigene Verteidigung betrifft vor allem – es ist so oft behauptet worden, daß ich dem Führer aus England berichtet hätte, England sei degeneriert und England würde etwa nicht kämpfen. Ich darf und muß hier feststellen, daß ich dem Führer von Anfang an das Gegenteil berichtet habe. Ich habe dem Führer gemeldet, daß nach meiner Überzeugung die englische Führerschicht, das englische Volk, eine absolut heroische Einstellung habe, und daß dieses Volk bereit sei, jederzeit für die Existenz seines Imperiums sich bis zum letzten einzusetzen. Ich habe auch später, im Laufe des Krieges, einmal in einer Rede im Jahre 1941 nach einer Rücksprache mit dem Führer diesen Punkt öffentlich dargestellt. Jedenfalls darf ich zusammenfassend zu der Situation in London im Jahre 1937/38 während meiner Botschaftertätigkeit sagen, daß in mir die Erkenntnis wach war, daß es sehr schwierig sein würde, zu einem Bündnis mit England zu kommen, daß aber trotzdem – und das habe ich immer berichtet – alle Anstrengungen gemacht werden müßten, um auf dem Wege des friedlichen Ausgleichs mit England als entscheidendem Faktor auch der deutschen Politik zu einer Verständigung zu kommen, das heißt die deutsche Kraft- und Machtentfaltung in eine solche Relation zu den englischen Grundtendenzen, zu der englischen Grundauffassung der Außenpolitik zu bringen, daß diese beiden Faktoren nicht kollidieren würden.

DR. HORN: Sie haben während der Zeit Ihrer Botschaftertätigkeit den sogenannten Antikominternpakt mit Japan abgeschlossen. Wie kam es, daß gerade Sie als Botschafter diesen Pakt abschlossen?

VON RIBBENTROP: Ich darf vielleicht dazu erst sprechen, daß ich im Jahre 1938 Außenminister wurde, am 4. Februar. Ich war am 4. Februar in Berlin, als der Führer mich kommen ließ und mir eröffnete, daß er mich zum Außenminister ernannt habe. Ich habe dann – ich weiß nicht, sprechen Sie vom Dreimächte-Pakt?

DR. HORN: Nein, Sie haben mich mißverstanden; Sie haben während Ihrer Tätigkeit als Botschafter den Antikomintern-Pakt abgeschlossen im Jahre 1936, dem dann 1937 auch Italien beitrat, später Spanien und noch andere Länder. Wie kam es, daß Sie als Botschafter damals diesen Pakt abschlossen?

VON RIBBENTROP: Adolf Hitler betrachtete damals den weltanschaulichen Gegensatz zwischen Deutschland, dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus als einen der entscheidenden Faktoren letzten Endes seiner Politik. Es war daher eine Frage, wie man überhaupt einen Weg finden könnte, um weitere Länder dafür zu gewinnen, kommunistischen Bestrebungen entgegenzutreten. Es handelte sich also hier um eine weltanschauliche Frage. Hitler hat dann erstmalig, ich glaube im Jahre 1933, mit mir gesprochen, ob man nicht in irgendeiner Form mit Japan eine engere Beziehung anknüpfen könnte. Ich habe ihm erwidert, daß ich selbst gewisse Beziehungen zu Japanern hätte und die Fühlung aufnehmen würde. Es stellte sich heraus, bei meinen weiteren Fühlungnahmen, daß Japan ebenso im Antikominternsinne eingestellt war wie Deutschland. Aus diesen Gesprächen der Jahre 1933/34, 1935, glaube ich, hat sich dann allmählich der Gedanke herauskristallisiert, ob man nicht diese gegenseitigen Bestrebungen zum Gegenstand eines Paktes machen könnte. Ich glaube, es war einer meiner Mitarbeiter, der dann auf den Gedanken kam, ob man nicht einen Antikomintern-Pakt abschließen könnte. Ich trug diesen Gedanken dem Führer vor und der Führer fand ihn gut. Er wollte aber nicht damals, daß dies sozusagen, weil es eine weltanschauliche Frage war, auf dem Wege der offiziellen deutschen Politik gemacht würde, und hat daher mich beauftragt, einen solchen Pakt vorzubereiten, der dann – ich glaube – im Laufe des Jahres 1936 in meinem Büro in Berlin abgeschlossen wurde.

DR. HORN: Wenn ich Sie recht verstehe, wurde dieser Vertrag also deshalb von Ihnen abgeschlossen, weil Sie Leiter der Dienststelle Ribbentrop waren?

VON RIBBENTROP: Das ist richtig. Die Dienststelle Ribbentrop bestand allerdings hauptsächlich wohl nur in meiner Person und ein paar Mitarbeitern. Aber es ist richtig, daß der Führer wünschte, daß ich den Vertrag abschloß, weil er ihm keinen so offiziellen Anstrich geben wollte.

DR. HORN: Hatte dieser Pakt auch realpolitische Ziele oder nur weltanschauliche?

VON RIBBENTROP: Es ist sicher, daß dieser Pakt – grundsätzlich möchte ich sagen, hatte der Pakt ein weltanschauliches Ziel. Er sollte der damaligen Arbeit der Komintern in den verschiedenen Ländern entgegentreten. Aber es ist natürlich, daß derselbe auch ein politisches Moment in sich barg. Dieses politische Moment war damals ein antirussisches, weil Moskau der Träger des Kominterngedankens war. Es schwebte also damals dem Führer und auch mir vor, daß dadurch ein gewisses Gleichgewicht oder Gegengewicht gegen die russischen Bestrebungen oder gegen Rußland auch im politischen Sinne geschaffen wurde, das da weltanschaulich, auch politisch natürlich, im Gegensatz zu Deutschland stand.

VORSITZENDER: Dr. Horn! Halten Sie und der Angeklagte es wirklich für notwendig, soviel Zeit, wie der Angeklagte eben in Anspruch genommen hat, darauf zu verwenden, um zu erzählen, warum er in seiner Eigenschaft als Botschafter in London aufgefordert wurde, den Antikomintern-Pakt zu unterzeichnen?

DR. HORN: Ich kann den Herrn Vorsitzenden nicht gut hören.

VORSITZENDER: Meine Frage war, ob Sie und der Angeklagte es für notwendig halten, daß der Angeklagte eine so lange Rede hält als Antwort auf Ihre Frage, warum man sich seiner, des Botschafters in London, bediente, um den Antikomintern-Pakt zu unterzeichnen. Er hat mindestens fünf Minuten darüber gesprochen.

DR. HORN: Am 4. Februar 1938 wurden Sie zum Außenminister ernannt. Wie kam es zu dieser Ernennung?

VON RIBBENTROP: Ich sagte schon, daß ich am 4. Februar 1938 in Berlin war. Der Führer ließ mich kommen, eröffnete mir, daß im Rahmen eines Wechsels in verschiedenen höheren Stellungen er auch einen Wechsel des Außenministers vornehmen würde. Er habe den bisherigen Außenminister, Herrn von Neurath, zum Präsidenten des Geheimen Kabinettsrats ernannt. Ich habe damals dem Führer erwidert, daß ich selbstverständlich seinem Rufe gerne Folge leisten würde.

DR. HORN: Bei dieser Gelegenheit erhielten Sie auch einen hohen SS-Dienstrang. Es wurde von der Anklage behauptet, daß dieser Dienstrang kein Ehrenrang sei. Wie verhält es sich?

VON RIBBENTROP: Ich muß da einen Punkt berichtigen, glaube ich. Einen SS-Rang habe ich schon vorher bekommen. Und ich glaube – ob es bei dieser Ernennung zum Außenminister war oder später, weiß ich nicht mehr genau –, wurde ich SS-Gruppenführer. Der Führer verlieh mir den Rang und die Uniform eines SS-Gruppenführers. Das war eine Stellung, wie man sie wohl früher in der Armee als eine Stellung a la suite bezeichnen konnte. Es kam so, daß ich damals auch den SS-Gedanken durchaus bejahte. Ich stand damals auch mit Himmler ganz gut. Ich sah in dem SS-Gedanken seinerzeit die mögliche Basis der Herstellung und Schaffung einer idealistischen Führerschicht, so ungefähr wie in England, und wie sie in diesem Kriege in der Tapferkeit unserer Waffen-SS symbolisch zum Ausdruck gekommen ist. Später wurde meine Einstellung zu Himmler allerdings eine andere. Aber der Führer hat mir diesen Rang verliehen, weil er wollte, daß ich in der Partei, bei Parteiversammlungen, die Parteiuniform hatte und auch einen Rang in der Partei einnahm.

Ich bitte, mir zu erlauben, dabei kurz auch von meiner Einstellung zur Partei sprechen zu dürfen. Es ist, glaube ich, gestern oder vorgestern die Frage aufgeworfen worden, ob ich ein richtiger Nationalsozialist gewesen sei. Ich maße mir hierüber kein Urteil an. Sicher ist, daß ich erst in späterer Zeit zu Adolf Hitler gestoßen bin. Ich habe mich auch mit den nationalsozialistischen Doktrinen und Programm weniger befaßt, auch mit der Rassentheorie, die kannte ich wenig. Ich war kein Antisemit und habe auch die Kirchenfragen nicht ganz so verstanden, obwohl ich selbst aus der Kirche seit langem ausgetreten war. Das hatte seine inneren Gründe – und zwar in den zwanziger Jahren, anfangs der zwanziger Jahre – in der deutschen Kirchenentwicklung. Ich bin aber trotzdem, glaube ich immer ein guter Christ gewesen. Aber was mich zur Partei zog, das war, was ich damals erkannte, daß die Partei ein starkes, blühendes und soziales Deutschland haben wollte. Das wollte ich auch und aus diesem Grunde bin ich dann im Jahre 1932 bewußt Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei geworden.

DR. HORN: Hatten Sie vorher schon sich in den Dienst der Partei gestellt, wie es die Anklage behauptet hat, und zwar seit dem Jahre 1930?

VON RIBBENTROP: Es war im Jahre 1930, als bei der großen Reichstagswahl der Nationalsozialismus damals über 100 Stimmen im Deutschen Reichstag bekam. Ich habe gestern schon geschildert und brauche wohl nicht mehr darauf einzugehen, in welchem Zustand damals Deutschland war. Ich bin aber in den Jahren 1930, 1931, 1932 allmählich der Partei nähergekommen. Ich habe dann seit 1932 – ich glaube es ist im August gewesen, als ich beitrat – von dem Augenblick an bis zum Ende dieses Krieges meine ganze Kraft dem nationalsozialistischen Deutschland gewidmet und sie dabei erschöpft. Ich möchte das hier offen bekennen vor diesem Gericht und vor der Welt, daß ich mich immer bemüht habe, ein guter Nationalsozialist zu sein, und daß ich stolz darauf war, zu einem Häuflein Männer zu gehören, von Idealisten, die nichts anderes wollten, als Deutschland wieder Ansehen in der Welt zu verschaffen.

DR. HORN: Welche außenpolitischen Probleme bezeichnete Ihnen Hitler bei Ihrer Amtsübernahme als lösungsbedürftig, und welche Richtlinien gab er Ihnen für die Führung der Außenpolitik?

VON RIBBENTROP: Bei meiner Amtsübernahme hat der Führer an sich verhältnismäßig wenig mit mir gesprochen. Er sagte mir nur, daß Deutschland jetzt eine neue Position bekommen habe. Es sei wieder in den Kreis der gleichberechtigten Nationen eingerückt, und es sei klar, daß auch gewisse Probleme in Zukunft noch gelöst werden müßten. Er hat mir damals nach meiner Erinnerung besonders vier Probleme bezeichnet, die früher oder später zu einer Lösung gebracht werden müßten. Er betonte dabei auch, daß solche Probleme nur gelöst werden könnten mit einer starken Wehrmacht, nicht in ihrem Einsatz, sondern in ihrer Existenz, denn ein Land, das nicht auch rüstungsmäßig stark sei, könne überhaupt keine Außenpolitik betreiben. Das hätten wir in den vergangenen Jahren gesehen, sondern ein solches Land operiere sozusagen im luftleeren Raum. Er sagte, wir müßten zu unseren Nachbarn in ein klares Verhältnis kommen. Die vier Probleme, die er mir nannte, waren vor allem Österreich, dann sprach er von einer Lösung des Sudetenlandes, von dem kleinen Memelländchen und von Danzig und dem Korridor, alles Probleme, die in irgendeiner Form zu einer Lösung kommen mußten. Es sei meine Aufgabe, ihm hierbei diplomatisch zu helfen. Mein Bestreben war von diesem Augenblick an, dem Führer bei der Vorbereitung irgendeiner Lösung dieser Probleme in deutschem Sinne zu helfen.

DR. HORN: Sie fuhren nach Ihrer Ernennung...

VORSITZENDER: Ich glaube, es ist jetzt Zeit für eine Verhandlungspause.