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[Pause von 10 Minuten.]

DR. HORN: In welcher Weise vollzog sich nach Ihrer Ernennung zum Außenminister die deutsche Außenpolitik?

VON RIBBENTROP: Ich habe damals zunächst versucht, einen genauen Überblick über die Geschäfte des Außenministeriums und über die Lage zu bekommen. Die deutsche Außenpolitik war, wie ich schon vorhin sagte, zu einem gewissen Punkt gelangt, nämlich daß Deutschland wieder eine Achtung in der Welt genoß, und es handelte sich also darum, nunmehr diejenigen wichtigen und vitalen Probleme, die sich durch den Versailler Vertrag in Europa ergeben hatten, irgendwie einer Lösung zuzuführen. Dies war um so notwendiger, als gerade zum Beispiel die Volkstumsfragen einen ewigen Konfliktstoff beziehungsweise Konfliktsmöglichkeiten gegen eine friedliche Entwicklung in Europa in sich bargen.

Ich habe dann in der Folgezeit zunächst mich in die Geschäfte des Ministeriums eingearbeitet. Es war anfangs nicht ganz leicht, weil ich mit völlig neuen Männern zu tun hatte. Es mußte, ich darf das hier erwähnen.... Adolf Hitler stand nicht immer positiv zum Auswärtigen Amt, und ich habe es in Weiterverfolgung der Bestrebungen meines Herrn Vorgängers, Minister von Neurath, als die wichtigste Aufgabe betrachtet, das Auswärtige Amt Adolf Hitler näherzubringen und eine Überbrückung der Gedankenwelt herbeizuführen.

Ich war mir bei der Übernahme des Ministeriums von Anfang an klar, daß ich, ich möchte sagen, im Schatten eines Titanen arbeiten würde, daß ich mir gewisse Beschränkungen auferlegen müßte, das heißt also, daß ich nicht in der Lage sein würde, die Außenpolitik, vielleicht kann man sagen so zu führen, wie es sonst ein Außenminister tut, der einem parlamentarischen System, einem Parlament, verantwortlich ist. Die überragende Persönlichkeit des Führers dominierte natürlich auch die Außenpolitik. Er befaßte sich mit derselben in allen Einzelheiten. Es spielte sich ungefähr so ab, daß ich meinerseits ihm Vorträge hielt, ihm die wichtigen außenpolitischen Nachrichten laufend durch einen Verbindungsmann übermittelte, und Hitler gab mir bestimmte Aufträge, zu außenpolitischen Problemen Stellung zu nehmen, und so weiter.

Im Laufe dieser Rücksprachen kristallisierte sich als erstes und wichtigstes Problem heraus das Problem Österreich, das irgendeiner Lösung zugeführt werden sollte. Österreich war von jeher eine Herzensangelegenheit des Führers gewesen, als geborener Österreicher, und es war natürlich klar, daß mit der zunehmenden Macht Deutschlands auch die früher schon immer bestehenden Bestrebungen einer engeren Verbindung Deutschlands mit Österreich stärker als vorher zum Durchbruch kamen. Ich habe damals dieses Problem noch weniger gekannt, denn es war so, daß Hitler dieses Problem hauptsächlich persönlich behandelte.

DR. HORN: Haben Sie bei Ihrer Amtsübernahme oder später Kenntnis von einer Besprechungsniederschrift vom 5. November 1937 erhalten, die hier unter dem Begriff »Hoßbach-Dokument« bekanntgeworden ist?

VON RIBBENTROP: Dieses Dokument, von dem hier verschiedentlich gesprochen ist, kannte ich nicht. Ich habe es hier zum ersten Male gesehen.

DR. HORN: Hat sich Hitler Ihnen gegenüber im Sinne dieses Dokuments irgendwann einmal geäußert?

VON RIBBENTROP: Ich entsinne mich jetzt an den Inhalt dieses Dokuments nicht in allen Einzelheiten, aber der Führer hatte die Gewohnheit, sich überhaupt verhältnismäßig wenig über seine Ziele und Absichten und grundsätzlichen Einstellungen auszulassen, jedenfalls mir gegenüber. Er hat davon gesprochen, daß Deutschland gewisse Probleme in Europa lösen müßte, wie ich schon sagte, und daß man hierfür stark sein müßte. Er hat auch von der Möglichkeit gesprochen, daß hierbei es zu Auseinandersetzungen kommen könnte, aber irgend etwas Näheres hat er mir darüber nicht gesagt. Er hat mir gegenüber im Gegenteil immer betont, daß es sein Wunsch sei, diese absolut zu lösenden Punkte und Probleme in Europa auf dem Wege der Diplomatie zu erreichen, und daß, wenn er einmal diese Probleme gelöst habe, er die Absicht habe, einen idealen sozialen Volksstaat zu errichten und, daß das Deutschland, das er dann schaffen wolle, mit seinen Bauten, an denen ihm besonders lag, daß dies ein Musterbeispiel eines modernen sozialen Staates sein sollte. Er hat also mir gegenüber wohl die Möglichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung gelegentlich erwähnt, aber er hat mir als sein festes Ziel immer bezeichnet, daß es seine Absicht war und sei, dieses Ziel der Lösung der »Unmöglichkeit von Versailles«, wie er sich manchmal ausdrückte, auf friedlichem Wege zu lösen.

DR. HORN: Kurz nach Ihrer Ernennung zum Außenminister wurden Sie von Hitler zur Besprechung mit Schuschnigg nach Berchtesgaden gerufen. Was wurde dort besprochen, und welche Rolle spielten Sie bei diesen Besprechungen?

VON RIBBENTROP: Hitler machte mir – ich sehe, es war am 12. Februar 1938 – die Mitteilung, daß er mit dem Bundeskanzler Schuschnigg auf dem Obersalzberg zusammenkommen würde. Ich entsinne mich jetzt nicht mehr im einzelnen. Ich sehe aus meinen Notizen hier, daß es am 12. Februar war. Eines weiß ich, er bezeichnete mir damals als die zu erstrebende Lösung, daß in irgendeiner Form den deutschen Nationalsozialisten in Österreich geholfen werden müßte. Es waren da Schwierigkeiten aller Art aufgetaucht, die ich im einzelnen heute nicht mehr im Kopfe habe. Jedenfalls waren wohl viele Nationalsozialisten in den Gefängnissen, und es drohte durch das natürliche Bestreben dieser österreichischen Menschen, mit dem Reich in eine engere Verbindung zu kommen..., drohte dieses österreichische Problem zu einem wirklich ernsten Problem zwischen Deutschland und Österreich zu werden.

Adolf Hitler sagte mir damals, daß ich beim Berghof anwesend sein möge. Es ist dann später davon gesprochen worden, daß Adolf Hitler einmal gesagt habe – das habe ich hier gehört –, daß er die Absicht gehabt hätte, das Selbstbestimmungsrecht dieser sechs Millionen Deutscher unter allen Umständen im Laufe des Jahres 1938 zu erkämpfen. Ich entsinne mich nicht, daß er dies gesagt hat, aber ich halte das durchaus für wahrscheinlich.

Bei dem Empfang mit Schuschnigg auf dem Obersalzberg war ich zugegen. Hitler empfing Schuschnigg allein und hatte eine lange Aussprache mit ihm. Einzelheiten über diese Aussprache sind mir nicht bekannt; denn ich war dabei nicht anwesend. Ich erinnere mich, daß Schuschnigg nach dieser Aussprache dann mit mir zusammenkam und daß ich eine lange Aussprache mit ihm hatte.

DR. HORN: Haben Sie damals, wie die Anklage behauptet, Schuschnigg unter politischen Druck gesetzt?

VON RIBBENTROP: Nein, das trifft nicht zu. Meiner Aussprache mit Schuschnigg entsinne ich mich sehr genau, während die anderen Einzelheiten der Begebenheiten auf dem Obersalzberg mir insofern weniger in Erinnerung sind, als ich ja bei der ersten als auch der zweiten Besprechung Hitlers mit Schuschnigg nicht zugegen war. Bei der Aussprache, die ich mit Schuschnigg hatte, ging es sehr freundschaftlich zu. Ich empfand, daß Schuschnigg wohl einen sehr starken Eindruck vom Führer und seiner Persönlichkeit bekommen hatte. Ich möchte vorausschicken noch, daß ich die Einzelheiten, was Hitler damals mit Schuschnigg durchsetzen wollte oder besprechen wollte, nicht genau kannte, so daß ich materiell mit ihm wenig oder eigentlich gar nichts sprechen konnte. Unsere Unterhaltung beschränkte sich daher auf mehr allgemeine Themen. Ich sagte Schuschnigg, daß nach meiner Auffassung diese beiden Länder enger zusammenkommen müßten und, daß es vielleicht seine historische Aufgabe sei, hierbei mitzuwirken und mitzuarbeiten. Es seien nun mal beides Deutsche, und zwei solche Deutsche könne man doch nicht auf die Dauer voneinander mit künstlichen Schranken trennen.

DR. HORN: Ist damals bei dieser Besprechung schon von einem Abgehen des deutsch-österreichischen Vertrages von 1936 gesprochen worden?

VON RIBBENTROP: Ich habe mit Schuschnigg über diesen Punkt nicht gesprochen, ich glaube, auch der Führer in keiner Weise; denn, nach dem, was Schuschnigg mir sagte, hat auch der Führer nur mit ihm, soweit ich ihn verstehen konnte, – Einzelheiten weiß ich leider nicht – gesprochen in dem Sinne, daß bestimmte Maßnahmen in Österreich durchgeführt werden müßten, um diese Konfliktstoffe zwischen den beiden Ländern zu beseitigen. Meine Aussprache, das sagte ich schon, mit ihm war sehr freundschaftlich, und ich darf bemerken, daß, als ich Schuschnigg den Gedanken eröffnete oder äußerte, daß die beiden Länder näher zusammenkommen müßten, daß sich Schuschnigg mir gegenüber durchaus positiv zu diesem Gedanken äußerte, so daß ich damals sogar bis zu einem gewissen Grade überrascht war von dieser positiven Einstellung. Von einem Drucke auf Schuschnigg während unserer Unterhaltung kann nicht gesprochen werden. Die Unterhaltung des Führers mit ihm, glaube ich schon, daß die in einer klaren Sprache stattgefunden hat; denn der Führer wollte ja im Interesse der Beseitigung der Probleme, die zwischen den beiden Ländern schwebten, zu irgendeiner Besserung kommen, und dabei muß man ja zwischen Staatsmännern schon offen sagen, was man denkt. Ich habe hier gehört, ich glaube, es ist aus einer Tagebuchaufzeichnung des Generaloberst Jodl, daß ein starker politischer und militärischer Druck ausgeübt worden sei. Ich darf das hier bezeugen, daß mir von einem militärischen Drucke und auch einem starken politischen Drucke bei dieser Begegnung Schuschniggs mit dem Führer nichts bewußt geworden ist. Ich darf nochmals sagen, sicher hat der Führer mit Schuschnigg klar und deutlich gesprochen, aber von irgendeinem Drucke militärischer Art oder auch politischer Art oder gar ultimativen Charakters in irgendeiner Form habe ich bestimmt nichts gespürt. Ich glaube auch, daß die Bemerkung von Generaloberst Jodl, ich glaube, der nicht persönlich anwesend war, vielleicht eine Tagebuchnotiz ist, die nur vom Hörensagen gestammt hat. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich damals von der Persönlichkeit Schuschniggs, ich habe das auch verschiedenen Personen gegenüber in meiner Umgebung, auch dem Führer gegenüber, geäußert, einen durchaus positiven und sympathischen Eindruck gewonnen hatte. Schuschnigg sprach damals sogar davon, daß die beiden Staaten – dieser Worte entsinne ich mich genau – schicksalhaft verbunden seien, und daß er dabei irgendwie mitwirken müsse, um die beiden Länder enger zusammenzuführen. Von einem Anschluß oder so was war zwischen uns in unserer Unterhaltung damals nicht die Rede. Ob der Führer davon gesprochen hat, weiß ich nicht, ich glaube es aber nicht.

DR. HORN: Hat Hitler zu Ihnen in jener Zeit, oder kurz hinterher, darüber gesprochen, daß er von dem deutsch-österreichischen Vertrage von 1936 abzugehen gedenkt und eine andere Lösung herbeiführen möchte?

VON RIBBENTROP: Hitler hat mit mir davon nicht gesprochen, wie ich überhaupt mit ihm über das österreichische Problem eigentlich sehr wenig, wenn überhaupt, gesprochen habe. Das klingt vielleicht merkwürdig, ist aber zu verstehen aus der Tatsache, daß ich ja am 4. Februar erst das Außenministerium übernahm und mich in die ganzen Probleme erst einarbeiten mußte. Die österreichische Frage war aber, wie ich schon erwähnte, sowieso eine Frage, die Adolf Hitler immer persönlich behandelte, und die daher sozusagen im Außenministerium mehr nur registriert wurde, während sie persönlich von ihm dirigiert wurde. Ich weiß und entsinne mich, daß auch der damalige Botschafter von Papen, glaube ich, das Recht hatte, unmittelbar an Hitler zu berichten, und daß das Auswärtige Amt Durchschläge dieser Berichte bekam. Diese Berichte wurden, glaube ich, von der Reichskanzlei dem Führer unmittelbar vorgelegt, so daß das Problem mehr in der Reichskanzlei eigentlich als im Auswärtigen Amt verankert war.

DR. HORN: Sie fuhren dann nach London zurück, um sich als Botschafter dort zu verabschieden. Was hörten Sie in London über die Entwicklung der österreichischen Frage?

VON RIBBENTROP: Ich darf vielleicht folgendes dazu sagen:

Mir persönlich hat immer eine Lösung der österreichischen Frage in dem Sinne vorgeschwebt, daß man zwischen den beiden Ländern eine Zoll- und Währungsunion durch einen Staatsvertrag herbeiführen sollte, weil ich persönlich glaubte, daß hierdurch auf dem natürlichsten und einfachsten Wege eine enge Verbundenheit der beiden Länder hergestellt werden könnte. Ich darf vielleicht dabei noch daran erinnern, daß dieser Gedanke einer Zollunion zumindest oder Währungsunion, weiß ich nicht, daß dieser Gedanke ein alter war und schon von den Regierungen vor Hitler verfolgt wurde und damals, glaube ich, durch Einspruch der alliierten Mächte nicht zustandekam. Es war also ein alter Wunsch auf beiden Seiten.

Ich darf Ihre Frage London vielleicht zunächst beantworten: Ich bin dann, nach meiner Notiz hier, am 8. März nach London gefahren. Das lag damals so, ich hatte schon erwähnt, daß ich, ich glaube es war zur Feier des 30. Januar, der Machterhebung des Nationalsozialismus, zufällig in Berlin war und dann am 4. Februar zum Außenminister ernannt wurde. Durch diese Ernennung war ich nicht dazu gekommen, mich offiziell in London zu verabschieden. Ich bin dann am 8. März 1938 nach London gefahren. Vor meiner Verabschiedung hatte ich eine kurze Aussprache mit Hitler, vor allen Dingen über englische Dinge; dabei aber entsinne ich mich, bemerkte er zu mir, daß die österreichische Frage zweifellos sich ganz gut anließe im Sinne der in Berchtesgaden getroffenen Verabredungen mit Schuschnigg. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich die Verabredungen nicht in allen Einzelheiten kannte, und ich entsinne mich eines kleinen Details noch, daß wir die erst einige Wochen später für die Kenntnis des österreichischen Referats von der Reichskanzlei anforderten. Ich war dann in London angekommen, ich glaube, es war am Nachmittag, und hörte dann dort zufälligerweise in der Botschaft am Rundfunk eine Rede, die der damalige Bundeskanzler Schuschnigg, ich glaube in Innsbruck oder in Graz, hielt. Diese Rede, muß ich sagen, erstaunte mich sehr. Einzelheiten würden hier zu weit führen. Ich habe sie auch nicht alle in Erinnerung. Ich weiß nur, daß die ganze Art – und mir schien vor allem auch der Ton der Rede – so war, daß ich gleich die Auffassung bekam, daß der Führer das so nicht hinnehmen würde, und daß die ganze Rede ganz zweifelsohne, dem Geiste zumindest, der in Obersalzberg getroffenen Verabredungen mit dem Führer widersprach. Ich war, wie gesagt, der Überzeugung, daß Adolf Hitler irgend etwas unternehmen würde; und mir persönlich, das möchte ich auch hier vor diesem Gericht ganz offen sagen, schien es auch richtig, daß in irgendeiner Form eine Lösung dieser Frage vorgenommen würde, das heißt also, daß doch mit Schuschnigg sehr offen gesprochen werden müßte, damit die Dinge sich nicht vielleicht irgendwie zu einer Katastrophe, vielleicht sogar zu einer europäischen Katastrophe auswüchsen. Ich habe dann am nächsten Vormittag mit Lord Halifax eine lange Unterredung gehabt. Lord Halifax hatte auch Nachrichten aus Österreich, und ich habe versucht, ihm ohne genaue Kenntnis der Dinge zu erklären, daß es besser sei, die Frage in irgendeiner Form jetzt zu einer Lösung zu bringen, und daß dies auch gerade im Interesse der deutsch-englischen Bestrebungen einer freundschaftlichen Einigung das beste sei; denn auf die Dauer wäre es doch falsch, daß etwa die angestrebte, und zwar von beiden Seiten doch angestrebte damals deutsch-englische Freundschaft wegen eines solchen Problems etwa in die Brüche gehen könnte. Lord Halifax nahm diese Dinge damals ruhig auf und sagte mir, ich würde ja auch noch Gelegenheit haben, nachdem, wie ich mich entsinne, mit dem englischen Premierminister Mr. Chamberlain bei dem nachfolgenden Frühstück über diese Dinge zu sprechen. Es war dann anschließend ein Frühstück bei dem damaligen Premierminister Chamberlain. Während dieses Frühstücks oder nach diesem Frühstück hatte ich mit Chamberlain eine lange Unterhaltung. In dieser Unterhaltung betonte Mr. Chamberlain nochmals seinen Wunsch, mit Deutschland zu einer Verständigung zu kommen. Ich war außerordentlich froh über diese Eröffnung und sagte ihm, daß ich der festen Überzeugung sei, das sei auch die Auffassung des Führers, und er hat mir speziell eine Botschaft mitgegeben an den Führer, daß dies sein Wunsch sei, und daß er alles in dieser Richtung tun wollte. Kurz nach diesem Gespräch kamen Telegramme aus Österreich, aus Wien, ich glaube von dem damaligen Gesandten oder englischen Konsul. Mr. Chamberlain und Lord Halifax baten mich in ihr Büro. Dieses Frühstück war in der Downing-Street 10, glaube ich, und ich habe dann mit ihnen in ihrem Büro unten diese Telegramme besprochen. Ich sagte ihnen, daß ich natürlich keine genauen Nachrichten hätte; es kam die Nachricht von einem Ultimatum, dann später von dem Einmarsch der deutschen Truppen, und wir verabredeten, daß ich mit meiner Regierung versuchen würde, in Verbindung zu kommen, und daß Lord Halifax am Nachmittag zu mir in die Botschaft kommen würde, um die Dinge weiter zu besprechen. Ich darf betonen, daß auch hier Mr. Chamberlain eine sehr ruhige, und mir schien, sehr vernünftige Haltung zu der österreichischen Frage einnahm. Am Nachmittag war Lord Halifax bei mir. Wir haben eine längere Aussprache gehabt. Inzwischen war der Einmarsch deutscher Truppen bekanntgeworden, und ich möchte hier betonen, daß diese Aussprache mit Lord Halifax sehr freundschaftlich verlief, und daß ich am Ende derselben den englischen Außenminister zu einem erneuten Besuch in Deutschland einlud, den er akzeptierte mit der Bemerkung, daß er gerne kommen würde; dann müßte man vielleicht eine neue Jagdausstellung arrangieren.

DR. HORN: Am nächsten Morgen hatten Sie ein Telephongespräch mit dem Angeklagten Göring. Dieses Telephongespräch ist von der Anklage vorgelegt worden mit der Behauptung, daß es die Doppelzüngigkeit Ihrer Politik darlege. Wie verhält es sich damit?

VON RIBBENTROP: Das trifft nicht zu. Es hat Reichsmarschall Göring schon gesagt, daß es sich hier um ein diplomatisches Gespräch gehandelt habe, und diplomatische Gespräche werden ja in aller Welt gleich geführt. Ich darf aber hierzu sagen, daß ich durch dieses Telephongespräch zum ersten Male die Einzelheiten dieser österreichischen Begebenheiten hörte. Ich hörte, ohne auf Einzelheiten eingehen zu wollen, vor allem davon, daß diese Abstimmung zweifellos nicht dem wahren Volkswillen des österreichischen Volkes entsprochen hätte, und eine Anzahl weiterer Punkte, die mich Göring bat, dann gelegentlich bei Gesprächen mit den englischen Ministern zu erwähnen. Ich möchte aber dazu sagen, daß es praktisch zu solchen Gesprächen nicht mehr gekommen ist, denn meine Verabschiedungen bei den offiziellen englischen Kreisen waren damals schon beendet. Ich habe also tatsächlich auf Grund der Gespräche mit Reichsmarschall Göring, glaube ich, nicht ein einziges Gespräch mehr geführt, sondern einige Stunden nach diesem Gespräch bereits London verlassen im Flugzeug, um mich nach Berlin und später nach Wien zu begeben.

Ich darf vielleicht sagen, daß ich zunächst zu Göring nach Karinhall flog und mit Göring sprach, der über den Anschluß, das heißt nicht Anschluß, sondern über die ganze österreichische Entwicklung ebenso glücklich war, wie ich selber auch. Wir alle waren es. Ich flog dann, ich glaube am selben Tage noch nach Wien und kam dort ungefähr zu gleicher Zeit an als Adolf Hitler. Ich hörte inzwischen auch von dem Anschluß, und in Wien erst hörte ich, daß der Anschlußgedanke auch bei Adolf Hitler erst im Laufe seiner Fahrt durch Österreich wirklich endgültig gekommen war. Ich glaube, es ist durch eine Kundgebung in Linz gewesen, und er hat sich dann ganz kurz, glaube ich, entschlossen, den Anschluß durchzuführen.

DR. HORN: Welches Problem bezeichnete Ihnen Hitler im Anschluß an den österreichischen Anschluß als das nächste von Ihnen zu lösende?

VON RIBBENTROP: Das nächste Problem, das Hitler mir am 4. Februar bezeichnet hatte, war das Problem der Sudetendeutschen. Dieses Problem war aber nicht etwa ein Problem, was nunmehr, a priori möchte ich sagen, von Hitler oder dem Auswärtigen Amte oder irgendeiner anderen Stelle nun auf geworfen wurde, sondern es war ein Problem, das sich von selber stellte. Ich glaube, es war der amerikanische Anklagevertreter, der hier gesagt hat, daß hier mit dem Ende der Tschechoslowakei ein Kapitel zu Ende gegangen sei, das eines der traurigsten in der Völkergeschichte gewesen sei, nämlich die Vergewaltigung und Zerstörung des kleinen tschechoslowakischen Volkes. Ich möchte bitten, aus meiner Kenntnis hier folgendes dazu sagen zu dürfen.

Man kann in dem Sinne von einem tschechoslowakischen Staat, aber weniger von einem tschechoslowakischen Volke sprechen, sondern es handelte sich hier um einen Nationalitätenstaat, der die verschiedensten Volksgruppen umfaßte. Ich erwähne nur außer Tschechen Deutsche, Ungarn, Polen, Ruthenen, Karpathenukrainer, Slowaken und so weiter. Es waren also an sich ziemlich heterogene Elemente in dem Staate im Jahr 1919 zusammengeschweißt worden. Es ist ganz sicher und wohl historisch, daß die Bestrebungen dieses an sich künstlich zusammengefügten Staatsgefüges der einzelnen Völkerschaften bis zu einem gewissen Grade auseinanderliefen, und daß die Tschechen aus ihrer Einstellung heraus versuchten, nun diese Völker mit einem starken, ich möchte sagen, eisernen Ring zu umgeben. Dies wiederum brachte Druck, wie Druck immer Gegendruck erzeugt, Gegendruck bei den verschiedenen Völkern dieses Staates, und es ist ganz klar, daß ein starkes Deutschland, ein Deutschland des Nationalsozialismus, damals auf all die in Europa abgesplitterten oder jedenfalls an Deutschland angrenzenden Volksgruppen – möchte ich sagen, auch auf die anderen zum Teil – eine starke Anziehungskraft ausübte. So kam es, daß die deutschen Minderheiten im Sudetenland, die in den Jahren seit 1919 einem laufenden, doch recht erheblichen Druck ausgesetzt waren seitens Prag, nunmehr einem noch verstärkten Druck ausgesetzt wurden. Dies – ich glaube, ich brauche nicht auf irgendwelche Einzelheiten einzugehen –, aber ich weiß aus eigener Kenntnis und sogar aus eigenen Gesprächen im Laufe meiner Londoner Botschaftertätigkeit, daß die Frage des Sudetenlandes im Foreign Office in London ein sehr klarer Begriff war, und daß es gerade England war, das sehr oft, vor 1933 schon, sich gerade auch für gewisse Belange der Sudetendeutschen in Zusammenarbeit mit dem damaligen Sudetenführer Konrad Henlein eingesetzt hat.

Nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler wurde zweifellos die Unterdrückung gegen diese deutschen Minderheiten verstärkt durchgeführt. Es ist – und da möchte ich auch darauf hinweisen, ich weiß das aus meiner Einsicht in die Akten des Auswärtigen Amtes der damaligen Zeit – in dem Völkerbundsreferat in Genf für Minderheiten ein ungeheures Aktenmaterial vorhanden gerade über das Sudetendeutschtum und die großen Schwierigkeiten, denen die Deutschen dort in der Ausübung und Durchsetzung ihres kulturellen Eigenlebens ausgesetzt waren.

Ich glaube nicht, daß es zuviel gesagt ist, daß die Art der Behandlung des Sudetenlandes seitens Prags auch nach Urteil der maßgebenden objektiven Völkerbundsinstanzen selbst also in keiner Weise mit den Bestimmungen des Völkerbundes über die Minderheiten in Einklang gebracht werden konnte. Ich selbst hielt es nun auch für absolut notwendig, damit sich dieses Problem nicht zu einem Konfliktstoff auswuchs, was wiederum, wie im Falle Österreich, ganz Europa auf die Beine bringen würde, daß wir hier zu irgendeiner Lösung kommen müßten. Ich möchte betonen, daß das Auswärtige Amt mit mir von Anfang an immer bestrebt gewesen ist, dieses sudetendeutsche Problem auf dem Wege der diplomatischen Verhandlungen mit den Hauptsignatarmächten von Versailles zu einer Lösung zu bringen, und ich darf hinzufügen, meine persönliche Überzeugung, die ich ja Hitler gegenüber zum Ausdruck gebracht habe, daß bei genügend Zeit und entsprechender Behandlung ein Deutschland, wie wir es 1938 hatten, dieses Problem auch zu einer diplomatischen, das heißt friedlichen Lösung bringen könnte.

Von der Anklagebehörde ist mir der Vorwurf gemacht worden, auf illegale Weise Unruhe und Unfrieden in der Tschechoslowakei geschürt und damit bewußt zu der Auslösung dieser Krise beigetragen zu haben. Ich bestreite in keiner Weise, daß zwischen der SDP – Sudetendeutsche Partei – und der NSDAP – der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei – seit langem schon Verbindungen bestanden, die auf die Wahrung der Interessen der sudetendeutschen Belange gegenüber Prag hinausliefen. Ich will auch in keiner Weise bestreiten, daß zum Beispiel, was hier erwähnt worden ist, die Sudetendeutsche Partei durch gewisse Beiträge von dem Reiche unterstützt worden ist. Ich darf sogar sagen, und ich glaube, die Tschechoslowakische Regierung wird das bestätigen, daß das ein offenes Geheimnis war, daß man in Prag das ganz genau wußte. Aber es ist nicht richtig, daß seitens des Auswärtigen Amtes und von mir irgend etwas getan worden ist, um nunmehr hier etwa diese Bestrebungen so zu dirigieren, daß daraus ein wirklich ernstes Problem entstehen mußte. Ich möchte mir versagen, auf weitere Einzelheiten einzugehen, nur möchte ich noch einen Punkt erwähnen. Es sind da Dokumente erwähnt worden von Verhaftungen von tschechoslowakischen Staatsbürgern in Deutschland als Repressalie gegen Sudetendeutsche. Dazu kann ich nur sagen, daß dies Maßnahmen waren, die nur aus der damaligen Situation zu verstehen und zu erklären sind, die aber nicht etwa von uns, vom Auswärtigen Amte, herbeigeführt wurden, um die Dinge zu verschärfen, sondern, im Gegenteil, ich habe im weiteren Verlaufe versucht, die Sudetendeutsche Partei, sowohl durch die Gesandtschaft Prag als auch durch eigene Einwirkung von meinen Herren des Amtes mehr an die Zügel zu bekommen. Ich glaube, daß die hier bekanntgewordenen Urkunden dies auch zum Teile deutlich beweisen. Ich habe die Urkunden nicht hier und kann daher im einzelnen auf die Dinge leider nicht eingehen. Aber ich glaube, daß vielleicht die Verteidigung die Möglichkeit hat, diese Dinge noch im einzelnen klarzustellen.

DR. HORN: Wie kam es dann im Sommer zu den krisenhaften Erscheinungen?

VON RIBBENTROP: Das war so, daß die... naturgemäß, wie das immer ist, ein solches Volkstum seine eigene Dynamik hat. Es ist bei uns im Auswärtigen Amte diese Frage der angrenzenden, an das Deutsche Reich angrenzenden, abgesplitterten Volkstumsgruppen oft als das sogenannte »unheimliche Problem« bezeichnet worden, das heißt, ein Problem, das die Außenpolitik nicht so in der Hand hat, wie es vielleicht im Interesse der Außenpolitik notwendig wäre. Sondern es handelt sich ja hier nicht nur um Buchstaben und Paragraphen, sondern um lebendige Menschen, die ihre eigenen Gesetze haben und ihre eigene Dynamik. Es war also so, daß die Sudetendeutsche Partei natürlich auf immer größere Selbständigkeit strebte, und es kann nicht bestritten werden, daß eine Anzahl von maßgebenden Führern zumindest damals eine absolute Autonomie durchsetzen wollten, wenn nicht sogar irgendwie die Möglichkeit eines Anschlusses an das Reich. Das ist ganz klar. Das war auch das Ziel der Sudetendeutschen Partei. Für das Auswärtige Amt und für die deutsche Außenpolitik, auch für Hitler, ergaben sich natürlich daraus allerhand Schwierigkeiten. Ich habe dann, wie ich schon sagte, versucht, die Dinge von der Außenpolitik mehr an die Zügel zu nehmen. Ich habe damals Konrad Henlein empfangen – ich glaube einmal oder zweimal, ich weiß es nicht mehr genau – und habe ihn gebeten, daß er doch nichts tun möchte in seinen politischen Bestrebungen Prag gegenüber, das geeignet wäre, die deutsche Außenpolitik in irgendwelche Zwangslagen zu bringen. Natürlich war das vielleicht auch für Henlein nicht immer ganz leicht, und ich weiß, daß die Führer der Sudetendeutschen Partei natürlich auch bei anderen Stellen des Reiches Eingang und Gehör fanden, und auch Adolf Hitler selbst, der sich für dieses Problem interessierte, hat diese Führer gelegentlich selbst empfangen. Die Krise, oder ich möchte sagen, die ganze Lage kam dadurch immer mehr zu einer, ich möchte sagen, krisenhaften Entwicklung, daß einerseits die Sudetendeutschen ihre Forderungen in Prag immer offener und hartnäckiger vertraten, die Tschechen, die Prager Regierung, sich diesen Forderungen widersetzte, dadurch es zu Ausschreitungen kam, Verhaftungen und so weiter. Dadurch kamen natürlich die Dinge zu einer immer weiteren Verschärfung. Ich habe damals oft mit dem Tschechischen Gesandten gesprochen. Ich habe ihn gebeten, den Autonomiebestrebungen, überhaupt den Bestrebungen der Sudetendeutschen weitgehendst entgegenzukommen. Aber die Dinge entwickelten sich in einer Richtung, daß die Haltung von Prag starrer wurde und die Haltung der Sudetendeutschen ebenfalls.

DR. HORN: Wie kam es dann zu Chamberlains Besuch, und welches waren die Gründe dafür und Ihre Rolle, die Sie dabei spielten?

VON RIBBENTROP: Ich möchte hier einschalten, daß im Sommer 1938 die Dinge sich immer mehr zu einer krisenhaften Entwicklung zuspitzten. Es hat dann der Botschafter Sir Nevile Henderson in Berlin, mit dem ich auch wiederholt über dieses Problem sprach und der sich bemühte, die Dinge auch seinerseits zu überbrücken, an seine Regierung hierüber zweifellos laufend Berichte erstattet. Ich weiß es heute nicht mehr genau, aber ich glaube, daß es wohl auch durch seine Initiative damals war, daß es zu der Mission Runciman, daß Lord Runciman nach Prag kam. Runciman war zweifellos mit gutem Willen nach Prag gegangen und hat versucht, sich ein klares Bild über die Verhältnisse zu verschaffen. Es ist damals von ihm auch ein Gutachten erstattet worden, das, nach meiner Erinnerung jedenfalls, ich entsinne mich des Wortlautes nicht mehr, in der Richtung liegt, daß das Recht auf die Durchsetzung der Selbstbestimmung, ich glaube, einer sofortigen Selbstbestimmung des Sudetenlandes, nicht verkannt werden dürfte. Es war also, glaube ich, an sich ein für die Sudetendeutschen positives Gutachten. Immerhin war aber die Krise da. Es kam daher, ich glaube, es war – das Datum ist mir im Augenblick nicht geläufig – dazu, daß über den Botschafter Henderson Chamberlain sich mit der Reichsregierung in Verbindung setzte. Auf diese Weise kam es in der ersten Hälfte September zu dem Besuch Chamberlains beim Führer in Obersalzberg. Über diesen Besuch ist nicht allzuviel zu sagen. Der Führer sprach damals allein mit Chamberlain. Ich weiß aber, daß dieser Besuch, das spürten wir alle, in einer durchaus guten und angenehmen Atmosphäre stattfand. Wie ich mich erinnere, hat der Führer mir damals gesagt, daß er Chamberlain ganz offen gesagt habe, daß die Forderung der Sudetendeutschen nach ihrer Selbstbestimmung – die Freiheit in irgendeiner Form jetzt durchgeführt werden müßte. Chamberlain hat, glaube ich, damals, und das war die Substanz dieser Unterredung, erwidert, daß er dem britischen Kabinett von diesen Wünschen der Deutschen Regierung Bericht erstatten und dann weiter von sich hören lassen werde.

DR. HORN: Wie kam es dann zum zweiten Besuch in Godesberg von Chamberlain?

VON RIBBENTROP: Soviel ich mich erinnere, kamen dann die Dinge doch nicht recht vom Flecke, und die Lage im Sudetenland wurde schwieriger und drohte, wirklich zu einer ganz ernsten Krise nun nicht nur innerhalb der Tschechoslowakei zu werden, sondern auch zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei einerseits, und damit zu einer europäischen Krise. So kam es erneut zu einer Initiative seitens Mr. Chamberlains, und auf diese Weise kam der Besuch, ich glaube, es war wohl Mitte September oder zweite Hälfte des September, in Godesberg zustande.

DR. HORN: Wie wurde dann die sudetendeutsche Frage gelöst, und welches war Ihre Beteiligung dabei?

VON RIBBENTROP: Ich darf vielleicht über Godesberg dann berichten.

In Godesberg hat Adolf Hitler im Hinblick auf die Krise, die sich entwickelt hatte, Mr. Chamberlain mitgeteilt, daß er nunmehr unter allen Umständen zu einer Lösung dieser Frage kommen müsse. Ich darf betonen, daß über Einzelheiten militärischer Art mir damals nichts bekannt war. Ich weiß aber, daß der Führer sich damit befaßte, daß dieses Problem unter Umständen auch militärisch gelöst werden müßte. Er sagte in Godesberg Mr. Chamberlain, daß eine Lösung des sudetendeutschen Problems, ich glaube, ja baldmöglichst gefunden werden müßte. Mr. Chamberlain meinte, daß es schwierig sei, Prag so bald zu einer Lösung zu bekommen, und es kam dann während der Konferenz zu einem toten Punkte. Adolf Hitler hat dann selbst ein Memorandum diktiert, was er oder ich, glaube ich, damals Mr. Chamberlain übergeben sollte. Es hat dann ein Besuch, glaube ich, von dem Freund von Mr. Chamberlain, Sir Horace Wilson, bei mir noch stattgefunden, der sich damals sehr verdient machte bei der Überbrückung der Gegensätze. Ich konnte erreichen, daß abends eine neue Zusammenkunft stattfand. Während dieser Zusammenkunft, die zunächst in einer etwas kühlen Atmosphäre stattfand, wurde dem Führer eine Nachricht hereingereicht von der tschechischen Mobilmachung. Dies war insofern eine sehr bedauerliche Tatsache, als Adolf Hitler dies gerade in dem Augenblick sehr stark empfand, und sowohl er als Mr. Chamberlain wollten die Konferenz abbrechen. Das war zu einem Zeitpunkt, als damals der Dolmetscher gerade, ich glaube, dieses Memorandum des Führers, den Vorschlag, wie das sudetendeutsche Problem gelöst werden sollte, verlesen wollte. Ich habe dann durch eine Bemerkung und ein kurzes Gespräch mit dem Führer, dann mit Mr. Chamberlain diese Dinge überbrücken können. Es wurde dann erneut verhandelt, und nach einigen Stunden Verhandlungen lagen die Dinge so, daß Mr. Chamberlain dem Führer sagte, er sähe ein, daß etwas geschehen müsse, und er sei bereit, dem britischen Kabinett seinerseits dieses Memorandum zu unterbreiten, und ich glaube mich nicht zu täuschen, daß er zum Ausdruck brachte, daß er seinerseits auch empfehlen würde dem britischen Kabinett, also seinen Ministerkollegen, daß dieses Memorandum in Prag zur Annahme empfohlen werden sollte. Das Memorandum beinhaltete als Lösung, im großen gesehen, eine Angliederung des Sudetenlandes an das Reich, und der Führer drückte, glaube ich, in dem Memorandum den Wunsch aus, daß im Hinblick auf die krisenhafte Lage dort es nützlich sei, daß das innerhalb einer bestimmten Frist, ich glaube, es war der 1. Oktober, das waren damals wohl 10 oder 14 Tage, möglichst durchgeführt werden sollte. Mr. Chamberlain fuhr dann ab, und es vergingen eine Anzahl Tage. Die Krise wurde nicht besser, sondern eher schlimmer, das habe ich noch genau in Erinnerung. Und so meldete sich dann im letzten Drittel des September, das Datum habe ich nicht vor mir, eines Tages der Französische Botschafter und sagte, daß er eine günstige Nachricht in der sudetendeutschen Frage zu bringen habe. Später meldete sich ebenfalls dann der Englische Botschafter. Gleichzeitig, das hat hier Reichsmarschall Göring schon erwähnt, schaltete sich Italien in die Lösung der Krise ein, auf Grund eines Wunsches Mussolinis an Göring, und bot seine Vermittlung an. Es kam dann der Vorschlag Mussolinis zur Abhaltung einer Konferenz, der von England, Frankreich und Deutschland angenommen wurde. Der Französische und später auch der Englische Botschafter waren dann beim Führer und zeigten an Hand einer Karte die ungefähre Lösung, die man anscheinend zwischen Frankreich, England und Italien sich für die Lösung des Sudetenproblems gedacht hatte. Der Führer bezeichnete, ich entsinne mich noch, dem Französischen Botschafter gegenüber den Vorschlag zunächst, der gemacht war, als nicht befriedigend, wonach aber der Französische Botschafter erklärte, daß man natürlich über diese Frage noch sprechen und über die Möglichkeit, wie weit nun wirklich dort und dort Deutsche wohnten, also wie weit das Sudetenland sich erstrecke, das könne man ja dann in allen Einzelheiten noch durchgehen. Jedenfalls könne er seitens der Französischen Regierung, und ich glaube, ähnlich drückte sich dann wohl Sir Nevile Henderson aus bei dem späteren Empfang beim Führer, könne der Führer die Überzeugung haben, daß man englischerseits und französischerseits die Absicht habe, zu einer Lösung dieses Problems in deutschem Sinne beizutragen.

Es kam dann zu der Konferenz in München. Auf Einzelheiten dieser Konferenz brauche ich vielleicht nicht einzugehen. Ich möchte nur ganz kurz das Resultat schildern. Der Führer erläuterte den Staatsmännern an Hand einer Karte die Notwendigkeit, die er sah, welches Gebiet des Sudetenlandes nach seiner Auffassung zur endgültigen Befriedigung dem Deutschen Reiche eingegliedert werden sollte. Es entspann sich eine Diskussion. Der italienische Regierungschef, Mussolini, stimmte im großen den Gedankengängen des Führers zu. Der englische Premierminister machte zunächst gewisse Vorbehalte und sprach auch davon, daß man vielleicht noch mit den Tschechen, im einzelnen mit Prag, darüber sprechen sollte. Der französische Minister Daladier drückte sich nach meiner Erinnerung so aus, daß er meinte, daß, wenn man an diese Probleme schon herangegangen sei, daß die vier Großmächte hier eine Entscheidung treffen sollten. Dieser Auffassung waren jedenfalls dann zum Schluß alle vier Staatsmänner, und es kam dann zu dem Vertrag von München, in dem beschlossen wurde, daß das Sudetenland dem Deutschen Reich – gemäß dem in Karten dort zur Verfügung stehenden Material – angegliedert werden sollte. Der Führer war außerordentlich froh und glücklich über diese Lösung, und ich möchte dies hier nochmals besonders unterstreichen, auch ich war es im Hinblick auf andere Versionen, die mir im Laufe der Vernehmung hier bekanntgeworden sind. Wir alle waren außerordentlich glücklich, daß diese Frage auf diese Weise, in dieser Form gelöst worden ist.

VORSITZENDER: Wir werden uns bis 14.10 Uhr vertagen.