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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zeuge! Sie waren bei der Besprechung zwischen Präsident Hacha und Hitler am 15. März 1935 zugegen, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Ja, ich war anwesend.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich, daß Hitler bei dieser Besprechung sagte, er habe deutschen Truppen den Befehl erteilt, in die Tschechoslowakei einzumarschieren, und um 6.00 Uhr morgens würde die Deutsche Wehrmacht von allen Seiten in die Tschechoslowakei einfallen?

VON RIBBENTROP: Ich entsinne mich der genauen Worte nicht mehr, aber ich weiß, daß Hitler Hacha sagte, daß er die Länder Böhmen und Mähren besetzen würde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich daran, daß er sagte, er habe den Befehl zum Einmarsch deutscher Truppen in die Tschechoslowakei erteilt?

VON RIBBENTROP: Ja, das ist ja das, was ich eben sagte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich daran, daß der Angeklagte Göring – gemäß seinen, Aussagen vor Gericht – Präsident Hacha erklärt hat, er werde der deutschen Luftwaffe den Befehl erteilen, Prag zu bombardieren?

VON RIBBENTROP: Darüber kann ich nichts im einzelnen aussagen, weil ich bei der Besprechung nicht...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bitte Sie nicht um ausführliche Aussagen. Ich frage Sie, ob Sie sich an die immerhin sehr beachtliche Bemerkung des Angeklagten Göring gegenüber Präsident Hacha erinnern, daß er der deutschen Luftwaffe den Befehl erteilen würde, Prag zu bombardieren, wenn der tschechische Widerstand nicht abgeblasen würde. Erinnern Sie sich daran?

VON RIBBENTROP: Nein, das weiß ich nicht, da war ich nicht zugegen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren während der gesamten Dauer der Besprechung zugegen, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Nein, das war ich nicht, und wenn der britische Anklagevertreter mir die Möglichkeit gibt, dann werde ich dazu erklären, wie es war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bitte Sie, zunächst meine Frage zu beantworten. Sie erklären, sich nicht daran zu erinnern. Wenn der Angeklagte Göring zugibt, dies gesagt zu haben, würden Sie annehmen, daß es geschehen ist?

VON RIBBENTROP: Wenn Göring das sagt, dann wird es selbstverständlich zutreffen. Ich habe nur erklärt, daß ich nicht dabei war bei dieser Besprechung zwischen dem Präsidenten Hacha und dem damaligen Reichsmarschall Göring.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich an die Bemerkung Hitlers, daß die tschechische Armee innerhalb von zwei Tagen nicht mehr bestehen würde?

VON RIBBENTROP: Im einzelnen entsinne ich mich dessen nicht, nein; es war eine sehr lange Unterredung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich an Hitlers Worte, daß die deutschen Truppen um 6.00 Uhr morgens einmarschieren würden? Er schämte sich fast, zu sagen, daß auf jedes tschechische Bataillon eine deutsche Division komme?

VON RIBBENTROP: Das ist möglich, daß so was gesagt worden ist. An Einzelheiten entsinne ich mich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Falls derartige Dinge gesagt wurden, stimmen Sie mir dann bei, daß auf Präsident Hacha ein ganz unerträglicher Druck ausgeübt wurde?

VON RIBBENTROP: Zweifellos hat Hitler eine sehr klare Sprache geführt. Aber ich muß dazu sagen, daß der Präsident Hacha seinerseits nach Berlin gekommen war, um auch mit Hitler eine Lösung zu finden. Er war überrascht, daß der Einmarsch der Truppen erfolgen sollte. Das weiß ich und dessen entsinne ich mich genau. Aber er hat sich dann damit einverstanden erklärt und sich dann mit seiner eigenen Regierung und seinem Generalstabschef in Verbindung gesetzt, daß den deutschen Truppen kein feindlicher Empfang zuteil würde. Das von mir skizzierte Abkommen hat er dann mit Hitler und dem Außenminister der Tschechoslowakei und mir vollzogen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Stimmen Sie mir darin bei, daß dieses Abkommen durch Androhung einer Angriffsaktion seitens der deutschen Armee und Luftwaffe zustande gekommen ist?

VON RIBBENTROP: Es ist sicher, da der Führer dem Präsidenten Hacha gesagt hat, daß die deutsche Armee einmarschieren würde, daß natürlich unter diesem Eindruck dieses Instrument geschrieben worden ist; das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Glauben Sie nicht, daß Sie wenigstens eine meiner Fragen direkt beantworten könnten? Ich wiederhole meine Frage: Stimmen Sie mir bei, daß jenes Dokument durch unerträglichen Druck und Androhung eines Angriffs zustande gekommen ist? Das ist eine einfache Frage. Stimmen Sie mir bei?

VON RIBBENTROP: So nicht, nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Welchen weiteren Druck könnten Sie auf das Oberhaupt eines Staates ausüben, außer ihm zu drohen, daß Ihre Armee in überwältigender Stärke einmarschieren und Ihre Luftwaffe seine Hauptstadt bombardieren würde?

VON RIBBENTROP: Krieg, zum Beispiel.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ist denn das anderes als Krieg? Sehen Sie es nicht als Krieg an, wenn die Armee im Stärkeverhältnis von einer Division gegen ein Bataillon einmarschieren und die Luftwaffe Prag bombardieren würde?

VON RIBBENTROP: Präsident Hacha hatte dem Führer erklärt, daß er das Schicksal seines Landes in die Hände des Führers lege und der Führer hat...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie meine Frage beantworten. Meine Frage ist äußerst einfach, und ich möchte, daß Sie sie beantworten. Sie haben uns erklärt, daß das Abkommen zustande kam, nachdem jene Drohungen ausgesprochen wurden.

VON RIBBENTROP: Nein, das habe ich nicht gesagt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, das sagten Sie vor einem Augenblick.

VON RIBBENTROP: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich sagte, daß dieses Abkommen durch Androhung von Krieg zustande kam. Stimmt das?

VON RIBBENTROP: Ich glaube, daß diese Drohung unvergleichlich viel geringer ist, als die Drohungen, unter denen Deutschland jahrelang durch den Versailler Vertrag und seine Sanktionen gestanden hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie nunmehr, ohne Vergleiche zu stellen, meine Frage beantworten? Stimmen Sie mir darin bei, daß diese Zustimmung durch Androhung von Krieg erreicht wurde?

VON RIBBENTROP: Sie ist erfolgt unter einem Druck, und zwar unter dem Druck des Einmarsches in die – nach Prag, da ist kein Zweifel. Aber entscheidend bei der ganzen Sache war, daß der Führer dem Präsidenten Hacha die Gründe auseinandergesetzt hat, warum er dies tun müßte und Hacha hat zum Schluß sich absolut einverstanden erklärt, nachdem er mit seiner Regierung und seinem Generalstab sich in Verbindung gesetzt hat und deren Auffassung gehört hat. Allerdings, das ist absolut richtig, der Führer war entschlossen, diese Frage unter allen Umständen zu lösen. Der Grund war der, daß der Führer der Auffassung war, daß hier in der restlichen Tschechei gegen das Deutsche Reich konspiriert wurde. Reichsmarschall Göring hat bereits erklärt, daß dort russische Kommissionen auf Flugplätzen der Tschechei gewesen sein sollen. Also der Führer hat dies getan, weil er glaubte, im höchsten Interesse und Schutze des Deutschen Reiches dies tun zu müssen. Ich darf einen Vergleich heranziehen: Zum Beispiel, Präsident Roosevelt hat ein Interesse an der westlichen Hemisphäre erklärt, England hat seine Interessen über den gesamten Erdball ausgedehnt. Ich glaube, daß dieses Rauminteresse, das der Führer an dem tschechischen Restraum gezeigt hat, für eine Großmacht an sich kein unbilliges ist, man mag über die Methode der Meinung sein, wie man will. Jedenfalls, eines ist sicher, daß diese Länder ohne das Vergießen auch nur eines Tropfen Blutes besetzt worden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wurden besetzt, ohne daß auch nur ein Tropfen Blut vergossen wurde, weil Sie gedroht hatten, mit überwältigender Übermacht einzumarschieren und Prag zu bombardieren, falls sie nicht zustimmten, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Nein, nicht weil wir mit einer Übermacht gedroht hatten, sondern weil vorher vereinbart worden war, daß die Deutschen ungehindert einmarschieren konnten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich wiederhole: Die Vereinbarung kam jedoch zustande durch Ihre Drohung, einzumarschieren und Prag zu bombardieren, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Ich habe Ihnen schon einmal erwidert, es war nicht so, sondern der Führer hat mit Präsidenten Hacha darüber gesprochen und hat ihm gesagt, daß er einmarschieren würde. Die Aussprache zwischen dem Staatspräsidenten Hacha und Reichsmarschall Göring kenne ich nicht. Der Präsident hat dann das Abkommen unterschrieben, nachdem er sich mit seiner Regierung und seinem Generalstabschef in Prag telephonisch in Verbindung gesetzt hatte. Es ist kein Zweifel, daß die Persönlichkeit des Führers, seine Argumentation und letzten Endes auch der angekündigte Einmarsch der deutschen Truppen den Präsidenten Hacha veranlaßt hat, dieses Abkommen mit zu unterschreiben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich... Möchten Sie für einen Augenblick aufstehen, Herr General?