HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Ein tschechischer Offizier steht auf.]

Erinnern Sie sich daran, daß General Ecer, dieser tschechoslowakische General, Ihnen einmal verschiedene Fragen gestellt hat?

VON RIBBENTROP: Ja, gewiß.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie ihm erklärt, daß Ihrer Meinung nach jene Aktion vom 15. März im Widerspruch zu der Chamberlain gegenüber abgegebenen Erklärung Hitlers stehe, daß jedoch Hitler die Besetzung als eine lebenswichtige Notwendigkeit für Deutschland betrachte?

VON RIBBENTROP: Ja, das ist richtig. In diesem ersten Punkt habe ich mich geirrt, ich will mich dazu offen bekennen. Ich habe mich später erinnert. In dem Münchener Abkommen zwischen Chamberlain und Hitler steht etwas Ähnliches nicht drin. Es war auch nicht gegen dieses Abkommen gerichtet. Im zweiten Punkt habe ich, glaube ich, erklärt, daß Hitler glaubte, im Interesse seines Landes so handeln zu müssen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie uns ein oder zwei allgemeine Dinge über Ihre Ansichten in Bezug auf Großbritannien darlegen. Stimmt es, daß Sie, als Sie als Botschafter des Reiches nach London gingen, der Ansicht waren, daß die Aussichten für eine Verständigung sehr gering waren, ja, daß die Chancen einer Verständigung mit Großbritannien hundert zu eins standen?

VON RIBBENTROP: Als ich den Führer bat, mich persönlich nach London zu schicken...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Meine Frage ist ganz einfach: Ist es richtig, daß Sie, als Sie als Botschafter nach London gingen, der Ansicht waren, daß die Möglichkeit einer Verständigung mit England sehr gering war, ja, daß die Chance hundert zu eins stand?

VON RIBBENTROP: Ja, die Chance war nicht groß.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dieses sind Ihre eigenen Worte, wie Sie wissen...

VON RIBBENTROP: Ich möchte etwas hinzufügen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Beantworten Sie zuerst meine Frage. Das waren doch Ihre eigenen Worte, daß die Chance hundert zu eins stand? Erinnern Sie sich daran, das gesagt zu haben?

VON RIBBENTROP: Hundert zu eins entsinne ich mich nicht, aber ich möchte noch etwas hinzufügen. Ich habe Hitler gesagt, daß die Chance klein sei, und ich habe auch Hitler gesagt, daß ich alles versuchen werde, eine deutsch-englische Verständigung trotz allem herbeizuführen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Waren Sie, als Sie England verließen, der Ansicht, daß Krieg unvermeidlich sei? Als Sie England verließen, als Sie aufhörten, Botschafter zu sein, glaubten Sie, daß Krieg unvermeidlich sei?

VON RIBBENTROP: Nein, der Ansicht war ich nicht, daß er unvermeidlich sei, aber daß eine Möglichkeit des Krieges bei der Entwicklung, die in England vor sich ging, daß die denkbar sei, davon war ich überzeugt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie hier recht vorsichtig sind. Haben Sie beim Verlassen Englands gesagt, daß Sie nicht glaubten, daß Krieg unvermeidlich sei?

VON RIBBENTROP: Ich kann weder sagen, daß er unvermeidlich gewesen ist oder vermeidlich, jedenfalls war mir klar, daß bei der Entwicklung der Politik, die in England gegenüber Deutschland vor sich ging, eine kriegerische Verwicklung im Bereich des Möglichen liegen konnte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich Seite 211-E des Dokumentenbuches, englisches Buch 170, zuwenden.

VON RIBBENTROP: Sagten Sie 211?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie es?

VON RIBBENTROP: Ja, ich habe es gefunden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich jetzt dem zweiten Absatz zuwenden, er lautet wie folgt:

»Er, der RAM (Reichsaußenminister) sei schon bei seinem Antritt in London mehr als skeptisch gewesen und habe die Chancen einer Verständigung wie 100 : 1 angesehen. Die Kriegshetzer-Clique in England hätte dann auch die Überhand gewonnen. Als er (der RAM) London verließ, war der Krieg unvermeidlich.« (Dokument Nr. 1834-PS.)

Haben Sie das zu Botschafter Oshima gesagt?

VON RIBBENTROP: Ich weiß es nicht, ob ich das genau so gesagt habe, jedenfalls ist das diplomatische Sprache, Herr Anklagevertreter, und es ist durchaus möglich, daß wir damals aus der Situation heraus mit dem Japanischen Botschafter es für opportun hielten, es so zu sagen. Jedenfalls ist das nicht das Interessanteste; interessant ist – was ich mich entsinnen kann –, daß, als ich England verließ, eine Sicherheit und Unvermeidlichkeit des Krieges nicht gegeben war. Ob ich in späteren Jahren dies oder jenes gesagt habe, das hat keine Bedeutung für das, was ich sagte, als ich von London wegging. Ich glaube, daß dafür nicht der geringste Beweis ist. Vielleicht habe ich ihn in den Krieg gegen England hineinziehen wollen und habe daher eine starke Sprache geführt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben ihm wahrscheinlich die Unwahrheit gesagt?

VON RIBBENTROP: Das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob das im einzelnen genau aufgeschrieben worden ist. Es ist eine lange Aufzeichnung, ich weiß nicht, von wo es kommt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist Ihr eigenes Protokoll der Besprechung und gehört zu den erbeuteten deutschen Dokumenten.

VON RIBBENTROP: Mag durchaus sein, aber in der Diplomatie wird manches gesprochen und nicht jedes Wort auf die Waagschale gelegt. Jedenfalls die Wahrheit ist, daß, als ich London verließ, eine Unvermeidbarkeit des Krieges nicht gegeben war; aber es ist kein Zweifel, daß ich skeptisch London verließ und nicht wußte, wohin die Dinge hintreiben würden, und dies vor allem wegen der sehr starken englischen Kriegspartei.

VORSITZENDER: Angeklagter, wollen Sie etwas langsamer sprechen?

VON RIBBENTROP: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Waren Sie, als Sie England verließen, nicht der Ansicht, daß Deutschland England gegenüber eine nach außen freundschaftliche Politik betreiben, in Wirklichkeit jedoch eine Koalition gegen dieses Land bilden solle?

VON RIBBENTROP: Das ist so nicht richtig. Es war mir klar, daß, als ich Außenminister wurde, die Durchsetzung der deutschen Wünsche in Europa schwierig sei, und daß es vor allem England war, das sich diesen Wünschen entgegenstellte. Jahrelang hatte ich im Auftrage des Führers versucht, auf dem Wege freundschaftlicher Verständigung mit England diese Dinge durchzusetzen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie meine Frage beantworten: Haben Sie dem Führer den Rat gegeben, England gegenüber eine nach außen freundschaftliche Politik zu verfolgen und in Wirklichkeit eine Koalition gegen dieses Land zu bilden? Ja oder nein?

VON RIBBENTROP: Nein, so ist das nicht richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Da Sie dies verneinen, sehen Sie sich bitte Dokument TC-75, Beweisstück GB-28 an, sowie die von Ihnen zu ziehenden Konsequenzen. Sie finden es am Ende unter Nummer 5. »Daher von uns zu ziehenden Konsequenz.« Es ist ungefähr am Ende der dritten Seite.

»5. Daher von uns zu ziehenden Konsequenz:

1. Nach außen weiter Verständigung mit England unter Wahrung Interessen unserer Freunde.

2. Herstellung in aller Stille aber mit ganzer Zähigkeit einer Bündniskonstellation gegen England – das heißt praktisch Festigung unserer Freundschaften mit Italien und Japan –, ferner Hinzugewinnung aller Staaten, deren Interessen direkt oder indirekt mit unseren konform gehen – enge und vertrauliche Zusammenarbeit der Diplomaten der drei Großmächte zu diesem Zweck.«

Und dann im letzten Satz:

»Jeder Tag, an dem in Zukunft – ganz gleich, welche taktischen Zwischenspiele der Verständigung mit uns versucht werden sollten – unsere politischen Erwägungen nicht grundsätzlich von dem Gedanken an England als unseren gefährlichsten Gegner bestimmt würden, wäre ein Gewinn für unsere Feinde.«

Warum haben Sie dem Gerichtshof vor kaum einer Minute erklärt, Sie hätten dem Führer nicht den Rat erteilt, daß nach außen hin freundschaftliche Beziehungen bestehen sollten, in Wirklichkeit jedoch eine Koalition gegen England hergestellt werden sollte?

VON RIBBENTROP: Ich weiß nicht, was das überhaupt für ein Dokument ist. Dürfte ich es sehen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist von Ihnen selbst unter dem Datum des 2. Januar 1938 unterzeichnet und stellt Ihren eigenen Bericht an den Führer dar.

VON RIBBENTROP: Ja, das stimmt an sich schon. Das ist die entscheidende Feststellung. Nur auf diese Weise kommen wir mit England an einem Tag zum Ausgleich oder zum Konflikt. Die Situation war damals ganz klar die, daß England sich diesen deutschen Revisionswünschen, die der Führer als vital bezeichnet hatte, widersetzte, und daß es nur möglich schien, durch eine starke diplomatische Konstellation auf diplomatischem und nicht kriegerischem Wege England dazu zu bringen, diesen deutschen Aspirationen schließlich zuzustimmen. Das war zweifellos die Situation.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte von Ihnen wissen, Zeuge, warum Sie dem Gerichtshof vor fünf Minuten erklärt haben, daß Sie Hitler keinen in dem dargelegten Sinne gehaltenen Rat gegeben hatten.

VON RIBBENTROP: Darf ich bitten, welchen Rat meinen Sie?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Äußerlich Verständigung mit England und unter größter Geheimhaltung Bildung einer Koalition gegen England. Ich habe Sie zweimal gefragt, und Sie haben es geleugnet. Ich möchte wissen, warum Sie es geleugnet haben.

VON RIBBENTROP: Ich habe das ganz klar gesagt, daß England sich den deutschen Wünschen entgegenstellte, und daß daher Deutschland, wenn es diese Aspirationen durchsetzen wollte, nichts anderes übrig bliebe, als Freunde zu suchen und mittels dieser Freunde England an den Verhandlungstisch zu bringen, damit England diesen Aspirationen zustimme, und zwar auf diplomatischem Wege. Das war damals meine Aufgabe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie Ihre Aufmerksamkeit nunmehr den Beziehungen zu Polen zuwenden. Ich werde Ihnen Gelegenheit geben, eine Frage allgemein zu beantworten. Ich hoffe, daß wir auf diese Art und Weise vielleicht Zeit sparen.

Stimmen Sie mir bei, daß die Reden sämtlicher deutscher Staatsmänner bis zu dem Münchener Abkommen von größter Sympathie und Achtung für Polen zeugen? Stimmen Sie mir bei?

VON RIBBENTROP: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Welchen Zweck hatte das in dem Memorandum des Auswärtigen Amtes (TC-76, GB-31) vom 26. August 1938 Gesagte?

Ich werde Ihnen die Seitenzahl angeben: Seite 107 Ihres Dokumentenbuches. Ich möchte, daß Sie es sich ansehen; ich glaube, es ist der vierte Absatz, der mit den Worten beginnt: »Diese Methode im Vorgehen gegen die Tschechei...«

Und die Methode der Annäherung war, daß man die Idee verbreitete, daß Sie und Hitler die Rückkehr aller Deutschen in das Reich wünschten. Ich habe es ganz fair und objektiv ausgedrückt. Das steht vor dem Passus. Wollen Sie sich den Absatz ansehen?

VON RIBBENTROP: Welchen Absatz meinen Sie, ich hörte es nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der vierte Absatz. Es fängt an: »Diese Methode im Vorgehen gegen die Tschechei...«. Der vierte in meiner Kopie.

VON RIBBENTROP: Ich habe es noch nicht gefunden. Paragraph 5, ja, ich habe es.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:

»Diese Methode im Vorgehen gegen die Tschechei empfiehlt sich auch wegen unseres Verhältnisses zu Polen. Unvermeidlich muß die deutsche Abkehr von den südöstlichen Grenzproblemen und der Übergang zu den östlichen und nordöstlichen die Polen hellhörig machen. Daß nach der Liquidation der tschechischen Frage Polen an der Reihe ist, wird allgemein vermutet werden. Je später diese Vermutung aber als fester Bestandteil in die internationale Politik eindringt, desto besser.« (Dokument TC-76.)

Erklärt das genau die damaligen Bestrebungen der deutschen Außenpolitik?

VON RIBBENTROP: Zweifellos nein, denn einmal weiß ich gar nicht, um was für ein Dokument es sich handelt. Es ist anscheinend über den Staatssekretär an mich von irgendeinem Referenten im Auswärtigen Amt aufgestellt worden, wo manches Mal solche theoretischen Arbeiten aufgestellt worden sind, daher entsinne ich mich auch nicht, es gelesen zu haben. Ob es zu mir gekommen ist, weiß ich im Augenblick nicht; aber es ist möglich, daß solche Gedankengänge bei einigen unserer Herren vorherrschend waren. Das ist durchaus möglich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ach so. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, so wenden Sie sich bitte Seite 110 zu, wo Sie einen Auszug aus Hitlers Reichstagsrede vom 26. September 1938 finden. Verzeihung, ich sagte Reichstag, ich meinte Sportpalast.

VON RIBBENTROP: Sportpalast, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Am Schluß dieses Auszuges werden die Worte des Führers bezüglich Polens nach ehrenden Worten für Marschall Pilsudski angeführt:

»Wir alle sind überzeugt, daß dieses Abkommen eine dauernde Befriedung mit sich bringen wird. Wir sehen ein, daß hier zwei Völker sind, die nebeneinander leben müssen und von denen keines das andere beseitigen kann. Ein Staat von 33 Millionen wird immer nach einem Zugang zum Meere streben. Es mußte daher ein Weg der Verständigung gefunden werden. Er ist gefunden worden und wird immer weiter ausgebaut. Natürlich lagen die Dinge in diesem Gebiet schwierig. Die Nationalitäten und kleine Volkstumsgruppen haben oft miteinander gestritten. Das Entscheidende ist, daß die beiden Staatsführungen und alle vernünftigen und einsichtigen Menschen in beiden Völkern und Ländern den festen Willen haben, das Verhältnis immer mehr zu bessern. Es war eine wirkliche Friedenstat, die mehr wert ist als das ganze Geschwätz im Genfer Völkerbundspalast.« (Dokument TC-73 Nr. 42.)

Glauben Sie, daß dies ehrlich gemeint war?

VON RIBBENTROP: Ja, ich glaube, daß das absolut die Auffassung des Führers damals war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Also waren zu jener Zeit alle Fragen bezüglich der Behandlung der Minderheiten in Polen sehr unwichtig, stimmt das?

VON RIBBENTROP: Nein, sie waren nicht unwichtig, sondern er war ein latenter, ja schwieriger Punkt zwischen Polen und uns, der gerade durch solche Art von Führeräußerungen versucht wurde, immer wieder zu überbrücken. Das Volkstumsproblem in Polen kenne ich deshalb so gut, weil ich das aus persönlichen Gründen viele Jahre verfolgt habe. Seit der Übernahme des Außenministeriums hat es immer wieder die größten Schwierigkeiten gegeben, die aber unsererseits immer wieder in großzügiger Weise überbrückt worden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auf jeden Fall gehen Sie mit mir einig, daß die Reden damals – ganz ehrlich, wie Sie sagen, – voll des Lobes und der Sympathie für Polen waren, stimmt das?

VON RIBBENTROP: Jawohl, wir hofften damit, daß wir immer mehr gerade das Volkstumsproblem zu einer guten, schönen und vernünftigen Lösung bringen können. Das war unsere Politik seit 1934.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Kurz nach München nun warfen Sie Herrn Lipski gegenüber zum erstenmal die Danziger Frage auf; ich glaube, es war um den 21. Oktober herum.

VON RIBBENTROP: Richtig, am 28. Oktober.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: 28. Oktober. Und die Polen hatten am 31. geantwortet. Die Antwort mag Sie über Herrn Lipski einen Tag später erreicht haben. Es wird darin der Vorschlag gemacht, ein gegenseitiges Abkommen zwischen Deutschland und Polen abzuschließen, gleichzeitig wird jedoch erklärt, daß die Rückkehr Danzigs zum Reich zu einem Konflikt führen würde.

Ich spreche nur ganz allgemein und lediglich um Sie an den Inhalt der Antwort zu erinnern. Erinnern Sie sich daran?

VON RIBBENTROP: Meiner Erinnerung nach war es nicht ganz so. Der Führer hatte mich beauftragt – es war genau am 28. Oktober –, den Botschafter Lipski nach Berchtesgaden zu bitten. Dieser Auftrag erfolgte, weil gerade der Führer – in Verfolg vielleicht sogar dieser Rede im Sportpalast, das weiß ich heute nicht mehr genau – nunmehr mit allen seinen Nachbarn in ein klares Verhältnis kommen wollte. Das wollte er gerade mit Polen. Er beauftragte mich daher, ich möchte mit Botschafter Lipski über die Frage Danzigs und über die Frage einer Verbindung des Reiches nach Ostpreußen sprechen.

Ich habe Botschafter Lipski kommen lassen und habe damals in einer sehr freundschaftlichen Atmosphäre diese Wünsche vorgebracht. Botschafter Lipski verhielt sich insofern reserviert, als er sagte, Danzig wäre immerhin ein nicht einfaches Problem, aber er würde mit seiner Regierung darüber sprechen. Ich bat ihn dann, er möge das doch in absehbarer Zeit tun und mir Nachricht zukommenlassen. Das war die Einleitung der Verhandlungen mit Polen gewesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie jetzt bitte... Ich will Sie nicht unterbrechen, möchte jedoch diese Frage schnell zum Abschluß bringen. Gehen Sie bitte auf Seite 114 über. Dort finden Sie das Protokoll über Herrn Becks Unterredung mit Hitler am 5. Januar. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit lediglich auf den letzten Absatz lenken, wo der Reichskanzler auf Herrn Becks Erklärung, daß die Danziger Frage sehr schwierig sei, erwiderte:

»daß es notwendig sein würde, zur Lösung dieses Problems etwas vollkommen Neues, eine neue Formel, für die er den Ausdruck ›Körperschaft‹ anwandte, zu finden, die einerseits die Interessen der deutschen Bevölkerung und andererseits die polnischen Interessen wahrnehmen würde. Ferner erklärte der Kanzler, daß der Minister beruhigt sein könne, in Danzig würde es keine faits accomplis geben; es würde nichts geschehen, was die Lage der Polnischen Regierung erschweren könnte.« (Dokument TC-73, Nummer 48.)

Ehe ich nun die Frage stelle – haben Sie das vor sich?

VON RIBBENTROP: Ja, ich habe das gelesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich bitte die Zusammenfassung Ihrer eigenen Unterredung mit Herrn Beck vom darauffolgenden Tage an. Es ist Seite 115 oben, zu Beginn des zweiten Absatzes. Nachdem Herr Beck die Danziger Frage erwähnte, sagen Sie:

»In seiner Antwort betonte Ribbentrop noch einmal, daß Deutschland keine Gewaltlösung anstrebe.« (Dokument TC-73, Nummer 49.)

Das ist fast Wort für Wort dasselbe, was Hitler am Tage zuvor gesagt hatte. Haben Sie die Stelle gefunden?

VON RIBBENTROP: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun kehren Sie bitte noch einmal auf Seite 113 zurück. (-137, Beweisstück GB-33.) Dort finden Sie die Befehle des Angeklagten Keitel, oder genau gesagt die Übermittlung des Führerbefehls betreffend Danzig durch den Angeklagten Keitel. Er trägt das Datum vom 24. November. Das war ungefähr sechs Wochen früher. Dieser Befehl stellt eine Ergänzung zu dem Befehl vom 21. Oktober dar. Sie sehen, was dort steht:

»Außer den 3 in der Weisung vom 21. 10. 38 angeführten Fällen sind auch Vorbereitungen zu treffen, daß der Freistaat Danzig überraschend von deutschen Truppen besetzt werden kann. (›4. Inbesitznahme von Danzig.‹)

Für die Vorbereitungen gelten folgende Grundlagen: Voraussetzung ist eine handstreichartige Besetzung von Danzig in Ausnützung einer politisch günstigen Lage, nicht ein Krieg gegen Polen.« (Dokument C-137.)

Wußten Sie von diesen Befehlen?

VON RIBBENTROP: Nein, das wußte ich nicht. Ich sehe diesen Befehl oder was es ist, zum erstenmal. Übrigens darf ich noch etwas hinzufügen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nicht jetzt. Hitler mußte doch von diesem Befehl gewußt haben, nicht wahr? Es ist doch ein Befehl des Führers?

VON RIBBENTROP: Selbstverständlich, ich nehme daher an – und das wollte ich gerade hinzufügen –, daß es der Britischen Anklagebehörde auch klar sei, daß Politik und Militär hier zwei völlig verschiedene Begriffe sind. Es ist kein Zweifel, daß der Führer im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die in Danzig und im Korridor laufend waren, sicher militärische Eventualbefehle irgendwelcher Art gegeben hat, und ich kann es mir denken, daß es sich hier nur um einen solchen handelt. Ich sehe ihn heute zum ersten Male.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angenommen, Sie hatten Kenntnis von diesen Befehlen, Zeuge, hätten Sie dann trotzdem am 5. Januar erklärt, daß Deutschland kein fait accompli oder eine Gewaltlösung suchte? Würden Sie das gesagt haben, auch wenn Sie diesen Befehl gekannt hätten?

VON RIBBENTROP: Wenn ich diesen Befehl gekannt hätte und ihn als das ansehe, wie ich ihn ansehen mußte, nämlich ein Generalstabsbefehl für eine Eventualmöglichkeit, dann wäre ich noch genau der gleichen Auffassung; denn ich glaube, es ist ja die Aufgabe der Generalstäbe, alle Probleme, die überhaupt möglich sind, grundsätzlich vorzubereiten. Das hat mit der Politik letzten Endes ja nichts zu tun.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hat das nichts mit Politik zu tun, wenn man einen Plan zur Besetzung des Freistaates Danzig mittels Überraschung durch deutsche Truppen fix und fertig hat und gleichzeitig den Polen erzählt, daß man kein fait accompli beabsichtige? Ist das die Art und Weise, wie Ihrer Ansicht nach verfahren werden sollte? Falls ja, werde ich das Thema verlassen.

VON RIBBENTROP: Nein, sondern ich muß dazufügen, das weiß ich, daß der Führer lange Zeit immer besorgt war, besonders im Laufe des Jahres 1939, daß ein polnischer Handstreich auf Danzig vorkommen könnte, so daß es mir, ich bin kein Militär, aber an sich natürlich erscheint, daß man alle solchen Probleme und Möglichkeiten irgendwie vorbereitet. Einzelheiten dieses Befehls kann ich natürlich nicht beurteilen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wann haben Sie gehört, daß Hitler entschlossen war, Polen anzugreifen?

VON RIBBENTROP: Daß Hitler mit einem militärischen Eingreifen in Polen rechnete, das habe ich nach meiner Erinnerung zum ersten Male gehört in den Augusttagen des Jahres 1939. Daß er natürlich schon vorher gewisse militärische Maßnahmen oder Vorbereitungsmaßnahmen irgendwelcher Art getroffen hat für Eventualfälle, das geht ja aus diesem Befehl bezüglich Danzig hervor. Über diesen Befehl aber habe ich grundsätzlich nichts erfahren und ich entsinne mich jetzt auch nicht im einzelnen, ob ich damals irgendeine militärische Nachricht bekommen habe. In Erinnerung ist mir, daß ich davon so gut wie nichts wußte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie damit dem Gerichtshof sagen, daß Sie im Mai nicht gewußt haben, daß Hitler in Wirklichkeit die Ansicht vertrat, daß Danzig überhaupt gar nicht der Gegenstand des Streites war und daß er tatsächlich den Erwerb von Lebensraum im Osten anstrebte?

VON RIBBENTROP: Nein, das habe ich in dem Sinne nicht gewußt. Der Führer hat zwar von Lebensraum manchmal gesprochen, das ist richtig. Aber ich habe nicht gewußt, daß er die Absicht hatte, Polen anzugreifen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt schlagen Sie bitte Seite 117 auf; es kann auch Seite 118 Ihres Dokuments sein. Auf Seite 117 finden Sie das Protokoll einer Konferenz vom 23. Mai 1939, die in der neuen Reichskanzlei stattfand.

VON RIBBENTROP: Sie sagten Seite 117?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: 117. Vielleicht steht der Absatz, auf den ich Sie verweise, auf Seite 118; er beginnt mit folgenden Worten:

»Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Erweiterung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung der Ernährung, sowie die Lösung des Baltikumproblems. Lebensmittelversorgung ist nur von dort möglich, wo geringe Besiedlung herrscht. Neben der Fruchtbarkeit wird die deutsche gründliche Bewirtschaftung die Überschüsse gewaltig steigern. In Europa ist keine andere Möglichkeit zu sehen.« (Dokument L-79.)

Wollen Sie vor dem Gerichtshof weiterhin behaupten, daß Hitler Ihnen jenen Standpunkt niemals auseinandergesetzt hat?

VON RIBBENTROP: Es ist vielleicht merkwürdig zu sagen, aber ich darf zunächst eines dazu sagen: Bei dieser Unterredung scheine ich nicht dabei gewesen zu sein. Das ist eine militärische Besprechung gewesen, und der Führer hielt diese militärischen Besprechungen immer von den politischen getrennt. Der Führer hat in großen Zügen wohl ab und zu davon einmal gesprochen, daß wir Lebensraum haben müßten, aber von irgendeiner Absicht, Polen anzugreifen, habe ich zu dieser Zeit, das ist also im Mai 1939 gewesen, nichts gewußt, und darüber hat er mir nichts gesagt. Ja, das – glaube ich – war absichtlich, wie ich aus vielen anderen Fällen weiß, getrennt gehalten, weil er immer wünschte von seinen Diplomaten, daß sie mit voller Überzeugung für eine diplomatische Lösung eintreten und diese herbeiführen konnten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wollen damit sagen, daß Hitler Sie über seine wirklichen Ziele, über seine Ansicht, daß Danzig nicht der Streitgegenstand war, und darüber, daß er in Wirklichkeit Lebensraum anstrebte, absichtlich im Dunkeln ließ? Das behaupten Sie?

VON RIBBENTROP: Ja, ich nehme an, daß er das sogar bewußt gemacht hat, denn...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann lesen Sie bitte den ganz kurzen Absatz weiter unten, wo er sagt:

»Es entfällt also die Frage, Polen zu schonen und bleibt der Entschluß, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen. An eine Wiederholung der Tschechei ist nicht zu glauben. Es wird zum Kampf kommen. Aufgabe ist es, Polen zu isolieren.«

Behaupten Sie vor dem Gerichtshof, daß er das nie zu seinem Außenminister gesagt hat?

VON RIBBENTROP: Ich habe die Frage nicht ganz verstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Frage ist sehr einfach. Behaupten Sie vor dem Gerichtshof, daß Hitler das, was ich soeben aus seiner Rede vorgelesen habe, niemals erwähnte, also, daß von einer Schonung Polens keine Rede sein könne, daß sie Polen bei erster Gelegenheit angreifen müßten und daß es Ihre Aufgabe sei, es zu isolieren? Wollen Sie vor dem Gerichtshof behaupten, daß Hitler dies seinem Außenminister gegenüber, dem die praktische Führung der Außenpolitik oblag, niemals erwähnt hat?

VON RIBBENTROP: Nein, das hat er zu diesem Zeitpunkt nicht getan, sondern nach meiner Erinnerung erst sehr viel später, und zwar im Sommer 1939. Da hat er davon gesprochen, daß er entschlossen sei, das Problem, und zwar drückte er sich wörtlich aus, so oder so zu lösen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie sagen, daß Sie im Mai nicht wußten, daß Hitler Krieg wollte?

VON RIBBENTROP: Daß er was wollte?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten im Mai nicht, daß Hitler Krieg wollte?

VON RIBBENTROP: Nein, davon war ich gar nicht überzeugt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aus diesem Dokument geht klar hervor, daß er Krieg wollte, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Dieses Dokument beinhaltet zweifellos eine Absicht, gegen Polen vorzugehen, aber ich weiß, daß Hitler sehr oft seinem Militär gegenüber eine sehr starke Sprache sprach, und zwar in der Form, als ob er die ganz bestimmte Absicht hätte, ein bestimmtes Land irgendwie anzugreifen, aber ob er das nachher politisch wirklich gemacht hätte, das ist eine ganz andere Frage.

Ich weiß, daß er mir wiederholt sagte, daß man mit dem Militär immer so sprechen müsse, als ob morgen da oder dort der Krieg ausbrechen würde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie nunmehr in einer anderen Angelegenheit vernehmen. Sie haben am Freitag behauptet, daß Sie nie die Ansicht geäußert hätten, daß Großbritannien dem Kriege fernbleiben und seine Polen gegebene Garantie nicht einlösen würde. Erinnern Sie sich daran?

VON RIBBENTROP: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Stimmt das?

VON RIBBENTROP: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, dann werfen Sie bitte einen Blick auf ein oder zwei andere Dokumente. Entsinnen Sie sich, am 29. April 1939 den ungarischen Ministerpräsidenten sowie den ungarischen Außenminister um 3.30 Uhr nachmittags empfangen zu haben?

VON RIBBENTROP: Nein, daran entsinne ich mich nicht mehr.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir sind jedoch im Besitze des Protokolls Ihrer Besprechung, das, glaube ich, von Erdmannsdorff unterzeichnet hat. Haben Sie dem ungarischen Premierminister und dem ungarischen Außenminister gegenüber folgendes erklärt:

»Der Herr Reichsaußenminister fügte hinzu, es sei seine feste Überzeugung, daß, was auch in Europa passiere, kein französischer und englischer Soldat Deutschland angreifen werde.

Unser Verhältnis zu Polen sei augenblicklich getrübt.«

Haben Sie das gesagt?

VON RIBBENTROP: Nein, ich glaube, das habe ich nie gesagt. Das halte ich für ausgeschlossen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie eine Abschrift haben...

VON RIBBENTROP: Darf ich vielleicht einmal die Urkunde sehen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber selbstverständlich, sehr gern. Das wird GB-289, Dokument D-

737.

VON RIBBENTROP: Ich kann natürlich nicht mehr im einzelnen sagen, was ich damals sagte. Es wäre wohl folgendes möglich, daß man den Ungarn gegenüber, die wahrscheinlich damals besorgt waren wegen des polnischen Problems, daß man sie beruhigen wollte, das ist durchaus möglich, aber daß ich so gesagt habe, das glaube ich kaum. Eines ist jedenfalls sicher, daß der Führer gewußt hat und daß ich dem Führer gesagt habe, daß England zur Hilfe Polens marschieren wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie Zweifel hegen, dann werfen Sie doch bitte einen Blick auf Dokument D-738, das GB-290 wird. Anscheinend hatten Sie mit diesen beiden Herren zwei Tage später nochmals eine Unterredung. Sehen Sie sich bitte einmal den letzten Satz an:

»Er (der Reichsaußenminister) wies sodann erneut darauf hin, daß Polen für uns kein militärisches Problem bedeute. Bei einer militärischen Auseinandersetzung würden die Engländer die Polen eiskalt im Stich lassen.«

Das ist doch ziemlich klar:

»Die Engländer würden die Polen eiskalt im Stich lassen.«

VON RIBBENTROP: Ich weiß nicht, auf welcher Seite das ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist Absatz 7 des Berichts vom 1. Mai, der letzte Satz meines Zitats. Der Bericht ist von einem Herrn von Erdmannsdorff unterzeichnet. Der fragliche Satz steht über seiner Unterschrift. Die Worte, über welche ich Sie befrage, sind folgende:

»Bei einer militärischen Auseinandersetzung würden die Engländer die Polen eiskalt im Stich lassen.«

VON RIBBENTROP: Auf Seite 8? Auf welcher Seite, darf ich fragen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mein Passus ist Absatz 7. Er beginnt mit den Worten:

»Der Herr RAM kam sodann nochmals auf unsere Einstellung zur Polenfrage zu sprechen und bemerkte, die polnische Haltung hätte bei uns starke Verbitterung ausgelöst.«

VON RIBBENTROP: Das ist durchaus denkbar, daß ich so etwas gesagt habe; wenn es gesagt worden ist, dann ist es deshalb getan, um die Ungarn nicht irgendwie zu beunruhigen und irgendwie bei der Stange zu halten. Das ist diplomatisches Gespräch, das ist ja klar.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Finden Sie nicht, daß man in politischen Unterredungen die Wahrheit sagen muß?

VON RIBBENTROP: Darum handelt es sich nicht, sondern es handelt sich darum, eine Situation herbeizuführen, um diese Frage, auch die polnische, in einer diplomatischen Form zu lösen. Wenn ich nun heute den Ungarn sagen würde, und das trifft auch für die Italiener zu, daß England für Polen eingreifen würde und hier ein großer Krieg und so weiter daraus entstände, dann würde das ja natürlich eine diplomatische Situation ergeben, daß das Problem überhaupt nicht mehr zu lösen wäre. Das ist kein Zweifel, daß ich in der ganzen Zeit eine sehr starke Sprache führen mußte, wie das der Führer auch immer angewiesen hat, denn wenn sein eigener Außenminister etwa andere Möglichkeiten hätte durchblicken lassen, so wäre natürlich das sehr schwierig gewesen, und ich möchte sagen, hätte bedeutet, daß das unter allen Umständen zum Krieg geführt hätte. Wir wollten aber eine starke deutsche Position herbeiführen, um dieses Problem auf friedliche Weise zu lösen. Ich darf hinzufügen, daß die Ungarn in einer gewissen Sorge wegen der deutschen Politik waren, und daß mir der Führer doch von Anfang an gesagt hat, ich möchte eine besonders klare und starke Sprache in diesen Dingen führen. Diese Sprache habe ich auch meinen eigenen Diplomaten gegenüber sehr oft verwandt, aus denselben Gründen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wollen uns glauben machen, daß Sie die Ungarn angelogen haben, daß Sie dem Gerichtshof jedoch die Wahrheit sagen. Das ist es doch, kurz gesagt, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Ich weiß nicht, ob man hier von Lügen sprechen darf, Herr Anklagevertreter. Es handelt sich hier um Diplomatie, und wenn wir eine starke Situation herbeiführen wollten, dann wollten wir uns natürlich nicht darum drücken, und wie hätte das ausgesehen, wenn der deutsche Außenminister eine Sprache geführt hätte, als ob hier nun bei dem geringsten deutschen Schritt die ganze Welt über Deutschland herfallen würde! Der Führer hat oft eine solch starke Sprache gebraucht und sie auch von mir verlangt. Ich darf nochmals betonen, daß ich selbst meinem Auswärtigen Amt gegenüber oft eine solche Sprache führen mußte, damit hier eine klare Linie herrschte; wenn der Führer zur Lösung eines Problems so oder so entschlossen war, das heißt also auch, wenn es sein müßte, zum Krieg; denn es lag ja die einzige Chance überhaupt darin, daß man eine starke Haltung einnahm, denn tat man das nicht, dann hätte es unter allen Umständen Krieg gegeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie bitte beachten, was Sie nach Graf Cianos Äußerungen am 11. oder 12. August, unmittelbar vor Ihrer Zusammenkunft mit Hitler, ich glaube in Salzburg, zu ihm gesagt haben. Sie entsinnen sich doch wohl, laut dem Tagebuch des Grafen Ciano hat dieser Sie gefragt: »Was wollen Sie, den Korridor oder Danzig?« Sie blickten ihn daraufhin an und antworteten: »Nicht mehr; wir wollen den Krieg.« Entsinnen Sie sich?

VON RIBBENTROP: Ja, das ist absolut unwahr. Ich habe Graf Ciano damals gesagt, das liegt in derselben Linie: »Der Führer ist entschlossen, dieses polnische Problem so oder so zu lösen.« Das war die Sprachregelung, die ich vom Führer bekommen habe. Daß ich gesagt haben sollte, wir wollen den Krieg, ist auch deshalb absurd, weil das für jeden Diplomaten klar ist, daß man so etwas überhaupt nicht sagt, nicht einmal dem allerbesten und vertrautesten Bundesgenossen, aber bestimmt nicht Graf Ciano.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie dann bitte einen Blick auf einen Bericht über die nachfolgende Unterredung werfen, die Sie mit Mussolini und Graf Ciano kurze Zeit später – am 10. März 1940 –, also ungefähr 9 Monate später, hatten. Wollen Sie bitte zu Dokument 2835-PS, das Beweisstück GB-291 wird, auf Seite 18 oder 19 übergehen.

VON RIBBENTROP: Sie meinen Seite 18?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich weise Sie nochmals darauf hin, es ist eine Unterredung zwischen Ihnen, Mussolini und Ciano vom 10. März 1940; es beginnt hier mit den Worten:

»Der RAM erinnerte daran, daß er zwar in Salzburg dem Grafen Ciano gegenüber erklärt hätte, er glaube nicht daran, daß England und Frankreich ohne weiteres Polen beistehen würden, aber daß er doch immer mit der Möglichkeit eines Eingreifens der Westmächte gerechnet hätte. Er sei jetzt froh über den Verlauf der Dinge, weil es erstens schon immer klar gewesen sei, daß die Auseinandersetzung früher oder später doch kommen müsse, und daß sie unausbleiblich sei.«

Dann sagten Sie, es wäre gut, diesen Konflikt zu Lebzeiten des Führers zu erledigen.

VON RIBBENTROP: Ja, das war nach dem Ausbruch des Krieges, war es das?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Ich lege Ihnen nunmehr folgende Worte vor:

»Er sei jetzt froh über den Verlauf der Dinge, weil es erstens schon immer klar gewesen sei, daß die Auseinandersetzung früher oder später doch kommen müsse, und daß sie unausweichlich sei.«

Dann sehen Sie sich bitte an, was hinter »Zweitens« steht....

VON RIBBENTROP: Darf ich darauf antworten?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, was ich jedoch Ihnen damit zeigen will ist, daß diese Worte ganz klar zeigen, daß Graf Ciano recht hat und daß Sie sehr froh waren, daß Krieg ausgebrochen war, da dies Ihrer Ansicht nach zur rechten Zeit geschehen war.

VON RIBBENTROP: Ich kann das nicht finden. Im Gegenteil, hier wird auch gesagt, »daß er doch immer mit der Möglichkeit eines Eingreifens der Westmächte gerechnet hatte«; das steht doch hier ausdrücklich da.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Doch, ich wollte Ihnen den zweiten Teil vorlegen. Ich verlasse diesen Punkt über die britische Intervention. Ich wiederhole: »Er sei jetzt froh über den Verlauf der Dinge«; nun wenden Sie sich bitte dem Absatz zu, in dem es »Zweitens« heißt, damit Sie sich seiner entsinnen. In der dritten Zeile heißt es:

»Zweitens, in dem Augenblick, als England die allgemeine Wehrpflicht einführte, war es klar, daß das Verhältnis der Kräfte sich auf die Dauer nicht zugunsten Italiens und Deutschlands gestalten würde.«

VON RIBBENTROP: Darf ich fragen, wo das steht?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einige Zeilen weiter unten. Das Wort »Zweitens« ist unterstrichen, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Nein, bei mir ist es nicht hier – – Ja, hier ist es.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: »Zweitens, in dem Augenblick, als England die allgemeine Wehrpflicht einführte....«, etwa zehn Zeilen weiter.

VON RIBBENTROP: Ja. Was möchte der britische Anklagevertreter damit beweisen? Ich verstehe das nicht ganz.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie sich den nächsten Satz ansehen, bevor Sie meine Frage beantworten:

»Dies sei mitbestimmend für den Entschluß des Führers gewesen, die polnische Frage zu lösen, selbst auf die Gefahr eines Eingreifens der Westmächte. Das Entscheidende aber sei gewesen, daß sich eine Großmacht gewisse Dinge nicht bieten lassen könne.«

Ich behaupte....

VON RIBBENTROP: Ja, das scheint mir richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Solcher Art war damals Ihr Standpunkt, und Sie haben ihn später als den Ihren erklärt, das heißt, Sie waren entschlossen, die polnische Frage zu lösen, selbst wenn es Krieg bedeuten würde. Graf Ciano hatte vollkommen recht, als er sagte, daß Sie den Krieg wollten. Das ist es, was ich Ihnen vorhalte.

VON RIBBENTROP: Nein, das ist nicht richtig, sondern ich habe Graf Ciano damals in Berchtesgaden gesagt, daß der Führer entschlossen ist, das Problem so oder so zu lösen. Diese Sprachregelung war deshalb schon notwendig, weil der Führer überzeugt war, daß, was auch immer in Rom bekannt wird, sofort nach Paris, London und so weiter ginge. Er wünschte daher eine klare Sprache, damit Italien diplomatisch auf unserer Seite stände. Wenn der Führer gesagt hätte, er wäre, oder ich gesagt hätte, der Führer wäre nicht so entschlossen, diese Frage zu lösen, dann wäre das zweifellos sofort weiterberichtet worden. Da der Führer aber entschlossen war, sie unter Umständen auch kriegerisch zu lösen, wenn sie anders nicht zu lösen war, hätte das ja den Krieg bedeutet, daher die ganz klare, starke diplomatische Haltung, die ich damals in Salzburg einnehmen mußte. Ich weiß nur nicht, wieso dieses, was jetzt hier gesagt wird, dem irgendwie widerspricht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nunmehr, daß Sie sich der letzten Augustwoche zuwenden. Wir wollen die Angelegenheit sehr kurz behandeln, da wir noch sehr viel vor uns haben.

Sie haben in Ihren Aussagen zugegeben, daß der Führer am 25. August den für den Morgen des 26. geplanten Angriff abgeblasen hat. Sie entsinnen sich? Ich möchte, daß Sie die Daten beachten.

VON RIBBENTROP: Das Datum kenne ich genau.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren im Gerichtssaal an dem Tage, als Dahlerus seine Aussagen machte und haben es gehört, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Ja, ich war hier.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Darf ich Sie nun an das Datum erinnern. Am Abend des 24. ersuchte der Angeklagte Göring Herrn Dahlerus, sich am nächsten Morgen nach London zu begeben, um ein Vorwort – eine Vorbotschaft – zu übermitteln, was der Führer Sir Nevile Henderson am 25. zu erklären beabsichtigte. Entsinnen Sie sich, daß er das ausgesagt hat? Und am 25., um 1.30 Uhr...

VON RIBBENTROP: Ich entsinne mich der Daten nicht genau, aber es wird wohl stimmen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich kenne diese Daten ziemlich genau und der Gerichtshof wird mich verbessern, wenn ich mich irre. Ich gebe sie an, so wie ich sie hier nachsehe. Es war am Abend des 24.; Dahlerus reiste am Morgen des 25. ab; dann um 1.30 am 25. – Sie sagten gegen Mittag und ich möchte mich mit Ihnen nicht um Minuten streiten – also am Mittag des 25. sah der Führer Sir Nevile Henderson...

VON RIBBENTROP: Ja, das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:... und überreichte ihm die sogenannte Verbalnote, das heißt eine allgemein gehaltene Anfrage.

VON RIBBENTROP: Nein, die ist erst abends gegeben worden, mittags hat er nur mit ihm gesprochen und ich habe ihm abends den Gesandten Schmidt geschickt und diese Verbalnote überbringen lassen. Ich glaube, so ist es gewesen, mit einer besonderen Botschaft, worin ich nochmals bat, seiner Regierung ans Herz zu legen, wie ernst der Führer das Angebot oder diese Botschaft meinte. Das steht, glaube ich, in den Dokumenten des Britischen Blaubuches.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ganz gleich, wann Sie ihm die eigentliche Note gegeben haben, jedenfalls hat Hitler ihm die allgemeinen Ansichten in einer mündlichen Besprechung, die er mit Sir Nevile gegen Mittag hatte, mitgeteilt.

VON RIBBENTROP: Ja, das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und der Angriff wurde tatsächlich erst am Morgen des 26. abgeblasen, wie Sie aussagten, nachdem Sie gegen drei Uhr die Botschaft von Herrn Mussolini sowie die Nachricht erhalten hatten, daß das englisch-polnische formelle Abkommen an diesem Nachmittag gegen vier Uhr unterzeichnet werden sollte. Das waren Ihre Aussagen.

Ich halte Ihnen nun folgendes vor: Zu dem Zeitpunkt, als Herr Dahlerus entsandt und diese Note überreicht wurde, zu dem Zeitpunkt als der Führer mit Sir Nevile Henderson sprach, war es Deutschlands Absicht, am Morgen des 26. anzugreifen. Daraus geht meiner Ansicht nach hervor, daß sowohl die Botschaft des Herrn Dahlerus als auch die Erklärung gegenüber Sir Nevile Henderson lediglich dazu bestimmt waren, die Englische Regierung zu verwirren, in der Hoffnung, sie dahin zu beeinflussen, daß sie von ihrer Hilfe an Polen Abstand nimmt. Stimmt das?

VON RIBBENTROP: Möchten Sie, daß ich Antwort darauf gebe?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Selbstverständlich, ich frage Sie.

VON RIBBENTROP: Es ist so, die Botschaft des Herrn Dahlerus kenne ich nicht. Darüber kann ich nicht sprechen. Über das Zusammentreffen Hitlers mit Sir Nevile Henderson kann ich sagen, daß am Vormittag ich den Briefwechsel zwischen Mr. Chamberlain und Hitler las – ich glaube, vom 22. war dieser Briefwechsel –, der irgendwie in einer Art deadlock endete. Ich habe dann mit dem Führer gesprochen, ob man nicht doch noch irgendeine Anstrengung mit England machen sollte, um zu irgendeiner Lösung zu kommen. Der Führer hat dann gegen Mittag, ich glaube gegen ein oder zwei Uhr, so muß es gewesen sein, in meiner Anwesenheit Sir Nevile Henderson gesehen und hat ihm gesagt, er möge ein Flugzeug nehmen und nach London fliegen, um möglichst schnell mit der Britischen Regierung zu sprechen. Er hatte die Absicht, nach Lösung des Polenproblems nochmals mit einem umfassenden Angebot an England heranzugehen und so weiter. Er skizzierte, glaube ich, schon in der Verbalnote in großen Umrissen das Angebot. Ich habe es nicht mehr genau im Kopfe. Sir Nevile Henderson ist dann nach London geflogen. Als der Führer dieses Gespräch führte, liefen militärische Maßnahmen. Dies erfuhr ich im Laufe des Tages, weil die Absage Mussolinis, ich glaube schon früher, nicht erst um drei Uhr, sondern im Laufe des Mittags oder Vormittags, gekommen war. Ich erfuhr dann, es muß so zwischen vier und fünf Uhr nachmittags gewesen sein, von der englischen Ratifizierung des polnisch-englischen Vertrags. Ich ging sofort zum Führer und schlug ihm vor, die angelaufenen militärischen Maßnahmen rückgängig zu machen; dies tat er auch nach kurzer Überlegung. Es ist kein Zweifel, daß inzwischen gewisse militärische Maßnahmen liefen. Wie weit diese gingen, kann ich leider nicht sagen, aber als der Führer dieses Angebot England schickte, diese Verbalnote, bin ich der Überzeugung gewesen und stand unter dem Eindruck, daß, wenn England irgendwie daraufhin reagiert, es zu einem kriegerischen Konflikt dann nicht kommt, und daß dann diese militärischen Maßnahmen, die, glaube ich, automatisch liefen, auch irgendwie später angehalten worden wären. Ich kann darüber im einzelnen nichts sagen. Ich entsinne mich nur an eines, daß, als ich die Verbalnote dann vom Führer bekam –, das war meiner Ansicht nach nachmittags oder gegen Abend – da waren entweder diese Maßnahmen schon angehalten oder waren jedenfalls im Begriff, angehalten zu werden. Genau zeitpunktmäßig kann ich das im Augenblick nicht mehr sagen, da müßte ich die genauen Unterlagen haben, die mir leider hier nicht zur Verfügung stehen. Aber eins ist sicher, das Angebot des Führers war damals ein Angebot, das er England machte, um zu versuchen, doch noch zu einer Lösung des polnischen Problems zu kommen. Ich habe ihn, als ich die Verbalnote sah, gefragt: »Ja, aber wie wird es denn mit der polnischen Lösung?« Daraufhin entsinne ich mich noch, daß er sagte: »Wir wollen diese Note jetzt den Engländern schicken und wenn die Engländer darauf reagieren, dann werden wir immer noch sehen, dann ist es immer noch Zeit.«

Jedenfalls wurden, glaube ich, die militärischen Maßnahmen entweder vorher schon eingestellt, als die Verbalnote überreicht wurde, oder sind jedenfalls kurz nachher eingestellt worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren bei der Besprechung zwischen dem Führer und seinen Generalen am 22. August nicht zugegen. Sie müssen jedoch seit Beginn des Prozesses des öfteren den Bericht darüber gehört haben. Sie entsinnen sich, daß der Führer gemäß dem Protokoll folgendes gesagt haben soll:

»Ich werde propagandistischen Anlaß zur Auslösung des Krieges geben, gleichgültig, ob glaubhaft. Der Sieger wird später nicht danach gefragt, ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Bei Beginn und Führung des Krieges kommt es nicht auf das Recht an, sondern auf den Sieg.« (Dokument Nummer 1014-PS.)

Dies wurde auf dem Obersalzberg gesprochen. Hat Hitler jemals Ihnen gegenüber ähnliches zum Ausdruck gebracht?

VON RIBBENTROP: Sagten Sie am 27.?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Am 22. Ich fragte Sie, ob Hitler ähnliches Ihnen gegenüber geäußert hat.

VON RIBBENTROP: Am 22. war ich nicht zugegen, da war ich, glaube ich, unterwegs nach Moskau.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich sagte, daß Sie nicht anwesend waren. Aus diesem Grunde brachte ich es in dieser Form. Hat er jemals Ihnen gegenüber ähnliches erklärt? Sie sagen nein. Ich möchte nunmehr zum 29. kommen.

VON RIBBENTROP: Darf ich noch etwas dazu sagen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein. Wenn Sie sagen, daß er es Ihnen gegenüber nicht erklärt hat, werde ich die Angelegenheit nicht weiter verfolgen. Wir dürfen nicht zuviel Zeit mit diesen Einzelheiten verlieren. Ich möchte, daß Sie nun auf den 29. August zu sprechen kommen, den Tag, als Sie Sir Nevile Henderson sprachen und – während Sie mit einiger Zurückhaltung die Idee einer direkten Verhandlung mit Polen annahmen – erklärten, daß diese Verhandlungen nur unter der Bedingung stattfinden würden, daß die Polen bis zum nächsten Tag, dem 30., einen Bevollmächtigten entsandten. Entsinnen Sie sich daran?

VON RIBBENTROP: Ja, das war so, daß...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will Sie wirklich nicht unterbrechen, aber ich möchte die Angelegenheit schnell erledigen.

VON RIBBENTROP: Dann muß ich sagen, nein. Darf ich dann eine weitere Erklärung geben?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es tut mir leid, denn dies sind nur Vorfragen. Ich dachte, es wäre allgemein bekannt, daß Sie Sir Nevile am 29. sprachen und daß Sie eine Reihe von Bedingungen stellten. Eine der Bedingungen war, daß am 30. ein polnischer Unterhändler da sein müßte. Falls Sie anderer Meinung sind, sagen Sie bitte, ob ich mich irre, denn ich spreche nur nach meinem Gedächtnis.

VON RIBBENTROP: Ja, das stimmt, das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Weiterhin haben Sie uns erklärt, daß Ihr Grund dafür, Sir Nevile am 30. kein Exemplar der Bedingungen zu überreichen, vor allem der war, daß Hitler Ihnen die Anweisung gegeben hatte, keines auszuhändigen. Der seinerzeit von Ihnen angeführte Grund war, daß der polnische. Bevollmächtigte noch nicht eingetroffen sei und die Überreichung eines Exemplars der Bedingungen daher nichts nütze. Ist das nicht richtig?

VON RIBBENTROP: Das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Diese Bedingungen nun, die von Ihnen vorgelesen wurden, waren am 29. noch nicht fertig. Denn in Ihrer Mitteilung, mit welcher Sie einen Bevollmächtigten anfordern, erklärten Sie, daß Sie, wenn er am 30. käme, die Bedingungen bis zu jenem Zeitpunkt fertig hätten. Ich darf daher wohl annehmen, daß diese Bedingungen von Hitler mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes zwischen dem 29. und 30. aufgestellt worden sind.

VON RIBBENTROP: Er hat sie persönlich diktiert. Ich glaube, es waren sechzehn Punkte, wenn ich mich recht entsinne.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, hatten Sie wirklich erwartet, daß die Polen angesichts der Behandlung, die Schuschnigg, Tiso und Hacha erfahren hatten, bereit gewesen wären, eine Fliege in das Netz der Spinne zu schicken?

VON RIBBENTROP: Wir haben ganz bestimmt damit gerechnet und darauf gehofft. Ich glaube, daß ein Wink der Britischen Regierung genügt hätte, um diesen Abgesandten nach Berlin zu bringen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie hofften, die Polen in folgende schwierige Lage zu versetzen: Entweder würden diese Bedingungen – wie Hitler sich ausdrückte – einen propagandistischen Anlaß für den Krieg abgeben; oder Sie würden in der Lage sein, durch Ausübung eines Druckes auf den polnischen Bevollmächtigten genau so zu verfahren wie damals mit Schuschnigg, Tiso und Hacha, und dadurch die Polen zum Nachgeben zu veranlassen. Waren das nicht Ihre Gedankengänge?

VON RIBBENTROP: Nein, die Situation war anders. Ich muß sagen, daß am 29. der Führer dem Englischen Botschafter sagte, er würde diese Bedingungen beziehungsweise diese Vertragsvereinbarung aufsetzen und würde sie bis zum Eintreffen eines polnischen Unterhändlers auch der Britischen Regierung zur Verfügung stellen, oder er hoffe, daß dies möglich sei – so war, glaube ich, sein Ausdruck. Sir Nevile Henderson nahm das entgegen und ich muß noch einmal erwähnen, daß der Führer, nachdem diese britische Antwort am 28. gekommen war, wiederum, trotz der unerhört gespannten Lage zwischen Deutschland und Polen, auf diesen Verhandlungsmodus eingegangen war. Das Entscheidende ist also folgendes in diesen kritischen Tagen des 30. und 31.: Der Führer hatte diese Bedingungen ausgearbeitet, England wußte, daß die Möglichkeit bestand, zu einer Lösung zu kommen. Im Laufe des gesamten 30. August haben wir von England nichts gehört, jedenfalls nichts Definitives. Erst, glaube ich, um zwölf Uhr nachts meldete sich dann der Britische Botschafter zu dieser Unterredung. Inzwischen, muß ich sagen, es war um sieben Uhr abends, waren Nachrichten von der polnischen Generalmobilmachung gekommen, die den Führer außerordentlich erregt hatten. Die Situation war dadurch außerordentlich weiter verschärft worden. Ich entsinne mich genau der Situation in der Reichskanzlei, in der damals fast stündlich Nachrichten einliefen über Zwischenfälle, Flüchtlingsströme und so weiter. Es war also eine unerhört mit Elektrizität gespannte Situation. Der Führer wartete nun den ganzen 30. Es kam keine definitive Nachricht. Am 30. um Mitternacht hat dann diese Unterredung stattgefunden. Es wurde bereits hier von mir geschildert und auch von einem Zeugen, dem Dolmetscher Schmidt, ist es gesagt worden, wie diese Unterredung sich abgespielt hat. Ich habe damals mehr getan, als ich tun durfte, und Sir Nevile Henderson den gesamten Inhalt verlesen. Ich hatte die Hoffnung, daß England sich vielleicht dann doch noch irgendwie rühren würde. Der Führer hatte Sir Nevile Henderson gesagt, daß ein polnischer Unterhändler völlig gleichberechtigt behandelt werden würde. Es gab daher die Möglichkeit, daß man sich irgendwo am dritten Ort traf, oder daß einer nach Berlin kam, oder daß der Polnische Botschafter Lipski beauftragt wurde. Das waren die Möglichkeiten. Ja, ich mochte noch weiter gehen. Es war eigentlich nur notwendig im Laufe des 30. oder 31., bis spät nachts oder bis morgens, bis zum Augenblick des Vormarsches, daß zum mindesten der Polnische Botschafter Lipski wenigstens die Berechtigung erhielt, überhaupt einmal den deutschen Vorschlag entgegenzunehmen. Wäre dieses erfolgt, wären die diplomatischen Verhandlungen auf alle Fälle im Gang gewesen, und damit die Krise, zunächst jedenfalls, beseitigt gewesen. Ich glaube auch, ich habe das schon zum Ausdruck gebracht, daß gar nichts dagegen einzuwenden gewesen wäre. Ich glaube, der Führer hätte es begrüßt, wenn der Britische Botschafter sich dabei mit eingeschaltet hätte. Die Verhandlungsgrundlagen, das habe ich auch schon hier ausgeführt, waren von Sir Nevile Henderson persönlich als vernünftig bezeichnet worden. Also ein Wink der Britischen Regierung im Laufe des 30. oder 31. und die Verhandlungen auf der Basis dieser vernünftigen, von England selbst als vernünftig bezeichneten Vorschläge des Führers, wären im Gang gewesen. Es wäre nicht zu irgendeiner Situation gekommen, die etwa für die Polen besonders bedrückend gewesen wäre, sondern ich glaube, daß auf der Basis dieser vernünftigen Vorschläge, die sich durchaus an die Völkerbundssatzungen hielten und die die Abstimmung in diesen Korridorgebieten vorsahen, eine Lösung möglich gewesen wäre, die für Polen durchaus akzeptabel gewesen wäre.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof unterbricht die Sitzung für zehn Minuten.