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[Zum Zeugen gewandt:]

Ich möchte Ihnen nun folgende Frage stellen...

VORSITZENDER: Wollen Sie weitere Fragen über dieses Dokument stellen?

M. FAURE: Nein, Herr Präsident!

[Zum Zeugen gewandt:]

Außer den Kunstwerken beschäftigte sich Abetz auch mit der Behandlung der Juden im allgemeinen, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Abetz hatte keinen Auftrag. Er hatte auch, soviel ich weiß, mit der Judenfrage nichts zu tun, sondern diese Frage wurde von anderen Stellen behandelt.

M. FAURE: Ist es nicht wahr, daß Abetz im Oktober 1940 sich mit Ihnen in Verbindung setzte, um die Lage der Juden deutscher oder österreichischer Herkunft, die in Frankreich lebten, zu regeln?

VON RIBBENTROP: Das weiß ich nicht, das interessierte mich nicht.

M. FAURE: Ich möchte Ihnen das Dokument EC-265 vorlegen, das ich als RF-1504 überreichen möchte. Es ist ein Telegramm von Abetz vom 1. Oktober 1940. Ich lese Ihnen nur den ersten und den letzten Satz vor:

»Lösung Judenfrage im besetzten Gebiet Frankreichs erfordert neben sonstigen Maßnahmen baldmögliche Regelung des Staatsangehörigkeitsverhältnisses reichsdeutscher, zu Kriegsbeginn hier wohnhafter Juden...«

Und der letzte Satz:

»Vorstehend angeregte Maßnahmen nur als erster Schritt zur Lösung Gesamtproblems anzusehen. Darf mir weitere Vorschläge vorbehalten.«

VON RIBBENTROP: Ja, ich bitte erst das Telegramm in Ruhe lesen zu dürfen.

VORSITZENDER: Sie lesen etwas zu schnell.

M. FAURE: Ja.

VON RIBBENTROP: Bei diesem Telegramm handelt es sich anscheinend darum, daß österreichische und reichsdeutsche Juden aus Frankreich nach Deutschland und Österreich geschafft werden sollen. Ich weiß das nicht. Ich sehe das Telegramm heute zum ersten Male und kann darüber keine Auskunft geben. Es ist wohl eine der Maßnahmen, die im laufenden Geschäftsgang im Auswärtigen Amt mitbehandelt wurden, die aber mir nicht vorgelegt worden sind, und im übrigen wurden diese Dinge ja im einzelnen behandelt von anderen Stellen und nicht von uns.

M. FAURE: Wenn Sie sich die linke Seite des Telegramms ansehen, sehen Sie die Liste der Empfänger. Es waren 19, auch Sie waren darunter, unter Nummer 2, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Ich möchte dem französischen Anklagevertreter hierbei sagen, daß jeden Tag 400, 500, 600 oder 800 solche Zuschriften und Telegramme in mein Büro kamen, von denen mir nur ein bis zwei Prozent vorgelegt worden sind.

M. FAURE: Außer den Juden...

VON RIBBENTROP: Ich kenne dieses Telegramm jedenfalls nicht.

M. FAURE: Außer den Juden deutscher oder österreichischer Herkunft haben sich Ihre Mitarbeiter und Untergebenen von der Botschaft auch mit der Frage der französischen Juden befaßt.

Bevor ich an Sie eine Frage stelle, möchte ich Ihnen zwei Sätze aus einem Dokument, das dem Gerichtshof als RF-1207 vorgelegt wurde, verlesen. Es ist ein Bericht von Dannecker, der mit der Lösung der Judenfrage in Frankreich beauftragt war. Dannecker schließt seinen Bericht wie folgt:

»In diesem Zusammenhang kann ich nicht sprechen, ohne der wirklich umfassenden, kameradschaftlichen Unterstützung unserer Arbeit seitens des Herrn Deutschen Botschafters Abetz, seines Vertreters, Herrn Gesandten Schleier, und des SS-Sturmbannführers Legationsrat Dr. Zeitschel zu gedenken. Dazu bemerke ich, daß die Deutsche Botschaft Paris aus freien Stücken dem Judenreferat für die Finanzierung des Antijudeninstituts größere Geldbeträge zur Verfügung gestellt hat und dies auch künftig beibehalten will.«

Aus diesem Dokument geht klar hervor, daß Abetz, Schleier und Zeitschel Hand in Hand arbeiteten.

VORSITZENDER: Herr Faure, wir wissen nicht, aus welchem Dokument Sie verlesen.

M. FAURE: Herr Präsident, dieses Dokument ist Ihnen in diesem Dokumentenbuch nicht vorgelegt worden, weil es schon vorher dem Gerichtshof überreicht wurde. Ich wollte nur zwei Sätze daraus verlesen.

VORSITZENDER: Gut.

M. FAURE: Aus diesem Dokument geht klar hervor, daß drei Herren der Deutschen Botschaft, Abetz, Schleier und Zeitschel, mit Dannecker in der Judenfrage zusammengearbeitet haben. Das geht aus dem Dokument klar hervor, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Soll ich darauf antworten, ist das eine Frage?

M. FAURE: Das ist eine Frage.

VON RIBBENTROP: Auf diese Frage muß ich »natürlich« antworten. Sicherlich haben sie irgendwie in der Judenfrage in Frankreich mitgearbeitet, das ist ganz klar. Aber ich kann dazu weiter sagen, daß die Französische Anklagevertretung sicher darüber informiert ist, daß der Botschafter Abetz sowohl von mir instruiert war als auch von sich aus in dieser Frage immer in ausgleichendem Sinne gewirkt hat. Selbstverständlich war die Botschaft auf diesem Gebiet irgendwie beteiligt. Hierfür habe ich selbstverständlich die Verantwortung zu übernehmen, was meine Herren gemacht haben, und ich möchte nochmals wiederholen, daß meine Weisungen und die. Tätigkeit des Botschafters Abetz immer im entgegengesetzten Sinne liefen. Es ist ganz klar, daß bei der grundsätzlichen antisemitischen Einstellung und Politik der Deutschen Regierung diese sich auf alle Abteilungen ausstrahlte, und daß natürlich auf irgendeinem Gebiete, ich möchte sagen, jede Dienststelle irgendwie mit diesen Dingen in Berührung kam. Unsere Aufgabe im Auswärtigen Amt war, und das könnte tausendfach bewiesen werden, wenn die Akten vorgelegt werden würden, immer ausgleichend auf diesem Gebiet zu wirken.

Wir mußten oft Dinge, ich möchte sagen, in der Richtung einer antisemitischen Politik machen, aber wir haben immer versucht, diese Dinge wieder einzufangen und auszugleichen. Tatsächlich verantwortlich für irgendwelche Judenmaßnahmen in Frankreich war jedenfalls die Deutsche Botschaft nicht.

M. FAURE: Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Schriftstück, RF-1210, lenken. Es ist ein zweiter Bericht Danneckers vom 22. Februar 1942. Ich lese von Seite 3 dieses Dokuments, Seite 2 des deutschen Textes.

VON RIBBENTROP: Ich möchte gleich sagen, daß ich nicht einmal weiß, wer Dannecker ist, vielleicht können Sie mir etwas darüber sagen in dieser Angelegenheit.

M. FAURE: Ich habe Ihnen gesagt, daß Dannecker Bearbeiter für Judenfragen in Frankreich war. Im übrigen sind diese Dokumente bereits vor langer Zeit dem Gerichtshof und der Verteidigung unterbreitet worden.

Auf Seite 3 des Dokuments, im deutschen Dokument Seite 2, ist ein Absatz, betitelt »Aktionen«, aus dem ich nur einen Satz verlese:

»Bisher wurden 3 Großaktionen gegen die Pariser Judenschaft gestartet.«

Und jetzt, wenn Sie sich die letzte Seite des Dokuments ansehen wollen, im vorletzten Absatz, so lesen Sie folgendes:

»Seit Mitte 1941 findet wöchentlich einmal die soge nannte ›Dienstagbesprechung‹ statt, an der Vertreter folgender Dienststellen teilnehmen:

I. Militärbefehlshaber Verwaltungsstab Abt. Verwaltung

II. Militärbefehlshaber Verwaltungsstab Gruppe Polizei

III. Militärbefehlshaber Verwaltungsstab Abt. Wirtschaft

IV. Deutsche Botschaft Paris

V. Einsatzstab Westen des Reichsleiters Rosenberg.

Die Besprechung hat bewirkt, daß (selbstverständlich mit ganz geringen Ausnahmen, die durch Außenseiter hervorgerufen wurden) eine absolute Ausrichtung der Judenpolitik im besetzten Gebiet erfolgt.«

Aus diesem Dokument geht wohl hervor, daß Ihre Mitarbeiter mit der Judenpolitik in den besetzten Gebieten einverstanden waren, und daß diese Politik die Verhaftung der Juden vorsah. Ist das richtig?

VON RIBBENTROP: Darf ich dazu Stellung nehmen? Nach meiner Kenntnis dürften diese Außenstellen in diesem Falle, wie so oft in solchen Fällen, der Deutsche Botschafter gewesen sein. Sie werden sich eingeschaltet haben, um diese Dinge in ruhige Bahnen zu lenken.

M. FAURE: Ich möchte, daß Ihnen jetzt das Dokument RF-1220 vorgelegt wird. Es ist ein Brief der Deutschen Botschaft vom 27. Juni 1942, der an den Chef der Sicherheitspolizei und den SD in Frankreich gerichtet ist. Bevor ich eine Frage stelle, möchte ich mit Ihnen die beiden ersten Absätze dieses Briefes lesen:

»Auf Grund der Besprechung mit Hauptsturmführer Dannecker vom 27. 6, in der mir derselbe erklärte, daß er möglichst bald 50000 Juden aus dem umbesetzten Gebiet zwecks Abtransport nach dem Osten brauche und außerdem erklärte, daß auf Grund der Aufzeichnungen des Generalkommissars für Judenfragen, Darquier de Pellepoix, unbedingt für diesen etwas getan werden müsse, habe ich die Angelegenheit unmittelbar nach der Besprechung Botschafter Abetz und Gesandten Rahn vorgetragen. Herr Gesandter Rahn trifft heute noch im Laufe des Nachmittags mit Präsidenten Laval zusammen und hat mir zugesagt, daß er mit demselben sofort die Angelegenheit der Überstellung von 50000 Juden besprechen wird, und außerdem darauf dringen werde, daß Darquier de Pellepoix im Rahmen der bereits erlassenen Gesetze vollkommene Handlungsfreiheit erhält und die ihm zugesagten Kredite auch sofort ausgehändigt bekommt.«

Jetzt möchte ich Ihnen eine Frage stellen, und ich wünsche darauf eine kurze Antwort:

War Ihnen dieser Schritt, der die Auslieferung von 50000 Juden verlangte, bekannt?

VON RIBBENTROP: Nein, das war er nicht. Ich habe das hier zum ersten Male gehört, als dieses Dokument, glaube ich, schon einmal verlesen worden ist.

M. FAURE: Wenn Ihre Mitarbeiter Abetz, Rahn und Zeitschel solche Schritte unternahmen, ohne Sie davon in Kenntnis zu setzen, ist das nicht ein Zeichen dafür, daß sie dachten, im Sinne ihrer allgemeinen Vorschriften zu handeln?

VON RIBBENTROP: Nein, das glaube ich nicht; sie haben in Paris sehr selbständig gearbeitet, aber ich möchte nochmals wiederholen, für alles, was die Herren gemacht haben, übernehme ich die Verantwortung. Das möchte ich an die Spitze stellen.

Aber ich habe von dieser Maßnahme über die 50000 Juden nichts gewußt. Und ich weiß ja auch gar nicht, ob das nachher wirklich dazu gekommen ist, und in welcher Form die Herren sich da eingeschaltet haben. Das geht aus dem Brief gar nicht hervor, und ich weiß nur eines, daß meine generelle Weisung war, in diesen Dingen langsam zu treten und nach Möglichkeit die Dinge entsprechend meiner Grundauffassung zu überbrücken und nichts zu tun, um die Dinge etwa zu forcieren, sondern im Gegenteil zu applanieren. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

M. FAURE: Während der Vernehmung Ihres Zeugen Steengracht hat die Britische Anklagevertretung das Dokument 3319-PS vorgelegt, das Beweisstück GB-287 geworden ist. Ich möchte mich gern wegen einer Frage noch einmal auf dieses Dokument beziehen.

In diesem Dokument ist der Bericht über eine Versammlung oder einen Kongreß enthalten, dem alle Berichterstatter über die Judenfrage in den verschiedenen diplomatischen Missionen in Europa beiwohnten. Dieser Kongreß wurde am 3. und 4. April 1944 in Krummhübel abgehalten. Er wurde von Schleier veranstaltet. Es wurde hier neulich verlesen. Ich nehme an, daß Sie über diesen Kongreß Bescheid wußten?

VON RIBBENTROP: Nein, ich höre hier zum ersten Male. Was ist das für ein Kongreß? Ich habe nie gehört, daß ein Kongreß stattgefunden hat. Was soll das für ein Kongreß sein?

M. FAURE: Dieses Dokument ist bereits vorgelegt worden; es handelt sich um einen Kongreß, der stattgefunden...

VON RIBBENTROP: Ich weiß nur von einem Kongreß, den ich den Führer gebeten habe, nicht abzuhalten. Das weiß ich. Aber von einem Kongreß, der stattgefunden hat, weiß ich gar nichts. Ich bitte, mir nähere Informationen zu geben.

M. FAURE: Dieses Dokument wurde dem Gerichtshof vorgelegt. Ich will nur eine Frage stellen. Sie haben ausgesagt, daß Sie nichts von diesem Kongreß wissen, an welchem 31 Personen teilgenommen haben, die fast alle dem diplomatischen Dienst angehörten. Ich will Sie darauf aufmerksam machen, daß während dieser Zusammenkunft der Botschaftsrat von Thadden eine Erklärung abgegeben hat, die folgendermaßen wiedergegeben wurde:

»Der Redner gab einen Überblick, aus welchem Grunde die zionistische Palästinalösung oder ähnliche Ersatzlösungen abgelehnt und die Aussiedlung der Juden in die Ostgebiete durchgeführt werden müsse.«

Ich nehme an, daß durch diese Erklärung, die durch einen Botschaftsrat vor 31 Personen Ihrer Dienststelle gemacht wurde, auch Ihre eigene Anschauung in dieser Sache zum Ausdruck gebracht wird.

VON RIBBENTROP: Ja, also ich weiß überhaupt nicht, was Sie meinen. Ich bitte, mir zunächst mal die Unterlage zur Verfügung zu stellen, um was es sich hier überhaupt handelt. Ich bin darüber überhaupt nicht im Bilde. Ich habe schon einmal gesagt, von einem Kongreß weiß ich nichts, sondern ich weiß nur von einem, den ich abbestellt habe; das war ein internationaler Kongreß, der abgehalten werden sollte. Von einem Kongreß von Diplomaten weiß ich nichts. Ich bitte, mir darüber die Unterlage zur Verfügung zu stellen, damit ich dazu Stellung nehmen kann.

M. FAURE: Ich habe nicht die Absicht, Ihnen dieses Dokument zu zeigen. Ich habe Ihnen einen Satz, der darin vorkommt, vorgelesen. Und ich frage Sie nur, ob dieser Satz Ihre Ansicht wiedergibt. Antworten Sie mit Ja oder Nein.

VON RIBBENTROP: Dann bitte ich, den Satz zu wiederholen. Ich bitte aber nochmals, festzustellen, es hat kein Kongreß stattgefunden, das ist nicht wahr.

DR. HORN: Herr Präsident! Ich erhebe Einspruch gegen diese Frage, wenn dem Angeklagten nicht die Grundlage gegeben werden kann, um eine wahrheitsgemäße Antwort zu geben.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Frage zulässig war.

M. FAURE: Ich bitte Sie, mir zu antworten, ob dieser Satz, den ich soeben verlesen habe, Ihrer Ansicht entsprach.

VON RIBBENTROP: Ich bitte noch einmal den Satz; ich habe es nicht genau verstanden.

M. FAURE:

»Der Redner gab einen Überblick, aus welchem Grund die zionistische Palästinalösung oder ähnliche Ersatzlösungen abgelehnt und die Aussiedlung der Juden in die Ostgebiete durchgeführt werden müsse.«

War das Ihre Anschauung?

VON RIBBENTROP: Nein, das war es nicht.

M. FAURE: Wurde Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, daß die italienischen Behörden in Frankreich die Juden gegen die Verfolgungen der Deutschen schützten?

VON RIBBENTROP: Ja, ich entsinne mich, daß da etwas Derartiges war, aber genau weiß ich es nicht mehr.

M. FAURE: Haben Sie in dieser Beziehung bei der Italienischen Regierung interveniert?

VON RIBBENTROP: Ich entsinne mich, daß ich einmal entweder mit Mussolini oder Graf Ciano gesprochen habe, daß in Frankreich bestimmte – da waren, glaube ich – Sabotageakte oder solche Sachen, Spionage, vorgekommen, und daß man dort aufpassen müßte, und in diesem Zusammenhang ist, glaube ich, auch über die Judenfrage gesprochen worden.

M. FAURE: Ich möchte, daß Ihnen das Dokument D-734 gezeigt wird, das ich als Beweisstück RF-1501 vorlegen möchte. Diese Note ist überschrieben: »Aufzeichnung über die Unterredung zwischen dem RAM und dem Duce im Palazzo Venezia am 25. Februar 1943 in Anwesenheit der Botschafter von Mackensen und Alfieri und des Staatssekretärs Bastianini.« Ich möchte Ihnen den zweiten Absatz vorlesen:

»Weiterhin behandelte der RAM die Judenfrage. Dem Duce sei bekannt, daß Deutschland hinsichtlich der Behandlung der Juden radikal eingestellt sei. Durch die Entwicklung des Krieges in Rußland habe es hier noch größere Klarheit gewonnen. Es habe aus Deutschland und den von Deutschland besetzten Gebieten alle Juden in Reservate im Osten abtransportiert. Er (der RAM) wisse, daß diese Maßnahme besonders auf der Feindseite als grausam bezeichnet würde. Sie sei aber notwendig, um den Krieg erfolgreich durchführen zu können.«

Ich werde den folgenden Absatz nicht verlesen, sondern den vierten.

»Auch Frankreich habe gegen die Juden Maßnahmen ergriffen, die äußerst nützlich seien. Sie seien nur vorübergehend, da die endgültige Lösung auch hier im Abtransport der Juden nach dem Osten bestehen würde. Er (der RAM) wisse, daß man in militärischen Kreisen Italiens, wie übrigens auch gelegentlich unter den deutschen Militärs, der Judenfrage oft nicht das notwendige Verständnis entgegenbringe. Nur so könne er sich einen Befehl des Comando Supremo erklären, der Maßnahmen, die die französischen Behörden auf deutsche Einwirkung hin gegen die Juden ergriffen hätten, in dem italienischen Besatzungsgebiet Frankreichs wieder rückgängig gemacht habe. Der Duce bestritt die Richtigkeit dieser Mitteilung und führte sie auf die Taktik der Franzosen zurück, zwischen Deutschland und Italien Uneinigkeit hervorzurufen.«

Jetzt möchte ich Sie etwas fragen: Vorher sagten Sie uns, daß Sie alle Juden nach Madagaskar auswandern lassen wollten. Liegt Madagaskar in diesem Ost- Reservat, von dem in diesem Dokument die Rede ist?

VON RIBBENTROP: Von was, ich habe nicht verstanden?

M. FAURE: Nach diesem Dokument haben Sie davon gesprochen, daß Sie alle Juden in die Ost-Reservate bringen wollen, und vorhin sagten Sie uns, daß die Juden nach Madagaskar auswandern sollten. Handelt es sich auch hier um Madagaskar?

VON RIBBENTROP: Nein, das war der Plan des Führers. Bei diesem Dokument handelt es sich darum, daß damals eine sehr weite Spionageorganisation, glaube ich, entdeckt worden war in Frankreich. Der Führer schickte mich, gelegentlich einer Italienreise und sagte mir, ich sollte mit Mussolini sprechen, um dafür zu sorgen, daß bei diesen Spionage- und Sabotagearbeiten gefaßte Juden, die Italienische Regierung nicht eingriffe oder das italienische Militär, um diese Maßnahme zu hindern, und mit diesem möchte ich dazu gleich grundsätzlich sagen, ich wußte, und das war auch der Plan des Führers, daß die Juden Europas in großem Stile entweder in Madagaskar oder in Afrika oder in Reservaten im Osten angesiedelt werden sollten. Das war ja allgemein in Deutschland bekannt. Und hierum handelt es sich hier nur, und ich weiß, daß damals einige sehr unangenehme Sachen passiert waren, und der Führer war der Überzeugung, daß dies zurückzuführen sei auf jüdische Organisationen, die sich, glaube ich, in Südfrankreich befanden. Ich habe damals, das entsinne ich mich jetzt sehr genau, mit Mussolini darüber gesprochen und ihn gebeten, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, weil diese Juden dem englischen und amerikanischen Nachrichtendienst die ganzen Nachrichten brachten. Dies waren jedenfalls die Nachrichten, die dem Führer laufend zugingen.

M. FAURE: Sie sagten doch, daß alle Juden nach dem östlichen Reservat deportiert werden sollten. Das ist doch richtig? Bitte, antworten Sie mit Ja oder Nein.

VON RIBBENTROP: Ob ich dafür war?

M. FAURE: Deutschland hat aus deutschen und aus allen von ihm besetzten Gebieten die Juden in die Reservate im Osten abtransportiert. Das ist doch richtig?

VON RIBBENTROP: Ich weiß im einzelnen nicht, was das für eine Urkunde ist. Was ich da im einzelnen gesagt habe, weiß ich nicht. Jedenfalls wußte ich, daß der Führer befohlen hatte, daß die Juden in Europa in den besetzten Gebieten nach den Reservaten im Osten transportiert werden sollten und dort angesiedelt werden sollten. Das wußte ich. Die Durchführung dieser Maßnahmen war allerdings nicht meine Aufgabe als Außenminister des Auswärtigen Amtes, aber ich wußte, daß der Führer dies wünschte. Bei dieser Gelegenheit habe ich, wie ich mich entsinne, den Auftrag von ihm erhalten, mit der Italienischen Regierung in diesem Sinne zu sprechen, damit auch sie entsprechende Maßnahmen in der jüdischen Frage ergreifen möge. Auch für andere Länder ist dies der Fall gewesen, wo wir verschiedentlich Telegramme schicken mußten, damit die Länder die jüdische Frage lösen sollen.

VORSITZENDER: Herr Faure! Haben Sie dem Zeugen den zweiten Absatz vorgelesen, der mit den Worten beginnt: »Weiterhin behandelte der Reichsaußenminister die Judenfrage?«

M. FAURE: Jawohl, Herr Vorsitzender. Das ist der Absatz, den ich eben verlesen habe.

VORSITZENDER: Ja, Sie haben den dritten verlesen, aber ich weiß nicht, ob Sie den zweiten auch verlesen haben. Sie haben also den zweiten auch verlesen? Gut.

M. FAURE: Jawohl, Herr Vorsitzender, ich habe ihn ebenfalls verlesen.

VORSITZENDER: Es handelt sich um ein neues Dokument, nicht wahr?

M. FAURE: Ja, Herr Vorsitzender, es ist ein Dokument, das ich als RF-1501 vorlegen möchte. Es ist ein Dokument der britischen Dokumentensammlung der Serie D. Es ist D-734.

VORSITZENDER: Hat der Angeklagte in seiner Aussage zugegeben, daß es im wesentlichen eine genaue Wiedergabe der Unterhaltung darstellt?

VON RIBBENTROP: Das kann ich nicht mehr genau sagen, Herr Präsident, was ich damals genau gesagt habe, ich weiß und sehe nur aus diesem Dokument, aus den Worten, daß die Juden die Verbreiter englisch-amerikanischer Nachrichten seien. Mir ist erinnerlich, daß damals eine große Spionage- und Sabotageorganisation im Gange war, die sehr zu schaffen machte in Frankreich, und daß in diesem Rahmen der Führer mich beauftragt hat, mit Mussolini zu sprechen, weil die Italiener gewissen Maßnahmen in Frankreich entgegenarbeiteten. Ich habe damals mit Mussolini in dem Sinne gesprochen, daß der Führer der Auffassung sei, daß man in diesen Fragen sehr klare Verhältnisse schaffen müßte.

VORSITZENDER: Angeklagter! Ich glaube, das haben Sie uns alles schon gesagt. Die Frage, die ich an Sie richtete, war, ob Sie zugeben, daß dies im wesentlichen eine genaue Wiedergabe der Unterhaltung war.

VON RIBBENTROP: Ich halte den Bericht in einigen Punkten nicht für richtig, aber grundsätzlich liegt es so, wie ich es eben ausgeführt habe.

M. FAURE: Nun, Sie haben über diese Angelegenheit auch mit Horthy gesprochen, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Ja, ich mußte mehrere Male mit der Ungarischen Regierung sprechen, um sie dazu zu bekommen, etwas in der Judenfrage zu unternehmen. Der Führer drang sehr stark darauf. Ich habe daher verschiedentlich mit dem Ungarischen Gesandten über diese Frage gesprochen, und es handelte sich vor allem damals darum, in einem Stadtteil von Budapest, ich glaube es war etwas außerhalb von Budapest, oder in – ich kenne Budapest nicht genau, jedenfalls in Budapest selbst, irgendwie die Juden zu konzentrieren. Das war ein Punkt. Und der zweite Punkt war der, daß sie aus maßgebenden Stellen der Regierung ausgeschaltet werden möchten, weil schon in den ganzen Jahren sich gezeigt hatte, daß jüdischer Einfluß hier maßgebend war, um Ungarn zu einem Sonderfrieden zu bringen.

M. FAURE: Das Dokument, das sich auf diese oder eine andere Besprechung, die Sie mit Horthy hatten, bezieht, ist bereits vorgelegt worden. Es ist die Besprechung vom 17. April 1943. Das Dokument trägt die Bezeichnung D-736 und wurde als GB-283 vorgelegt. Während der Aussage Ihres Zeugen Schmidt hat der Vertreter der britischen Anklage diesen Zeugen gefragt, ob er zugibt, dieses Protokoll angefertigt zu haben. Das wurde von Schmidt bestätigt. Dieses Protokoll hat unten im ersten Absatz folgende Hinweise:

»... erklärte der RAM, daß die Juden entweder vernichtet oder in Konzentrationslager gebracht werden müßten. Eine andere Möglichkeit gäbe es nicht.«

Das haben Sie doch gesagt, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: So habe ich das bestimmt nicht gesagt. Aber ich möchte dazu folgende Stellung nehmen:

Es ist eine Aufzeichnung, die der Gesandte Schmidt anscheinend, wie er das immer machte, einige Tage später aufnotiert hatte, von einer langen Aussprache des Führers mit Herrn Horthy. Ich habe schon gesagt, daß der Führer mich verschiedentlich beauftragt hatte, mit Herrn Horthy, mit der Ungarischen Regierung, mit dem Gesandten, zu sprechen, um zu einer Lösung der Judenfrage zu kommen.

Damals als Horthy den Führer besuchte, hat der Führer diese Frage angeschnitten, und zwar in einem sehr krassen Sinne, und ich entsinne mich genau, daß ich mit dem Gesandten Schmidt anschließend an diese Unterredung noch gesprochen habe, daß ich den Führer eigentlich nicht ganz verstanden hätte.

Diese Bemerkung hier ist so bestimmt nicht gefallen. Herr Horthy hatte hier anscheinend gesagt, er könne die Juden ja nicht totschlagen; es wäre möglich, daß ich anknüpfend hieran, da das ja sowieso nicht in Frage käme, versucht habe, auch Horthy wieder in die Richtung zu bringen, daß er nunmehr die Juden... irgend etwas überhaupt in der Judenfrage in Budapest tun sollte, nämlich, daß er nun diese Konzentrierung, die schon seit Jahr und Tag vom Führer gewünscht wurde, vornehmen möchte. Darauf konnte sich mein Einwand oder meine Zwischenbemerkung beziehen.

Ich muß auch dazu weiter sagen, daß damals die Dinge so lagen, daß von seiten Himmlers verschiedentlich bei uns immer wieder vorgesprochen wurde, damit Himmler selbst die Judenfrage in Ungarn in die Hand nehmen konnte. Ich wollte das nicht, weil in irgendeiner Form da außenpolitische Schwierigkeiten durchkommen könnten.

Ich habe daher auf Wunsch des Führers, der sehr hart in dieser Frage war, bekanntlich verschiedentlich versucht, hier ausgleichend zu wirken, gleichzeitig aber die Ungarn dazu zu bestimmen, auf alle Fälle einmal etwas zu tun in der Sache. Wenn also hier irgendeine Bemerkung, die aus einem langen Gespräch herausgerissen und kurz zusammengefaßt worden ist, ungefähr eine solche Feststellung enthält, so ist bestimmt das niemals damit gemeint gewesen, daß ich wünschte, daß die Juden totgeschlagen werden. Das entsprach hundertprozentig nicht meiner inneren Einstellung.

M. FAURE: Ich habe nicht verstanden, ob Sie meine Frage beantwortet haben oder nicht. Ich muß Sie also noch einmal fragen: Ist der Bericht richtig, oder ist er nicht richtig?

VON RIBBENTROP: Nein, so kann er nicht richtig sein. Das ist eine Niederschrift. Ich habe diese Niederschrift persönlich niemals gesehen, möchte ich gleich hier sagen, sonst hätte ich sofort gleich darauf hingewiesen, daß das ja Unsinn ist, daß das mißverstanden werden könnte. Ich habe die Niederschrift also nicht gesehen, sondern ich habe sie hier in Nürnberg zum erstenmal gesehen.

Ich kann nur eines sagen, daß es möglicherweise sich zugetragen hat, daß ich irgendwie gesagt habe... ja also, »daß man die Juden ja nicht vernichten oder totschlagen kann, bitte tun Sie doch was in der Richtung, damit der Führer endlich befriedigt ist, und konzentrieren Sie die Juden.«

Das war damals jedenfalls unser Bestreben, um – und zwar nicht etwa die Dinge dort zu verschärfen, sondern um in Ungarn etwas zu tun, damit die Dinge nicht von anderen Stellen in die Hand genommen, und damit das Auswärtige Amt außenpolitische Schwierigkeiten bekommen würde.

M. FAURE: Sie wußten doch zu dieser Zeit, daß viele Juden deportiert worden waren; das geht doch aus Ihren Ausführungen hervor.

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, verlassen Sie jetzt dieses Dokument?

M. FAURE: Ich spreche noch von diesem Dokument, aber nur in mehr allgemeinen Zügen.

VORSITZENDER: Sie verlassen es jetzt, sagten Sie?

M. FAURE: Jawohl.

VORSITZENDER: Also, Angeklagter! Der Gerichtshof möchte wissen, ob Sie dem Regenten Horthy gesagt haben, daß die Juden in Konzentrationslager gebracht werden sollten?

VON RIBBENTROP: Ich halte das ja für wahrscheinlich, daß das so war; denn wir hatten damals den Auftrag, es sollte ein Konzentrationslager bei Budapest oder eine Konzentrierung der Juden dort stattfinden, und der Führer hatte mich schon seit langem beauftragt, in der Richtung einer Lösung der Judenfrage mit den Ungarn zu sprechen. Sie sollte aus zwei Dingen bestehen: erstens, die Entfernung der Juden aus den maßgebenden Regierungsstellen, und zweitens, da es so viele Juden in Budapest gab, in einer Konzentrierung der Juden in bestimmten Stadtteilen in Budapest.

VORSITZENDER: Ich verstehe Ihre Darstellung dahin, daß dieses Dokument ungenau ist.

VON RIBBENTROP: Das ist nicht genau, ja. Ich möchte so sagen, Herr Präsident, es sieht so aus, wenn man dieses Dokument liest, als ob in diesem Dokument ich eine Vernichtung oder ein Totschlagen der Juden überhaupt für möglich oder etwa für erstrebenswert gehalten hätte. Das ist vollkommen abwegig. Sondern, was vielmehr hier gesagt worden ist und später aufgezeichnet worden ist, konnte nur so verstanden werden, daß ich wünschte, daß man in Ungarn irgend etwas tun solle in der Judenfrage, damit nicht hier andere Stellen sich in die Dinge einmischen würden; denn der Führer hat mit mir öfters darüber gesprochen, und zwar sehr ernst, daß nunmehr die Judenfrage in Ungarn gelöst werden müßte...

VORSITZENDER: Das haben Sie uns wohl schon gesagt. Was ich Sie fragen wollte, war folgendes: Behaupten Sie, daß Schmidt, der diese Denkschrift verfaßt hat, die letzten Sätze erfunden hat, die Sätze, die mit den Worten beginnen:

»Wenn die Juden dort nicht arbeiten wollen, würden sie erschossen. Wenn sie nicht arbeiten könnten, müß ten sie verkommen. Sie wären wie Tuberkelbazillen zu behandeln, an denen sich ein gesunder Körper anstecken könne. Das wäre nicht grausam, wenn man bedenke, daß sogar unschuldige Naturgeschöpfe, wie Hasen und Rehe, getötet werden müßten, damit kein Schaden entstehe. Weshalb sollte man die Bestien, die uns den Bolschewismus bringen wollten, mehr schonen? Völker, die sich der Juden nicht erwehrten, verkämen. Eines der berühmtesten Beispiele dafür sei das Absinken des einst so stolzen Volkes der Perser, die jetzt als Armenier ein klägliches Dasein führen.«

Behaupten Sie, daß Schmidt diese ganzen Sätze erfunden hat oder sie sich eingebildet hat?

VON RIBBENTROP: Herr Präsident! Ich möchte dazu sagen, daß ich selbst über diese Worte des Führers damals sehr traurig war und habe es nicht ganz verstanden, aber es ist vielleicht diese Einstellung nur zu verstehen, daß der Führer ja glaubte, daß die Juden diesen Krieg herbeigeführt hätten, und daß sich allmählich bei ihm da ein sehr fanatischer Haß entwickelte.

Ich entsinne mich auch, daß ich später nach dieser Unterredung mit dem Dolmetscher Schmidt und mit beiden Herren gesprochen habe, daß der Führer hier zum ersten Male Ausdrücke gebraucht hätte in der Judenfrage, die ich nicht mehr verstehen könnte. Diese Worte waren zweifellos von Schmidt nicht erfunden, und daß der Führer damals in ähnlichem Sinne gesprochen hat, das ist richtig.

VORSITZENDER: Bitte, Herr Faure.

M. FAURE: Aus dem Dokument geht hervor, daß Sie dachten, daß es Konzentrationslager in Ungarn gab; gestern sagten Sie aber, daß Sie nicht wußten, daß es welche in Deutschland gegeben hat. Ist das richtig?

VON RIBBENTROP: Ich wußte nicht, daß es Konzentrationslager in Ungarn gab, sondern ich sagte, daß der Führer mich angewiesen hätte, mit Horthy – der Ungarischen Regierung – zu sprechen, daß er die Juden in Budapest in bestimmten Stadtteilen konzentrieren möchte. Über Konzentrationslager in Deutschland, über meine Kenntnis davon, habe ich gestern bereits ausgesagt.

M. FAURE: Sie haben zugegeben, daß Sie Hitlers Politik, alle Juden zu deportieren, kannten, und Sie haben auch zugegeben, daß Sie als Außenminister im Bereich Ihrer Zuständigkeit diese Politik unterstützt haben. Das ist doch richtig?

VON RIBBENTROP: Ich habe die Befehle des Führers auch auf diesem Sektor als treuer Gefolgsmann befolgt, ich habe aber alles immer versucht zu tun, um möglichst diese Dinge abzuschwächen. Das kann auch durch viele Zeugen bewiesen und erörtert werden. Ich habe noch im Jahre 1943 dem Führer eine umfassende Denkschrift gemacht, in der ich dringend bat, eine absolute Änderung der Judenpolitik vorzunehmen. Auch viele andere Beispiele könnte ich darüber zitieren.

M. FAURE: Wenn ich Ihre Aussage richtig verstehe, so waren Sie moralisch absolut gegen die Judenverfolgungen, aber Sie haben geholfen, dieselben durchzuführen, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Ich habe schon wiederholt gesagt, gleich anfangs meiner Vernehmung, daß ich niemals in dem Sinne ein Antisemit gewesen bin. Aber ich war ein treuer Gefolgsmann Adolf Hitlers.

M. FAURE: Außer der Judenfrage befaßten Sie sich mit der Verhaftung von Franzosen, nicht wahr?

VON RIBBENTROP: Mit der Verhaftung von Franzosen...

M. FAURE: Ja. Haben Sie Befehle zur Verhaftung von Franzosen erteilt? Ja oder nein?

VON RIBBENTROP: Das ist durchaus möglich, daß das gewesen ist. Durchaus möglich.

M. FAURE: Können Sie uns etwas Genaueres darüber sagen?

VON RIBBENTROP: Nein, mir fallen im Augenblick keine Einzelheiten ein. Jedenfalls weiß ich, daß Franzosen verhaftet worden sind. Inwieweit das damals von uns ausging, das weiß ich nicht. Es war im Jahre, glaube ich, 1944, kurz vor der Invasion, als eine Weisung des Führers gegeben wurde, eine große Anzahl von maßgebenden Franzosen der Widerstandsbewegung schlagartig zu verhaften, und ich glaube, daß auch wir darüber Bescheid wußten; es ist auch möglich, daß von uns aus da irgendwie mitgewirkt worden ist. Im einzelnen weiß ich das nicht mehr.

Es handelte sich um die Verhaftungen von denjenigen Elementen, die im Falle einer Invasion die Widerstandsbewegung entfachen und der deutschen Armee in den Rücken fallen könnten. Einzelheiten kann ich nicht mehr sagen.

M. FAURE: Ich möchte, daß man Ihnen jetzt ein Dokument zeigt, welches als RF-1506 vorgelegt wird. Es ist ein Affidavit von Dr. H. Knochen. Ich lese Ihnen einige Auszüge aus diesem Dokument vor:

»Ende 1943, es wird im Dezember gewesen sein, fand im Auswärtigen Amt eine Besprechung über durchzuführende Festnahmen in Frankreich statt. Da ich mich in Berlin befand, wurde ich ebenfalls aufgefordert teilzunehmen. An der Besprechung nahmen teil:

Reichsaußenminister von Ribbentrop, Staatssekretär von Steengracht, Botschafter Abetz, ein weiterer Angehöriger des Auswärtigen Amtes, dessen Namen ich nicht kenne, der Chef der SIPO und SD, Dr. Kaltenbrunner, der Höh. SS- und Polführer Frankreich, Oberg, und als Vertreter des Militärbefehlshabers, wenn ich mich recht erinnere, dessen Chef des Stabes, Oberst Koßmann.

Der Minister führte aus, der Führer erwarte, daß in Frankreich in nächster Zeit mehr als bisher Obacht gegeben werden müßte. Die gegnerischen Kräfte dürften nicht stärker werden. Alle deutschen Dienststellen hätten daher verstärkt ihre Pflicht zu tun.«

Ich überspringe den nächsten Absatz und fahre fort:

»Er sehe eine Gefahr im Falle einer Invasion in den führenden Kreisen der Franzosen, die nicht mit Deutschland zusammenarbeiten wollten, sondern insgeheim gegen Deutschland arbeiteten. Diese könnten der Truppe in dieser Zeit gefährlich werden. In der Wirtschaft, Akademien, gewissen militärischen und politischen Kreisen und in all den Schichten, die mit diesen zusammenhingen, wären diese gefährlichen Elemente zu suchen. Er stelle sich vor, daß einmal schlagartig zugegriffen werden müsse. Um eine Zahl zu nennen, es könnten ruhig 2000 oder mehr sein. Man dürfte in einer Zeit, wo es um die Abwehr des Feindes von Europa gehe, auch in Frankreich vor einer solchen Präventivmaßnahme nicht zurückschrecken. Auf die Frage, wie dies gehandhabt werden sollte, erklärte der Minister, Botschafter Abetz werde diese Angelegenheit sofort selbst in die Hand nehmen und mit den deutschen Dienststellen eine Liste zusammenstellen, um alle sachlichen Belange zu berücksichtigen.«

Ich beende das Zitat an dieser Stelle. Ist das Dokument wahrheitsgetreu?

VON RIBBENTROP: Jawohl, ich entsinne mich genau dieser Besprechung, es war ein Befehl des Führers, daß sofort – das habe ich eben schon geäußert – eingegriffen werden sollte, und im Hinblick auf die eventuell bevorstehende Invasion sofort Maßnahmen ergriffen werden sollten, um alle irgendwie gefährlichen Elemente, die den Widerstand in dem Rücken der deutschen Armee entfachen könnten, festzunehmen, und ich habe das damals für eine absolut selbstverständliche Maßnahme gehalten, wie sie jede Regierung treffen wird, der das Wohl ihrer Truppe am Herzen liegt.

Ich habe dann diese Besprechung abgehalten. Der Führer wollte eine sehr viel größere Verhaftungswelle haben. Wir haben aber dann nur... es ist dann eine verhältnismäßig kleine Anzahl... sind, glaube ich, nur verhaftet worden.

Mit der Verhaftung selber nachher haben wir verhältnismäßig weniger zu tun gehabt, sondern das ist nachher von der Polizei durchgeführt worden.

Aber es ist ganz klar, daß damals diese Besprechung stattgefunden hat und daß wir das, was gemacht werden mußte, in dem Augenblick, da das vorgesehen wurde, nämlich die Verhaftung der Elemente, die im Falle einer Invasion gefährlich werden konnten, das ist ganz richtig.

M. FAURE: Ich habe keine weitere Frage mehr.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich jetzt.